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Veröffentlicht am 10.03.2017

Die Tochter des Fechtmeisters

Die Tochter des Fechtmeisters
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Als einzige Tochter des Rostocker Fechtmeisters Fritjoff Nykrantz führt Clarissa 1608 ein behütetes Leben, das ihr aber auch Vorteile gewährt. Sie darf fechten und an der Seite ihres Vaters auf die Reise ...

Als einzige Tochter des Rostocker Fechtmeisters Fritjoff Nykrantz führt Clarissa 1608 ein behütetes Leben, das ihr aber auch Vorteile gewährt. Sie darf fechten und an der Seite ihres Vaters auf die Reise ins ferne Frankfurt gehen, wo die Meisterschaft der Fechtbrüder stattfinden. Auf dieser Reise lernt Clarissa nicht nur neue Menschen und ihren Vater kennen, sondern erlebt Abenteuer, von denen sie im beschaulichen Rostock keine Ahnung hatte.

Sabine Weiß hat ein Händchen für historische Romane, wie sie mit "Die Tochter des Fechtmeisters" erneut beweist. Durch umfangreiche Recherche des historischen Hintergrundes gelingt der Autorin eine intensive Verknüpfung der fiktiven Geschichte und Figuren mit einst real existierenden Gegebenheiten und Personen. Hier werden einerseits die Streitigkeiten im Dunstkreis des Kaisers und andererseits die religiösen Auseinandersetzungen zwischen den Verfechtern des katholischen und protestantischen Glaubens, die zehn Jahre später im Dreißigjährigen Krieg münden werden, dargelegt. Zudem führt Sabine Weiß den Leser in die Welt der Fechtkunst. Dabei ist fachliche Anteil des Fechtens im Roman hoch. Ein legitimer Aspekt, sichert diese Ausführlichkeit doch der Geschichte ihre Lebhaftigkeit und versieht sie mit einem gewissen Reiz.

Die Autorin thematisiert neben dem Recht der Menschen auf freien Glauben auch Werte wie Freundschaft, Liebe, Kameradschaft, menschliches und ehrenvolles Verhalten. Denn "Ehre ist nicht nur eine Frage des Standes. Ehre ist eine Sache des Herzens.“ (Seite 368)

In dem zeitlich und örtlich versetzten Geschehen sind außerordentlich viele Personen eingebunden, die sich mittels Register im Blick halten lassen. Sie alle werden unterschiedlich präsentiert und erfahren differenzierte Darstellungen, die teilweise eine Zuordnung in "gut" und "böse" möglich machen, im Verlauf der Handlung überraschen, enttäuschen oder Zweifel verursachen. Durch die zahlreichen Figuren wirkt die Schilderung allerdings manchmal etwas überfrachtet und unruhig.

Die titelgebende Protagonistin Clarissa ist schön, lebhaft, stark, jedoch auch mit einem gewissen Eigensinn und einer rührenden Naivität und Arglosigkeit versehen, die sie möglicherweise heil durchs Leben bringt. Sie teilt die Begeisterung ihres Vaters für das Fechten, und im Haus ihrer Eltern hat sie die Möglichkeit, Teil dieser Welt des Vaters zu sein. Sie sieht das Fechten als eine Ertüchtigung, die den Körper stärkt und den Geist zur Ruhe bringt. Aber töten will sie niemanden. An sich ist Clarissa harmoniebedürftig und möchte mit jedermann gut Freund sein möchte.

Auf der anderen Seite steht Leander. Sein Dasein als Vagant ist ein freies und vielleicht auch von einer gewissen Romantik geprägt, gleichzeitig bedeutet es doch ebenso Rechtlosigkeit, Hunger, keine Bleibe, Unrast und Unruhe und mit dem Alter auch Schwierigkeiten, das Leben auf der Straße zu meistern. Trotz aller Kümmernisse, die sein Vater verursacht, hält Leander zu ihm, versucht, ihm beizustehen, ihn auf den richtigen Weg zu bringen. Erst als erkennen muss, dass scheitern wird, entscheidet er sich, seinen eigenen Weg zu gehen und sein Leben so zu leben, wie er es für richtig hält...

Sabine Weiß hat eine abenteuerliche und emotionale Geschichte geschrieben, die einem nicht nur eine Zeit des Umbruchs näher bringt, sondern daneben an der Begeisterung fürs Fechten teilhaben lässt.

4,5 Sterne

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Charaktere
  • Gefühle
  • Recherche
  • Schreibstil
Veröffentlicht am 09.03.2017

Köstliche Liebesgeschichte

Taste of Love - Geheimzutat Liebe
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Es ist die Leidenschaft für das Kochen, die die Helden von "Taste of Love - Geheimzutat Liebe" verbindet. Doch während Andrew Knight das Handwerk von der Pike an gelernt hat und nach jahrelangen Mühen ...

Es ist die Leidenschaft für das Kochen, die die Helden von "Taste of Love - Geheimzutat Liebe" verbindet. Doch während Andrew Knight das Handwerk von der Pike an gelernt hat und nach jahrelangen Mühen nun erfolgreich sein eigenes Restaurant in Boston führt, kämpft Brooke Day an der Küste Maines um das Überleben des Restaurants ihres Vaters, der sich um ihre kranke Mutter kümmert. Und während Andrew ausgebrannt und unzufrieden ist und die Lust am Kochen größtenteils verloren hat, steht Brooke mit Hingabe am Herd, nachdem sie ihren Job als Journalistin aufgeben und ihre eigenen Bedürfnisse zurückgestellt hat, um ihrer Familie zu helfen.

Das Kennenlernen ist holprig, und beide halten zunächst nicht sehr viel voneinander. Aber Drew ist zum Aufenthalt in dem kleinen Küstenort gezwungen und erhält bei Brooke Unterschlupf. In ihrer Küche nähern sich die beiden langsam an. Hier lernt Andrew, wieder Spaß an seiner Arbeit zu haben und findet gleichzeitig Gefallen an der vermeintlich herrischen und zickigen "Kratzbürste" mit frechem Mundwerk, die sich als humorvoller, willensstarker und fürsorglicher Mensch entpuppt. Und auch Brooke entdeckt, dass Drew doch nicht so ein überheblicher Großstadtsnob ist wie gedacht.

Allerdings hat Drew nicht offenbart, dass er ein erfolgreiches Restaurant führt, und es es fraglich, was geschieht, wenn Brooke dies erfahren sollte...

"Geheimzutat Liebe" ist eines der Bücher, bei denen ich mich von Anfang an wohl gefühlt habe. Schon das Cover ist ein Hingucker. Es passt perfekt zum Inhalt der Geschichte. Diese ist gut und mit leichter Hand geschrieben und hat mich auf angenehme Art und Weise unterhalten. Ich habe sie mit Freude und so manchem Lächeln gelesen, weil ich das Geschehen und die Gefühle nachvollziehen und mich in die Figuren hineinversetzen konnte. Denn Poppy J. Anderson lässt ihre Helden mit viel Esprit agieren. Brooke und Andrew sind sympathische Zeitgenossen, die mit beiden Beinen im Leben stehen und sich in ihrer Begeisterung für das Kochen, ihrem Bestreben, etwas Eigenes zu schaffen und sich zu beweisen und ihrem Wunsch, glücklich zu sein, ähneln. Dabei sind sie nicht fehlerlos, sondern sehr emotional, was sie menschlich macht.

Neben Brooke und Andrew tritt ein Ensemble in den Nebenrollen auf, das zum Erfolg des amüsanten und köstlichen Romans beiträgt. Wobei "köstlich" durchaus wörtlich gemeint ist, da die beschriebenen Gerichte, die gekocht werden, den Magen knurren lassen. Ich hatte oft das Bedürfnis, ein Kochbuch zu wälzen und etwas neues Kulinarisches auszuprobieren...

Wer sich den Tag mit einer romantischen Liebesgeschichte ohne Kitsch versüßen will, ist hier genau richtig.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Charaktere
  • Handlung
  • Gefühle
  • Stil
Veröffentlicht am 03.03.2017

Lady Lanwoods kühner Plan

Lady Lanwoods kühner Plan
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Victoria, die Tochter von Lord und Lady Lanwood, ist gerade 18 Jahre alt geworden und verschwendet keinerlei Gedanken daran, sich zu verheiraten. Zumal ein für sie bisher akzeptabler Kandidat nicht in ...

Victoria, die Tochter von Lord und Lady Lanwood, ist gerade 18 Jahre alt geworden und verschwendet keinerlei Gedanken daran, sich zu verheiraten. Zumal ein für sie bisher akzeptabler Kandidat nicht in Sicht ist. Erfreulicherweise weiß sie ihre Mutter Elizabeth auf ihrer Seite, diese hält eine Heirat noch lange nicht für erforderlich. Doch ihr Vater sieht das völlig anders, und er lässt nichts unversucht, seiner Tochter immer wieder in seinen Augen passende Männer zu präsentieren.

Die junge Frau zeigt gänzlich andere Interessen, hat sie doch das Fotografieren für sich entdeckt und probiert eifrig die Möglichkeiten der Kamera aus. Dabei beweist sie zwar Talent, stößt aber nicht unbedingt auf Anerkennung.

Als Lord Lanwood gar den Frauen mangelndes Verständnis für die technischen Neuerungen der Zeit abspricht, fühlt sich seine Frau Elizabeth herausgefordert und will ihren Mann überzeugen, dass Frauen durchaus zu mehr in der Lage sind, als Kinder zu beaufsichtigen und Mahlzeiten zuzubereiten. Und die Gelegenheit bietet sich dafür auf der Weltausstellung im Londoner Hyde Park.

Voller Elan begeben sich Elizabeth und ihre Freundinnen auf die Suche nach Exponaten aus der ganzen Welt, die von Frauen entdeckt und geschaffen wurden. Und während die junge Victoria heimlich zur Assistentin eines Fotografen und des Reporters Trevor wird, reisen die Schwestern Annie Jane und Claire nach Afrika.

Doch die Tatsache, dass englische Frauen an einer solchen Ausstellung teilnehmen wollen, beschwört einen gesellschaftlichen Eklat herauf. Und es ist fragwürdig, ob die Frauen angesichts der ablehnenden öffentlichen Meinung in der Lage sein werden, ihr Ziel zu erreichen. Lady Lanwood muss zu ungewöhnlichen Mitteln greifen, um ihren kühnen Plan zu verwirklichen...

Majon Wallis führt uns mit ihrer Geschichte mitten ins das 19. Jahrhundert. Sie erzählt zurückhaltend und bleibt im Ausdruck der Sprache der damaligen Zeit treu. Dadurch gelingt es ihr, ein ansehnliches Bild zu zeichnen, wobei unter anderem die Stimmung im Vereinigten Königreich unter Königin Victoria gut eingefangen wird. Die illustre Damenriege um Lady Elizabeth verwirrt zuweilen in der Vielfalt, doch nachdem sich einzelne Handelsstränge lösen, gelingt die Unterscheidung. Die Charakterisierung ist einfach, aber ausreichend, um Gespür für die eine oder andere Person zu bekommen. Dabei vermag es die Autorin, die Beweggründe der einzelnen Frauen verständnisvoll zu schildern. Beispielsweise ist Lady Elizabeth eine Frau in den besten Jahren, ihrem Gatten zwar aufrichtig zugetan und sich ihrer Verpflichtungen bewusst. Aber im Laufe der Ehejahre haben sich Unzufriedenheit und Langeweile und eine diffuse Mattigkeit eingestellt. Von ihrer eigenen Idee inspiriert, lockt bald das Abenteuer.

Die Autorin setzt mit ihrer Geschichte denjenigen Frauen ein kleines Denkmal, die den sich anbahnenden Wandel in der Gesellschaft nutzten, sich den starren Regeln zu widersetzen und wagemutig und neugierig fernab von Heim und Herd Herausforderungen zu stellen, dabei Erfindungsgeist und Begeisterung für technische Neuerungen entwickelten und sich unerschrocken auf Reisen in ferne Länder begaben, sofern dies ihre finanziellen Möglichkeiten zuließen. Denn angesichts der Abhängigkeit der Frauen ist unschwer zu erkennen, dass vor allem Frauen der höheren gesellschaftlichen Schichten ihren Wissensdurst zu stillen suchten. Gleichwohl schlägt auch ihnen Skepsis und Ablehnung entgegen.

Wie sich Lady Lanwood und ihre Mitstreiterinnen diesem stellen, ist kurzweilige, manchmal mit einem Augenzwinkern versehene Unterhaltung, bei der Romantik nicht zu kurz kommt.

3,5 Sterne

Veröffentlicht am 29.01.2017

Ein Bilderbuch mit Botschaft

Die Festung des Herrn Rock
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Herr Rock ist ein brummiger Zeitgenosse. Ihn stört der Lärm, der ihn umgibt, und er wünscht sich nichts mehr als seine Ruhe. Doch er glaubt, die Lösung gefunden zu haben: Aus einer verfallenen Burg hoch ...

Herr Rock ist ein brummiger Zeitgenosse. Ihn stört der Lärm, der ihn umgibt, und er wünscht sich nichts mehr als seine Ruhe. Doch er glaubt, die Lösung gefunden zu haben: Aus einer verfallenen Burg hoch oben auf einem Berg soll eine Festung mit dicken Wänden werden. Doch leider steht diesem Ziel seine Unfähigkeit im Wege, die Festung selbst zu bauen. Also benötigt er Hilfe, und diese findet er unter anderen bei der Architektin Frau Tasar, dem Bauunternehmer Herrn Batir, der Malerin Frau Dipingere..., und jeder gibt ihm Tipps und Ratschläge, wie das Bauwerk schöner werden könnte. Ehe Herr Rock sichs versieht, ist seine Festung fertig. Nur hat er sie sich so vorgestellt?

"Die Festung des Herrn Rock" ist ein zauberhaftes Bilderbuch des Autors und Illustrators Boris Zatko, das nicht nur Kindern Freude bereitet, sondern Erwachsene gleichermaßen zu begeistern vermag, vermittelt die Geschichte doch eine zurückhaltende Botschaft für Offenheit, Gelassenheit und Rücksichtnahme im Umgang miteinander, egal wie unterschiedlich die Menschen in der Herkunft, dem Wesen und ihren Ansichten sind. Erst das bunte Miteinander bereichert unser Leben. Damit spricht sie mir persönlich sehr aus dem Herzen.

Die zeichnerische Umsetzung finde ich hervorragend. Die farbenfrohen Bilder überzeugen mit Klarheit und Detailverliebtheit, unterstreichen den Inhalt der Geschichte und wecken so ganz nebenbei Erinnerungen an die eigene Kindheit ("Räuber Fürchtenix"). Nicht nur das "Wimmelbild" am Anfang lädt den Betrachter immer wieder ein, Neues zu enden. Dabei erhellt so manches Schmunzeln das Gesicht, das einen während des Lesens und Anschauens nicht verlassen mag, während Herr Rock sich von einem mürrischen alten Mann in einen sympathischen Herrn wandelt, der völlig vergisst, dass er sich ein ruhiges Leben gewünscht hat.

Ein wundervolles Bilderbuch mit eindeutiger, aber unaufdringlicher Botschaft, das unsere Welt ein wenig fröhlicher macht.

Veröffentlicht am 24.01.2017

Dein perfektes Jahr

Dein perfektes Jahr
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Jonathan N. Grief gehört zu den Menschen, die wir anderen als pedantisch empfinden. Während wir im Verborgenen über Missstände meckern - wie beispielsweise die Überbleibsel von Böllern, Raketen und Chinakrachern ...

Jonathan N. Grief gehört zu den Menschen, die wir anderen als pedantisch empfinden. Während wir im Verborgenen über Missstände meckern - wie beispielsweise die Überbleibsel von Böllern, Raketen und Chinakrachern an Silvester, vollen Mülltonnen und nicht zuletzt die Hinterlassenschaften unserer vierbeinigen Freunde, greift Jonathan entweder zu Papier und Stift, um seinem Unmut Luft zu machen oder zur Tüte, um den den "Nachlass" der Hunde in den Abfallbehälter zu verfrachten.

Jonathan also handelt, er nimmt die Zustände nicht als gegeben hin, auch wenn er im Gegenzug als besonders aufdringlich ordnungsliebend gilt. Und natürlich nervt er mit diesem Verhalten. Denn sind wir ehrlich: Wir Menschen sind es nicht gewohnt, oder wir mögen es nicht besonders, wenn uns vor Augen geführt wird, was so alles im Argen liegt, und seien es nur (vermeintliche) Kleinigkeiten.

Zugegeben, ein Charmebolzen ist Jonathan zu Beginn der Geschichte nicht, für den Preis für Beliebtheit auf den ersten Blick würde er nicht nominiert werden.

Jonathan N. Grief, seines Zeichens Inhaber des renommierten Verlages "Griefson & Books" gehört zu den privilegierten Menschen, die Zeit haben, sich mit wichtigen Dingen zu beschäftigen, er führt ein bis ins kleinste Detail strukturiertes, sorgenfreies Leben ohne Verpflichtungen, dafür aber mit festen Abläufen und Ritualen. Allerdings damit auch ein vorhersehbares und langweiliges, in dem Jonathan mittlerweile lediglich funktioniert.

Erst der Fund eines Kalenders, den jemand an sein Fahrrad gehängt hat und der gefüllt ist mit täglichen Eintragungen für ein "perfektes Jahr", lässt ihn sein bisheriges Dasein überdenken. Nicht nur die Lektüre und das Befolgen der im Kalender enthaltenen Tipps und Anweisungen, sondern ebenfalls die Begegnung mit Leopold, einem Obdachlosen, setzt eine Entwicklung in Gang, die einerseits die Beschäftigung mit seinen eingefahrenen Mustern, der Vergangenheit und der Gegenwart beinhaltet, andererseits auch eine Veränderung in der Persönlichkeit des gestandenen Mannes bewirkt.

Als Gegenstück zu Jonathan gehört Hannah Marx zu den Sympathieträgern, mit denen wir uns gerne umgeben. Die Kindergärtnerin, die zusammen mit Freundin Lisa ihr eigenes Unternehmen, die "Rasselbande" - eine etwas andere Kinderbetreuung gegründet - hat, zeichnet ein unerschütterlicher Optimismus aus. Sie lässt sich nicht aus der Ruhe bringen und sieht in allem das Gute, will das Hier und Jetzt genießen, spontan sein, steckt voller Energie und Lebensfreude und verfügt über eine Euphorie, die ansteckend ist. Bisher ist sie mit ihrer Alles-ist-für-irgendwas-gut-Einstellung stets klargekommen. Hannahs Überzeugungen: 'Schließt sich eine Tür, öffnet sich eine Tür, oftmals sogar eine bessere.' und 'Im Leben können nur Dinge bereut werden, die ausprobiert wurden.' haben bislang ebenso funktioniert.

Doch auch für Hannah kommt der Moment, in dem das Schicksal sie zwingt, die Welt mit anderen Augen zu betrachten.

Denn da ist noch ihr Freund Simon, kein schlechter Kerl, aber das völlige Gegenteil von Hannah. Im Laufe ihrer gemeinsamen Zeit sind ihm zum Leidwesen von Hannah neben dem Elan auch die Leidenschaft und der Enthusiasmus abhanden gekommen. Und als Hannah glaubt trotz mancher Differenzen glaubt, dass Simon ihr einen Heiratsantrag macht, eröffnet er ihr, dass er sterbenskrank ist und deshalb ihre Beziehung beendet. Zunächst ist Hannah erschüttert, um sogleich wieder zu ihrer positiven Einstellung zurückzufinden. Ein Aufgeben gibt es für sie nicht, sie richtet den Blick nach vorn und will Simon mitreißen. Und so kauft sie für Simon den Kalender, um damit den Lebensmut von Simon neu zu entfachen. Es ist jener Kalender, den Jonathan entdeckt...

Charlotte Lucas gelingt es, mit "Dein perfektes Jahr" von Beginn an, uns in das Geschehen zu integrieren, indem wir die im Mittelpunkt stehenden Protagonisten Jonathan und Hannah zunächst in ihrer eigenen Umgebung kennenlernen. Dabei entwirft sie nicht bloß Bilder von Menschen mit Vorzügen und Schwächen, sondern erzählt schnörkellos und kurzweilig und sprachlich ausgereift eine Geschichte, in der der dieser inne wohnende Humor auch mit ernsten Tönen verknüpft wird. Die Autorin schafft dies in einer ausgewogenen Balance und einer wohltuenden Art und Weise, so dass zu keinem Zeitpunkt das Gefühl aufkommt, dass hier eine schnulzige Liebesgeschichte stattfindet.

Insgesamt hat Charlotte Lucas ihre Figuren umfassend gestaltet. Nicht nur Jonathan und Hannah werden im Verlauf der Handlung immer greifbarer, ihre Entwicklung ist anschaulich, intensiv und nachvollziehbar dargestellt, auch wenn beispielsweise die Optimisten Hannah auf den Tod ihres Freundes Simon etwas heftig reagiert.

Daneben erhalten Nebencharaktere wie Simon und Lisa gleichermaßen einen Hintergrund, der sich beim Lesen erschließt. Besonders aber wächst einem Leopold ans Herz, der Jonathan so viele Denkanstöße gibt. Zum Beispiel, "dass man nur die Dinge tun sollte, für die man brennt. Alles andere ist Murks, niemand sollte gegen sein Herz und gegen seine Überzeugung handeln." (Seite 269)

Dass die Autorin die Gelegenheit nutzt, mittels des Kalenders einige kluge Weisheiten einfließen zu lassen, die auch für uns Leser das Leben bunter und schöner machen (können), rundet die gelungene Lektüre ab.

"Man kann dem Leben nicht mehr Tage geben - aber den Tagen mehr Leben." (Chinesische Weisheit, Seite 42)

Charlotte Lucas zeigt, dass in uns Menschen doch mehr steckt, als wir vermuten und das Leben die erstaunlichsten Geschichten schreibt. Diese hier ist es wert, gelesen zu werden.

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