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Veröffentlicht am 23.04.2024

Venezianischer Fluch

Venezianischer Fluch
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„Die Krähe legte ihren Kopf schief und starrte die verängstigte und unterkühlte junge Frau neugierig an. Sie beobachtete alles, was in den nächsten Minuten geschah.“

Eine junge Frau ist von einer Brücke ...

„Die Krähe legte ihren Kopf schief und starrte die verängstigte und unterkühlte junge Frau neugierig an. Sie beobachtete alles, was in den nächsten Minuten geschah.“

Eine junge Frau ist von einer Brücke gestürzt. Und während Luca Brassoni, Commissario Capo bei der venezianischen Polizei, seinen freien Tag hat, liegt bei seiner Ehefrau Carla Sorrenti, der federführenden Gerichtsmedizinerin der Stadt, ein neuer Fall auf den Tisch. Schnell stellt sich heraus, dass Antonella Carracci, so der Name der Toten, entgegen der ersten Annahmen nicht selbst gesprungen oder versehentlich gefallen ist, sondern ihr Körper Kampfspuren aufweist. Folglich ist klar, dass sie gestoßen und ermordet wurde.

Insofern stellt sich nicht nur die Frage nach dem Täter, sondern auch, ob der Zettel, den das Opfer bei sich hatte und der von einem Fluch spricht, von Bedeutung ist.

Die Sache wird persönlich, als Carla in ihrer Tasche eine Fetischpuppe findet. Obwohl sie im wahrsten Sinne des Worte eine realistische und rational denkende Person ist, ihr Flüche und Aberglauben ein Graus sind, bekommt sie plötzlich schreckliche Angst.

Will jemand die Arbeit der Polizei blockieren? Möglicherweise die Familie Perroni?

Antonella Carracci hat nämlich als Rezeptionistin im Hotel der Familie gearbeitet und war mit deren Sohn Carlo verlobt. Die Begeisterung von Patriarchin Magda Perroni hielt sich diesbezüglich in Grenzen, um nicht zu sagen, sie war nicht vorhanden. Das rückt die Familie ins Zentrum der polizeilichen Ermittlungen, zumal auch das Hotel mit einem angeblichen Fluch belastet sein soll, was für erhebliche Verunsicherung der Menschen sorgt.

Auffällig ist zudem das Verhalten der einzelnen Familienmitglieder, die mit Distanz und Abwehr reagieren und die Geduld der Polizei herausfordern. Die Perronis sind alteingesessene Venezianer, genießen einen angesehenen Ruf und pflegen einflussreiche Beziehungen. Darum dauert es nicht lange, bis Silvia Bertuzzi, die Leiterin der Dienststelle, vom Bürgermeister bedrängt wird und von ihrem Team zügig Ergebnisse erwartet werden.

Die Situation erweist sich als kompliziert, als sich im Hotelbereich ein weiterer Mord ereignet und außerdem Carlo Perroni verschwindet ...


"Venezianischer Fluch" ist mein erster Kriminalroman von Daniela Gesing, obwohl Luca Brassoni und seine Kollegen bereits das neunte Mal ermitteln. Die Geschichte bietet das, was ich von diesem Genre erwarte: ein differenziert konstruierter Plot mit Opfer(n), energischen Ermittlern, nachvollziehbarer Spurensuche, vielen Verdächtigen, falschen Fährten, interessanten Geheimnissen und nicht zu vergessen mit unterschiedlichen Emotionen.

Daniela Gesing hat eine angenehme Erzählweise, in der mich lediglich am Anfang die diversen italienischen Bezeichnungen irritiert und meinen Lesefluss beeinträchtigt haben. Ansonsten ist die Handlung nachvollziehbar dargestellt, und die Schilderung der Ereignisse und Ermittlungen erfolgt mit einen wirksamen Spannungsbogen. Daneben gelingt es der Autorin, die Neugier hinsichtlich einiger rätselhafter Wechsel in die Sichtweise des identitätslosen Täters hoch zu halten und ein paar Überraschungsmomente einzubauen.

Hervorzuheben ist außerdem die gekonnte Beschreibung die örtlichen Schauplätze. Hierdurch ist vor meinem geistigen Auge ein lebendiges Bild von Venedig entstanden, ohne dass ich die Lagunenstadt bislang in der Realität kennengelernt habe.

Der Roman punktet mit Figuren, die Daniela Gesing überzeugend gestaltet hat. Als besonders wohltuend empfinde ich es, dass sympathische Menschen mit einem normalen Familienleben, bei dem Organisationstalent gefragt ist, agieren sowie Kollegen ihre Arbeit ohne Konkurrenzdenken gemeinsam erledigen und auftretende Meinungsverschiedenheiten gleichberechtigt klären. Natürlich gibt es auch diejenigen Charaktere, bei denen auf eine Begegnung verzichtet werden könnte, weil ihre negativen Eigenschaften überwiegen. Doch in gewissen Maß habe ich auch bei diesen geringe positive Wesenszüge entdeckt, wenngleich das ohne Übertreibung sehr schwer gewesen ist.

Nach der Lektüre habe ich den Eindruck, dass neben dem Kriminalfall die Konflikte von Menschen, die in Verbrechen involviert werden, im Mittelpunkt stehen.

Luca Brassoni ist bald Vater von zwei Kindern. Meines Erachtens nach ist er aus diesem Grund darauf bedacht, dass die Ermittlungen seine Familie nicht beeinträchtigen, was allerdings nicht unbedingt funktioniert, weil seine Ehefrau Carla in den Fokus gerät.

Magda Perroni hingegen hält die Zügel straff in der Hand, von den Meinungen ihres Ehemannes Bernardo und ihrer Kinder Livia und Carlo lässt sie sich nicht beeinflussen. Sie gerät in den Strudel der Ereignisse, die alles verändern.

"Venezianischer Fluch" ist ein unterhaltsamer Kriminalroman, den ich gerne gelesen habe, so dass ich mich auf ein "Wiedersehen" mit der venezianischen Mannschaft samt Picco, dem tierischen Profiler, freue.

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Veröffentlicht am 21.04.2024

Schwere Entscheidungen

Blankenese - Zwei Familien
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„Schwere Entscheidungen“ werden im zweiten Band der Reihe „Blankenese – Zwei Familien“ getroffen, und alle Figuren darin sind von Michaela Grünig gefordert, die freiheitliche Weltordnung zu verteidigen, ...

„Schwere Entscheidungen“ werden im zweiten Band der Reihe „Blankenese – Zwei Familien“ getroffen, und alle Figuren darin sind von Michaela Grünig gefordert, die freiheitliche Weltordnung zu verteidigen, wenn sie sich nicht Hitler und seiner unsäglichen Partei unterwerfen und in einer menschenverachtenden Diktatur, in der die Rechte des Einzelnen mit Füßen getreten werden und in der es keine Gerechtigkeit, kein Mitgefühl und keinen Widerspruch mehr gibt, sondern nur Lügen und Willkür gibt, leben wollen.

In diesem politisch aufgeladenen Konflikt befinden sich auch die zwei unterschiedlichen Familien, in der sich Anhänger und Gegner des Naziregimes gegenüberstehen.

Michaela Grünig erzählt die Familiengeschichte mit Leidenschaft und viel Herzblut. Dabei bindet sie in die erdachte, authentisch wirkende Handlung unaufdringlich, punktgenau und mit nuanciertem Blick für Details den historischen Hintergrund ein, welcher im Verbund mit der Darstellung der Familienmitglieder an Präsenz gewinnt. Nur kurze Zeit dauert es, und der Leser ist ins Geschehen involviert.

Im nun vorliegenden zweiten Band der Reihe wechseln die im Mittelpunkt stehenden Personen und damit Perspektiven, ohne dass die bereits aus dem ersten Band bekannten Persönlichkeiten, die dieses Mal verständlicherweise zurückgenommener, jedoch nicht weniger wichtig agieren, ihre Bedeutung verlieren. Alle zeichnet aus, dass sie nicht aus einem Guss sind, sondern Ecken und Kanten aufweisen. Dadurch bieten sich Reibungspunkte in der Wahl von Sympathie und Antipathie und die Gelegenheit, eigene Standpunkte zu hinterfragen und hinsichtlich der Ereignisse Vergleiche zur Gegenwart zu ziehen.

„Wir können uns nicht mit irgendwelchen Empfindlichkeiten herausreden, wenn die Angreifer uns eine Ideologie aufzuzwingen versuchen, durch die die Verrohung unserer Gesellschaft und die Aushöhlung unserer Werte droht. Wir tragen gemeinsam Verantwortung für unsere Zukunft. Jeder einzelne ... egal, welcher Nationalität, muss sich mit allem, was er hat, gegen diesen Feind stemmen, sonst werden wir niemals in Frieden und Freiheit leben.“

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Veröffentlicht am 08.03.2024

Helle Tage, dunkle Schuld

Helle Tage, dunkle Schuld
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1948 leiden die Deutschen nach wie vor unter den drastischen Folgen, die ihr Weltkrieg über die Menschen gebracht hat. Die Entnazifizierung durch die Alliierten ist noch nicht abgeschlossen und erweist ...

1948 leiden die Deutschen nach wie vor unter den drastischen Folgen, die ihr Weltkrieg über die Menschen gebracht hat. Die Entnazifizierung durch die Alliierten ist noch nicht abgeschlossen und erweist sich bereits jetzt als lückenhaft und inkonsequent. Ehemalige NS-Diener drängen zurück auf ihre alten Posten.

Damit muss sich auch Kriminalinspektor Carl Bruns auseinandersetzen, der wegen eines jüdischen Großvaters und des verbundenen (fehlenden) Arier-Nachweises für elf Jahre aus dem Polizeidienst entlassen worden war, stattdessen als Bergmann gearbeitet hat und erst nach Kriegsende wieder eingestellt wurde. In der Essener Polizeibehörde steht er tatsächlich eines Tages seinem ehemaligen Ausbilder gegenüber, der sich rehabilitieren möchte.

Doch nicht nur das beschäftigt Carl.

Er wird zu einem Tatort gerufen, dessen Opfer ihn mit der Vergangenheit verbindet. Bei der Toten handelt es sich um die Mutter eines gesuchten Naziverbrechers, der für eine Massenerschießung von Zwangsarbeitern verantwortlich zeichnet und sich auf der Flucht befindet. Außerdem ist der gesuchte Hoffmann mit Frieda, der Schwester von Carl erster großer Liebe Anna verheiratet. Die Frauen waren einst aus Angst vor den Grausamkeiten und Peinigungen des Mannes nach Köln geflohen. Nachdem das Testament der Toten ihren Enkel Emil als Haupterben bedenkt, kehrt die Familie nach Essen zurück.

Carl bezieht besonders Anna in die Ermittlungen mit ein. Zugleich flammen „alte“ Gefühle auf. Die verwitwete Krankenschwester scheint diese zu erwidern, so dass sowohl Carl als auch Anna Hoffnung schöpfen, dass ihnen nach all den Jahren etwas Glück zuteil werden wird. Wären da nicht weitere Tote und die Tatsache, dass sowohl Spuren zu den im Haus von Frau Hoffmann einquartierten Flüchtlingen und Ausgebombten sowie zu Frieda führen. Allesamt sind durchweg nicht gut auf die Ermordete zu sprechen und verhehlen ihre Abneigung nicht.

Wäre das nicht bereits schlimm genug, könnte Anna selbst in Gefahr sein ...


Eva Völler schreibt ohne Schnörkel und mit Intensität. Sie ist klar im Ausdruck der Schilderung der Verhältnisse und misslichen Lage in diesem Nachkriegsjahr und integriert in ihrem Roman „Helle Tage, dunkle Schuld“ gekonnt einen Kriminalfall mit dramatischen Handlungsablauf. In deutlicher Bildsprache beschreibt die Autorin eine Stadt, in der ganze Teile von Bomben zerstört wurden, so dass drei Jahre noch nicht genug Zeit waren, alle Trümmer und die gewaltige Menge des gesamten Schutts zu beseitigen. Aus diesem Grund sind die vorherrschenden Wohnsituationen mehr als beengt.

Deshalb leben die Bewohner des Mehrparteienhauses der toten Frau Hoffmann dicht an dicht zusammen, sie eint das jeweilige unterschiedliche Schicksal, jedoch auch die Antipathie gegenüber der Hausbesitzerin.

Die Deutschen befinden an einem Wendepunkt. Nach langen Jahren im Banne der Nazi-Herrschaft müssen sie erkennen, dass ihre Nation eine von Eva Völler betitelte „dunkle Schuld“ zu tragen und aufzuarbeiten hat, die für die meisten Menschen zwar unbegreiflich, hingegen unerlässlich im Verständnis ist, damit ein Wiederaufstehen möglich wird.

Es sind nicht ausschließlich die Vorgänge im Privaten, sondern daneben die gegenwärtigen politischen Gegebenheiten, beispielsweise in den Behörden wie der Polizei, die die Bemühungen erschweren, den Aufbau einer gerechten Gesellschaft voranzutreiben. Noch immer und bereits wieder gibt es all jene, die auf der Suche nach dem eigenen Vorteil sind und aus der Vergangenheit nichts gelernt haben und dies auch nicht wollen.

Hierdurch wirkt das Geschehen authentisch, in jeder Hinsicht nachvollziehbar und hat mir eine enge Teilhabe am Geschehen gestattet.

Eva Völler scheut sich nicht, Grautöne zu verwenden. Ihre Protagonisten sind nicht nur schwarz oder weiß gezeichnet. Sensibel beleuchtet die Autorin das Zusammensein der Menschen, die auf unterschiedliche Arten miteinander verbunden sind: Liebe, Freundschaft und Mitgefühl stehen Wut, Ablehnung und Hass gegenüber.

Carl wagt viel für seine erste Liebe Anna. Darüber hinaus muss er abwägen, wie er Wahrheit und Lüge voneinander abgrenzt, und vor allem, ob er das überhaupt will.

Anna stellt ihr Kraft völlig in den Dienst der Familie, zu der außer Frieda und Emil noch die jüngere Schwester Lotti gehört, und versucht, diese mit aller Macht zu schützen. Dabei trägt sie selbst schwer an vergangenen Ereignissen, geht indes mit ihrem Kummer nicht hausieren. Die echten Probleme behält sie für sich, sie funktioniert und will niemand anderen belasten.

Vorsichtig, aber stetig entwickeln Anna und Carl Empfindungen (neu), das selten gewordene Gefühl von Zusammengehörigkeit, so dass Sorgen und Ängste nebensächlich erscheinen – eine in meinen Augen sehr glaubwürdige Darstellung.

Eva Völler verdeutlicht, wie wichtig es ist, „aus der Vergangenheit zu lernen und es dann besser zu machen.“ Ihr Roman „Helle Tage, dunkle Schuld" ist ein hervorragendes Beispiel dafür.

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Veröffentlicht am 12.12.2023

Zerbrechlicher Frieden

Die Porzellanmanufaktur – Zerbrechlicher Frieden
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Die Porzellanmanufaktur der Familie Thalmeyer im oberfränkischen Selb hat eine lange Tradition. Zwei Jahre nach dem zweiten Weltkrieg ist es jedoch nicht einfach, die Produktion am Laufen zu halten, fehlt ...

Die Porzellanmanufaktur der Familie Thalmeyer im oberfränkischen Selb hat eine lange Tradition. Zwei Jahre nach dem zweiten Weltkrieg ist es jedoch nicht einfach, die Produktion am Laufen zu halten, fehlt es hauptsächlich am dafür notwendigen Rohstoff Kaolin, zumal ein Konkurrenzkampf um die Reserven mit dem mächtigen Papierfabrikanten Karl Metsch besteht.

Als Patriarch Ludwig Thalmeyer überraschend stirbt und es vom seit Ende 1944 in Russland verschollenen Sohnes Joachim keine Nachricht gibt, liegt es an Marie, der ältesten Tochter, die Geschicke der Fabrik in die Hand zu nehmen. Kein leichtes Unterfangen. Die Zeiten sind nach wie vor unruhig. Und als junge Frau scheint sie sich auf „verlorenem Posten“ zu bewegen. Denn die Männer haben das Sagen. Außerdem brauchen die Menschen andere Dinge als feines Porzellan.

Doch trägt Marie nicht allein Verantwortung für die Fabrik und die Arbeiter und deren Familien, sondern sie muss auch für die bei ihnen einquartierten Flüchtlinge sorgen.

Marie, wegen ihrer hellen makellosen Haut „Porzellankind“ genannt, hat sich schon immer mehr für die Manufaktur interessiert als ihr – für die Nachfolge vorgesehener – musikalischer Bruder. Darum stellt sie sich mit Ernsthaftigkeit der Herausforderung, den damit verbundenen Aufgaben und neuen Verpflichtungen. Hilfe erhält sie einerseits von ihrer vier Jahre jüngeren Schwester Sophie, die aber zugleich das neue Leben in vollen Zügen genießen möchte, und andererseits von der amerikanischen Besatzungsmacht. Es ist besonders Militärgouverneur John McNarney, auf dessen Unterstützung sie zählen kann. Und nicht nur das …


Mit „Zerbrechlicher Frieden“ startet die Reihe „Die Porzellanmanufaktur“ von Stefan Maiwald, in deren Mittelpunkt mit Marie und ihrer Schwester Sophie zwei Frauen stehen, die sich in einer von den Männern regierten Welt behaupten und trotz aller widrigen Umstände und Niederlagen versuchen, ihren Traum von einem eigenständigen Leben zu verwirklichen.

Das ist mit einiger Mühsal verbunden. Deutschland und seine Menschen erholen sich nur langsam von den Folgen des Zweiten Weltkrieges und setzen alles daran, den Verlust von Angehörigen zu verarbeiten und den Wiederaufbau des Landes voranzutreiben. Obwohl seit Mitte 1947 die Versorgungslage in den von den besetzten Zonen spürbar besser wird, ist der Mangel allgegenwärtig und Schwarzmarktgeschäfte blühen. Daneben gibt es immer noch jene, die ihr eigenes Fortkommen im Sinn haben und sich selbst am nächsten sind.

Dem Autor gelingt sprachlich klar und verständlich unter Einbindung historischer Informationen und Ereignisse eine authentische Darstellung, die vor allem von Schilderung des Alltags mit den Problemen profitiert. Unbedingt muss in dem Zusammenhang die Schneiderei von Frau Helgard hervorgehoben werden, in der der Dorfklatsch immer neue Nahrung erhält. Das ist mit einem Augenzwinkern erzählt und nimmt der herrschenden Situation mit etwas Humor die Schwere.

Stefan Maiwald macht deutlich, dass in manchen Köpfen der Krieg noch nicht vorbei ist. was sich in Aggressionen und Vorurteilen gegen Flüchtlinge äußert, obwohl diese vielfach die fehlenden Arbeitskräfte in der Landwirtschaft ersetzen.

Hinsichtlich seiner Figuren ist es dem Autor geglückt, sie vielfältig zu charakterisieren und die Beziehungen zueinander aufzuschlüsseln. Einige Positionen von Gut und Bösen sind sehr offensichtlich verteilt, wobei gerade die „Feinde“ deutliche Strukturen erfahren, wenn sie geblendet von Hierarchie, Ideologie und Machtgelüsten moralisch verdorben agieren oder Intrigen spinnen. Wiederum befinden sich andere Personen in Grauzonen und machen einen gewissen Reiz in der Geschichte aus.

Während des Verlaufs der Handlung wechseln die Schauplätze, und Stefan Maiwald gewährt Rückblicke in die facettenreiche Vergangenheit einzelner Figuren. So erhalten wir Einsicht in ihre Motivationen und Gefühle und werden in Entwicklungen eingebunden.

Es sei allerdings auch angemerkt, dass im gegenwärtigen Geschehen das eine oder andere Mal intensive Emotionen im Bereich der zwischenmenschlichen Beziehungen herausgefiltert werden müssen.

Insgesamt ist „Zerbrechlicher Frieden“ ein gelungener und unterhaltender Auftakt einer Trilogie, bei der der nächste Band mit Freude zur weiteren Lektüre erwartet werden kann.

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Veröffentlicht am 01.12.2023

Das Erbe derer von Thurn und Taxis

Das Erbe derer von Thurn und Taxis
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1618 werden die königlichen Statthalter der katholischen Habsburger vom böhmischen Adel in der Prager Burg aus dem Fenster geworfen, nachdem die Beschlüsse des Augsburger Religionsfriedens von 1555 mehr ...

1618 werden die königlichen Statthalter der katholischen Habsburger vom böhmischen Adel in der Prager Burg aus dem Fenster geworfen, nachdem die Beschlüsse des Augsburger Religionsfriedens von 1555 mehr und mehr unterlaufen worden waren und die Auflösung der Versammlung der protestantischen Stände das Fass zum Überlaufen gebracht hatte.

Seitdem herrscht nicht nur in Böhmen Krieg, sondern auch im Süden Deutschlands. Deshalb steht die erste, rein zufällige Begegnung von Silas von Maringer und Gräfin Alexandrine von Taxis im Jahr 1623 unter keinem guten Stern. Abgesehen davon, dass Alexandrine verheiratet ist, gilt Silas als Sohn des Oberstallmeisters des Kurfürsten von Mainz von niederem Adel und ist zudem vierzehn Jahre jünger. Indes soll dieses Treffen für beide von Bedeutung für ihr restliches Leben haben, denn beide spüren die gegenseitige Anziehung und beginnende Zuneigung.

Als Alexandrines Ehemann Leonhard stirbt, übernimmt sie das Amt der Generalpostmeisterin, um ihrem Sohn Lamoral das Erbe bis zu dessen Volljährigkeit zu sichern, allerdings unter der Bedingung, dass sie sich bis zu diesem Zeitpunkt nicht erneut vermählt. Damit scheint schon allein aus diesem Grund eine gemeinsame Zukunft der beiden in weiter Ferne zu liegen.

Während sich Alexandrine um den Erhalt der Poststationen und Routen sowie deren Ausbau kümmert, verlässt Silas seine Familie und die Heimat, geht seinen eigenen Weg und stellt sich neuen Herausforderungen, bis er eines Tages endlich als Reiter in Alexandrines Dienstes tritt. Doch dann kehrt er von einem Auftrag nicht zurück, und Alexandrine bemerkt in Bangen und Ängsten, wie viel ihr der junge Mann tatsächlich bedeutet …


Mit „Das Erbe derer von Thurn und Taxis“ rückt Johanna von Wild eine ungewöhnliche Thematik in den Mittelpunkt: das damalige Postwesen und die Probleme und Herausforderungen, die während des Dreißigjährigen Krieges und der hiermit verbundenen, sich häufig ändernden Situation einhergingen.

Darüber hinaus vermittelt die Autorin in verständlicher Weise, erzählerischer Dichte und sprachlicher Gewandtheit einen detaillierten Abriss der historischen Ereignisse, die nicht nur eine allumfassende Recherche offenbaren, sondern auch Grundlage für die Einbindung ihrer Figuren in das Geschehen bilden.

Verschiedene Wechsel erlauben Einblicke in die Leben der Hauptfiguren während der Zeit des Krieges mit seinen diversen Schlachten anlässlich der Auseinandersetzungen um den wahren Glauben zwischen Katholischer Liga und Protestantischer Union und die Machtkämpfe der gekrönten Häupter. Insofern gelingt es der Autorin, im Handlungsverlauf Episoden voller Anschaulichkeit, Kontraste und Emotionen wiederzugeben. Besonders in der Schilderung der persönlichen Schicksale der Menschen inmitten der großen Umwälzungen, die Tod, Hunger, Krankheiten und folglich Leid und Elend brachten, sind die Ausführungen äußerst bildwirksam und intensiv, ja zum Teil drastisch. Die nachhaltige Darstellung trifft so das Innere des Lesers, im Wesentlichen allem bei der Beschreibung von Grausamkeiten.

Neben den realen Persönlichkeiten hat Johanna von Wild facettenreiche Charaktere erdacht und mit Stärken und Schwächen ausgestattet, so dass sie in ihrer Entwicklung bei der Verwirklichung der Ziele manchmal Fragen aufwerfen, jedoch gerade aus diesem Grund authentisch wirken. Hier sind vorrangig auch die Nebenfiguren zu erwähnen, denen sich die Autorin mit gleichwertiger Begeisterung gewidmet hat wie ihren Hauptprotagonisten.

Gräfin Alexandrine von Taxis ist eine historische Persönlichkeit, die – für ihre Zeit ungewöhnlich – Unterstützerin ihres Ehemannes gewesen ist und deswegen auch von ihm mit der Sicherung des Erbes für den Sohn Lamoral betraut wurde. Schon allein das ist bemerkenswert. Es eröffnet uns die Aussicht auf eine Frau der Willenskraft und des Könnens sowie des Vermögens, Augenmerk auf die entscheidenden Dinge zu legen. Eine Frau und Mutter, die sich nicht zu schade dafür ist, für das Erbe ihres Sohnes alles auf sich zu nehmen.

Alexandrines Spur in der Historie verliert sich, nachdem Lamo die Geschicke der Post weiterführt. Somit ist der Autorin möglich gewesen, ihre Fantasie spielen und Alexandrine eine Liebe zum fiktiven Silas erleben zu lassen.

Überhaupt Silas. Es fällt beileibe nicht schwer, ihn zu mögen. Er liebt Pferde, und vor allem mit Nabil, seinem treuen Begleiter auf den wahrlich abenteuerlichen Wegen, bildet er eine Einheit. Sein Selbstbewusstsein und Loyalität zeichnen ihn aus und erlauben es uns, für ihn trotz seines gelegentlichen Wagemuts das Beste zu hoffen.

Johanna von Wild überzeugt mit der Liebesgeschichte zwischen Alexandrine und Silas, weil sie sie sehr zurückgenommen, aber mit feiner Zartheit innerhalb der dramatischen Vorkommnisse erzählt. So wird „Das Erbe derer von Thurn und Taxis“ zu einem historischem Roman, der mit seiner ungewöhnlichen Geschichte ausgezeichnete Lesestunden bietet.

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