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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 03.05.2019

Ein Wohlfühlbuch

Orangenblütenjahr
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Nellys Mann hinterlässt nach seinem Tod einen großen Trümmerhaufen. Jahrelang hat er sie mit ihrer besten Freundin betrogen und sogar einen gemeinsamen Sohn mit ihr. Hals über Kopf zieht Nelly aus dem ...

Nellys Mann hinterlässt nach seinem Tod einen großen Trümmerhaufen. Jahrelang hat er sie mit ihrer besten Freundin betrogen und sogar einen gemeinsamen Sohn mit ihr. Hals über Kopf zieht Nelly aus dem beschaulichen Odenwald nach München, um ihr Leben neu zu ordnen. In der Apotheke ihrer ehemaligen Studienkollegin Mona, wird sie mit offenen Armen empfangen.


Ulrike Sosnitzas Roman hat mir von der ersten Seite an gefallen. Der Schreibstil ist sehr angenehm und leicht zu lesen, aber keineswegs seicht oder kitschig, sondern sehr gefühlvoll, aber genauso oft auch ernst und witzig.

Sehr schön ist die Einbindung der einzelnen Abschnitte in den Lebenszyklus eines Orangenbaumes, passend zum Titel. Genauso, wie sich der Baum entwickelt, so entwickelt sich auch die neue Lebensphase der Protagonistin. Nelly wächst an ihren Aufgaben quasi aus sich selbst hinaus, überwindet sogar ihre Höhenangst und wird zu einer starken, mutigen Frau, die ganz genau weiß, was sie will.

Die Autorin kennt München sehr gut und gibt in ihren detaillierten Beschreibungen dem Leser das Gefühl, selbst vor Ort zu sein. Als Münchnerin habe ich viele Orte nicht nur wiedererkannt, sondern sogar selbst besucht.

Die Liebe kommt natürlich auch nicht zu kurz und da Liebe bekanntlich durch den Magen geht, gibt es natührlich auch ausführliche Essensszenen, die richtig Appetit machen.

Ihre Charaktere, allen voran Nelly, hat Ulrike Sosnitza sehr lebendig gestaltet, sie wirken mit ihren Ecken und Kanten äußerst real und könnten bei mir um die Ecke wohnen. Man möchte fast in Nellys Haut schlüpfen, so sympathisch kommt sie daher, nur die Sache mit dem Heißluftballon würde ich lieber nicht nachmachen wollen Ihre drei Verehrer sind so unterschiedlich, wie sie nur sein können und es ist nicht einfach für Nelly, sich zu entscheiden. Am Ende hat sie in meinen Augen nicht nur den Richtigen gewählt, sondern auch ihren Frieden mit der Vergangenheit geschlossen.

Alles in allem hat uns die Autorin einen wunderschönen Wohlfühlroman geschenkt, den man besser nicht mit leerem Magen liest, der sowohl zum Nachdenken anregt, als auch gut unterhält und einfach Spaß macht.

Veröffentlicht am 03.05.2019

Einfach nur zauberhaft

Der Blumenladen der Mademoiselle Violeta
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Dominique Brulés Blumenladen in Saint-Germain ist ein ganz besonderes Kleinod. Der 74jährige führt in seit dem Tod seiner Frau ganz alleine und verschenkt mehr Blumen, als er verkauft. Als, auf seine Suche ...

Dominique Brulés Blumenladen in Saint-Germain ist ein ganz besonderes Kleinod. Der 74jährige führt in seit dem Tod seiner Frau ganz alleine und verschenkt mehr Blumen, als er verkauft. Als, auf seine Suche nach einer Aushilfe, die junge Violeta ins Geschäft schneit, ändert sich plötzlich alles und ein frischer Wind weht die verstaubten Regale frei.


Es gibt Bücher, die fangen mich schon von Anfang an ein. Maxim Huertas Roman ist eines davon. Er hat mich bereits mit seinem ersten Satz verzaubert.


"Ein Vogel, der wenige Minuten zuvor aus seinem Käfig entflohen ist, fliegt über Paris" 


Leben wir nicht alle ein wenig in einem Käfig und sind auf der Suche nach der Freiheit, der Liebe, dem Glück? Und gerade jetzt im Frühling ist diese Sehnsucht doch besonders groß. Man will raus aus dem Käfig und will wieder leben, will genießen, will einfach nur glücklich sein.


Der Autor hat einen wundervollen Schreibstil. Seine Sätze sind voller Poesie, voller Wehmut, aber gleichzeitig auch voller Hoffnung und Liebe. Bereits der in zarten Tönen gehaltene, leicht antiquiert wirkende Umschlag zeigt, dass wir hier ein ganz besonderes Buch vor uns haben. Und erst der Inhalt. Farben und Blumen ziehen sich, passend zum Thema, wie ein roter Faden durch das ganze Buch. Man sieht sie vor sich, riecht sie, spürt sie. Ich konnte ganz versinken in der Lektüre und wollte nur ungern wieder auftauchen. Dabei passiert gar nicht viel. Es ist eine ruhige, sanfte Geschichte, die wie ein kleiner Bach leise vor sich hinplätschert. Aber sie berührt uns, sie bleibt in unseren Köpfen. Man ist wie verzaubert und fühlt sich einfach angekommen. 


Ich mochte das Buch sehr. Es hat mir mit seiner Poesie ein wenig das ganz besondere Flair von Paris gebracht. Es hat mich traurig gemacht und glücklich. Es hat mich heiter gestimmt und meine Sehnsucht entfacht. Am liebsten würde ich noch heute losfahren, um durch die Straßen der Stadt der Liebe zu schlendern. Wer weiß? Vielleicht sehe ich ja den Vogel dort fliegen, hoch über den Dächern von Paris.

Veröffentlicht am 05.03.2019

Temporeich und sehr brutal

Der Patriot
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Ein Mörder geht um in Schweden. Seine Opfer sind Journalisten, die sich in ihren liberalen Artikeln offen gegen den Rechtsruck stellen. Drahtzieher ist der Rechtsradikale Carl und seine beiden Freunde, ...

Ein Mörder geht um in Schweden. Seine Opfer sind Journalisten, die sich in ihren liberalen Artikeln offen gegen den Rechtsruck stellen. Drahtzieher ist der Rechtsradikale Carl und seine beiden Freunde, die damit die "Lügenpresse" zwingen wollen, endlich die Wahrheit über die Flüchtlingsströme zu schreiben. 

Pascal Engmann hat einen sehr temporeichen und äußerst brutalen Thriller geschrieben. Seine detaillierten und schonungslosen Beschreibungen sind nichts für schwache Gemüter. Auch ich musste beim Lesen mehrmals stocken und innehalten. Aber dann war der Sog, den dieses Buch auf den Leser ausübt doch wieder zu stark und ich musste einfach weiterlesen. Viele verschiedene Handlungsstränge werde miteinander verknüpft, so dass man anfangs einige Zeit braucht, um damit zu recht zu kommen. Dann aber kommt eine starke Dynamik in die Geschichte und man kann das Buch kaum mehr zur Seite lesen. Das liegt sicher auch am fesselnden und direkten Schreibstil. Das enorme Tempo, das sich im Laufe des Buches aufbaut hält die Spannung auf einem sehr hohen Niveau, obwohl der Täter von Anfang an bekannt ist. Doch der Autor hat noch einen Trumpf im Ärmel und die Geschichte entwickelt sich ganz anders, als ich erwartet hatte. Allerdings gibt es einige, für mich nicht nachvollziehbare und in meinen Augen unrealistische, Szenarien, die aus dem erschreckend realen Buch dann doch "nur" einen sehr gut geschriebenen, spannenden, brutalen Schwedenthriller machen. Der ist allerdings gut gelungen!

Veröffentlicht am 03.03.2019

Der Gesang der Bienen

Der Gesang der Bienen
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Es ist das Jahr 1152. Der Zeidler Seyfried lebt mit seiner Frau Elsbeth und seinen Kindern Anna, Jasper und Lise in den Wäldern des Münstertales. Als eines Tages die Tochter des Grafen zu Staufen, nach ...

Es ist das Jahr 1152. Der Zeidler Seyfried lebt mit seiner Frau Elsbeth und seinen Kindern Anna, Jasper und Lise in den Wäldern des Münstertales. Als eines Tages die Tochter des Grafen zu Staufen, nach einer missglückten Abtreibung, zu Elsbeth gebracht wird, ändert sich ihr bis dahin beschauliches Leben. Fronika überlebt nicht und man verurteilt Elsbeth zum Tode. Seyfried sieht nur eine einzige Chance, das Leben seiner Frau zu retten. Er muss zu Hildegard von Bingen, der Äbtissin des Klosters auf dem Rupertsberg, und sie um Hilfe bitten. Doch die Zeit läuft ihm davon und es ist fraglich, ob Seyfried rechtzeitig, vor Vollstreckung des Urteils, eine positive Antwort erhält.

Der Autor schreibt wunderbar detailliert und so bildhaft, dass man das Buch nur schwer aus der Hand legen kann. Bei fast 500 Seiten ein anstrengendes Unterfangen. Aber die Mühe lohnt sich, denn Ralf H. Dorweiler weiß, wie er seine Leser packt. Man wird mitgerissen, ob man will oder nicht und fiebert mit dem Protagonisten mit. Bei Seyfrieds verzweifelter Suche nach Rettung werden ihm immer und immer wieder scheinbar unüberwindbare Steine in den Weg gelegt, so dass es bis zum Ende fragwürdig ist, ob es ihm gelingen wird, seine Frau zu retten. Das erhöht die Spannung natürlich enorm und als Leser hat man nur eine Möglichkeit, seine Qualen zu lindern. Weiterlesen.

Das Leben im Mittelalter hat Dorweiler anschaulich dargestellt, so dass man sich schnell mitten im Geschehen meint. Der Autor hat außerdem interessante Aspekte zu Bienenzucht und Hildegard von Bingens Leben und Werk in seinen Roman eingebaut. Man erfährt viel über die politischen Hintergründe zu jener Zeit, die manches Verhalten der Charaktere erst verständlich machen.

Ich kann das Buch nur weiter empfehlen. Jeder, der Spaß an historischen Romanen hat, der nicht nur eine spannende Geschichte sucht, sondern auch noch Wert auf fundierte Recherche legt, ist hier gut aufgehoben.

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Veröffentlicht am 10.02.2019

Liebesreigen

Die zehn Lieben des Nishino
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Zehn Kapitel, zehn unterschiedliche Frauen, zehn unterschiedliche Geschichten, die nur ein Thema haben. Die Liebe. 

Nishino ist ein Mann, der gerne von einer Frau zur anderen wechselt. Unfähig für die ...

Zehn Kapitel, zehn unterschiedliche Frauen, zehn unterschiedliche Geschichten, die nur ein Thema haben. Die Liebe. 

Nishino ist ein Mann, der gerne von einer Frau zur anderen wechselt. Unfähig für die wahre Liebe, unfähig auch für das Leben. In ihrem kleinen Buch lässt die Autorin Hiromi Kawakami die Frauen zu Wort kommen. Sie erzählen, jede für sich, ihre Liebesgeschichte mit Herrn Nishino. Sie erzählen davon, wie sie lieben und davon, wie wenig zurückkommt. Man spürt die große Traurigkeit, die sich wie ein roter Faden durch das Buch zieht. Dabei meint man es mit zehn Autorinnen zu tun zu haben, so unterschiedlich sind Ton und Sprachmelodie. 

Die Autorin hat einen sehr eigenwilligen Schreibstil, den ich als typisch japanisch bezeichnen möchte. Ihre einzigartige Sprache ist voller Poesie und Wehmut. Man möchte sich am liebsten jeden ihrer einprägsamen und wunderschönen Sätze in Stein meißeln, damit man ihn nicht so schnell vergisst. Man bekommt einen tiefen Einblick in die japanische Kultur und Sprache. 

Abgerundet wird das wunderbare Buch noch durch das stimmige Cover, das eine wahre Augenweide ist.