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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 09.04.2019

Tolles Setting

Ein Espresso für den Commissario
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Das hörte sich an wie für mich geschrieben - ein Krimi, der in Italien spielt und dessen Ermittler gerne Kaffee trinkt.

Der Ermittler heisst Marco Pellegrini. Er wohnt oberhalb von Como in Brunate und ...

Das hörte sich an wie für mich geschrieben - ein Krimi, der in Italien spielt und dessen Ermittler gerne Kaffee trinkt.

Der Ermittler heisst Marco Pellegrini. Er wohnt oberhalb von Como in Brunate und fährt täglich mit dem Funicolare nach Como runter, wo er als Kommissar arbeitet. Marcos Familie führt ein Albergo samt Bar, hinter dessen Theke er manchmal morgens steht und für die Carabinieri von Brunate und für sich einen Caffé rauslässt.

In der Schweiz hat Pellegrini eine Hotelfachschule absolviert, aber da sein Vater ein ziemlicher Dickkopf ist und keine Neuerungen will, hat sich Marco entschieden einen anderen Beruf zu wählen, wo er seinem Vater nicht in die Quere kommt - die Polizei kommt wie gerufen.

Die beiden Inspektoren Claudia Spagnoli und Fabio Cunego gehören zu Pellegrinis Team. Cunego ist neu im Team und hat Mühe, von der ihm höherstehenden Spagnoli Arbeitsanweisungen anzunehmen. Sie können nicht so gut miteinander, was für Spannungen im Team sorgt. Auch Pellegrini hat es mit der forschen Claudia nicht so leicht. Irgendetwas hat sie - vielleicht erfahren wir in einem späteren Fall davon.

Das Team wird zu einem Tatort gerufen, ein Student wurde in seiner Wohnung tot aufgefunden. Es handelt sich dabei um Ivan Pescatori, der diverse Nebenjobs hatte und ein Frauenheld war. Liegt hier vielleicht irgendwo das Motiv?

Den interessanten Background von Pellegrini finde ich toll, denn wer kann schon mit der Standseilbahn zur Arbeit fahren? Auch das Setting in Como, eine norditalienische Stadt an einem See gelegen, versprüht südliches Flair. Umgeben von Bergen und die Nähe zur Schweiz geben einen bemerkenswerten Kontrast.

Die Ermittlungen hingegen haben mich nicht restlos überzeugt. Eine dubiose Firma, die den Standort Como aufgrund des Batterieerfinders Alessandro Volta wählte, ist in den Fall verwickelt. Die technischen Ausführungen zu der Erfindung der Firma, für das sie Investoren suchen, werden zu oft wiederholt - auch die Polizisten checken das Ganze nicht wirklich. So wirkt der Ermittlungsfall stellenweise langatmig und verliert die Spannung.

Mühe hatte ich mit den Dialogen, insbesondere zwischen Pellegrini und Spagnoli. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass in den Gesprächen Sätze fehlen oder verschluckt wurden. Besonders am Ende des zweiten Drittels war oft unklar, wer was wieso gesagt hat.

Einem allfälligen zweiten Fall gebe ich aber sicher eine Chance, dafür gefällt mir die Szenerie einfach zu gut.

Fazit: Tolles Setting, aber die Handlung und die Dialoge zwischen den Ermittlern dieses Debütkrimis haben Luft nach oben.
3.5 Punkte.

Veröffentlicht am 08.04.2019

Man muss Raben und Geschichte mögen

Der Herr der Raben
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Die Legende um die Raben im Tower kenne ich schon länger. Aber erst seit ich die Beefeater-Krimis mit Ermittler John Mackenzie von Emma Goodwyn gelesen habe, weiss ich, dass es auch einen Ravenmaster gibt, ...

Die Legende um die Raben im Tower kenne ich schon länger. Aber erst seit ich die Beefeater-Krimis mit Ermittler John Mackenzie von Emma Goodwyn gelesen habe, weiss ich, dass es auch einen Ravenmaster gibt, der sich um die Tiere kümmert. Das faszinierte mich und deshalb ging ich bei meinem nächsten Besuch im Tower von London nicht direkt zu den Kronjuwelen, sondern zuerst zu den Raben. Seit etwa zwei Jahren folge ich dem Ravenmaster auf seinem Social Media Kanal.

Als ich 2018 von dem Buch über den "Herr der Raben" erfuhr, kam es gleich auf meine Wunschliste. Nun liegt es in der deutschen Übersetzung vor. Christopfer Skaife erzählt über seinen Werdegang und seinen Alltag mit den Raben.

Chris Skaife stellt sich zuerst selbst vor, schreibt über seine Kindheit, seine Zeit in der britischen Armee und die Geschichte, wie er zu einem Yeoman Warder und später zum Ravenmaster wurde. Leser dieses Buches müssen Geschichte mögen, denn der Autor erzählt sehr viel über die Historie des Towers. Dazu liefert er wissenswerte biologische Fakten über die beschriebenen Vögel wie auch einige Anekdoten über seine Erlebnisse mit "seinen" Raben.

Meistens schweift er in seiner Erzählung über den Rabenalltag aber ab und erzählt mehr über sich und seine Zeit als Soldat. Dass die für ihn wichtig war und ihn lehrte diszipliniert zu sein, kommt ihm im Umgang mit den Raben zugute - nimmt jedoch einen zu grossen Teil im Buch ein. Die sieben gegenwärtigen Raben des Towers werden einzeln kurz in Steckbriefform vorgestellt. Über Merlina (der heimliche Star und am zutraulichsten) und Munin wird mehr erzählt, ich vermisste jedoch Einzelheiten über die anderen fünf Raben. Ich hätte durchaus mehr über diese gefiedrigen Tower-Bewohner erfahren wollen und dafür weniger über die British Army.

Trotzdem war das Buch interessant und äusserst humorvoll. Wer sich beim Besuch des Towers je mit den Yeoman Wards unterhalten konnte, weiss was ich meine. In "Der Herr der Raben" gibt es diesen typisch britischen Humor frei Haus auf 256 Seiten.

Fazit: Faszinierender und unterhaltender Bericht über die Geschichte des Towers, dessen Raben und ihren Rabenmeister.
4 Punkte.

Veröffentlicht am 07.04.2019

Freundschaft und Familie

Unter dem Limonenhimmel
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Auch dieses Jahr können wir wieder miterleben wie es Marco, Lisabetta und ihren Freunden und den Familien geht.

Lisabetta wohnt zwar noch bei den Pantanellas und schaut zu Raffaele, hat sich aber eine ...

Auch dieses Jahr können wir wieder miterleben wie es Marco, Lisabetta und ihren Freunden und den Familien geht.

Lisabetta wohnt zwar noch bei den Pantanellas und schaut zu Raffaele, hat sich aber eine Wohnung gemietet, die sie erst neu malen und dann einrichten müsste. Marco hat Pläne für den Zitronenhain, doch die sind schwierig umzusetzen, da sich erstens sein Vater dagegen quer stellt und ihm jemand einen Teil seines Landes wegnehmen will.

Marco fährt zudem noch immer jede zweite Woche nach München, um für die Kinder zu sorgen. Kurz bevor er aktuell wieder nach München muss, bekommt er unangemeldeten Besuch von seiner ehemaligen Arbeitskollegin Nathalie (bekannt aus "Sommer der Erinnerung"). Sie hat Krach mit ihrem Chef Stefan und erhofft sich von Marco Unterstützung. Pippo ist geschockt, als er Nathalie zum ersten Mal sieht, zu sehr erinnert sie ihn an seine Ex-Freundin, über deren Trennung er noch Jahre später nicht hinaus ist.

Die Freundschaft der alten Amalfi-Clique steht in diesem Band im Vordergrund. In Rückblicken erfährt man, wie schon in "Ein Sommer wie Limoneneis", mehr über die Kindheit der Freunde. Das Freundesband droht nun aber zu zerbrechen, weil alle mit ihren eigenen Sorgen beschäftigt sind und einzelne den anderen an den Karren fahren wollen. Lohnt es sich, die Freundschaft zu retten oder ist es endgültig vorbei?

In "Unter dem Limonenhimmel" erfährt man viel über Pippo, der nicht durchgehend in Amalfi lebte, was mir neu war (oder auf das ich im ersten Band kein Augenmerk darauf legte und es schlicht vergessen habe). Seine Geschichte gefällt mir sehr.

Auch die Beweggründe von Lisabetta, die zum ersten Mal alleine in einer Wohnung leben wird und sich überlegt, wie sie sich ein Stück Selbstständigkeit erschaffen kann, wurde schön geschildert. Ebenso die Szenen, in der Marco versucht seinen Vater von der Notwendigkeit einer Neuausrichtung zu überzeugen und mit der Zeit zu gehen, sowie Raffaeles neu gefundener Lebensmut.

Marie Matisek versetzt die Leser schon mit den ersten Zeilen an die sonnige Amalfiküste und versprüht Urlaubsfeeling, trotz der Probleme, die die Figuren vor Ort haben. Der Roman macht bewusst, dass das Leben der Einheimischen an Urlaubsdestinationen nicht unbeschwert und problemfrei verläuft - was leider viele Touristen in ihrem Urlaub gerne ausblenden.

Beim Lesen dieser gemütlichen Sommergeschichte bedauerte ich sehr, dass ich mir meine Lesestunden nicht mit einem Gelati direkt von Pippo versüssen konnte.

Fazit: Familie und Freundschaft stehen im Mittelpunkt dieses unterhaltenden und gelungenen Romans mit viel Amalfiküste-Flair.
4 Punkte.

Veröffentlicht am 05.04.2019

Eine Grossstadtpflanze geht offline

Auf dich war ich nicht vorbereitet
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Dies ist mein erster Roman, den ich von Anna Bell gelesen habe und ich nehme es vorweg: nicht mein letzter!

Die 31jährige Daisy arbeitet im Marketingbereich und ist dort u.a. zuständig für das Instagram-Profil ...

Dies ist mein erster Roman, den ich von Anna Bell gelesen habe und ich nehme es vorweg: nicht mein letzter!

Die 31jährige Daisy arbeitet im Marketingbereich und ist dort u.a. zuständig für das Instagram-Profil ihrer Firma. Sie ist rund um die Uhr online, privat fast noch mehr als geschäftlich und lädt ohne Nachzudenken praktisch jede ihrer Handlungen auf ihre Social Media Kanäle hoch. Im Eifer des Gefechts passiert ihr ein Patzer. Ein schlüpfriger Tweet, der für ihre Freundinnen gedacht waren, landet auf dem Firmen-Kanal und schon ist ihre Karriere ruiniert.

Ihre Schwester Rosie sammelt Daisy ein und verpasst ihr ein Digital Detoxing - irgendwo auf dem Land in Cumbria, ausserhalb eines kleinen Dorfes. Ein altes heruntergekommenes Farmhaus ist ihr Zuhause für die nächsten Wochen. Die Handys lagern derweil auf dem Grund eines Brunnens und die beiden Frauen beginnen mit Hilfe von Franzose Alexis das Haus zu renovieren. Ob das wohl gut geht?

Als Nicht-"Digital Native" fand ich den Beginn der Geschichte übertrieben, obwohl ich weiss, dass es ganz viele junge Leute da draussen gibt, die genau so sind wie Daisy und ihre Clique. Diesen nervigen Anfang braucht es aber, um die Gegensätzlichkeit des geschäftigen Grosstadtlebens und dem ruhigen Dasein am Rande eines Dorfes aufzuzeigen. Sobald Daisy und Rosie in Cumbria ankommen, entschleunigt die Geschichte und wird lesenswert.

Daisys Entzug verläuft natürlich nicht ohne Komplikationen. Ideenreich versucht sie Internetzugang zu bekommen, was Daisy jedes Mal in die Bredouille bringt. Daisys Entwicklung wurde unterhaltsam beschrieben, Rosies Weg ebenso. Ich mochte die Bewohner des Dorfes, allen voran Liz und Gerry, die Nachrichtentanten des Dorfes. Jack dagegen blieb ein wenig blass und zu geheimnisvoll. Doch ich mochte die witzigen Briefe, die Jack und Daisy sich geschrieben haben.

Autorin Anna Bell schafft es mit diesem Roman, jeden Leser dazu zu bringen, über das eigene Social Media Verhalten nachzudenken.

Fazit: Eine Grossstadtpflanze geht offline - eine humorvolle Geschichte mit einem wahren Kern.
4 Punkte.

Veröffentlicht am 04.04.2019

Eindrücklicher Pageturner

Marlene und die Suche nach Liebe
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Marlene Dietrich war ein grosser Star. Mit ihrem blonden, gewellten Bob war sie unverkennbar und strahlt auf den Fotos nicht nur Ruhm, sondern auch eine gewisse Einsamkeit aus. Ich wollte wissen, wer diese ...

Marlene Dietrich war ein grosser Star. Mit ihrem blonden, gewellten Bob war sie unverkennbar und strahlt auf den Fotos nicht nur Ruhm, sondern auch eine gewisse Einsamkeit aus. Ich wollte wissen, wer diese Frau mit der scheinbar glänzenden Karriere ist.

Deshalb wusste ich sofort, als ich das Buch in der Verlagsvorschau sah, dass ich es lesen möchte. Mir war bloss nicht bewusst, wie dick die Printausgabe ist und dachte für mich, dass es aufgrund der 544 Seiten wohl eher eine mühsame Lektüre werden wird - je mehr Seiten je mehr die Gefahr ausschweifend zu werden oder Längen zu haben. Aber nein, der Schreibstil nahm mich sofort ein und ich habe das Buch in drei Tagen ausgelesen.

Es half wohl, dass Marlenes Geschichte von ihr selbst erzählt wird, was ich sehr sympathisch fand. Der Zugang zu ihr findet man sofort. Musikalisch ist sie als Jugendliche nicht so ein grosses Geigengenie, wie ihre Mutter es gerne gehabt hätte. Um der Mutter zu entrinnen, beginnt Marlene in einem Theater zu arbeiten, erst als Geigerin, später als Tänzerin, Sängerin und Schauspielerin.

Der Autor C.W. Gortner schildert in "Marlene und die Suche nach Liebe" den Werdegang von Marlene Dietrich bis 1946. Ihre Familie, ihre Beziehungen, ihre sexuellen Vorlieben und ihre Karriere werden von C.W. Gortner durchleuchtet. Er zeigt auch die verletzliche Frau hinter dem Star, der ihrer Mutter nie gerecht werden konnte und nach Liebe suchte.

In diesem Roman lernt der Leser eine starke Marlene kennen, die zwar ihren eigenen, für viele nicht konformen Weg ging, aber auf ihre Art treu und mit ihren Freunden auf immer verbunden war. Sie liebte Männer wie Frauen, sie liebte schnell und heftig, doch äussern konnte sie ihre Gefühle oft nicht.

Der Teil, in dem Marlene viel zu jung schwanger wurde, noch bevor sie sich Gedanken über ihre weitere Beziehung zu Rudi und über ihr Leben machen konnte, wurde mir als zu schnell und zu leicht dargestellt. Das Gespräch der beiden kam zu kurz. Denn obwohl der gerade arbeitslos gewordene Rudi sofort anerbot zuhause beim Baby zu bleiben, damit Marlene arbeiten kann, wirft er ihr später genau das vor. Rudi blieb mir in Gortners Beschreibung unsympathisch, zuerst hielt er Marlene auf Abstand und sah in ihr den zukünftigen Star, später wollte er dann doch eine angepasstere (Ehe-)Frau aus ihr machen. Aber die enge, jahrzehntelange Bindung der beiden imponiert trotzdem.

Das Leben in Berlin vor und nach den beiden Weltkriegen zeigt der Autor glaubhaft auf. Ebenso auch die gegen aussen prüde amerikanische Gesellschaft, die das Showbiz zwar lieben, aber extrem auf Etikette achten. Marlene machte dies nicht lange mit und schaffte es, dass die Filmzensurbehörde einiges durchgehen liessen.

Mich beeindruckte vor allem Marlenes klare Meinung zu bzw. gegen Hitler und ihren erstaunlichen Einsatz im zweiten Weltkrieg. C.W. Gortner hat mit diesem aussagekräftigen Roman über Marlene Dietrich ein Stück Zeitgeschichte festgehalten.

Fazit: Dieser Pageturner gibt einen eindrücklichen Überblick über das faszinierende Leben der Marlene Dietrich. Absolut lesenswert!
5 Punkte.