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Dawn könnte ein ganz gewöhnlicher Teenager sein. Sie könnte. Dass sie es nur auf ihre Art ist und nicht ganz in das Bild eines Teenagers passt, das die Allgemeinheit erwartet, hat sie Gott zu verdanken. Zumindest ist es das, was sie glauben will. Denn zu sagen, dass ihr eigener Vater sie vergewaltigt hat, weil er von jetzt auf gleich regelrecht besessen von Gott und der Bibel war, würde all das irgendwie wahr machen. Und das will Dawn eigentlich nicht.
Da ist es doch viel einfacher und weniger schmerzlich, die Tage mit ihren beiden Dackeln Mary und Jesus und der Musik ihrer Lieblingsband The Jesus and Mary Chain zu verbringen. Und damit, in der Bibel nach Antworten zu suchen. Nach Antworten und einem Weg, Gott zu töten. Während Dawns Mutter im Nebenzimmer ihren Kummer und Schmerz in Alkohol ertränkt …
Ich kann wirklich nicht oft genug erwähnen, wie sehr ich die Bücher von Kevin Brooks einfach liebe. Er schreibt ohne jedwede Rücksicht, packt das Problem direkt beim Schopfe und deutete drohend darauf, so dass niemand mehr wegschauen oder die Augen davor verschließen kann.
Bei Killing God handelt es sich nun schon um das sechste Buch, das ich von diesem Autor gelesen habe – und wieder einmal hat er mich keinesfalls enttäuscht. Die Themen, die er in diesem Buch zur Sprache gebracht hat – Gewalt in der Familie, Alkoholismus, sexuelle Gewalt gegenüber Kindern, Vergewaltigung – sind so klar um rissen, dass es fast schmerzt, das Buch zu lesen.
Man will Dawn einfach nur die Hand geben und ihr sagen, dass alles gut wird, dass sie keine Angst mehr haben muss. Doch selbst wenn das möglich wäre, würde das nichts ändern. Denn Dawn befindet sich in einer Zwickmühle, die schlimmer nicht sein könnte. Denn einerseits hasst sie ihren Vater dafür, was er ihr angetan hat. Auf der anderen Seite liebt sie ihn aber auch für das, was er einmal war – ihr Vater, der vor jener Nacht immer für sie da gewesen ist.
Ein Teufelskreis, den Dawn vermutlich leider Gottes mit allzu vielen anderen in ihrer Lage teilt. Von daher ist dieses Buch wieder einmal sehr mutig von Brooks. Dass er jedem Kapitel des Buches den Titel eines Songs von The Jesus and Mary Chain gegeben hat, macht das Buch überdies zu einem kleinen bittersüßen Kunstwerk, wobei die Zitate aus besagten Songs geradezu perfekt zu den Kapiteln passen. Ein großartiges Buch.
Dass der Titel jedoch in den Vereinigten Staaten von Killing God in Dawn geändert werden musste, wirkt auf mich fast wie ein Klebeband über einen Mund, der von Dingen spricht, die man gerne todschweigen möchte. Um von der Religionsfreiheit gar nicht erst anzufangen. Nennt mich eine Anti-Christin, wenn euch danach ist. Aber so etwas ist nicht in Ordnung. Nicht einmal im prüden Amerika.