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Veröffentlicht am 13.08.2021

Auf der Suche nach dem Sinn

Ein erhabenes Königreich
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Yaa Gyasi, ist eine in Ghana geborene und in Amerika aufgewachsene Schriftstellerin, hat mit „Ein erhabenes Königreich“ ihren zweiten Roman nach „Heimkehren“ veröffentlicht.
Dieser steht 2021 auf der ...

Yaa Gyasi, ist eine in Ghana geborene und in Amerika aufgewachsene Schriftstellerin, hat mit „Ein erhabenes Königreich“ ihren zweiten Roman nach „Heimkehren“ veröffentlicht.
Dieser steht 2021 auf der Shortlist der Women's Prize for Fiction.

In „Ein erhabenes Königreich“ geht es um Gifty.
Sie ist eine junge, farbige Frau im heutigen Amerika. Wodurch sie ständigem Alltagsrassismus und dem Gefühl des Fremdseins ausgesetzt ist. Hinzukommt das sie in schwierigen, streng religiösen Familienstrukturen aufwuchs. Nach dem Gifty erwachsen genug ist, versucht sie ihr altes Leben hinter sich zu lassen und wechselt ihren Glauben gegen klare Vorgaben der Forschungen in der Neurowissenschaft und versucht so in eine neue Richtung zu gehen, ohne aber sich selbst dabei zu verlieren.
Als ihre Mutter erneut an schweren Depressionen erkrankt, fragt sie sich, ob es wirklich nur eine Richtung, einen Weg geben kann, um Sinn im Leben zu finden.

Was mir bei dem Buch sehr gut gefallen hat war der klare, nie kitschige oder übertrieben emotionale Schreibstil. Die Autorin hat sehr gut recherchiert und lässt das Fachwissen leicht in den Text einfließen ohne dass es beim Lesen überfordert.

Zunächst könnte man meinen, es gehe vordergründig um die Frage nach der Vereinbarkeit von Religion und Wissenschaft. Aber Frau Gyasi greift auch Rassismus, komplexe Familienstrukturen, Depressionen und Suchtproblematiken auf. Für mich war es eine interessante Herangehensweise diese Themenkomplexe zusammenfließen zulassen, ohne den Lesenden eine pauschale Lösung aufzunötigen.

Allerdings blieb mir der Roman bei all den interessanten Aspekten teilweise zu oberflächlich und seicht. Er hat immer ein ansprechendes Niveau gehalten, aber ohne in die angerissenen Themen tiefer hinabzusteigen oder einen wirklichen Höhepunkt zu haben.
Definitiv wäre da sehr viel Potential gewesen um die vielschichtigen Problembereiche zu ergründen und den handelnden Figuren mehr Entwicklungspotential zu geben.

Trotz allem ist es ein sehr lesenswertes, leichtes Buch, was einen gewissen Nachhall bei mir gefunden hat.

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Veröffentlicht am 08.05.2021

Sympathischer Erfahrungsbericht, allerdings eher für Neueinsteiger in dieses Thema geeignet

Na, wann ist es denn so weit?
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Man könnte im ersten Augenblick meinen, Anna Wilken hat alles, was sie sich wünscht. Sie ist eine Ex- Germany's next Topmodel Teilnehmerin, aktuell Influencerin, medial stark vertreten und in einer glücklichen ...

Man könnte im ersten Augenblick meinen, Anna Wilken hat alles, was sie sich wünscht. Sie ist eine Ex- Germany's next Topmodel Teilnehmerin, aktuell Influencerin, medial stark vertreten und in einer glücklichen festen Beziehung. Aber wie so oft trügt der erste Schein, denn sie leidet auch an Endometriose und unter Ihrem unerfüllten Kinderwunsch.
In Ihrem sehr persönlichen Kinderwunschratgeber „Na, wann ist es denn so weit?“ verarbeitet sie ihren Weg zum Wunschkind.

Für mich stellte sich die Frage, ob sie dieses sehr komplexe Thema auch für alle Betroffenen greifbar machen kann.
Ich würde sagen ja und nein.
Einerseits schreibt sie sehr offen über Ihre persönliche Situation, gibt dem Lesenden ihre Perspektive auf verschiedene Probleme wieder. Andererseits befindet sie sich in einer privilegierten Lage, wie sie selbst auch an einigen Stellen schreibt. Dadurch vertritt sie natürlich nur eine eingeschränkte und sehr persönlich eingefärbte Sicht der Dinge.
Denn nicht jedes Paar startet mit diesen Voraussetzungen, welches unter ungewollter Kinderlosigkeit leidet. Vielleicht fehlt das Geld oder es scheitert an langen Anfahrtswegen zum Kinderwunschzentrum, die dann doch nicht auf die Bedürfnisse und speziellen Problematiken des Paares eingehen (können). Oder einfach Paare, die spät ihre Diagnose erhalten und so unter Zeitdruck geraten.
Was an ihrer eigenen Perspektive fehlt macht sie wiedergut durch die eingestreuten Erfahrungsberichte anderer betroffener Frauen und Männern.
Das ist in Ratgebern eher eine Seltenheit.
Sehr interessant waren auch die Fachanmerkungen von Ärzten, Psychologen, Rechtsanwälten oder Heilpraktikern. Dadurch greift sie Themengebiete auf, welche einem nicht sofort klar sind.
Denn mit dem schlichten Gang ins Kinderwunschzentrum ist es nicht getan. Und den Betroffenen eröffnet sich ein (im ersten Moment) überwältigendes Themengebiet.

Anna Wilken gibt keine „Allround und alles wird wieder gut Lösung“ für jeden an. Sie sagt, alles kann nichts muss. Und so nimmt sie doch auch etwas den Druck. Sie zeigt wie schmerzhaft und intensiv der Weg zum Wunschkind werden kann, dennoch ist der Grundton immer äußerst zuversichtlich.

„Na, wann ist es denn so weit?“ ist eher ein authentischer Erfahrungsbericht in Verbindung mit unentbehrlichen Fachwissen, als ein trockener Ratgeber, der ganz verschiedene Aspekte kurz beleuchtet. Für alle, die neu in dieses Themengebiet starten eröffnet es einen tollen, sympathischen und leichtzugänglichen Einstieg. Sicherlich für alle, die sich bereits belesen haben, bietet es wahrscheinlich nicht viel Neues. Gleichwohl ist es eine gute Auffrischung und zeigt vor allem, dass man mit seinen Ängsten, Sorgen und Schmerzen definitiv nicht allein ist.

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Veröffentlicht am 18.04.2021

Eine vielschichtige Darstellung von Weiblichkeit und Menschsein mit kleinen Schwächen

Mädchen, Frau etc. - Booker Prize 2019
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Bernardine Evaristo ist eine britische Autorin, die für ihr Werk „Mädchen, Frau ect.“ den Man Booker Prize for Fiction erhalten hat. Der Booker Prize ist der wichtigste britische Literaturpreis. Evaristo ...

Bernardine Evaristo ist eine britische Autorin, die für ihr Werk „Mädchen, Frau ect.“ den Man Booker Prize for Fiction erhalten hat. Der Booker Prize ist der wichtigste britische Literaturpreis. Evaristo ist die erste farbige Schriftstellerin, die ihn seit seiner Gründung 1969 erhalten hat.

Der Roman „Mädchen, Frau etc.“ spielt im teils modernen und multikulturellen London und teils in der Vergangenheit, sodass ein sehr gelungener Bogen entsteht.
Es werden die Lebenswege von 12 Frauen erzählt. Sie sind zwischen 19 und 93 Jahre alt, sind Großmütter, Mütter, Töchter. Mal sind sie verwandt, mal auch nur über mehrere Ecken lose miteinander bekannt. Sie sind lesbisch, transsexuell, queer, hetero oder non-binär. Die meisten von ihnen sind schwarz, haben gänzlich verschiedene kulturelle und sozioökonomische Hintergründe. Oft wurden sie diskriminiert und erniedrigt. Aber alle eint, dass sie unglaublich starke Menschen sind, die den Kampf für eine bessere Zukunft für sich selbst und/oder ihre Kinder in Angriff nehmen.
Dabei werden sie weder als perfekt, noch als Überwesen beschrieben, sie alle haben Ecken und Kanten und wer zunächst sympathisch erscheint, hat auch seine dunkleren Abgründe und umgekehrt.
Sicherlich wird den jeweiligen Lesenden die eine oder andere Geschichte näher gehen als die andere, aber bestimmt findet jeder etwas, worin er/sie sich wiederfindet oder nachfühlen kann.

Am Ende sind alle einzelnen und doch miteinander verwobenen Wege zu einem komplexen Bild zusammengesetzt, wo jede Figur den ganz eigenen Platz einnimmt.
Oft musste ich zurückblättern, wenn eine Figur vom Anfang wieder auftauchte, aber das tut diesem Konstrukt keinen Abbruch. Es fördert lediglich das intensivere Lesen und Nachdenken über die einzelnen Schicksale.

Der aktuelle Zeitgeist wird wunderbar widergespiegelt. Es geht um Feminismus, Frau sein in der heutigen Zeit und wie sich das auf verschiedene Arten und Weisen neu definieren lässt.
Es fließen auch Themen wie Migration, Rassismus, die Angst anders zu sein oder ausgeschlossen zu werden ein. Der Kampf um Gleichberechtigung, sexuelles Erwachen und die eigenen Wünsche, egal welcher Art, klar definieren zu können.
Dabei erhebt die Autorin aber nie den Zeigefinger oder lässt eine Tirade auf die Männerwelt los. Allein mit ihrer Widmung macht Evaristo diesen Standpunkt klar. Sie widmet es allen, der ganzen Menschenfamilie.

Der Schreibstil hat etwas lyrisch Prosaisches an sich. Er ist bildstark und rhythmisch.
Den eigenen Schreibstil bezeichnet Evaristo als „Fusion-Fiction“. Es werden nur wenige Satzzeichen verwendet. Lieber lässt sie einzelne Wörter oder Sätze durch Absätze voneinander trennen. Satzanfänge müssen nicht mit Großschreibung beginnen. Einzelne, hervorgehobene Worte bekommen so mehr Nachdruck.
Was zunächst hinderlich beim Lesen erscheint, erzeugt vielmehr eine fast schon sogartige Wirkung, die die Seiten nur so dahin fliegen lässt - man hat das Gefühl bei einigen Dialogen fast (körperlich) anwesend zu sein.
Herausragend sind auch die vielen kleinen, mal mehr oder weniger versteckten Andeutungen der Autorin auf andere feministische Werke sowie Anspielungen auf verschiedene zeitaktuelle Geschehnisse. Die handelnden Personen verwickeln sich in gegenwärtige Diskussionen zu Rassismus, Opfer-Debatten und inwieweit die aktuellen Medien die jeweiligen Entwicklungen beeinflussen können.

Die einzelnen Erzählstränge sind vielschichtig und komplex, mit (fast) jeder Frau und deren Geschichte könnte man einen eigenen Roman füllen, gerne wäre ich bei einigen länger verweilt.
Besonders in dieser Hülle und Fülle liegt der Reiz. Diese Multidimensionalität lässt geneigte
n Leser*innen noch länger darüber nachdenken.
Allerdings wirkten einige Geschichten etwas übertrieben konstruiert, immer schaffen sie es aus den größten Niederlagen heraus. Für mich beißt sich hier die Härte des Lebens mit dem Versuch jede Geschichte mit einem glücklichen Ende zu versehen.

Nichtsdestotrotz ist es ein Roman, der gelesen und diskutiert werden will!
Dieses Buch braucht einen großen Rahmen, in dem es öffentlich beredet werden sollte. Denn nur so entfaltet es das volle Potential, welches es meiner Meinung nach zu bieten hat.

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Veröffentlicht am 23.01.2021

Atmosphärisch dichte Erzählungen über Migration & Integration

Fast ein neues Leben
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Ich hatte mich sehr auf diesen Band mit Erzählungen gefreut. Leider wollte der Funke bei mir zunächst nicht so recht nicht überspringen, aber je weiter ich las, umso weiter ich in die Geschichte vordringen ...

Ich hatte mich sehr auf diesen Band mit Erzählungen gefreut. Leider wollte der Funke bei mir zunächst nicht so recht nicht überspringen, aber je weiter ich las, umso weiter ich in die Geschichte vordringen konnte umso mehr entfalteten sich die Abgründe und verdichtete sich die Atmosphäre, so dass ich letztlich sehr dankbar über dieses Rezensionsexemplar bin.

In ihrem Debütroman gibt Anna Prizkau ihrer namenlosen Hauptfigur eine Plattform, eine Stimme um Unfassbares doch in Worte zu fassen. In zwölf episodenhaften Erzählungen, die nicht immer chronologisch sind, versucht die junge Immigrantin ihren eigenen, nicht immer einfachen Weg zu gehen. Ihr innerlicher Drang sich perfekt einzugliedern zersplittert immer wieder an ihrer Angst, dass feine Risse sich auf tun und ihre wahre Herkunft beleuchtet werden könnte.

„Er sagte: „Woher kommst du?“
Ich sagte: „Aus der Uni.“
Ich wusste, dass er etwas anderes wissen wollte, doch in der lauten großen Stadt wollte ich es verschweigen. Vor ihm, vor jedem. Kein Mensch kannte mich, wie ich früher war.
Ich konnte neu sein.“ S. 79
Die Fragen nach der eigenen Herkunft, zeitgleich dem unbedingten Wunsch dazuzugehören, anzukommen und anerkannt zu werden prallen immer wieder auf einander. Die Protagonistin eckt immer wieder an den Menschen in ihrer Umgebung an. Sie wird sowohl psychisch als auch physisch verletzt, mal auf subtile Weise, so dass sie es selbst kaum bemerkt und dann wieder mit einer Wucht, die sie völlig umhaut.

Sie hadert mit ihren Eltern, die sie für nicht angepasst genug hält um sie ihren Freunden vorzustellen, weil sonst ihre mühsam aufgebaute Fassade zusammenbrechen würde. Allerdings erkennt sie aber nach und nach die toxischen Beziehungsstrukturen in den Familien von Freunden.

Wie schwer es wohl sein muss, in einem neuem Land nur fast ein neues Leben zu beginnen, sich niemals wirklich dazugehörig zu fühlen? Der aktuellen Gesellschaft wird ein (schmerzlicher) Spiegel vor das Gesicht gehalten.

Definitiv ein Erzählband, der zwar kurz ist, aber sehr zum Nachdenken, Nachfühlen einlädt und somit noch lange nachklingen wird.

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Veröffentlicht am 23.01.2021

Moderne und doch irgendwie kalte On/Off-Liebesgeschichte

Normale Menschen
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Im zweiten Roman von Sally Rooney „Normale Menschen“ geht es um die intensive On/Off-Liebesgeschichte von dem ungleichen Paar Marianne und Connell.
Beide leben in derselben Kleinstadt in Irland. Wachsen ...

Im zweiten Roman von Sally Rooney „Normale Menschen“ geht es um die intensive On/Off-Liebesgeschichte von dem ungleichen Paar Marianne und Connell.
Beide leben in derselben Kleinstadt in Irland. Wachsen allerdings in sehr verschiedenen Verhältnissen auf. Marianne kommt aus einer wohlhabenden, aber wenig liebevollen Familie. In der Schule ist sie eine seltsame Außenseiterin, wird von ihren Mitschülern gemobbt und findet keinen Anschluss. Connell hingegen, ist sehr beliebt in der Schule, lebt aber in eher bescheideneren Verhältnissen bei seiner jungen alleinerziehenden Mutter.
Als sie gemeinsam an die Universität wechseln ändern sich die Verhältnisse, plötzlich ist Marianne die schöne, beliebte Studentin, die es leicht hat und Connell wird zum Außenseiter.
Was bleibt sind trotz der großen Machtgefälle und des nicht enden wollenden Beziehungschaos, eine nicht immer einfache, aber innige Freundschaft.

Die Geschichte wird über mehrere Jahre in verschiedenen Zeitsprüngen erzählt. Man erlebt sie abwechselnd aus Marianne‘s bzw. Connell‘s Perspektive.
Am Anfang fand ich das Buch etwas fade, im mittleren Teil nahm es dann an Fahrt auf, was sich aber für mich am Ende wieder etwas verloren hat. Die Autorin verläuft sich etwas in dem auf und ab der asymmetrischen Beziehung der Protagonisten. Stattdessen hätte sie meines Erachtens die wirklich spannenderen Themen wie soziale Ungerechtigkeit, Gewalt in Familien und Beziehungen oder psychische Probleme stärker ausarbeiten können. Diese Themen reißt sie nur an, dadurch bleiben alle Figuren insgesamt in ihrer Entwicklung eingeschränkt.
Die Darstellung der Gefühlswelten wirken allerdings nicht überzogen. Nur die Beweggründe und Kommunikationsprobleme hätten für mich einfach besser herausgearbeitet werden können.
Ich glaube ein paar mehr Seiten hätten einfach der Geschichte besser getan um sie genauer zu beleuchten und auszuarbeiten. Die Autorin hat einen einfachen, schnörkellosen Schreibstil, der sich leicht und flüssig liest, ohne dabei allerdings herauszustechen.
Allerdings muss man sich sicherlich an das wirklich ungewöhnlichste Element in diesem Buch gewöhnen. Sämtliche Dialoge fließen einfach im Text ein, das heißt sie werden nicht mit Anführungseichen oder anderweitig gekennzeichnet.

Abschließend ist der Roman „Normale Menschen“ sicherlich ein moderner Liebesroman ohne ins kitschige abzugleiten, bleibt aber einfach zu oberflächlich um mich zu berühren.

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