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Veröffentlicht am 29.01.2018

Kiss. Play. Love.

Kiss. Play. Love.
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Im Grunde braucht Simon Traxel, millionenschwerer Besitzer einer Kette von Computerläden, nicht arbeiten. Aber er hat Spaß daran, Computer zu reparieren, und ist auch sonst kein Kind von Traurigkeit. Er ...

Im Grunde braucht Simon Traxel, millionenschwerer Besitzer einer Kette von Computerläden, nicht arbeiten. Aber er hat Spaß daran, Computer zu reparieren, und ist auch sonst kein Kind von Traurigkeit. Er genießt das Leben, und doch hat er ein Problem. Sobald Frauen herausfinden, wer er ist und wie viel Geld er hat, beschließen sie, ihn als ihren Geldautomaten und dadurch Schlüssel für einen verschwenderischen Lebensstil zu betrachten, weswegen er diesbezüglich Vorsicht walten lässt und feste Beziehungen meidet.

Eines Tages stolpert Cassie Michaels in einen seiner Läden und bringt ihren in Wein ertränkten Computer in Hoffnung vorbei, dass dieser gerettet werden kann. Simon ahnt nicht, dass sie mehr praktische Hilfe benötigt, als er sich vorstellt.

Ihr Leben lang hat sich die Bodenanalystin Cassie neben ihren grazilen Schwestern Missy und Lisa wie ein Holzklotz gefühlt. Sie ist intelligent und hat promoviert, aber sie ist langweilig und zurückhaltend, denn sie mag nichts von dem, was ihre Schwestern schätzen: Sie kümmert sich nicht darum, die richtige Mode zu tragen, eine hinreißende Gastgeberin zu sein oder gar den perfekten Mann zu finden und natürlich zu heiraten. Um sich interessanter zu machen und ihr Image aufzupolieren, erfindet Cassie Geschichten über ihre wilden sexuellen Abenteuer, die sie zu diversen Gelegenheiten in lebhaften Einzelheiten zum Besten gibt.

Cassie gerät jedoch in die Bredouille. Anlässlich einer Party will sie all die Lügen aufschreiben, um sich vorzubereiten. Ihr Versuch, eine Sammlung ihrer zehn größten erotischsten „Erfahrungen“ zu katalogisieren, geht gründlich schief, als sie Wein auf ihrem Laptop verschüttet und aus diesem Grund in Simons Laden inklusive ihrer auf dem Bildschirm „eingefrorenen“ Sex-Liste landet.

Simons Interesse ist geweckt, da die junge Frau einerseits überhaupt nicht ahnt, wen sie vor sich hat und folglich nicht hinter seinem Geld her ist. Zudem strahlt sie selbst mehr das Image von Bleib-mir-vom-Leib als Komm-her aus. Darum macht er ihr den Vorschlag, mit ihr gemeinsam ihre Liste „abzuarbeiten“, und nach kurzem Zögern stimmt Cassie zu, weil sie Simon als sympathisch und charmant empfindet, ihre Sexphantasien Wirklichkeit werden zu lassen. Angefangen bei „Sexposition namens Lochschaufler (klingt wie etwas, das man nur einmal tun sollte)“ bis „Unanständige Spielchen im Spa eines superedlen Hotels für reiche Arschlöcher. Schaumbad, Massage und wilde Zeiten im Frauenumkleideraum“…

Tawna Fenske erzählt mit „Kiss- Play. Love“ eine gleichermaßen ausgeflippte wie aufregende und romantische Geschichte, die vielleicht ein bisschen zu kurz geraten ist, dennoch mit gut entwickelten liebenswürdigen und gescheiten Protagonisten aufwartet. Zwischen Cassie und Simon stimmt die Chemie. Das Geplänkel der beiden ist ausgesprochen amüsant und unterhaltend. Außerdem gelingt es der Autorin, die erotischen Abenteuer prickelnd in Szene zu setzen. Die beiden haben Spaß und kein Problem damit, zu experimentieren und scheinbar unmögliche Praktiken auszuprobieren. Sie sind nicht physisch, sondern auch intellektuell gut aufeinander abgestimmt. Je mehr Zeit sie zusammen verbringen, desto deutlicher wird es, dass sie, während sie ihr sexuelles Beisammensein genießen, sich mehr voneinander ersehnen.

Doch einfach macht Tawna Fenske es ihren Figuren nicht. Während Cassie offen und ehrlich zu Simon ist, hält dieser sich zurück. Er ist unfähig, seine Ängste zurückzudrängen. Vielmehr lässt er sie in dem Glauben, in diesem Computerladen zu arbeiten und vermeidet alles, was sein tatsächliches Leben offenbaren würde. Zur Wahrheit gehört nämlich, dass er sich nicht nur rührend um seine Schwester Junie kümmert, sondern Menschen, die wie Junie das Down-Syndrom haben, in Rahmen eines speziellen Arbeitsbefähigungsprogramms in seinem Unternehmen eine Chance gibt.

Allerdings ist Junie auch der Grund, warum er gegenüber Cassie schweigt. Denn Simons Schwester neigt dazu, sich der Frau, mit der er eine Beziehung hat, dermaßen zuzuwenden, dass sie im Falle einer Trennung schwer damit umgehen kann, diejenige nicht mehr zu sehen. Und ganz der große Bruder möchte er vermeiden, dass Junie sich aufregt.

Wie so oft, haben auch hier Lügen kurze Beine, und es stellt sich die Frage, ob Simon und Cassie es wirklich schaffen, aus Kiss und Play Love werden zu lassen…

Veröffentlicht am 26.01.2018

Sugar & Spice zum Ersten - Glühende Leidenschaft

Sugar & Spice - Glühende Leidenschaft
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Nadia Spiceland ist attraktiv, reizend, sympathisch und talentiert. Nicht zu vergessen: Ihr Name und ihr Gesicht sind berühmt. Denn einst hatte sie einen Kochwettbewerb im Reality-TV gewonnen und ihre ...

Nadia Spiceland ist attraktiv, reizend, sympathisch und talentiert. Nicht zu vergessen: Ihr Name und ihr Gesicht sind berühmt. Denn einst hatte sie einen Kochwettbewerb im Reality-TV gewonnen und ihre eigene Fernsehsendung erhalten. Unvorbereitet auf diese Art der Bekanntheit hatte sie immer öfter zu Medikamenten gegriffen und war abhängig geworden.

Dank eines eisernen Willens ist es ihr in den letzten Jahren Schritt für Schritt gelungen, ihre Tablettensucht zu überwinden, aus ihren Fehlern zu lernen und nach vorne blickend die hässliche Vergangenheit hinter sich zu lassen. Inzwischen führt sie zusammen mit ihrer Freundin Siobhan „Sugar“ Malloy erfolgreich das Café „Sugar & Spice" und überrascht ihre Kunden mit (meist) süßen Köstlichkeiten.

Und dann sind da noch ihre Freundinnen Vanessa und Audie. Jeden Dienstag treffen sich die vier und besprechen, was ihnen auf der Seele brennt. Das Besondere an diesem Viererkleeblatt: Jede von ihnen hat irgendein Problem, und alle müssen damit irgendwie klarkommen. Einige schaffen es besser als andere. Manchmal läuft es gut, und manchmal eben nicht.

Nadia will nach ihrem Zusammenbruch und ihrer Enttäuschung vor vier Jahren lieber keine Beziehungen. Aber Sex? Jederzeit. Je wilder, desto besser.

Objekt der Begierde ist Kaname Sullivan, „Professor Sex“, klug, ehrgeizig, zielgerichtet, kontrolliert und mit siebenunddreißig immer noch nicht unter der Haube. Kane arbeitet als Berater für Sexualverbrechen und liebt seine Tätigkeit als Dozent für Sexualpsychologie. Es bereitet ihm Vergnügen, seine Studenten zu fesseln und herauszufordern, ihren Horizont zu erweitern und ihre Einstellung zur Welt zu verändern. Außerdem ist er als Autor erfolgreich, das Honorar für drei Sachbücher bietet ein ausreichendes finanzielles Polster.

Nadia und Kane gehen ohne Hemmungen aufeinander zu und lassen sich auf ein Spiel ohne Verpflichtungen ein. Doch so einfach und unkompliziert wie gedacht, ist das letzten Endes nicht...


Mit ihrer Reihe „Sugar & Spice“ erzählt Seressia Glass die Schicksale der vier Freundinnen Nadia, Siobhan, Vanessa und Audie, denen sie einen ernsten und sinnvollen Hintergrund verpasst. Denn sie bietet einen Einblick in das Verhalten von Menschen mit einer Sucht, den Kampf, diese zu überwinden und sich damit auseinanderzusetzen. Dabei werden Probleme aufgegriffen, ohne in die erdrückende Tiefe zu gehen, denn vorherrschend ist und bleiben die Darstellungen in „Sugar & Spice“ erotische Liebesgeschichten.

Darauf baut auch „Glühende Leidenschaft“ auf. Die Geschichte von Nadia und Kane lässt sich entspannt lesen, weil sie nahe an der Realität, authentisch und nachvollziehbar ist. Die Autorin erfüllt die Erwartung, mit einem gewissen Anspruch zu unterhalten, ohne das Wesen des Genres zu unterlaufen.

Während der Handlung wird das Wachsen der Charaktere und ihre Veränderung sichtbar. Zu Beginn ihrer „Beziehung“ steht für Nadia und Kane beispielsweise das Ausprobieren von Positionen aus dem Buch „Der duftende Garten“ - einem orientalischen Werk über die Liebeskunst von Scheik Nefzaui - und damit die eigene Lust im Vordergrund, im Verlauf des Geschehens nehmen andere Dinge an Wichtigkeit zu.

Nadia entdeckt, wie sehr sie Kane vertraut. Nach den ganzen Erfahrungen ihres früheren Lebens fällt ihr das verständlicherweise nicht mehr allzu leicht. Etwas an Kane und einer ruhigen, aber bestimmenden Art und seiner Fähigkeit, kontrolliert zu handeln, vermittelt ihr jedoch, dass sie ihm vertrauen kann. Er führt sie über ihre Grenzen hinaus und gibt ihr dennoch die notwendige Sicherheit.

Kane hat keine Probleme mit der Tatsache, dass Nadia in einer Entzugsklinik gewesen ist. Vielmehr ist er von Anfang an fasziniert von ihr und erkennt, dass er jemanden wie sie braucht. Jemanden, der ihn den Druck, der auf ihn als Professor ausgeübt wird, vergessen lässt, ebenso wie das Deprimierende an seiner Beratertätigkeit. Jemand, der bereit ist, auf sexueller Ebene mit ihm herumexperimentieren, ohne es für schmutzig oder pervers zu halten.

Hier hat er in Nadia die richtige Partnerin gefunden. Nadia raubt ihm jede Selbstbeherrschung, und Kane verliert langsam die Kontrolle über sein Leben, was ihm nicht unbedingt gefällt. Sein Leben und seine Karriere fußen auf harter Arbeit und Willenskraft, darauf, dass er stets die Oberhand behält. Obwohl er eine Schwäche für abenteuerlustige Frauen hat, wird das erotische Spiel immer nach seinen Regeln durchgeführt und endet auch danach.

Allerdings macht das Gesamtpaket aus sexueller Neugier, Hingabe, Geschicklichkeit, Intelligenz und Schönheit Nadia zu einer außergewöhnlichen Frau, obwohl sie sich selbst nicht so sieht. Aber wer etwas Vergleichbares wie sie erlebt hat und gestärkt daraus hervorgegangen ist, muss Rückgrat haben. Und so bewundert er sie. Und er begehrt sie. Liebt er sie auch?

Neben ihren Hauptfiguren gelingt es Seressia Glass, die anderen Protagonisten zu positionieren, ohne tiefgründig zu werden. So bleiben deren Entwicklung ihren eigenen Geschichten in den Folgebände vorbehalten.

„Glühende Leidenschaft“ hat Feuer, ist temporeich und verfügt durchaus über eine gewisse „Schärfe“, die der Titel verspricht. In der Sprache ist die Schilderung mehr als deutlich und langweilt zu keinem Zeitpunkt.

Veröffentlicht am 21.01.2018

Held oder Monster?

Der Fluch des Feuers
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Wer Geschichten nicht mag, in denen es extrem blutig, gewalttätig, skrupellos, unerbittlich, chaotisch, unmenschlich und auch glibberig zugeht oder gar Würmer und Spinnen eine Rolle spielen, sollte diese ...

Wer Geschichten nicht mag, in denen es extrem blutig, gewalttätig, skrupellos, unerbittlich, chaotisch, unmenschlich und auch glibberig zugeht oder gar Würmer und Spinnen eine Rolle spielen, sollte diese hier nicht lesen. Es sei denn, er lässt sich daneben von einem erstaunlichen Protagonisten, einem ungewöhnlichen Plot, Abenteuern, Tapferkeit, Courage, Opferbereitschaft, Furchtlosigkeit und Kameradschaft überzeugen. Dann steht einer Lektüre von „Der Fluch des Feuers“ von Mark de Jager nichts im Wege, da diese von all dem Genannten einiges bietet.

Zunächst einmal eine bemerkenswerte Hauptfigur: Stratus, der alles ist, nur kein strahlender Held. Vielmehr umgibt ihn etwas Dunkles, und damit ist nicht (nur) seine schwarze Hautfarbe gemeint. Ja, er könnte tatsächlich ein Monster sein. Stratus weiß es nicht. Er erwacht, mitten auf einem Feld in einer misslichen Situation, nämlich nackt und über sich lauernde Geier, und es scheint ihm gar nicht gut zu gehen. Aber zumindest drei Dinge sind ihm neben seinem Namen bewusst: Er lebt, er kann kein Mensch sein, und er versteht etwas von Magie. Alles andere liegt jenseits jedweder Erinnerungen in der Vergangenheit.

Damit nicht genug. Er bekommt nicht nur einmal Schwierigkeiten. Er wird ständig gejagt oder gerät in Gefangenschaft. Irgendwie gibt es immer wieder jemanden, der ihn verletzen will. Obwohl Stratus eine beeindruckende Erscheinung ist und körperlich von einschüchternder Größe. Zudem versteht er es mehr und mehr, sich hart zu verteidigen und Gegner mühelos zu bezwingen. Dabei fällt auf, dass sich Stratus nicht wie ein brutaler tumber Hauklotz durch die Handlung schlägt, sondern eine gewisse Schläue und Intelligenz an den Tag legt.

Da nicht offenbart wird, warum Stratus nichts mehr aus seiner Vergangenheit weiß oder warum er dies oder jenes tut, bleibt er ein Rätsel. Ist er nun einer von den Guten oder von den Bösen?

Macht dies den ungewöhnlichen Reiz, die Faszination der Geschichte aus? Ist es der Fakt, dass wir den größten Teil des Buches nicht sicher sind, ob Stratus der Gute ist, ob es überhaupt einen Guten gibt? Oder ist es die Tatsache, dass die Ereignisse von den Gedanken und Überlegungen von Stratus geprägt wird und wir auf Grund der Ich-Position stets unmittelbar dabei sind? Wir spüren seine Verwirrung, seinen unstillbaren Hunger, wir wissen immer, was Stratus weiß, wir verfolgen jeden seiner Schritte und lernen, was er lernt, begegnen den dunklen Seiten seines Ichs, andererseits auch den weniger dunklen Empfindungen, während Stratus sich zurechtfinden muss in einer vom Krieg zerrissenen Welt, in der sich zwei Länder bekämpfen, gleichzeitig aber ohne deren Wissen eine dunkle Magie deren Zerstörung betreibt.

Der Erzählton ist leicht zu lesen, selbstbewusst, vorstellungsintensiv, lebhaft und durchaus fesselnd, manchmal etwas zu ausführlich, dann wiederum mit einem ironischen Zug versehen, der auflockernd wirkt. In dem Tempo, in dem Stratus Informationen erhält, werden sie auch für uns zugänglich. So lernen wir die Welt mit ihm und durch ihn kennen.

Marc de Jager entwirft und erklärt die Gesellschaft, in der sich Stratus bewegt, nur in feinen Nuancen. Während die Geschichte wächst, und das Geschehen voranschreitet, liegt der Fokus auf Stratus und dem Erkennen seiner wahren Natur. Im Ringen mit seiner „inneren Bestie“, macht Stratus eine Entwicklung durch.

Der Autor hat sich Zeit genommen, einprägsame Charaktere zu kreieren, trotz der in Gänze überschaubaren Figurenschar. Denn viele erscheinen und sind gleich wieder weg oder tot. Doch ist es neben Stratus Tatyana, die uns packt, weil sie eine besondere Verbindung zu Stratus knüpft und mit ihm im Verlauf der verzwickten Handlung einigen geheimnisvollen, ja ungeheuerlichen Dingen auf die Spur kommt und uns mit einem großen Paukenschlag zurücklässt.

Mark de Jagers Geschichte über einen Anti-Helden ist ein waghalsiges Unternehmen, das die Gemüter spalten wird. Die einen werden es lieben, die anderen nicht.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Action
  • Charaktere
  • Erzählstil
  • Idee
Veröffentlicht am 18.01.2018

Ein Platz in deinem Herzen

Ein Platz in deinem Herzen
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Die sechsunddreißige Grace McAllister hat sich für ein Leben ohne Kinder entschieden. Dann jedoch lernt begegnet sie dem gutaussehenden charismatischen Gastronomen Victor kennen, und sie fühlt, dass die ...

Die sechsunddreißige Grace McAllister hat sich für ein Leben ohne Kinder entschieden. Dann jedoch lernt begegnet sie dem gutaussehenden charismatischen Gastronomen Victor kennen, und sie fühlt, dass die Beziehung anders ist als ihre vorherigen. Diese Annahme ist berechtigt, denn dieser Mann ist etwas Besonderes: Victor hat zwei Kinder - Ava und Max. Aber da die Kinder bei ihrer Mutter Kelli leben, entscheidet sich Grace, das Wagnis einzugehen. Trotzdem gestaltet sich das Dasein als Teilzeiteltern nicht einfach, da Grace als Freundin des Vaters nicht unbedingt akzeptiert wird.

Als Kelli unter mysteriösen Umständen stirbt, sieht sich Grace von einem Tag auf den anderen damit konfrontiert, dass die Kinder nunmehr bei ihrem Vater wohnen und sie sich in der Rolle der „Stiefmutter“ zweier trauernder Kinder befindet.

„Ein Platz in deinem Herzen“ ist ein leiser Roman. Amy Hatvany gibt darin drei sehr unterschiedlichen Frauen eine Stimme: Grace, Kelli und der dreizehnjährigen Ava.

Da ist zunächst Grace, eine selbstbewusste Frau, die einfach nicht den Wunsch nach eigenen Kindern verspürt. Als sie Victor kennenlernt, muss sie auch seine zwei Kinder akzeptieren, wenn sie mit ihm zusammen sein will.

Amy Hatvany stellt Grace erfreulicherweise nicht als klassische kinderlose Karrierefrau dar. Vielmehr ist Grace ohne prägende Mutterfigur mit einem jüngeren Bruder aufgewachsen, weshalb sie auf eigene Kinder verzichtet. Sie ist weder herzlos noch auf sich bezogen, sondern auch in schwierigen Zeiten offen und ehrlich zu sich selbst, engagiert sich für misshandelte Frauen und hilft diesen, ihre zerstörten Leben aufzubauen.

Die neue Situation verunsichert und überfordert Grace. Es ist schwer für sie, sich in die Rolle einer Stiefmutter hineinzufinden, weil sie nicht weiß, ob es ihr gelingt. Zudem ist Victor so beschäftigt mit seiner Arbeit, dass er nicht in der Lage ist, zwischen seiner neuen Partnerin und den Kindern zu vermitteln. Von Anfang an lässt er es an der notwendigen Unterstützung mangeln, Grace an die für sie schwierigen Gegebenheiten heranzuführen. Denn Victor hat seinerseits Angst, Ava und Max kein guter Vater zu sein, zu schwach, um ihnen beizustehen und ihnen über ihren Kummer hinwegzuhelfen.

Doch Grace ist niemand, der einfach wegläuft und Menschen im Stich lässt, nur weil dies leichter wäre. Vielmehr stellt sie sich der Aufgabe.

„Vielleicht war Muttersein ja längst nicht so beängstigend, wie ich immer geglaubt hatte.“ (Seite 204)

Leider werden ihre Bemühungen nicht anerkannt. Trotzdem sie sich sehr zurücknimmt und Victor als Vater alle Entscheidungen überlässt, bekommt sie vor allem zu Amy sehr schwer Zugang.

Die Dreizehnjährige ist ein komplizierter Charakter und offenbart viele Schichten. Reif für ihr Alter musste sie nicht nur mit ansehen, wie die Ehe ihrer Eltern in die Brüche ging, sondern außerdem, wie ihre emotional instabile Mutter immer öfter in Depressionen versank.

Amy wurde so in die Rolle der Verantwortlichen gedrängt, die sich um den Bruder und um die täglich anfallenden Dinge kümmerte. Und um die Mutter, die sie über alles liebte und um derentwillen sie all das tut. Weil sie im tiefsten Inneren niemals die Hoffnung aufgegeben hat, dass der Vater zurückkehrt und die Familie wieder zusammen ist.

Eine Menge, ein Zuviel für ein junges Mädchen. Sie verliert ihre Mutter und hat das Gefühl, mutterseelenallein zu sein. „Meine Mama war fort. Nie wieder würde sie mich in den Arm nehmen, mir nie wieder sagen, wie klug ich wäre und wie hübsch.“ (Seite 147) - Dann ist da noch die Angst, dass auch der Vater sterben könnte.

Während Grace und Ava in der Gegenwart erzählen, erfährt der Leser von Kellis Schicksal durch Rückblenden in die Vergangenheit. Dieses, geprägt von Lügen und Verdrängung, ruft unweigerlich Beklemmung und Bedauern hervor.

Denn Kelli ist die schwächste und traurigste Person in der Geschichte. Niemand kennt ihr Inneres wirklich, ihr Leben ist voller Geheimnisse. Geprägt von einer schwierigen Kindheit in einem strengen Elternhaus hat sie bereits in frühster Jugend gelernt, sich in zwei verschiedene Personen aufzuspalten – die, als die die anderen sehen wollen, und die andere, die sie wirklich ist.

An das Glück mit Victor hängt sie sich mit Hingabe, in ihrer Mutterschaft geht sie auf. „Erst als Mutter weißt du, was Liebe wirklich bedeutet. Es ist ein überwältigendes Gefühl, das man nur verstehen kann, wenn man selbst ein Kind hat. Es wiegt alle Schwierigkeiten auf und ist jede Minute wert.“ (Seite 143) - Doch sie klammert, und unweigerlich führt das zum Scheitern der Ehe.

Amy Hatvany hat emotional starke Charaktere geschaffen, die sich mit den Höhen und Tiefen des Lebens befassen müssen. Es gelingt ihr, durch die unterschiedlichen Sichtweisen die Empfindungen der Beteiligten offenzulegen. Diese sind nicht perfekt, sondern fehlbar, und sie müssen lernen, sich gegenseitig zu vertrauen und gemeinsam daran zu arbeiten, das Geschehene zu verarbeiten. Die Autorin macht es ihren Protagonisten nicht leicht und bietet keine einfache Lösung an. Dadurch wird ihre Schilderung realistisch.

„Ein Platz in deinem Herzen“ ist ein ergreifendes und hoffnungsvolles Porträt über ganz normale Menschen, die nach dem Verlust eines nahe stehenden Familienmitglieds versuchen, das Richtige zu tun, und die sich auf der Suche nach Liebe und Akzeptanz den Herausforderungen stellen.

Veröffentlicht am 18.01.2018

Frauen, Rosen und Schokolade

Die Frauen der Rosenvilla
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Anna ist ein Dresdner Schokoladenmädchen. Sie liebt Schokolade, und mit ihren zweiunddreißig Jahren hat sie sich etwas flirrend Mädchenhaftes bewahrt. Als Erbin einer alteingesessenen Dresdner Schokoladendynastie ...

Anna ist ein Dresdner Schokoladenmädchen. Sie liebt Schokolade, und mit ihren zweiunddreißig Jahren hat sie sich etwas flirrend Mädchenhaftes bewahrt. Als Erbin einer alteingesessenen Dresdner Schokoladendynastie tritt sie in die Fußstapfen ihres Großvaters und kreiert feinste Schokoladenprodukte. Denn Anna besitzt den erlesenen Geschmackssinn ihres Großvaters.

Gleichzeitig schlägt ihr Herz für Rosen. Und sie träumt von einer Familie, einem Mann, Kindern, doch noch ist ihr das Glück nicht hold gewesen. Bis auf die letztgenannten Dinge könnte es ansonsten nicht besser laufen. In der Altstadt ihrer sächsischen Heimat hat sie ihr zweites Geschäft eröffnet und zugleich die ehemalige Familienvilla zurückgekauft. Deren Garten soll wieder das werden, was er einst war. Ein Paradies für Rosen. Anna will, dass die Rosenvilla im alten Glanz erstrahlt.

„Ich möchte… das Gestern in das Heute einladen und sehen, wie die beiden sich vertragen.“ (Seite 25)

Während der ersten Arbeiten wird im Garten eine vergrabene Schatulle gefunden, die neben einer zerrissenen Perlenschnur, Babyhärchen und einer Spiegelscherbe unter anderem ein Bündel verblasster Briefe, die Fotografie einer Frau, die Anna wie aus dem Gesicht geschnitten, ihr aber völlig unbekannt ist, und unzählige lose, wie aus einem Tagebuch herausgerissene Blätter offenbart. Anna lässt sich in die Vergangenheit entführen und entdeckt bei ihren Recherchen mit Hilfe ihrer Freundin Hanka bislang achtsam gehütete Geheimnisse ihrer Familie, die bis ins Jahr 1892 zurückreichen und deren vorhandenen Verbindungen erst nach und nach sichtbar werden und damit selbst Einfluss auf Anna und ihr Leben nehmen.

Teresa Simon schreibt in „Die Frauen der Rosenvilla“ mit Leidenschaft über Schokolade und Rosen und verlockt einen, das Buch nicht ohne eine süße Nascherei zu lesen, um danach im Garten den Duft der Rosen zu genießen. Eine zauberhafte sinnenfreudige Kombination, die gelungen und glaubhaft ist, weil nicht nur die Begeisterung der Autorin für Rosen deutlich wird, sondern sie ebenfalls besondere Mühe bei der Beschreibung der Pralinenherstellung gegeben hat. Als Bonbon wartet das Buch am Ende mit sechs Pralinenrezepten und der Anleitung für einen selbst gemachten Eierlikör auf.

„Anna schloss die Augen und schmeckte nach. Ja, so konnte Schokolade eben sein, wenn sie mit Wissen und Liebe zubereitet wurde: mild und sinnlich, dunkel und üppig, seidig und glatt, himmlisch und luxuriös. Ruin oder Glück, Vergnügen oder Ekstase – und vor allem Trost. Und sie half beim Denken.“ (Seite 88)

Die Autorin schildert die Geschichten der Frauen der Rosenvilla in Zeitsprüngen. Neben Anna im Jahre 2013 sind es drei Frauen, die ihre „Gefühle und Gedanken in freudigen und schlimmen Zeiten“ von 1892, 1919 und 1938 zu Papier bringen – Helene, Emma und Charlotte. Und obwohl – dank unterschiedlicher Schriftarten – immer zu erkennen ist, welche Frau erzählt, ist der ständige und oft unvorhergesehene Wechsel eine Herausforderung, weil so die gerade aufgebaute emotionale Verbindung zur jeweiligen Protagonistin unweigerlich unterbrochen wird und dann erst einige Seiten weiter wieder eine Verknüpfung erfährt. Zwar folgen die Zeitsprünge keinem nachvollziehbaren konsequenten Rhythmus, so dass sich erst nach einer Weile Zusammenhänge erschließen, doch das Geschehen zieht einen letztlich trotzdem in den Bann.

Daneben schafft es die Autorin nicht nur, die jeweiligen historischen Hintergründe – sei es die Zeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts oder die Situation beider Weltkriege – detailliert darzustellen und mit dem Schicksal der Schokoladenfabrik und ihrer Besitzer sowie der Menschen zu verbinden, sondern auch die Stadt Dresden in die Handlung einzufügen, so dass die Lust auf einen Besuch der sächsischen Hauptstadt wächst. Hierin zeigen sich Teresa Simons Stärken.

„Manchmal hasse ich diese Rosen beinahe, weil sie so schön und unberührbar sind. Sie blühen und vergehen. Nichts kümmert sie. Auch nicht, was mit uns Menschen geschieht.“ (Charlotte 1938, Seite 107)

Ebenso untermauert die Autorin hinsichtlich ihrer Protagonisten ihre Fähigkeit, dass sie deren Charaktere mit Einfühlungsvermögen in Szene setzen kann. So weisen ihre Heldinnen Formate auf, die einen deren vergangenes und gegenwärtiges Schicksal und den Reigen aus Liebe und Hass, Leidenschaft und Verlangen, Freundschaft und Respekt, Neid und Missgunst, Hoffnung und Vergebung mitempfinden lassen.