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Veröffentlicht am 17.08.2022

Berührender Auftakt einer Familiensaga

Minna. Kopf hoch, Schultern zurück
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„Minna - Kopf hoch, Schultern zurück“ ist der Auftakt einer Familiensaga über drei starke Frauen, deren aller Leben durch eine Lüge verändert wird.

Ich hatte etwas Respekt vor dem 600 Seiten starken Buch, ...

„Minna - Kopf hoch, Schultern zurück“ ist der Auftakt einer Familiensaga über drei starke Frauen, deren aller Leben durch eine Lüge verändert wird.

Ich hatte etwas Respekt vor dem 600 Seiten starken Buch, aber dann bin ich nur so durch die Seiten geflogen und habe es in kurzer Zeit beenden können.

Darum geht es: Düsseldorf 1924. Die willensstarke Minna möchte glücklich werden, eine Familie gründen und sich aus der Armut befreien. Sie ist näherisch begabt, sieht gut aus und schon bald klopft der erste Verehrer an. Ihre Wünsche scheinen sich alle zu erfüllen, aber sie merkt schnell, dass man in der damaligen Zeit kein Verständnis für eine Frau hat, die ihre eigenen Entscheidungen trifft.

Minna (die lieber Mia genannt werden will) war mir nicht immer sympathisch und manche Reaktionen konnte ich nicht verstehen. Aber vielleicht ist sie mir gerade deswegen so ans Herz gewachsen. Sie ist stark und sie steht für sich ein.

Eine Besonderheit ist noch, dass die Autorin Felicitas Fuchs (Pseudonym der Erfolgsautorin Carla Berning) mit diesem Roman ihrer Großmutter Minna ein Denkmal gesetzt hat, denn er ist biografisch geschrieben!

Der Schreibstil ist schonungslos, nüchtern und realistisch. Ich habe mich regelrecht in die Zeit versetzt gefühlt und die war nicht einfach: Der Roman beginnt in den „goldenen“ 20er Jahren, endet im Jahr 1951 und handelt von der Weltwirtschaftskrise, den Schrecken im Dritten Reich und von der Besatzungszeit nach dem Krieg. Das Lebensgefühl und der Zeitgeist der Menschen werden sehr gut wiedergegeben. Die persönlichen Schicksale und das Frauenbild der damaligen Zeit stehen dabei im Vordergrund der Geschichte.

Besonders gut hat mir gefallen, dass die Geschichte aus mehreren Perspektiven erzählt wird. So kann der Leser in die Gedanken und die Gefühlswelt der anderen Personen eintauchen. Minna ist trotzdem die Hauptperson, das hat die Autorin wirklich toll umgesetzt.

Das letzte Kapitel hat mich richtig neugierig auf die Fortsetzungen gemacht, wo es um die Geschichten der nächsten Generation geht.

„Minna - Kopf hoch, Schultern zurück“ ist mir richtig unter die Haut gegangen und ich kann es nur empfehlen!

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Veröffentlicht am 09.08.2022

Spannend und beklemmend

Never - Die letzte Entscheidung
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Ken Follet ist einer der großen Autoren unserer Zeit und ich oute mich ganz offen als Fan seiner Werke. Mit der Jahrhundertsaga (Sturz der Titanen, Winter der Welt, Kinder der Freiheit) hat er ein beeindruckendes ...

Ken Follet ist einer der großen Autoren unserer Zeit und ich oute mich ganz offen als Fan seiner Werke. Mit der Jahrhundertsaga (Sturz der Titanen, Winter der Welt, Kinder der Freiheit) hat er ein beeindruckendes Werk geschaffen, das praktisch alle relevanten Ereignisse der (westlichen) Welt des 20. Jahrhunderts durch persönliche Geschichten erlebbar macht.
„Never“ steht hier in einem klaren Zusammenhang - ohne Zeitangabe spielt es in einer (nahen) Zukunft, stilistisch klar an die Jahrhundertsaga angelehnt und als Fortsetzung zu verstehen. Im Vorwort nimmt der Autor Bezug auf „Sturz der Titanen“ und seine Recherchen zum Ausbruch des ersten Weltkriegs. Ein Krieg, den eigentlich niemand wollte, und der durch eine Verkettung von Ereignissen unvermeidlich wurde. Wer sich mit der Geschichte des 20. Jahrhunderts auseinandergesetzt hat, kommt unweigerlich zur Frage, ob sich dies wiederholen kann. Follet greift diesen Gedanken auf und skizziert auf fast 900 Seiten, wie wenige Schritte notwendig sind, bis die Welt am Rande eines Atomkriegs steht - kann er verhindert werden?
Wie in seinen Werken üblich, erzählt Follet zunächst unabhängige Handlungsstränge unterschiedlicher Protagonisten - wobei in „Never“ einige Verbindungen schnell sehr eng werden, bevor am Ende alles zusammenläuft. Starke Frauen stehen dabei wie in seinen früheren Büchern im Mittelpunkt, dazu hat das Buch einen starken Geheimdienst-Fokus: Die US-Präsidentin Pauline Green, die CIA-Agentin Tamara Levit, die Witwe Kiah aus dem Tschad. Dazu kommen der CIA- Agent Abdul John Haddad sowie der chinesische Vizeminister Chang Kai.
Follet gelingt es in seiner unnachahmlichen Art, eine persönliche Beziehung zwischen seinen Figuren und dem Publikum aufzubauen. Sein Erzählstil macht es schwer, das Buch aus der Hand zu legen - es ergeben sich keine Längen und auch „Never“ wird seinem Anspruch gerecht, dass ein guter Roman 50 dramatische Szenen enthalten müsse (nein, ich habe nicht nachgezählt).
Dabei werden die drängenden Fragen unserer Zeit angesprochen: Der Klimawandel und die sich daraus ergebende Migration, Terrorismus, Menschen- und Drogenhandel, der Kampf zwischen Demokratie und autoritären Regimes. Es wird deutlich, dass es keine einfachen Lösungen für die komplexen Fragestellungen geben kann - und dass es keine einzelne Heldin gibt, die im Alleingang die Welt rettet.
Im Gegensatz zu den Kingsbridge-Romanen, der Jahrhundertsage oder seinen anderen Spionage-Thrillern existiert in „Never“ kein historischer Kontext, der Follet-typisch akkurat abgebildet werden müsste, dennoch merkt man auch diesem Roman die akribische Recherchearbeit von Follets Team an. Handwerklich und stilistisch spielt Follet in der Champions League.
Kritisch kann man anmerken, dass Follet ein klassisch europäisch-amerikanisches Weltbild wiedergibt: Die amerikanische Präsidentin (natürlich eine Frau), die sich um ihre Familie, ihr Volk und die Welt (in dieser Reihenfolge) sorgt, steht den chinesischen Parteikadern gegenüber, denen Ideologie (Kommunismus, Partei, Ehre) über alles geht. Dazu europäische Geheimdienste, die Terroristen in Afrika bekämpfen. Zwar gelingt es ihm, auch Zwischentöne einzubauen - aber das grobe, holzschnittartige Weltbild, das in Gut und Böse unterteilt, bleibt sichtbar.
Nichtsdestotrotz ein Buch, das man gelesen haben sollte. Es ist spannend und beklemmend - und spätestens nach dem Angriff von Putin auf die Ukraine absolut aktuell und konkret.

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Veröffentlicht am 05.08.2022

Wohlfühlroman

Das Wunder jenes Sommers
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Nachdem ich den Klappentext gelesen hatte, war mir als leidenschaftliche Hobbynäherin klar: Ich brauche dieses Buch! Die Idee, dass sich die Protagonistin Florence alias Flo die Garderobe aus längst vergangenen ...

Nachdem ich den Klappentext gelesen hatte, war mir als leidenschaftliche Hobbynäherin klar: Ich brauche dieses Buch! Die Idee, dass sich die Protagonistin Florence alias Flo die Garderobe aus längst vergangenen Zeiten nachschneidert und darin den Hinweisen aus dem mysteriösen Fund nachgeht, fand ich einfach ganz zauberhaft.

Der Roman spielt in zwei Zeitebenen. In der Gegenwart begleiten wir Florence und in der Vergangenheit Nancy. Nach und nach deckt sich auf, wie die zwei Frauen miteinander verbunden sind. Dabei reisen wir von Brighton über London nach Paris, weiter an die Cote d’Azur mit einem Zwischenstopp in Venedig, bevor wir wieder in Brighton landen.

Der Roman ist eher ruhig und trotzdem spannend und emotional. Die Autorin verleiht dem Buch mit ihrem Schreibstil unheimlich viel Wärme und für mich ist es ein echter „cozy“-Sommerroman! Zum Ende wird es richtig spannend und obwohl ich einige Dinge vorausgesehen habe, wurde ich dennoch von dem Ausgang der Geschichte überrascht.

Dieser „cozy“-Debütroman von Sarah Steele ist eine Geschichte fürs Herz. Am Ende lässt er einen mit einer Genugtuung zurück, die man auch empfindet, wenn man aus einem Stück Stoff, ein bisschen Garn, Schweiß und Herzblut ein fertiges Kleidungsstück zaubert. Ich hoffe sehr, in Zukunft noch mehr von Sarah Steele zu lesen!

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Veröffentlicht am 02.08.2022

Skandinavischer Thriller mit einer ganzen Palette dunkler Themen

Fuchsmädchen
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„Das beste schwedische Thriller-Debüt des Jahres“ sagt der Aufkleber auf dem Cover, dazu der Hype auf #bookstagram - mit diesen Vorschusslorbeeren, die „Fuchsmädchen“ begleiteten, war meine Neugier geweckt ...

„Das beste schwedische Thriller-Debüt des Jahres“ sagt der Aufkleber auf dem Cover, dazu der Hype auf #bookstagram - mit diesen Vorschusslorbeeren, die „Fuchsmädchen“ begleiteten, war meine Neugier geweckt und meine Erwartungen hoch.

Worum es geht: In einem See wird die Leiche eines Teenagers gefunden, alles deutet auf einen Selbstmord des Mädchens hin. Bei den Ermittlungen lernen sich die Ermittlerin Sanna Berling und ihre neue Kollegin Eir Pedersen kennen, die auf einer (fiktiven) schwedischen Insel bei der Mordkommission arbeiten. Wenig später beginnt eine Mordserie, die in Verbindung zu dem Selbstmord zu stehen scheint - durch eine geheimnisvolle Fuchsmaske.

Der Fuchs schaut uns auch auf dem Cover entgegen - auch wenn ich persönlich dort eher einen Wolf sehe als einen Fuchs. Die Augen und die Nase des Tieres blicken aus einer winterlichen Waldlandschaft, blutrot und als Reliefdruck prangt „Fuchsmädchen“ darüber.

Der Klappentext positioniert Eir als Hauptperson, in meiner Wahrnehmung war es eher Sanna - wir erfahren mehr über ihren Gemütszustand und ihre Geschichte als die ihrer Kollegin. Das Buch wird abwechselnd aus der Perspektive der beiden Protagonistinnen im Stil des allwissenden Erzählers geschildert. Dabei ist „Fuchsmädchen“ ein klassischer skandinavischer Thriller mit versehrten Hauptfiguren, die zwischen den Dämonen ihrer Vergangenheit und Gegenwart und ihrer Polizeiarbeit pendeln.

Das Buch ist spannend und fesselnd, ohne jedoch den Puls in die Höhe zu treiben. Die Auflösung ist überraschend und der Autorin gelingt es, die Zusammenhänge Stück für Stück offenzulegen, ohne zu früh zu viel zu verraten oder gar plump falsche Fährten zu legen.

„Fuchsmädchen“ ist ein lesenswertes Buch, aber keine leichte Lektüre. Die eingangs erwähnte Bewertung erscheint mir nur etwas überhöht. Auf jeden Fall ist es ein guter Einstieg in eine Triller-Reihe, denn Sanna und Eir haben großes Potential für eine Fortsetzungsgeschichte. Ihre Entwicklung zu begleiten, wird spannend sein - im Januar 2023 erscheint mit „Rotwild“ der zweite Band.

Das Buch verdient eine umfangreiche Triggerwarnung, von Selbstmord über Kindesmissbrauch und vielfältige psychische Probleme bis zu Drogenmissbrauch ist eine ganze Palette dunkler Themen enthalten - was freilich für skandinavische Thriller eher typisch denn ungewöhnlich ist. Im Vergleich zu Sanna und Eir ist Kurt Wallander ein lebensbejahender Sonnyboy…

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Veröffentlicht am 29.07.2022

Deutscher Krimi und die Ermittlerin hat echt „Wumms“

Frau Faust
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Schon auf den ersten Seiten wird klar: Katharina „Kata“ Sismann nimmt sich was sie will. Ich war direkt fasziniert von dieser knallharten Frau, die kein Blatt vor den Mund nimmt und sowohl privat, als ...

Schon auf den ersten Seiten wird klar: Katharina „Kata“ Sismann nimmt sich was sie will. Ich war direkt fasziniert von dieser knallharten Frau, die kein Blatt vor den Mund nimmt und sowohl privat, als auch beruflich eher unkonventionell unterwegs ist. Sie trägt die Story. Gerade die männlichen Charaktere fungieren hier eher als nettes Beiwerk, was Frauen ja leider sonst auch oft nur sind.

Durch Perspektivwechsel schafft es die Autorin gekonnt, immer mehr Spannung aufzubauen, so dass das Buch nach und nach ein richtiger Pageturner wird.

Der Schreibstil ist flüssig und so bildlich, dass ich mich bei der einen oder anderen Szene regelrecht schütteln musste. Immer wieder dachte ich, das würde ich gerne verfilmt sehen…

Wo die Reise nachher hingehen würde, damit habe ich nicht gerechnet! Chapeau, Frau Zimmermann, Sie haben mich überrascht (und ich liebe das als Leserin).

Besonders gut gefallen hat mir, dass die Kommissarin selbst irgendwie in den Fall verwickelt ist.

Am Ende hätte ich mir noch einen Epilog gewünscht. Jetzt muss ich wohl auf die Fortsetzung warten, denn ich finde, dass die Geschichte von „Frau Faust“ noch weitererzählt werden sollte!

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