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Veröffentlicht am 15.09.2016

Der letzte Engel

Der letzte Engel
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"Das Leben ist manchmal voller Zufälle, das Leben ist manchmal voller Absichten." (Seite 371)

Kannst du dir das vorstellen? Du denkst an nichts Böses, und dann bekommst du eine E-Mail, in der steht, dass ...

"Das Leben ist manchmal voller Zufälle, das Leben ist manchmal voller Absichten." (Seite 371)

Kannst du dir das vorstellen? Du denkst an nichts Böses, und dann bekommst du eine E-Mail, in der steht, dass du am nächsten Tag tot bist. Du glaubst, einer erlaubt sich einen Scherz mit dir und lachst, als du dich am nächsten Morgen noch lebendig fühlst. Und doch musst du begreifen, oder zumindest es versuchen, dass MOTTE, der du bisher warst, tatsächlich tot im Bett liegt und nicht mehr atmet. Und dass dir auf deinem Rücken Flügel wachsen.

Da vergeht dir echt das Lachen, und Verwirrung macht sich in dir breit. Denn deine Zukunft sieht nicht rosig aus: Du wirfst keinen Schatten, dein Herz schlägt nicht, und am nächsten Pinkelwettbewerb darfst du nicht teilnehmen, weil dir das Werkzeug fehlt. Da ist es ein schwacher Trost, dass dich dein bester Freund Lars sehen kann. Denn dein Vater kann es nicht.

Jetzt bist du DER LETZTE ENGEL.

Und es ist der Anfang von etwas Neuem.
Oder das Ende?
Oder das Mittendrin?
Jedenfalls ist es ein Hin und Her.
Eine Irrfahrt. Für dich. Für den Leser.
Zwischen die Zeiten.
Zwischen die Welten.
Zwischen die Interessen.

In ein Haus nach Irland, in dem acht Mädchen und ihre Gouvernanten gemeuchelt werden. Es gibt nur eine einzige Überlebende: MONA, die Erinnerungen der Person abrufen kann, die sie berührt. Und sich einen weiteren ENGEL damit an Land zieht: ESKO. Das ist der, der später die E-Mail schreibt. Aber das nur am Rande. Verantwortlich für das Massaker zeichnet LAZAR, ein Söldner, der aussieht wie Christopher Walken, ein schwer bis gar nicht zu durchschauender Typ.

Der Leser lernt viele weitere Protagonisten kennen, unter anderem zwei Gräfinnen, die Brüder Grimm und den Zaren in Sankt Petersburg. In einem Moment ist es 1815, dann wieder heute, und erneut wandert der Leser in die Vergangenheit. Fliegende Wechsel allenthalben. Daneben abstruse Experimente, viele sterbende Jungen, die meisten davon tun dies nicht freiwillig, eine Bruderschaft, die (sogenannte) Familie, über deren Zweck und Ziele der Leser wenig Klarheit erhält. Gleichzeitig lässt sich die Frage nach Gut oder Böse nicht beantworten. Eine ständige Ungewissheit liegt über dem Geschehen.

Die vielen unerwarteten Zeitsprünge und Positionswechsel und die Informationsdichte verlangen hohe Aufmerksamkeit vom Leser. Gekonnt werden nicht nur Zeitepochen und Schauplätze und Zeitformen, sondern auch das biblische ENGELsmotiv mit fantastischen Fäden verwoben. Denn Zoran Drvenkar greift die Thematik der Existenz von ENGELN auf eine besondere Weise auf. Seine ENGEL sind männlich, gleichwohl (im wahrsten Sinne des Wortes) geschlechtslos.

So erscheint die Geschichte des letzten ENGELS zwar äußerst komplex und unübersichtlich. Trotzdem reizen die zügigen Wechsel den Leser zum Weiterlesen, bannen ihn ans Buch und lassen ihn hoffen, einen angefangenen Faden verfolgen zu können. Allerdings hält er oft ein loses Ende in der Hand, so dass sich der Sinn (noch) nicht begreifen lässt.

Dadurch bleibt die Charakterisierung der Figuren manchmal etwas auf der Strecke, der Leser entwickelt zum Teil nur andeutungsweise Sympathie und Ablehnung.

Mit MOTTE trifft der Leser auf einen Jungen einnehmenden Wesens, mit dem er sich identifizieren kann, weil er vielleicht ein wenig träge, aber trotzdem mit seiner Zuversicht versehen ist, dass er alles packen wird, was auf ihn zukommt. Ihm zur Seite steht Lars, sein bester Freund, nicht der Mutigste, der erst wegrennt, den aber danach sein Ego schüttelt und fragt, ob er denn vollkommen ohne Ehre und Würde wäre. Das ist er natürlich nicht. Und auch Rike muss erwähnt werden, das Mädchen, bei dem Motte von Liebe spricht, und die es wert ist.

Äußerst geschickt positioniert der Autor historische Personen in der Geschichte und haucht diesen gleich den fiktiven Figuren Leben ein, spielt mit dem ihm dadurch gegebenen Möglichkeiten.

Zoran Drvenkars Erzähltempo ist durchaus rasant und anspruchsvoll, dürfte den jugendlichen Leser jedoch nicht überfordern. Wer sich darauf einlässt, den erwartet ein mitreißendes Abenteuer, dessen offenes Ende und ungelösten Fragen zugegebenermaßen einerseits nicht befriedigt, andererseits jedoch zum Lesen der Fortsetzung verlockt.

"Sucht den Schlüssel, der das Tor zu den Engeln öffnet. Und suchen müsst ihr, denn der Schlüssel ist verborgen im Kern des Lebens, verborgen tief in den Gebeinen. Denn wie das Wasser die Erde erweckt, werden es vier Engel sein, die uns erwecken." (Seite 212)

Veröffentlicht am 15.09.2016

Vom Schicksal geküsst

Vom Schicksal geküsst
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Willa Chandler-Golden ist mit der Überzeugung aufgewachsen, dass alles vorherbestimmt ist und sich das eigene Schicksal nicht verändern lässt. Diese Ansicht kommt nicht von ungefähr, hat doch ihr Vater ...

Willa Chandler-Golden ist mit der Überzeugung aufgewachsen, dass alles vorherbestimmt ist und sich das eigene Schicksal nicht verändern lässt. Diese Ansicht kommt nicht von ungefähr, hat doch ihr Vater Richard Chandler einen Selbsthilfe-Bestseller, der genau das behauptet, geschrieben und ist damit berühmt geworden. Nicht genug, er hat ihr zudem den Vornamen William gegeben, weil er sich tatsächlich einen Sohn wünschte, jedoch eine weitere Tochter bekam.

Zwar ist Willa nicht vollständig von den Thesen ihres Vaters überzeugt, fügt sich aber bereitwillig ihrem Schicksal: sie hat Karriere gemacht, ein behagliches Zuhause, einen zuverlässigen, liebevollen Mann, und nur ein Baby fehlt ihr noch zu ihrem vermeintlich vollständigen Glück. Das ist vielleicht die einzige Herausforderung. Ansonsten sucht Willa diese nicht und überlässt auch das Entscheiden den anderen.

Es ist nicht verwunderlich, dass doch alles anders kommt, als gedacht. Innerhalb weniger Tage gerät Willas Leben aus den Fugen. Erst meldet sich ihr Ex-Freund Theodore und stellt ihr eine Freundschaftsanfrage auf Facebook. Dann schlägt ihr Shawn, ihr scheinbar doch nicht so zuverlässiger Ehemann, eine zweimonatige Ehe-Pause vor, für die er dann fein säuberlich festgelegte Verhaltensregeln aufstellt, bevor er sich aus der Stadt verabschiedet. Willa verliert ihren Job, muss ein Auge auf Shawns zwölfjährigen Nick haben, der ohne Vater aufwächst und dessen Mutter gerade in Afrika weilt, und obendrein verkraften, dass ihre Eltern ein neues Beziehungskonzept ausprobieren. Zu guter Letzt überredet ihre Freundin Vanessa sie außerdem noch dazu, mit ihr gemeinsam ein Buch für die erfolgreiche Fernsehsendung Dare you! (Trau dich!) zu schreiben, in dem so ganz nebenbei mit praktischen Beispielen und Erfahrungen die Theorien von Richard Chandler widerlegt werden sollen. Ganz zu schweigen von dem Trouble um Willas Bruder Oliver, einem Promi-Yoga-Guru.

Allison Winn Scotch erzählt in "Vom Schicksal geküsst" auf humorvolle Weise von einer jungen Frau, die begreift, dass das Leben nicht vom Schicksal vorherbestimmt ist. Dass man bereit sein muss, Risiken einzugehen, um letztlich das Leben leben zu können, das einem tatsächlich gefällt.

"Es ist nie zu spät,... das zu suchen, worin man wirklich gut ist und hinter dem man aus vollem Herzen steht." (Seite 271)

Willa hat es sich leicht gemacht. Denn glaubt man ihrem Vater, gibt es keine Zufälle im Leben. Dieses besteht vielmehr aus lauter vorbestimmten Erlebnissen, was schlussfolgernd bedeutet, dass der freie Wille eines Menschen mehr oder weniger ausgeschlossen und jeder auf Gedeih und Verderb dem Schicksal ausgeliefert ist. Getreu dem Motto: "Alles geschieht aus einem guten Grund."

Willa ist sympathisch und ehrlich, wenn auch mit geringem Selbstwertgefühl und -vertrauen ausgestattet. Sie zögert und zaudert sich mit Gleichmut etwas träge durchs Leben, trifft keine Entscheidungen, stellt ihren Mann nicht in Frage. Sie und Shawn sind "Shilla", ein Paar, das dermaßen miteinander verbunden scheint, dass es als Einzelperson nicht mehr existiert. Nie tut einer etwas ohne den anderen. Sie sind die Schweiz. Ohne Zwist und Komplikationen. Während das Paar am Anfang der Beziehung nur so vor Selbstzufriedenheit und Stolz auf ihre neu gefundene Liebe strahlte, pendelte sich nach der Euphorie der ersten Verliebtheit ein normaler, lauwarmer Beziehungsalltag ein. Ruhig und ereignislos, dafür jedoch sicher, entspannt und gemütlich, vermeintlich glücklich und zufrieden plätschert ihr Leben dahin.

Bis Shawn nicht mehr die Schweiz sein möchte und die weitere Umstände Willa im Grunde nötigen, ihr Leben zu überdenken. Denn Willa ist gezwungen, genau das Gegenteil von dem zu tun, was sie jahrelang gewohnt ist. Sie muss neue Wege erkunden und beschreiten, schwierige Entscheidungen treffen, sich ihren größten Ängsten stellen und die Gelegenheit nutzen, ihr eigenes Schicksal zu kontrollieren. Dies tut sie zunächst nicht frei-, sondern eher widerwillig, und es bedarf mehrerer Anstöße von ihrer besten Freundin Vanessa.

"Vom Schicksal geküsst" liest sich überwiegend leicht, wenn einen die vielen in Klammern gesetzten Anmerkungen nicht stören. Die Geschichte ist unterhaltsam und amüsant und bedient sich aktueller Medien. So darf der Leser unter anderem E-Mails, SMS, Facebook- und Twitter-Nachrichten (mit)lesen, wenn die Protagonistin Willa aus ihrer Perspektive heraus erzählt. Das ist von Vorteil für den Leser, denn so erfährt er ihre Gedanken und Gefühle aus erster Hand. Nachteilig sind allerdings sich wiederholende Überlegungen. Auch die philosophischen Thesen von Richard Chandler erschließen sich dem Leser nicht immer sofort.

Zudem ist es eben wegen der Ich-Position von Willa schwer möglich, den anderen Personen wirklich nahe zu kommen, weil es vielfach nur bei Beschreibungen aus der Sicht von Willa bleibt.

Trotzdem ist "Vom Schicksal geküsst" ist eine kurzweilige Chick-Lit, also (Frauen)Lektüre, in der Themen wie Liebe, Ehe, Beziehung zwischen Eltern und Kindern, Freundschaft, Verlust und Trauer, Bedauern über verpasste Möglichkeiten und zweite Chancen, Schicksal und Glück vereinen. Sie zeigt, dass es möglich ist, sich selbst und die eigene Kräfte und Möglichkeiten zu entdecken, wenngleich dies manchmal auch bedeuten kann, Risiken einzugehen. Doch stets mit der Frage: "Was kommt als Nächstes?"

Dafür vergebe ich 3,5 Sterne.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Kaltgestellt

Codename E.L.I.A.S. – Kaltgestellt
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Michael Cavenaugh kann so schnell nichts erschüttern. Schließlich ist er Agent bei der Central Intelligence Agency, dem amerikanischen Geheimdienst. Bei einem seiner Einsätze kommt es zu einem Schusswechsel, ...

Michael Cavenaugh kann so schnell nichts erschüttern. Schließlich ist er Agent bei der Central Intelligence Agency, dem amerikanischen Geheimdienst. Bei einem seiner Einsätze kommt es zu einem Schusswechsel, die von ihm observierte Person ist tot, und nach einer darauffolgenden Explosion findet sich Michael im Krankenhaus wieder. Soweit so gut. Das sind die Risiken, die ein Agent einplanen muss. Womit er allerdings nicht rechnet, ist, dass irgendwo auf dem Weg zwischen Explosion und Krankenhaus die eigene Identität gelöscht wird. Denn bei seinem Erwachen verfügt Michael weder über einen Ausweis noch eine Sozialversicherungsnummer, ja nicht einmal ein Bankkonto. In seiner Wohnung lebt jemand anderes, und selbst sein Arbeitgeber kennt ihn nicht (mehr). Somit sind auch Wohnung und Job futsch.

In dieser Situation scheint sich Michael nur auf zwei Personen verlassen zu können: Brianna, seine Ex, die zwar nicht unbedingt gut auf ihn zu sprechen ist, ihm aber trotzdem ihre hilfreichen Hände reicht, und Luke, ein alter Freund.

Mila Roth vermag mit dem Startband der Serie "Codename E.L.I.A.S." gut zu unterhalten. Die Geschichte ist kurzweilig, die Handlung schreitet zügig voran, verfügt über spannungsreiche Elemente. Dabei wählt sie einen lässigen Grundton, der einerseits ironisch - besonders die Äußerungen der spitzzüngige Brianna bereiten vergnüglichen Lesespaß - und andererseits mit ernsten Klängen versetzt ist. Ihre in Los Angeles angesiedelte Geschichte beginnt gleich mit einem Knall, im wahrsten Sinne des Wortes, denn bei einem Einsatz wird Agent Michael Cavenaugh Opfer einer Explosion, bei der er zwar sein Leben im eigentlichen Sinne behält, jedoch das Leben, das er führte, existiert nicht mehr. Er ist "kaltgestellt".

Wie in einer Serie üblich, werden im "Pilot" zunächst die Protagonisten präsentiert. Michael ist ein äußerst professioneller Agent, der eine Situation hervorragend einzuschätzen vermag. Er vermittelt einen geradlinigen Eindruck, auch wenn er Entscheidungen treffen muss, die auf den ersten Blick fragwürdig erscheinen. Zudem ist er kein Mensch, der den Kopf in den Sand steckt, sondern ihn kühl auf seinen Schultern behält und die Sache angeht. Trotzdem stellt die Autorin ihn keineswegs als makellosen Held dar. Auch er hat seine wunden Punkte, die bereits angedeutet werden.

Ihm gegenüber steht seine Ex-Freundin Brianna, die nicht in Begeisterungsstürmen ausbricht, als sie Michael in der für ihn prekären Situation wiederbegegnet. Es zeigt sich jedoch, dass unter ihrer harten Schale ein weicher Kern sitzt. Der Dritte im Bunde ist Luke, mit dem Michael die Zeit beim Militär verbindet. Ein unkomplizierter Typ, dessen Figur in der Geschichte noch etwas im Hintergrund bleibt, der aber zumindest hier zur Stelle ist, als Michael ihn braucht, und der für einen Job sorgt.

Mila Roth ist eine routinierte Schreiberin. Sie setzt auf einen ungezwungenen amerikanischen Stil ähnlich einer TV-Vorabendserie, in der neben der Suche nach den Verantwortlichen für Michaels "Kaltstellung" Folge für Folge Probleme anderer Menschen bearbeitet und am Ende gelöst werden. Wer daran Freude hat, hält auch mit "Codename E.L.I.A.S." die richtige Lektüre in der Hand.

3,5 Sterne

Veröffentlicht am 15.09.2016

Eine Pension fürs kleine Glück

Ach du Liebesglück
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"Wer immer nur nach dem Zweck des Lebens fragt, wird seine Schönheit nie entdecken."

Sie haben Stress in ihrem Alltag, in ihrem Beruf, mit ihrem Partner und das Gefühl, alles wächst Ihnen über den Kopf?

Dann ...

"Wer immer nur nach dem Zweck des Lebens fragt, wird seine Schönheit nie entdecken."

Sie haben Stress in ihrem Alltag, in ihrem Beruf, mit ihrem Partner und das Gefühl, alles wächst Ihnen über den Kopf?

Dann kommen Sie zu uns. Hier an der Nordsee finden Sie einen Ort zum Wohlfühlen: Lillys Pension.

Warum gerade zu uns, werden Sie fragen, schließlich gibt es "Bed und Breakfast" überall. Doch wir tun ein bisschen mehr für unsere Gäste. Wir bieten Ihnen nicht nur geschmackvoll und mit Wärme eingerichtete Zimmer und Betten und stellen Ihnen das Frühstück hin, sondern wir kümmern uns auch um Ihre seelischen Belange, so dass sie vollkommen erholt wieder nach Hause fahren können.

Bei uns haben sie Familienanschluss, wenn Sie es wünschen. Vielleicht erscheinen wir ein bisschen chaotisch (manche Zungen behaupten sogar, wir wären sonderbar). Und perfekt sind wir schon lange nicht. Aber wir sind eng miteinander verbunden, mögen uns und unsere Tiere, sehen unsere Macken mit einem Augenzwinkern.

Lernen Sie uns kennen. Wo sonst begegnet Ihnen Tom, der Spinnenretter, der zudem mit Ameisen über eine mögliche Brüderschaft verhandelt oder versucht, Wasser nur durch Anstarren zum Einfrieren zu bewegen.

Sie können hier nicht nur den Geschmack der salzigen Luft spüren, sondern auch den Sand unter Ihren Füßen. Und Ihre Seele baumeln lassen. Im trauten Miteinander mit unseren Hühner zum Beispiel, die bei uns ihren Lebensabend verbringen. Denn wir sehen nicht immer nur auf Produktivität, unsere Hühner landen nicht im Kochtopf, wenn sie keine Eier mehr legen. Deshalb sind sie entspannt und hören Ihren Sorgen gerne zu. Es ist für Sie eine Gelegenheit zum Innehalten. Werden Sie zum Hühnerflüsterer.

Oder wollen Sie mit Kühen kuscheln? Hilde wird die richtige Kuh für ihr Seelenheil auswählen. Glauben Sie uns. Wer einmal einer Kuh ins Auge geschaut hat, vergisst ihr sanftes Wesen nicht so schnell wieder.

(Wir weisen allerdings daraufhin, dass Hilde Kuchen extra berechnet. Alternativ bietet sich die Bäckerei im Dorf an. Bei Marijke erhalten Sie alles, was das Herz begehrt, täglich frisch gebacken.)

Ist es ein Traum von Ihnen, Ihre Kreativität zu entfalten? Bei uns haben Sie die Möglichkeit. Der regional bekannte Maler Bernhard Pfeffer gibt Ihnen auf unserem Hof gern Unterricht. Sollten Sie zudem eines seiner Werke erstehen wollen, nutzen Sie die Chance.

Oder lassen Sie allen Frust raus und trommeln Sie eine Runde. Danach werden Sie sich befreit fühlen.

Was es auch ist, was Sie suchen, wir empfangen Sie mit offenen Herzen!

Das große, allumfassende Glück werden Sie hier zwar nicht finden. Aber die kleinen Glücksmomente wie Nusspesto essen, richtig laut lachen, einen Sonnenstrahl genießen, wenn es tagelang geregnet hat. Und das wird Ihr Leben ein wenig schöner und damit glücklicher machen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Die Geschichte einer Freundschaft

Raukland Trilogie
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Ronan ist Schwertkämpfer par excellence und scheint damit würdiger Nachfolge auf den Thron von Raukland zu sein. Allerdings will es das Schicksal anders. Weil er wegen eines angeblichen Rausches seine ...

Ronan ist Schwertkämpfer par excellence und scheint damit würdiger Nachfolge auf den Thron von Raukland zu sein. Allerdings will es das Schicksal anders. Weil er wegen eines angeblichen Rausches seine Männer nicht in eine Schlacht führen kann, fällt er bei seinem Vater, König Azel, in Ungnade. Nicht nur, dass dieser ihn auspeitschen und brandmarken lässt. Er schickt ihn auf die Insel Lannoch, damit er diese Raukland untertan macht. Nur dann kann er auch Rauklands König werden.

Ronan hat keine Wahl. Auf Lannoch erwartet ihn ein Jahr voller Prüfungen. Mit Waffengewalt kann er dort nichts ausrichten, und die Insel darf er nicht verlassen. Schließlich ist Bedingung dafür, rechtmäßiger König von Lannoch zu werden, die Erfüllung der von den ehemaligen Königen Lannochs niedergeschriebenen Aufgaben.

Hierfür braucht er einen Freund, den er auf der Insel finden muss, weil er hierher allein gekommen ist. Könnte es nicht von Vorteil sein, dass er gerade Liam das Leben gerettet hat? Würde da nicht jeder andere auch zum Freund werden? Tatsächlich erklärt sich Liam bereit, als Ronans Freund aufzutreten, verlangt im Gegenzug, dass Ronan ihn beschützt.

Aber was macht einen Freund aus?

Ronan ist völlig ahnungslos, schon bei der Aufforderung, den Namen seines "Freundes" zu nennen, versagt er. Bis zu seinem Ziel liegt ein langer Weg vor ihm...

Jordis Lank erzählt mit dem ersten Band ihrer Raukland-Triologie eine fantastische Geschichte, die jedoch erfreulich menschlich und tiefgründig ist. Denn die Autorin legt vor allem Wert auf eine Schilderung, wie aus zwei unterschiedlichen jungen Männern Freunde werden können.

Mit Ronan und Liam hat sie zwei vielschichtige Charaktere geschaffen, die beeindrucken.

Als Ronan auf Lannoch eintrifft und Merin, dem König, begegnet, ist sein Blick noch dunkel und unergründlich, sein Tonfall selbstbewusst und fordernd. Er ist für Merin wie ein Splitter, der unter die Haut fährt. Stechend und drückend, unangenehm, so dass er eigentlich entfernt werden müsste. Ein Grund, warum es der König dem jungen Krieger nicht leicht macht.

Zwar verfügt Ronan nicht nur über eine klare Denkweise und Entschlossenheit, sondern auch über eine ruhige Körperbeherrschung, Ausdauer, Mut und Zuversicht, mit der er das Schwert federleicht und virtuos führt. Er fechtet mit jeder Faser seines Körpers, mit seinem Herzen. Das ist großartig, beängstigend und faszinierend zugleich. Doch Zuneigung, Liebe und Freundschaft sind ihm zum großen Teil fremd. Das Leben als Kämpfer in Raukland hat ihn geprägt. Schon als Fünfzehnjährige ist er Anführer von Männern geworden, die wesentlich älter als er sind, wenngleich sein Charisma ihn befähigt, jeden zu bewegen, ihm in eine Schlacht zu folgen.

In diesem Jahr auf Lannoch lernt Ronan das Lachen und außerdem, dass es beglückend ist, einfach mal sorglos Spaß an etwas zu haben. Er kann jungenhaft sein und anderen eine Freude machen, zum Beispiel mit geschnitzten Weidenflöten. Er begreift, was es heißt, für andere einzutreten und dass es zudem Aufgaben gibt, die nur mit Hilfe anderer bewältigt werden können.

Was es bedeutet, einen Freund wie Liam zu haben, der im Gegensatz zu Ronan schwach ist. Zumindest was seine körperliche Kraft und seinen Mut betrifft. Liam scheut die Konfrontation für den Fall, dass es unangenehm wird. Seine Stärke ist eher innerer Natur. Er ist selbstlos, weiß jedoch um seine Fehlbarkeit und steht dazu. Gefühle sind ihm nicht fremd und er verleiht ihnen Ausdruck. Ob es die Bewunderung für Ronans Fertigkeiten oder seine eigenen Ängste sind. Im Laufe der Zeit begreift er, dass es gewisser Fähigkeiten bedarf, um in der Welt zu bestehen. Und dank seiner Beharrlichkeit und seiner geschickten Hände ist er in der Lage, das Schwert immer besser zu führen.

Beide Protagonisten entwickeln sich im Verlauf der Handlung, vertiefen Wesenszüge. So werden sie langsam, aber stetig zu echten Freunden. Diese Entwicklung stellt die Autorin glaubhaft, überzeugend und mit Kunstfertigkeit dar. Dazu tragen im hohen Maße auch die sorgsam ausgearbeiteten Nebenfiguren bei, zu denen Eila, die Enkelin des Königs, und Gismo, Ronans Lieblingspferd, gehören. Denn obwohl das Augenmerk auf der Freundschaft zwischen Ronan und Lima liegt, lässt Jordis Lank Ronan auch zarte Liebesbande knüpfen, sehr dezent und sorgsam. Das erfreut die geneigte Leserin.

Die Orte des Geschehens sind überschaubar, doch der Autorin gelingt es mit ihrer detaillierten und intensiven Beschreibung Bilder beim Lesen zu erzeugen. Ihr Schreibstil ist klar und lebendig, zudem voller Energie, beispielsweise bei der Schilderung des Schwertkampfes. Hier punktet die Autorin mit ihrem Fachwissen, ohne den Leser zu überfordern. Außerdem wird die Geschichte mit humorvollen Momenten aufgelockert. Wenn beispielsweise ein gestandener Mann ein kleines Ei ausblasen muss, kann ein Schmunzeln nicht vermieden werden.

Was bleibt nach der Lektüre? Vor allen Dankbarkeit. Für eine wunderbare Geschichte, an deren Ende der Leser froh ist, dass er miterleben durfte, wie aus zwei Jungen Freunde werden. Fantastisch, aber immer auch gegenwärtig.