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Veröffentlicht am 25.02.2018

So tödlich nah

So tödlich nah (Ein Nathalie-Svensson-Krimi 1)
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Nathalie Svensson ist Psychiatrische Oberärztin an der Universitätsklinik Uppsala und anerkannte Expertin für Psychopathen. Deshalb unterstützt sie neben ihrer Beschäftigung in einer Klinik als inoffizielles ...

Nathalie Svensson ist Psychiatrische Oberärztin an der Universitätsklinik Uppsala und anerkannte Expertin für Psychopathen. Deshalb unterstützt sie neben ihrer Beschäftigung in einer Klinik als inoffizielles Mitglied der Einheit für operative Fallanalyse (OFA), die für die Erstellung von Täterprofilen zuständig ist, das schwedische Zentralkriminalamt.

Von ihrem Ehemann Håkan lebt die Fünfundvierzigjährige getrennt und streitet sich mit diesem um das Sorgerecht für die Kinder Tea und Gabriel. Mit ihnen wohnt sie in einem kleinen Haus, hat jedoch auch noch eine kleine Wohnung in Stockholm, wo sie die Annehmlichkeiten eines Singledaseins auslotet, wenn sie sich nicht um ihre Kinder kümmert. Dazu gehören ebenso wechselnde und kurzzeitige und in der Regel einmalige Beziehungen. Einer dieser Männern, der Schauspieler Rickard Ekengård, bittet sie um ein zweites Treffen. An jenem Abend muss sie mit ansehen, wie Rickard vor ihren Augen niedergeschossen, in einen Brunnen geworfen wird und in ihren Armen stirbt. Dieses Ereignis schockiert Nathalie verständlicherweise, weist es doch Ähnlichkeiten mit einem Geschehen zehn Jahre zuvor auf. Damals wurde Nathalies große Liebe Adam auf ähnliche Weise ermordet. Die Tat zerstörte Nathalies Leben, und dieses verschwand in undurchdringlicher Finsternis, die sie seither in sich trägt, auch weil Adams Tod nach wie vor unaufgeklärt ist.

Nach dem Mord an Rickard fühlt sich Nathalie verfolgt, nicht nur durch die anonymen Nachrichten auf ihrem Handy. Das kann sie trotzdem nicht davon abhalten, den Fall lösen zu wollen. Und je mehr sie sich mit dem beschäftigt, das Adam an Material in einer Kiste zurückgelassen hat, desto überzeugter wird sie, dass es zwischen beiden Todesfällen eine Verbindung gibt.

Jonas Moström ist als Krimiautor in Deutschland noch ein eher unbeschriebenes Blatt, hingegen in seiner Heimat Schweden äußerst erfolgreich. Er hat selbst Medizin studiert und als Arzt gearbeitet.

Mit Nathalie Svensson stellt er eine kompetente und zugleich komplizierte Frau in den Mittelpunkt seiner Reihe, deren Einzelbände stringent erzählt werden und zeitlich an den jeweils vorherigen anschließen.

Neben der Haupthandlung von „So tödlich nah“, die im April 2014 einsetzt, führt der Autor den Leser immer wieder zehn Jahre zurück und lässt ihn an der Seite von Nathalies Verlobten Adam das damalige Geschehen Revue passieren. Während die Handlungsstränge zunächst parallel verlaufen, verdichten sie sich im Verlauf immer mehr zu einem Gesamtbild. Vielleicht kommt ein wenig oft der Zufall zur Hilfe, gleichwohl treiben gerade diese Zufälle die Geschichte, die geschickt konstruiert ist und ein gutes Erzähltempo hat, voran. So wirkt sie schlüssig, verfügt über eine gewisse Dramatik und überrascht letzten Endes mit ihrer Auflösung.

Jonas Moström bindet die landschaftliche Umgebung und örtlichen Gegebenheiten von Uppsala und Stockholm gut in seine Schilderung ein, schreibt in klarer Linie und manchmal etwas nüchterner Sprache. Die Stimmung ist nordisch unterkühlt und spiegelt die Gefühle seiner Hauptfigur wider.

Nathalie ist als Charakter nicht einfach zu händeln. Die zweifache Mutter hat bis zur Trennung von Håkan versucht, ein möglichst angepasstes Leben zu führen. In ihrem Beruf, mit dem sie Menschen helfen kann, geht sie auf, denn hier haben ihre Selbstzweifel und das Gefühl, nie gut genug zu sein, keinen Platz. Doch nun will sie verlorene Jahre aufholen und nichts mehr verpassen und pflegt einen eher ungewöhnlichen Lebensstil.

Obwohl die Darstellung glaubwürdig ist, fällt es nicht leicht, Nathalie nahe zu kommen. Eine Erklärung könnte eben auch ihre unaufgearbeitete Vergangenheit sein. Zudem plagt sie sich mit ihrer Mutter Sonja und deren Alkoholproblem herum. Hingegen hat Nathalie zu ihrem Vater Victor ein besseres Verhältnis. Ihm kann sie sich anvertrauen.

Insgesamt räumt Jonas Moström den Beziehungs- und sonstigen Problemen seiner Protagonistin viel Raum ein, ohne die Kriminalhandlung aus den Augen zu verlieren. Das macht „So tödlich nah“ zu einer bemerkenswerten Lektüre.

Veröffentlicht am 18.02.2018

Gefährliche Lüge

Fear and Desire: Gefährliche Lüge
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Wer nicht hören will, muss fühlen. Diese Erfahrung muss Sarah machen, als sie mit ihrem Auto in der schneereichen kanadischen Wildnis liegenbleibt. Denn alle hatten sie gewarnt, nicht mit dem alten Ding ...

Wer nicht hören will, muss fühlen. Diese Erfahrung muss Sarah machen, als sie mit ihrem Auto in der schneereichen kanadischen Wildnis liegenbleibt. Denn alle hatten sie gewarnt, nicht mit dem alten Ding auf die Reise zu gehen. Aber sie wollte es unbedingt, vor allem wegen ihrer verstorbenen Freundin Maylin, die ihr das Fahrzeug vermacht hat. Mitten in der Pampa scheint es keine Aussicht auf Hilfe zu geben. Doch Sarah ist hart im Nehmen und lässt sich nicht unterkriegen, weil sie als Kind vom Land die Erfahrungen zurückgreifen kann, die sie während ihrer Touren mit ihrem Vater durch die endlosen Weiten Colorados gesammelt hat. Also macht sie sich auf, um aus der Misere herauszufinden. Es ist kalt, und die ganze Aktion ist nicht wirklich erfolgreich, bis sie auf die Blockhütte stößt und trotz ihrer Bedenken bezüglich der Gefahren, die ihr darin begegnen könnte, das Risiko eingeht und um Hilfe bitten will. Es bleibt ihr ja schließlich nichts anderes übrig. Sich jedoch von einem – zugegebenermaßen – heißen, aber zugleich auch äußerst brummigen und sehr abweisenden, um nicht zu sagen unhöflichen Typen die Tür vor der Nase zuwerfen zu lassen, ohne ein Zeichen von Beistand, geht ja wohl gar nicht.

Hätte sie geahnt, was auf sie zukommt, hätte sie wohl nie den Fuß in die Tür gestellt. Denn Brandon, jenen aufregenden „Hüttenwirt“, umgibt mehr als der Unwillen, ihr behilflich zu sein. Da ist etwas Geheimnisvolles, eine Sache, der er auf der Spur ist, während sich jemand gleichzeitig dafür interessiert, ihn aus dem Weg zu räumen. Und Sarah gerät mitten in die Schusslinie. Ehe sie noch Luft holen kann oder verdaut, was zwischen ihr und Brandon in nur einer Nacht geschehen ist, sind die beiden schon auf der Flucht und erleben ein atemberaubendes Abenteuer...

In „Gefährliche Lügen“, dem ersten Band der Reihe „Fear and Desire“ dauert es nicht lange, und es geht zur Sache. Denn Ewa Aukett spart in ihrer Geschichte nicht an Erotik. Zwischen ihren Protagonisten Sarah und Brandon sprühen von Anfang an die Funken, und das nicht nur, weil die Hütte von Brandon letztlich in Flammen aufgeht. Nein, zuvor kommen sich die beiden wirklich nahe, und wäre die Szene im Schnee „gedreht“ worden, wäre dieser geschmolzen.

Ewa Aukett schreibt in einem deutlich offensiven Stil, der ungestelzt und locker daherkommt. Trotz der Ungezwungenheit vergisst die Autorin nicht das Drumherum, so dass sich schnell in die Gegebenheiten hineinfinden lässt und die Geschichte einen ansprechenden Rahmen bekommt. Die Handlung lebt von der Aktion, besonders wenn Sarah und Brandon in gefährliche Situationen geraten und auch miteinander in prickelnden Szenen agieren. Bis auf das Finale, dass verhältnismäßig unspektakulär und ohne den erwarteten Nervenkitzel ist, schreitet sie zügig voran, ist durchdacht und nachvollziehbar. Daneben blitzen Ironie und Witz auf, das Lesen bereitet Spaß.

Sarah und Brandon schildern das Geschehen im Wechsel aus ihrer Perspektive. So ist außerdem immer zu erfahren, was der jeweilige denkt, auch über den anderen. Das ist zwar als Erzählweise nicht neu, zeigt sich hier hingegen als wirkungsvoll und verpasst der Darstellung einen gewissen Reiz.

Die Chemie zwischen den beiden Hauptfiguren stimmt. Das Augenmerk, das die Autorin auf deren Charakterisierung legt, ist ebenso wie die Entwicklung der Emotionen zwischen ihnen gelungen.

Sarah liebt Herausforderungen und spricht so, wie ihr der Schnabel gewachsen ist. Sie ist sehr direkt, und temperamentvoll und verfügt über eine natürliche Neugier. Vor allem aber steht sie ehrlich zu ihren Gefühlen, die sich beispielsweise in ihrer Trauer um ihre verstorbene Freundin Maylin manifestiert. Sie trägt das Herz auf der Zunge. Es ist ein großes Herz, das ihre Familie und Freunde gleichermaßen einschließt. Und außerdem besitzt sie einen ungeahnten Löwenmut, Risikobereitschaft und Hartnäckigkeit. Davon bekommt Brandon eine ganze Menge zu spüren. Und obwohl der Start der beiden holprig ist, lässt sich gut verstehen, dass sie sich voneinander angezogen fühlen.

Im Gegensatz zu Sarahs direkten Art ist Brandon verschlossener und öffnet sich erst mit der Zeit. Er wird deutlich, dass er Schwierigkeiten hat, sich auf auf jemanden einzulassen, Vertrauen aufzubauen. Der frühe Verlust der Mutter und auch andere Enttäuschungen des Lebens nagen an ihm. Der Grund dafür liegt zunächst im Dunkeln und wird erst im Verlauf des Geschehens gelöst.

Bis dahin unterhält "Gefährliche Lügen" mit einer Mischung aus Erotik und Thriller der gemäßigten Art und profitiert von seinen beiden sympathischen Hauptdarstellern.

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  • Figuren
  • Atmosphäre
  • Spannung
  • Erotik
Veröffentlicht am 08.02.2018

Die Lilie von Bela Vista

Die Lilie von Bela Vista
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Josie Wagner lebt in Hamburg, arbeitet als Modedesignerin, hat mit dem Anwalt Edgar einen ruhigen, soliden und verlässlichen Mann an ihrer Seite und eine gemütliche Wohnung. Das Paar plant, sich um ein ...

Josie Wagner lebt in Hamburg, arbeitet als Modedesignerin, hat mit dem Anwalt Edgar einen ruhigen, soliden und verlässlichen Mann an ihrer Seite und eine gemütliche Wohnung. Das Paar plant, sich um ein kleines Häuschen außerhalb der hektischen Großstadt zu kümmern. Und trotzdem scheint Josie nicht glücklich zu sein. Irgendetwas fehlt in ihrem Leben. Sie ist achtunddreißig und irgendwie immer noch nicht „angekommen“.

Als sie wegen eines Schreibens ihrer Bank und des dort befindlichen Schließfaches unerwartet an ihre Großtante Martha erinnert wird, gerät ihr tägliches Einerlei in Bewegung. Beim Öffnen des Schließfaches fallen ihr ein wunderschönes Collier mit großen violetten Steinen, die kunstvoll oval geschliffen und golden eingefasst und miteinander verbunden sind, Ohrgehänge aus passenden Edelsteinen in Hell- und Dunkellila mit jeweils einem tropfenförmigen grünen Stein, ein kleines Ölgemälde mit einer jungen Frau, datiert auf das Jahr 1833, und ein an sie gerichteter Brief in die Hände. In dem Schreiben überlässt Martha ihr das Collier als Vermächtnis einer Sophie. Leider bietet sich sonst keinerlei Hinweis auf die Herkunft der Schmuckstücke.

Während Edgar bereits eine Chance sieht, durch den Verkauf des offenbar wertvollen Schmucks schneller an das geplante Haus zu gelangen als gedacht, ist Josie mehr daran interessiert, die Hintergründe ihrer unerwarteten Erbschaft herauszufinden. Die Chance dafür könnte sich bei einem Besuch bei Verwandten in Idar-Oberstein bieten. Zwar herrschte lange nur wenig Kontakt zu diesem Familienzweig, doch Josie wird von Onkel Reinhard, dem Sohn von Martha, und dessen Frau Gisela herzlich aufgenommen und begegnet einer ihr neuen Welt, und zwar der der Edelsteine.

Außerdem lernt sie Ada kennen, eine Freundin der verstorbenen Martha. Durch sie entdeckt Josie eine Geschichte, die Auswirkungen auf ihr Leben haben wird.

Im Jahr 1827 gehören Idar und Oberstein zu den Schmuckzentren im deutschen Raum, wo unter anderem das dortige natürliche Vorkommen an Achaten verarbeitet wird. Hier lebt Sophie, Tochter eines Steinschleifers, mit ihren Eltern und sechs Geschwistern. Bereits mit 13 wünscht sie sich Karl, fünf Jahre älter als sie und Geselle bei Meister Severin, als ihren zukünftigen Mann. Nicht nur sein gutes Aussehen, sondern auch seine Klugheit – Karl weiß eine Menge über ferne Länder, besonders Brasilien – nehmen ihn für sie ein.

Und genau nach Brasilien zieht es Karl. Er sieht nur dort für sich und eine zukünftige Familie die Chance, zu einem sicheren Einkommen zu gelangen. Er macht sich auf, seinen Traum zu verwirklichen. Jahre später kehrt er zurück, und aus Sophie und Karl wird endlich ein Paar. Erneut reist Karl allein nach Brasilien, dieses Mal jedoch bleiben irgendwann die Nachrichten aus. Als Sophie es vor Sorge nicht mehr aushält, begibt sie sich auf die Reise und sucht Karl im fernen Brasilien. Tatsächlich findet sie ihn mitten im Dschungel in einem Indiodorf. Er ist krank. Allerdings hat sein langes Schweigen noch andere Gründe, die sich Sophie nach und nach offenbaren…

„Die Lilie von Bela Vista“ bietet mehr als eine Liebesgeschichte. Es ist zunächst ein Roman auf zwei Zeitebenen, die gut miteinander verknüpft sind. Zum einen bewegt sich Sylvia Lott mit der Handlung um Josie in der Gegenwart, zum anderen führen Sophies Erlebnisse in die Mitte des 19. Jahrhunderts. Dieser Teil ist umfangreicher und intensiver erzählt. Er hat eine düstere Farbe und klammert zu jener Zeit gegebene unbarmherzige Zustände nicht aus, vermittelt auf diese Weise eine ansprechende Schilderung vom damaligen Leben. Dies gelingt der Autorin auch mit der anschaulichen und lebendigen Beschreibung der Schönheit der Natur.

Zudem wird der Leser mit der Gewinnung von Edelsteinen, dem Handel, der Bearbeitung bis zum fertigen Schmuckstück (damals und heute) sowie geschichtlichen und ebenso politischen Hintergründen vertraut gemacht, ohne dass die diesbezüglich eingearbeiteten Informationen maßlos und überfordernd sind. Hier hat die Autorin gut recherchiert und reale Ereignisse und Personen mit der Romanfiktion verbunden. Ein Nachwort und eine Zeittafel ergänzen das Wissen nach der Lektüre zusätzlich.

Sylvia Lotts Protagonisten sind mit charakterlichen Eigenschaften ausgestattet, die es ermöglichen, ihrem Handeln und Denken zu folgen und dieses zu verstehen sowie mit Sympathie oder Ablehnung auf zu reagieren.

Josie ist manchmal ziemlich aufbrausend, beruhigt sich aber auch schnell wieder. Sie beweist im Verlauf der Handlung viel Mut, Tatkraft und Durchhaltevermögen. Auch Karl hat etwas Zupackendes und zugleich Feines. Er ist der ideale deutsche Einwanderer: mutig, bescheiden und dickköpfig.

Daneben ist die Darstellung von Josie etwas zurückhaltender. Wobei ihre Entwicklung zu einer selbstbewussten Frau, die beherzt ihr Leben gestalten will, nachvollziehbar ist. Dadurch, dass ihre Begeisterung für Edelsteine steigt und sie darum bei Edgar auf Unverständnis und Ablehnung stößt, wird der weitere Fortgang der Beziehung vorhersehbar.

Im Verlaufe des Geschehens nähern sich beide Frauen einander an, auch wenn eine tatsächliche Begegnung ja unmöglich ist. Denn Josie – von Sophies Geschichte in den Bann gezogen – macht sich auf deren Spuren ebenfalls nach Brasilien auf.

Und sie findet mehr als „Bela Vista“, eine schöne Aussicht…

Veröffentlicht am 05.02.2018

Dunkel Land

Dunkel Land
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Gut Wuthenow im Havelland ist beeindruckend. Auf dem altehrwürdigen Anwesen in einer idyllischen Gegend hat Verena Hofer, eine Literaturwissenschaftlerin, die nach dem plötzlichen Tod ihrer Schwester für ...

Gut Wuthenow im Havelland ist beeindruckend. Auf dem altehrwürdigen Anwesen in einer idyllischen Gegend hat Verena Hofer, eine Literaturwissenschaftlerin, die nach dem plötzlichen Tod ihrer Schwester für ihre fünfjährige Nichte Amelie sorgt und deshalb ihren Job verloren hat, eine dreimonatige Beschäftigung angenommen. In dieser Zeit soll sie sich „als Aufpasserin“ um Carl, den Neffen der Hausherrin kümmern. Verena ist mehr als verwundert, als sie „den jungen Herrn“ kennenlernt. Vor ihr steht nämlich kein Kind oder Jugendlicher, sondern vielmehr ein gut aussehender Mann, der auf den ersten Blick wie ein „arroganter, reicher Schnösel“ und auf seltsame Art distanziert wirkt.

Dr. Carl von Wuthenow hat in den Vereinigten Staaten studiert und sich in der Vergangenheit als Profiler einen Namen gemacht. Inzwischen arbeitet er als freier Berater und unterstützt die Ermittlungsbehörden in Deutschland bei der Aufklärung schwieriger Fälle. Allerdings wurde der Kriminalist vor einer Weile angeschossen. Seitdem leidet er unter Störungen seines Kurzzeitgedächtnisses mit sogenannten Absencen, die ihn mit dem Einschlafen alles vergessen lassen, was zuvor geschehen ist. Jeder Tag beginnt ohne das Wissen des vorherigen.

Carl ist nicht davon begeistert, dass seine Tante ihm Verena an die Seite stellt, um ihn „intellektuell“ zu fördern. Auch Verena ist damit nicht einverstanden. Da sie letztlich nicht auf den Verdienst verzichten kann, schließlich müssen sie und Amelie von irgendetwas leben, erklärt sie sich bereit, Carl bei seiner Tätigkeit zu unterstützen. Gerade jetzt werden Carls Wissen und Kenntnisse bei einem Mord an einem jungen Stricher in Berlin gebraucht.

Aus Verenas anfänglicher Skepsis und leichtem Widerwillen wird bald aufrichtiges Interesse, nicht nur am zu lösenden Fall, sondern auch an Carl.


Roxann Hill lässt in ihrem Kriminalroman „Dunkel Land“ – bis auf den Einstieg – ihre Protagonistin Verena Hofer als Ich-Erzählerin zu Wort kommen. Deshalb ist das Geschehen vor allem von ihrem Eindrücken geprägt, wodurch es möglich wird, die Entwicklung zu verfolgen, die junge Frau in ihr völlig unbekannten, komplexen und teilweise unangenehmen und belastenden Situationen durchläuft.

Insgesamt steht in eine eher ruhige Krimihandlung im Mittelpunkt. Sie bietet gleichwohl Abwechslung durch einige wohlgesetzte Spannungselemente und nimmt dann zum Ende hin an Dynamik zu. Erfreulicherweise hat die Autorin die Ermittlungsbehörden mit Staatsanwältin Wolf und Hauptkommissar Kaczmarek als angenehme Personen besetzt, die an einer Mitarbeit wirklich interessiert sind. Das ist auch dringend nötig, weil weitere Tote gefunden werden und der Verdacht sich erhärtet, dass ein Serienmörder unterwegs ist. Folglich steht die Frage im Raum, ob es eine Verbindung zu alten Fällen gibt.

Verena und Carl bilden ein bizarres Duo, das zunächst überhaupt nicht gut miteinander harmoniert, unterscheiden sich ihre Leben und Ansichten doch massiv. Während Verena von Anfang an sympathisch ist, hat die Autorin mit Carl einen Charakter geschaffen, der zu Beginn unnahbar auftritt. Er ist aber keinesfalls immer so selbstsicher und allwissend wie es den Anschein hat. Ganz im Gegenteil – der täglich Kampf um die Erinnerung, die Carl nur mittels seiner Notizen wiedererlangt, fordern höchste Sorgfalt und Konzentration. Das macht ihn menschlicher.

Im Verlauf der Handlung, die wenige Tage umfasst, erfolgt nach der bisherigen Distanz eine Annäherung, die sich mit Freude liest. Immer mehr ergänzen und unterstützen sich die beiden. Mit der Zeit kann sich Verena in den Fall hineinfinden, entwickelt eigenen Ehrgeiz, überwindet selbst gesetzte Hürden, wird wagemutiger und hartnäckiger und beginnt daneben die Anwesenheit von Carl zu genießen. Dass zudem die Gefühle zwischen den Protagonisten an Intensität zunehmen, ist offensichtlich, bleibt aber dezent und maßvoll und lässt sich nur an wenigen Gesten und Worten und Gedanken ausmachen.

So hält sich Roxann Hill das Ende offen, und damit ist eine erneute Begegnung mit Verena und Carl durchaus möglich und erwünscht.

Veröffentlicht am 02.02.2018

Die Rückkehr der Wale

Die Rückkehr der Wale
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Die Äußeren Hebriden sind kein leichtes Fleckchen Erde. Die Menschen hier leben hauptsächlich vom Fisch- und Krabbenfang und züchten Schafe, daneben gibt ein wenig Tourismus. Ein ewiger Wind weht über ...

Die Äußeren Hebriden sind kein leichtes Fleckchen Erde. Die Menschen hier leben hauptsächlich vom Fisch- und Krabbenfang und züchten Schafe, daneben gibt ein wenig Tourismus. Ein ewiger Wind weht über die kahle, torfreiche Landschaft mit endlosen Mooren, Wiesen und Heiden.

„Obwohl der Wind zornige Wolken vor sich hertrieb, die alles Blau in sich aufzusaugen und in dämmriges Zwielicht zu verwandeln schienen, wirkte der Himmel grenzenlos weit.“ (Seite 287)

Der Glaube an Gott und an Sagen, Legenden und Mythen ist gleichermaßen in den Menschen verwurzelt. So verschließt sich auch Kayla ihren schottischen Genen diesbezüglich nicht, obwohl die Realität sie viel zu fest im Griff hat. Und die sieht traurig aus. Ihre Ehe mit Dalziel steht unter keinem guten Stern, wenngleich Kayla – ob aus Pflichtgefühl oder aus Liebe – noch daran festhält. Die Stimmung in ihrem Zuhause ist düsterer denn je, nachdem Dalziels Sohn Iain mit seinem gutmütigen und fröhlichen Wesen dieses verlassen hat, um entgegen dem Willen seines Vaters seinen eigenen Weg zu gehen.

Eines Tages erscheint ein Fremder auf der Suche nach einer Beschäftigung auf die Insel. Er ist zurückhaltend und offenbart seine Herkunft nicht. Ihn umgibt eine geheimnisvolle Aura, zudem geht eine unerklärliche Kraft von ihm aus. Brannan ist aufmerksam und mitfühlend und hat wie Kayla eine besonderes musikalisches Empfinden. Dieser Mann löst eine ungeahnte, vibrierende Sehnsucht in ihr aus und bringt sie dazu, Dinge zu wahrzunehmen, von deren Existenz sie bislang nicht einmal ahnte. Zwischen den beiden entwickelt sich etwas, das sich nicht in Worten fassen lässt. Kayla beginnt, ihr bisheriges Leben und die Gefühle für Dalziel zu hinterfragen.


Isabel Morland erzählt in "Die Rückkehr der Wale" eine ruhig dahingleitende Geschichte, die mit mythischen und mystischen, traurigen und freudigen, bitteren und hoffnungsvollen Elemente aufwartet. Sie nimmt sich dabei Zeit, viele Naturbeschreibungen einfließen zu lassen und zu zeigen, wie die Menschen in ihrer Umgebung agieren. Dadurch wird die Natur zu einem wesentlichen Bestandteil der Handlung, und der Leser erhält ein Bild von der einfachen und herben Schönheit und ebenfalls von ihren Bewohnern geboten.

„Die Luft war ätherisch, beinahe kristallen, ein zarter Duft von Blüten lag über den Gräbern, in der Ferne erklang der zwitschernde Gesang einer Seeschwalbe.“ (Seite 400)

Außerdem legt die Autorin Wert auf die ausgewogene Gestaltung ihrer Protagonisten. Sowohl die Hauptfiguren, als auch die in zweiter Reihe auftretenden Personen sind mit Behutsamkeit ausgearbeitet worden und ergeben einen bunten Reigen unterschiedlicher Charaktere mit all ihren positiven und negativen Eigenheiten, die das Eiland hervorgebracht haben könnte. Sie lässt sie oft in ihrer gälischen Muttersprache zu Wort kommen, was sich manches Mal allerdings als störend für den Lesefluss herausstellt.

Kayla ist Mitte Dreißig, über romantische Schwärmereien längst hinaus, eine äußerst bodenständig und warmherzige Frau. Der tägliche Kampf ums Dasein hat sie geprägt, das Leben hier fernab von Städten und Luxus verhätschelt die Menschen nicht. Sie hat Dalziel aus Zuneigung geheiratet, und so denkt sie nicht daran, trotz aller Komplikationen in ihrer Beziehung, das ihrem Mann vor Gott gegebene Versprechen leichtfertig zu brechen.

Aber Kayla ahnt nicht, dass Dalziel noch an seiner ersten Frau – seiner großen Liebe – hängt. Zwar bemerkt sie seine Alpträume, doch Dalziel ist verschlossen. Da er sich weigert, mit Kayla darüber zu sprechen, was ihn bewegt, wird der Zustand ihrer Ehe für beide von Tag zu Tag erdrückender. Sie entfernen sich immer mehr voneinander. Hierzu trägt ebenfalls bei, dass Dalziel Kayla gegenüber ein unbeherrschtes und rüdes Verhalten an den Tag legt und auch eifersüchtig auf jede Begegnung mit Brannan reagiert.

Erst das Zusammentreffen mit Brannan lässt in Kayla eine Seite erklingen, die fast verstummt gewesen ist. Und Brannan erwidert ihre Liebe mit einer leisen, sinnlichen Intensität. Bei ihm hat Kayla den Eindruck, dass er die Fähigkeit besitzt, in ihr zu lesen wie in einem offenen Buch. Wobei sie damit der Wahrheit ziemlich nahe kommt. Denn Brannan verfügt über eine Art Hellfühligkeit, die ihn die Gefühle der ihn umgebenden Menschen zu spüren vermag. Das ist jedoch der Grund für seine Rastlosigkeit, Bindungen einzugehen ist nicht Teil seiner Natur. Brannan zieht immer dann weiter, bevor er mit den Leuten in seiner Umgebung vertraut wird und bleibt so stets ein Fremder...

"Die Rückkehr der Wale" ist mehr als eine gewöhnliche Liebesgeschichte. Der Roman besticht durch die emotionale Beschreibung eines Landstrichs und seiner Bewohner und lässt Raum für Fantasie und Glaube an die Hoffnung.