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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 01.11.2023

Neuer Blickwinkel

Mit kalter Präzision
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Faszinierend war für mich, dass alle erzählten Begebenheiten und Tötungsdelikte tatsächlich so stattgefunden haben und es wundert mich nicht, dass Prof. Dr. Tsokos als Leiter der Rechtsmedizin der Berliner ...

Faszinierend war für mich, dass alle erzählten Begebenheiten und Tötungsdelikte tatsächlich so stattgefunden haben und es wundert mich nicht, dass Prof. Dr. Tsokos als Leiter der Rechtsmedizin der Berliner Charité über viel Wissen verfügt und die realen Fälle in eine fiktionale Geschichte transferieren konnte.

Als die Frau des renommierten Schönheitschirurgen Roderich Kracht stranguliert in ihrer Villa aufgefunden wird, wird die Rechtsmedizinerin Dr. Sabine Yao zum Tatort gerufen. Bei ihrer Untersuchung fällt ihr auf, dass der errechnete Todeszeitpunkt nicht mit dem Stadium der Totenstarre übereinstimmt, und das lässt ihr keine Ruhe.

Die Erzählweise ist einzigartig: sehr ruhig, sachlich, detailverliebt und anspruchsvoll - und damit äußerst intensiv. Nachdem ich mich an den Stil gewöhnt hatte, war ich regelrecht gefesselt und konnte das Buch nicht mehr zur Seite legen. Dabei war es nicht die Frage, wer der Mörder war, denn das kristallisierte sich recht früh heraus. Nein, es war das „Wie“, was die ganze Geschichte so spannend machte und zum Schluss zu meiner Zufriedenheit auch aufgedeckt wurde.

Zu der Protagonistin Sabine Yao konnte ich von Anfang an eine Verbindung aufbauen, die mit Wissensdurst, Besonnenheit und Klugheit auffällt und es mit ihrer familiären Situation nicht leicht hat.

Ich mochte es sehr, mit diesem Buch einen Einblick in die Rechtsmedizin zu bekommen und so auch mal einen anderen Blickwinkel in die Aufklärung von Kriminalfällen zu bekommen.

Für diesen gelungenen Auftakt vergebe ich 4,5/5 Sternen und freue mich auf die Fortsetzung.

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Veröffentlicht am 29.10.2023

Liebeserklärung an das Stricken

Innehalten, Masche halten
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„Wie Stricken unsere Seele wärmt“ steht es im Untertitel auf dem Buchdeckel. Stricken ist so viel mehr als ein notwendiges Handwerk aus alten Zeiten, um wärmende Kleidung herzustellen, nein, es macht auch ...

„Wie Stricken unsere Seele wärmt“ steht es im Untertitel auf dem Buchdeckel. Stricken ist so viel mehr als ein notwendiges Handwerk aus alten Zeiten, um wärmende Kleidung herzustellen, nein, es macht auch etwas mit der Seele. Irgendwann kommt man in einen gewissen Flow, der Kopf kann sich ausruhen, während die Hände sich bewegen.

Stricken entspannt, Stricken verbindet. Dabei trifft Handwerk auf Kunst, Notwendigkeit auf Freude. Mit Mustern und Farben entstehen einzigartige Kleidungsstücke und einige Muster wurden berühmt und setzen Denkmäler.

Mit 14 Jahren hat die Autorin Karin Erlandsson ihren ersten Pullover gestrickt und seitdem ist die preisgekrönte Bestsellerautorin leidenschaftlich dabei. Mit diesem kleinen Büchlein hat sie eine Liebeserklärung an das Stricken und die Strickenden geschrieben.

Sie zeigt einen Einblick in die Entstehung eines ihrer Strickwerke (ein Pullover) und verwebt den Prozess geschickt in die Geschichte des Strickens. Die analysiert die Anfänge des Strickens bis heute und gibt eine Materialkunde und einen Einblick in die Techniken.

Die Kapitel sind kurz und geben interessante Denkanstöße. Die Wertschätzung für ein selbstgestricktes Kleidungsstück ist zum Beispiel ganz anders, als wenn man etwas von der Stange kauft. So wird mehr repariert, aufgeribbelt und neu verwendet und weitergegeben.

Sie macht sich stark für die These, dass Frauen, die stricken, die Welt verändern.

Da ich selbst gerne handwerklich tätig bin, meine Leidenschaft gilt dem Nähen von Kleidungsstücken, konnte ich viele Standpunkte der Autorin nachvollziehen.

Das Buch war nicht nur schön zu lesen und interessant, sondern hat bei mir auch ein warmes Gefühl hinterlassen. Somit gebe ich eine Leseempfehlung für alle Strickinteressierten und die, die es noch werden wollen.

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Veröffentlicht am 25.10.2023

Tolle Fantasywelt

Threads of Power
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Dies ist mein erstes Buch der Autorin Victoria (V. E.) Schwab und der erste Teil der neuen „Threads of Power“-Trilogie. Gleichzeitig ist es eine Fortsetzung der Weltenwanderer-Reihe, die ich nicht gelesen ...

Dies ist mein erstes Buch der Autorin Victoria (V. E.) Schwab und der erste Teil der neuen „Threads of Power“-Trilogie. Gleichzeitig ist es eine Fortsetzung der Weltenwanderer-Reihe, die ich nicht gelesen habe, was aber laut Autorin kein Problem ist.

Das Cover ist von der Machart unverkennbar ein Buch von V. E. Schwab und bei mir ist ein Wiedererkennungseffekt eingetreten. Im Hintergrund ist eine Stadtkarte von London zu sehen, das sich in vier Bereiche aufteilen und abschotten musste, als die Magie zu schnell gewachsen ist. Auf diese Karte blickt eine Frau mit langen Haaren und einem roten Umhang und um sie herum schweben goldene Fäden.

Diese Fäden, auch als Magiefäden bezeichnet, kann die Tüftlerin Tes sehen und manipulieren. Das ist eine besondere Gabe, denn so kann sie das Gleichgewicht zwischen den Welten verändern. Eines Tages fällt ihr in ihrer Werkstatt ein Artefakt in die Hände und als sie versteht, dass es den Menschen damit möglich wäre, frei zwischen den Welten zu reisen, versucht sie um jeden Preis zu verhindern, dass es in die falschen Hände gerät. Die Folgen wären furchtbar.

Da ich die anderen Bücher nicht gelesen habe und alles neu für mich war, ist mir der Einstieg in das Buch nicht leicht gefallen. Nur der flüssige, eigensinnige, bildhafte und teils poetische Schreibstil hat mich durch diese Zeit gerettet.

Der Aufbau stützt sich auf zahlreiche Rückblenden, was mich als Neuling der Welt oft überforderte. Ich empfehle deshalb, zuerst die andere Trilogie zu lesen, um den Einstieg zu vereinfachen und Zusammenhänge direkt zu verstehen - auch wenn die Autorin das anders beschrieb, wie oben erwähnt.

Auf 700 Seiten lässt es sich die Autorin nicht nehmen, die vielen Charaktere und Geschehnisse teilweise sehr detailreich zu beschreiben. So konnte ich tief in die Geschichte abtauchen, die sich allerdings (nicht untypisch für eine Trilogie) nur langsam entfaltet. Die Charaktere sind alle jung und richten sich wahrscheinlich eher an eine jugendliche Leserschaft.

Ich freue mich, dass ich für mich eine neue Fantasywelt und Autorin entdeckt habe und obwohl diese Geschichte für mich nur 3,5/5 Sternen erreicht, bin ich neugierig auf die anderen Bücher der Autorin und empfehle, die Bücher dieser Welt chronologisch zu lesen.

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Veröffentlicht am 20.10.2023

Ein wichtiges Buch

Lieb doch, wie du willst
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In dieser Anthologie finden sich sinnliche Geschichten für junge Erwachsene ab 16 Jahren von zwölf Autorinnen. Ohne Tabuthemen unterstreichen die Geschichten, wie unterschiedlich Liebe, Lust und Erotik ...

In dieser Anthologie finden sich sinnliche Geschichten für junge Erwachsene ab 16 Jahren von zwölf Autorinnen. Ohne Tabuthemen unterstreichen die Geschichten, wie unterschiedlich Liebe, Lust und Erotik aussehen können. Dort wo andere Bücher konkrete Szenen ausblenden und der Phantasie überlassen, wird hier gerne ausführlich und in aller Freizügigkeit das Ausleben der Sexualität beschrieben.

Die Geschichten drehen sich um unterschiedliche Themengebiete von Liebe und Sexualität. Vom Altersunterschied über Homosexualität, Geschlechtsidentität, Selbstbefriedigung und sexueller Frustration oder sexuell übertragbaren Krankheiten werden unterschiedliche Aspekte in den Kurzgeschichten aufgegriffen.

Gerade für ein jüngeres Publikum finde ich es wichtig, dass Bücher wie dieses geschrieben und gelesen werden. Das Entdecken der eigenen Sexualität, der Neigungen und Vorlieben frei von Vorurteilen und „Normen“ ist essenziell für die persönlichen Entwicklung. Dafür ist Repräsentanz wichtig - konkrete Beschreibungen statt Andeutungen und zentrale Figuren statt Nebenrollen.

Es gibt viele verschiedene Arten zu lieben und jede
r hat das Recht, seinen/ihren individuellen Weg zu gehen. Ich wünsche mir, dass wir diese Offenheit in unsere Gesellschaft tragen, respektvoll miteinander umgehen und anderen die Freiheit geben, zu leben und zu lieben, wie sie möchten.

Einige Geschichten und Schicksale haben mich sehr nachdenklich gestimmt. Unsere Gesellschaft ist an vielen Stellen zu sehr an einer vermeintlichen Norm orientiert und macht es denen, die nicht so empfinden und sich an dieser Norm nicht orientieren, oft schwer. Niemand sollte sich dafür schämen oder gar verstecken müssen, wen oder wie er/sie liebt.

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Veröffentlicht am 17.10.2023

Ein intensives Leseerlebnis

Muna oder Die Hälfte des Lebens -
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Gewonnen hat das Buch den deutschen Buchpreis leider nicht, aber meiner Meinung nach wurde es zurecht nominiert (unbezahlte Werbung, Rezensionsexemplar):

Muna lebt in einer Kleinstadt in der DDR und ...


Gewonnen hat das Buch den deutschen Buchpreis leider nicht, aber meiner Meinung nach wurde es zurecht nominiert (unbezahlte Werbung, Rezensionsexemplar):

Muna lebt in einer Kleinstadt in der DDR und macht gerade Abitur. Ihr Vater ist schon lange tot und ihre Mutter kämpft mit ihrer Alkoholsucht. Muna verliebt sich in den Lehrer Magnus und verbringt eine Nacht mit ihm, bevor er in den Wirren nach der Wende verschwindet. Sieben Jahre später treffen sie wieder aufeinander. In der Zwischenzeit hat Muna in Wien, London und Berlin studiert und gearbeitet, doch die Sehnsucht nach Magnus ist nicht verschwunden.

Sie werden ein Paar und Muna wähnt sich im Glück - bis Magnus sein wahres Ich offenbart. Die Beziehung ist geprägt von Ablehnung, Abhängigkeit und schließlich psychischer und physischer Gewalt. Muna kommt dennoch nicht aus dieser toxischen Beziehung heraus, zu eng ist ihre Bindung an Magnus und der Wunsch nach einer Konstante im Leben - auch, wenn diese Verhaltensweise selbstzerstörerisch wirkt.

Schon allein wegen des Thema ist es kein leicht zu lesendes Buch, der Schreibstil unterstreicht dies und sorgt dafür, dass man sich das Leseerlebnis erarbeiten muss. Nie abgeschickte Briefe und durchgestrichene Gedanken machen die innere Zerrissenheit der Protagonistin, aus deren Ich-Perspektive die Geschichte erzählt wird, intensiv erlebbar.

Wie im wahren Leben verläuft nicht alles stringent, es gibt viele verschiedene parallele Handlungsstränge - der rote Faden bleibt dabei stets die „Amour fou“ zwischen Muna und Magnus.

Dieses Buch lässt seine Lesenden nicht kalt, hallt lange nach und lässt sie auch nach der Lektüre nicht los. Ein anspruchsvolles, literarisch hochklassiges und (leider) sehr aktuelles Buch.

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