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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.01.2018

Atmosphärisch dichter Wirtschaftskrimi

Der Tod in den stillen Winkeln des Lebens
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Im März steht erneut die Leipziger Buchmesse vor der Tür und passend zum diesjährigen Gastland Rumänien haben wir hier einen Kriminalroman, der unter anderem dort spielt. Darüber hinaus hat das Buch in ...

Im März steht erneut die Leipziger Buchmesse vor der Tür und passend zum diesjährigen Gastland Rumänien haben wir hier einen Kriminalroman, der unter anderem dort spielt. Darüber hinaus hat das Buch in diesem Monat den ersten Platz beim Deutschen Krimi Preis belegt. Entsprechend hoch waren meine Erwartungen, als ich die Lektüre aufgenommen habe.



Zu gewollt, zu viel Atmosphäre

Das Buch hab mich überrascht. Der Anfang erschien mir schleppend, zu viele Figuren, die wir zu kurz sahen, zu viel Fokus auf deprimierender, einsamer Atmosphäre, zu schwer. Ich hatte beim Lesen - natürlich nicht ganz unvoreingenommen - das Gefühl, ein klassisches Preisträger-Buch zu lesen. Wie bei Filmen, die einen Oscar gewinnen, denen man beim Sehen schon anmerkt, dass sie mit dem Ziel gedreht wurden, einen Oscar zu gewinnen, so erging es mir mit diesem Buch: Die Sprache wirkte zu bemüht, der Stil zu gewollt atmosphärisch. Jede Szene war getaucht in die Einsamkeit, die das beherrschende Thema des Buches ist. Als Leser bekommt man keine Verschnaufpause, man ist beständig zum Fühlen gezwungen.

Am Ende des Buches gibt es ein erstaunlich umfangreiches Personenregister, welches ist jedoch bewusst nicht genutzt habe. Entweder, einem Buch gelingt es, dass ich mit die Personen merken kann, oder es versagt in dem Aspekt - einmal ausgenommen Reihen, die extrem lang sind und manche Figuren über mehrere Bücher hinweg nicht mehr auftauchen lassen. Zu Beginn kam ich tatsächlich hin und wieder durcheinander, doch das legte sich rasch und ich wusste, mit wem ich es zu tun hatte. Trotzdem hat die Charaktertiefe unter der Vielfalt der Charaktere gelitten. Einige Charaktere werden mehr etabliert als andere, dennoch fehlt mir zu oft eine Motivation. Was wollen diese Menschen vom Leben? Irgendein Hinweis darauf, dass sie jenseits des Plots noch eine Existenz haben. Dafür, dass so viele Personen durchaus ausführlich beschrieben werden, bleiben erstaunlich viele davon doch blass oder auf einige wenige Adjektive reduziert, die nur im Rahmen des Plots relevant sind.



Spannender Ausflug in die Wirtschaftsgeschichte

Diese negativen Aspekte haben mich am Anfang sehr gestört. Auch, dass ich immer wieder das Gefühl hatte, in einer Geschichtsstunde über die DDR und die ehemaligen Ostblockstaaten zu sitzen, hat das nicht besser gemacht. Tatsächlich war es dann aber der letztere Aspekt, der sich zu einer absoluten Stärke des Buches gemausert hat. Je weiter die Ermittlungen voran schreiten, umso mehr entwickelt sich die Geschichte zu einem Fall von Wirtschaftskriminalität. Verstrickungen, die bis in die Zeit vor der Wende zurückgehen, werden aufgedeckt und erörtert, so ziemlich alle auftretenden Figuren haben auf die eine oder andere Weise eine schwierige Vergangenheit.

Die Auflösung der LPGs, das Chaos, das die schnelle Wende mit sich gebracht hat, die Cleverness der einen gegenüber der Gutgläubigkeit der anderen, all das wird immer wieder spannend und gefühlvoll aufgegriffen. Man fühlt sich plötzlich als Teil dieser Gemeinschaft von Bauern, die sich noch immer nicht wirklich in der neuen Welt zurecht finden und nicht wirklich verstehen, was damals geschehen ist. Die Ermittlungen rund um Korruption und Agrarpolitik waren für mich ein Highlight dieses Romans. Das Ende wiederum passt zu der Atmosphäre, die aufgebaut wurde, und macht damit das Buch zu einer runden Sache.



Fazit:

Der Kriminalroman "Der Tod in den stillen Winkeln des Lebens" von Olliver Bottini ist ein atmosphärisch dichter Wirtschaftskrimi über die Verwicklungen der ehemaligen DDR und der ehemaligen Ostblockstaaten in die unübersichtliche Agrarpolitik. Obwohl eigentlich ein Mordfall im Zentrum steht, liegt die Stärke des Buches doch deutlich in seinen historischen Beleuchtungen der Umbruchzeit. Die Menge an Figuren und die zu starke Konzentration auf die düstere Atmosphäre machen das Lesen anstrengend, doch der zugrunde liegende Plot kann viel davon gut machen.

Veröffentlicht am 19.01.2018

Leider zu seicht und zu hölzern

Der kleine Teeladen zum Glück
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Ich bin auf dieses Buch aufmerksam geworden, da am 15. Januar der zweite Teil der Reihe um die Valerie Lane erschienen ist. Da die Reihe vielversprechend klang, wollte ich unbedingt am Anfang beginnen. ...

Ich bin auf dieses Buch aufmerksam geworden, da am 15. Januar der zweite Teil der Reihe um die Valerie Lane erschienen ist. Da die Reihe vielversprechend klang, wollte ich unbedingt am Anfang beginnen. Leider wurden meine Erwartungen enttäuscht und ich werde die Reihe wohl nicht fortsetzen. Insgesamt sind mindestens vier Teile geplant.


Flache, ausschließlich sympathische Charaktere

Doch von Anfang: Laurie und ihre Freundinnen aus der Valerie Lane führen alle ihre ganz eigenen, gemütlichen, nostalgischen Lädchen. Als großer Fan von Tee war ich darauf vorbereitet, mich in Lauries Laden sofort wohlzufühlen. Offensichtlich war das auch das Ziel der Autorin, denn von Anfang an wird uns gesagt, wie toll und einladend der Laden ist, wie rührend sich Laurie darum kümmert und wie schön sie mit ihren Freundinnen die Tradition fortsetzt, jeden Mittwochabend die Türen zu öffnen, um über die schönen und schlechten Seiten des Lebens zu reden. Sie alle sind herzensgute Frauen, durchaus mit unterschiedlichen Charakteren, die sich aber meist auf ein oder zwei Adjektive beschränken. Etwa alle zwei Seiten wird erwähnt, dass sie sich seit fünf Jahren kennen und seitdem alle die besten Freundinnen sind. Mit Hilfe einer armen, älteren Dame und eines Obdachlosen wird zudem ihre wohltätige Seite mehrfach zur Schau gestellt.

Auch der Love-Interest Barry ist rundum ein Goldstück. Er ist der Tee-Lieferant, was ihn zu einem Experten auf den Gebiet und damit sofort sympathisch macht. Er ist aufmerksam, interessiert, höflich und sieht sehr gut aus. Dass Laurie in seiner Gegenwart zu einer stotternden Jugendlichen wird, obwohl sie schon jenseits der dreißig Jahre ist, ist ein charmanter Charakterzug, der jedoch wieder mit dem Holzhammer dargestellt wird. Ihre Freundinnen sind daher überzeugt, dass die beiden Nachhilfe in Sachen Flirten brauchen und mischen sich auf die wohl plumpeste Art und Weise ein.


Keine Konflikte, keine Handlung

Was wäre ein guter Liebesroman ohne ein wenig Drama? Natürlich taucht auch der Ex von Laurie auf, der unbedingt wieder mit ihr zusammen sein will – weil er den Sex vermisst – und natürlich weist die gute Laurie ihn sofort ab. Der Konflikt, der daraus entsteht, wird nach etwa zehn Seiten gelöst, so dass kein Leser wirklich zutiefst mitleiden muss. Generell wird es dem Leser erspart, zu sehr mit den Figuren zu fühlen. Die Dialoge sind hölzern und belanglos, von jeder eingeführten Person wird und exakt gesagt, was wir über sie oder ihn denken sollen, und niemand der wichtigen Menschen ist wirklich unsympathisch, nicht einmal der störende Ex.

Das Buch ist auf Wohlfühlromantik ausgelegt, genau das habe ich auch erwartet. Die hölzerne, belanglose Art der Umsetzung ist jedoch wirklich störend. Die Idee ist charmant, doch die Autorin gibt sich zu viel Mühe, uns ein schönes Gefühl zu geben, und am Ende fühle ich als Leserin gar nichts, weil mir an jeder Stelle vorgeschrieben wird, was ich fühlen soll. Keiner der Konflikte hat Konsequenzen, keines der Gespräche scheint etwas mit dem Fortgang der Geschichte zu tun zu haben, die liebevolle Darstellung der Läden ist ebenfalls nur schmückendes Beiwerk ohne Bedeutung für den Plot. Ich bin sehr enttäuscht, denn ich wollte dieses Buch lieben, ich wollte mich wohlfühlen, ich wollte die Reihe komplett lesen. Sehr schade.


Fazit:

Der Liebesroman „Der kleine Teeladen zum Glück“ von Manuela Inusa ist eine seichte, belanglose Romanze um die Teeladen-Besitzerin Laurie und ihren Tee-Lieferanten Barry. So viel Liebe auch in der Ausgestaltung der Valerie Lane und den Läden dort steckt, so hölzern und oberflächlich erscheinen alle Charaktere. Konflikte sind beinahe nicht vorhanden, ebenso wenig haben die Charaktere Ecken und Kanten. In der Valerie Lane ist alles schön und harmonisch. Für Fans von seichter Wohlfühlromantik ist dieser Roman definitiv zu empfehlen, mich hat das Buch leider enttäuscht.

Veröffentlicht am 09.01.2018

Intensive Darstellung des menschlichen Zwiespalts

Das Schiff der Träume
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Wir lernen, in der Ich-Perspektive wundervoll distanziert und doch einfühlsam geschrieben, May kennen, die mit ihrem schlichten Leben jenseits des Scheinwerferlichts, an der Seite ihrer Schwester Comfort ...

Wir lernen, in der Ich-Perspektive wundervoll distanziert und doch einfühlsam geschrieben, May kennen, die mit ihrem schlichten Leben jenseits des Scheinwerferlichts, an der Seite ihrer Schwester Comfort zufrieden ist. Ein Schiffsunglück beendet dieses Leben und durch das energische, unsympathische Einschreiten der älteren Dame Mrs. Howard trennen sich ihre Wege. Mrs. Howard ist eine Sklavengegnerin und spannt Comfort für ihre Zwecke ein. May wiederum landet durch Zufall auf einem Theaterschiff, das geleitet wird von dem Engländer Hugo, der alles mit unendlicher Leidenschaft betreibt und ganz klare Visionen hat. Mays direkte Art, die zuvor häufig negativ ankam, wird von der selbst so verschrobenen Gemeinschaft auf dem Schiff akzeptiert und das Leben schreitet voran.

Immer wieder webt die Autorin schon in der ersten Hälfte Hinweise auf die Problematik der Sklaverei ein. 1838 ist der Süden noch abhängig von der Existenz der Sklaven und der Norden hat nicht genug Interesse daran, wirklich dagegen zu kämpfen. Immer wieder findet May Hinweise auf die brutale Realität der Sklaverei, genauso wie verschiedenste Menschen immer wieder fallen lassen, dass es schlecht fürs Geschäft ist, sich gegen Sklaverei zu stellen oder überhaupt eine Meinung zu haben. In Form des alternden Schauspielers Thaddeus lernt May auch tatsächlich die Personifikation von Pragmatismus kennen: Es geht ausschließlich um den eigenen Nutzen, das eigene Ansehen. Diese Denkweise ist so verankert in den Köpfen der Menschen, dass der Kampf gegen Sklaverei tatsächlich wahnsinnig erscheint.

May wird trotzdem darin verwickelt, sehr zu ihrem Missfallen, denn ihr größte Schwäche besteht darin, dass sie nicht lügen und betrügen kann. Sie sagt immer die Wahrheit, sagt immer, was sie gerade denkt. Ihr moralischer Kompass ist zwar sehr gefestigt, aber gleichzeitig scheut sie sich davor, das Gesetz zu brechen - und Sklaverei ist im Süden Amerikas gesetzlich erlaubt, wohingegen jegliche noch so minimale Beihilfe zur Flucht ein schweres Verbrechen ist. Auch Hugo, den May eigentlich respektiert, ist pragmatisch veranlagt und würde niemals riskieren, etwas zu tun, was das Publikum am Südufer des Flusses vertreiben könnte.

Alle Charaktere, die wir kennenlernen, sind in sich zwiespältige Personen, keiner ist nur gut, keiner ist nur schlecht. Gerade anfangs ist May sogar anstrengend mit ihrer Art, stets auf der Wahrheit zu beharren. In anderen Geschichten würden Personen wie Mrs. Howard und Comfort, die öffentlich und furchtlos Reden gegen Sklaverei halten, positiv als Heldinnen gefeiert, doch hier wirken sie oftmals wie die Antagonisten, sind verschlagen und man kann sich ihrer Motive nie sicher sein. Es ist dieser Zwiespalt, dass einerseits Personen, die moralisch betrachtet das Richtige, Gute tun, böse wirken, und Personen, die sich weigern oder zumindest weigern wollen, das Richtige zu tun, gut wirken, der das Buch zu einem Highlight für mich gemacht hat.

Eine Romanze gibt es in diesem Buch natürlich auch, aber sie ist so subtil und kaum bemerkenswert, weil May als Charakter auf dem Gebiet sehr eigen ist, dass man das Buch schwerlich in die Romance-Kategorie einordnen könnte. Viel spannender ist zu beobachten, wie sich May im Spiegelbild von Hugo als Mensch weiterentwickelt, und wie umgekehrt er, der so gefestigt in seinen Vision erscheint, auch durch sie wächst und sich selbst neu erfindet.

Der Schreibstil von Martha Conway, der anfangs auf merkwürdige Weise distanziert wirkt, konnte ebenfalls schnell mein Herz erobern. Bis drei Uhr nachts lag ich wach und habe gelesen, weil ich immer mehr in Mays Welt eingetaucht bin. Das 19. Jahrhundert wurde lebendig in all seiner Hässlichkeit. Die kleinen Städte entlang des Flusses wirkten authentisch, der Alltag der Personen realistisch beschrieben und generell gelang es diesem Roman, den Leser tatsächlich in jene Zeit zu versetzen. Das ist für historische Romane einer der wichtigsten Aspekte und Conway scheint dies mühelos zu gelingen.

So sehr der Fokus auch auf Sklaverei liegt, kommt das Theaterleben doch nicht zu kurz. Auch hier schafft es die Autorin, die kleine Bühne an Bord des Schiffes vor unseren geistigen Augen mit Leben zu füllen, obwohl wir sehr selten wirklich bei der Aufführung der Stücke dabei sind. Der intensive Fokus von May auf Näharbeiten und Kostüme richtet unseren Blick auf einen oftmals vernachlässigten Aspekt des Theaters. Auch hier zahlt sich aus, dass wir die Welt aus Mays Augen wahrnehmen.



Fazit:

Der Historische Roman "Das Schiff der Träume" von Martha Conway ist eine rundum gelungene Geschichte über Amerika zu Zeiten der Sklaverei und all der Probleme, die das sowohl für die Süd- als auch für die Nordstaaten mit sich bringt. Aus der Perspektive der jungen May erleben wir die hässliche Seite Amerikas, aber erfahren auch, dass gutes Handeln nicht immer auf gute Menschen schließen lässt. Die Komplexität aller Charaktere, der Zwiespalt, den damals wohl viele verspürt haben, all das fängt die Autorin auf wundervolle Weise ein. Der intensive Schreibstil und die subtile, jedoch nie verharmlosende Beschreibung der damaligen Lebensumstände entführen den Leser von der ersten Zeile an in das Amerika des 19. Jahrhunderts. Für Fans von historischen Romanen ist dieses Buch sehr zu empfehlen.

Veröffentlicht am 08.01.2018

Träumerisch, aber nicht befriedigend

Herrn Haiduks Laden der Wünsche
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Dieses Buch verspricht schon vom Klappentext her, eine gemütliche Reise durch das Leben verschiedener Menschen zu werden. Vor dem Hintergrund der Suche nach dem glücklichen Lottogewinner erhalten wir kleine ...

Dieses Buch verspricht schon vom Klappentext her, eine gemütliche Reise durch das Leben verschiedener Menschen zu werden. Vor dem Hintergrund der Suche nach dem glücklichen Lottogewinner erhalten wir kleine Einblicke in den Alltag und die Seelen einiger Menschen aus der Umgebung von Herrn Haiduks Laden. Das Buch ist nachdenklich und regt zum Denken an, richtige Tiefgründigkeit vermisste ich am Ende aber doch.

Der Stil des Buches gefiel mir vom ersten Moment an: Aus der Ich-Perspektive schildert ein Autor, der inzwischen keiner mehr ist, seine Rückkehr zu Herr Haiduks Laden, wo er früher öfter gewesen ist. Der Besitzer, Herr Haiduk, erkennt ihn, freut sich und will ihm unbedingt eine besondere Geschichte erzählen. Ein großer Teil des Buches ist dann in der erzählenden Perspektive des Autors geschrieben, der die Erzählungen von Herrn Haiduk und seinem Gehilfen Adamo wiedergibt. Die Mischung ist gelungen und macht für mich einen wesentlichen Teil des Lesegenusses aus. Immer wieder kehren wir von Herrn Haiduks Erzählung ins Hier und Jetzt zurück, um ein wenig mehr über den Alltag des Autors zu erfahren.



Liebenswürdige Figuren

Die Figuren selbst sind größtenteils glaubwürdig und in sich stimmig gestaltet. Der Autor ist ein rundum normaler Mensch, während Herr Haiduk definitiv verschroben ist, aber auf eine liebenswürdige Art. Alma wird auf eine typische Weise als gleichzeitig naiv und sehr stark beschrieben. In ihrer Naivität, die der eines Kindes gleicht, liegt ihre Stärke, da sie so fest an ihre Wahrnehmung der Welt glaubt, dass sich sich fast nie beirren lässt. Obwohl das ein Charakterkonzept ist, das mir gefällt, musste ich bei Alma doch manchmal die Stirn runzeln, da es beinahe zu übertrieben wirkte. Immer wieder wird uns Lesern erzählt, wie sonderlich sie ist, irgendwann wird es zu viel.

Andererseits ist es gerade ihre Art, die an die Kindheitsheldin Momo erinnert, die es uns erlaubt, diverse andere Menschen, die nur kurze Auftritte haben, sehr plastisch wahrzunehmen. Der Mittelteil des Buches besteht hauptsächlich aus den Gesprächen, die Alma mit Lottogewinner-Kandidaten führt, und obwohl diese Gespräche teils kurz sind, zeichnen sie doch stets ein rundes Bild eines Charakters. Alma hört zu, lässt keine Lüge gelten und zwingt mit ihren sehr schlichten Fragen, jeden Menschen dazu, ehrlich zu sich selbst zu sein. Manche lügen und wollen das nicht zugeben, andere versuchen nicht einmal zu lügen, wieder andere schämen sich für ihr Verhalten. Jedem zwingt Alma einen Spiegel auf. Das ist in diesem Buch ein deutlicher Höhepunkt.



Am Ende war ich ratlos

Insgesamt jedoch hat mich die Geschichte ratlos hinterlassen. Zwischenzeitlich äußerte der Autor Ungeduld darüber, wie langsam Herr Haiduk die Erzählung vorantrieb, wie sehr er ihn auf die Folter spannte und offensichtlich das Interesse genoss. Als Leserin ging es mir genauso, ich wurde irgendwann sehr ungeduldig. Einerseits geschah zwar eine Menge, und sicherlich dienten gerade die Unterbrechungen der Geschichte mit Einblicken in die Gegenwart dazu, das Erzählte sacken zu lassen und Langsamkeit generell zu feiern. Auch wird deutlich, wie bedeutend das Glück eines einfachen Augenblicks sein kann, wie er beispielsweise in dem Grillabend im Hinterhof bei leichter Sommerbrise sein kann. All das verstehe ich durchaus. Dennoch wurde ich zunehmend ungeduldig und am Ende gab es in meinen Augen keine befriedigende Auflösung, welche diese Langsamkeit wirklich gerechtfertigt hätte. Dass auch der Autor sich empört zeigte über Herrn Haiduk, rettet für mich das Ende leider dennoch nicht.

Das Buch will über Glück nachdenken und stellt die Frage, ob nicht eigentlich die Idee von Glück sehr viel wichtiger ist. Das ist spannend und zwischendurch gibt es da wirklich spannende Ansatzpunkte, doch am Ende verlief es für mich zu sehr im Sand. Es war ein Genuss, diese Geschichte zu lesen, aber sie hinterlässt entgegen meiner Erwartungen nichts. Das ist schade. Die Offenheit, die zum Nachdenken einladen könnte, tut es, zumindest in meine Fall, leider nicht.


Fazit:

Der Roman "Herrn Haiduks Laden der Wünsche" von Florian Beckerhoff ist ein wundervoller Lesegenuss, der die Einfachheit des Augenblicks und das Glück in kleinen Dingen feiert. Liebevoll gestaltete Figuren liefern vor der Kulisse des kleinen Ladens ein hübsches Kammerspiel ab, während die große Frage des Glücks erörtert wird. Leider bleibt das Ende auf unbefriedigende Weise offen, so dass die teilweise langatmige Art des Erzählens nachträglich keine Rechtfertigung erfährt. So schön sich das Buch auch lesen lässt, so interessant die Charaktere auch sind, am Ende bleibt wenig übrig. Trotzdem kann ich das Buch empfehlen, alleine schon weil der Mittelteil ein wunderschön nachdenklicher Höhepunkt war.

Veröffentlicht am 25.12.2017

Dieses Buch hat mich so wütend gemacht

Mitfahrer gesucht - Traummann gefunden
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Bevor ich mit meiner Rezension anfange, will ich direkt vorwarnen: Der einzige Grund, warum dieser Roman von mir zwei Punkte und nicht bloß einen erhält, ist der gute, leicht lesbare Schreibstil. Alles ...

Bevor ich mit meiner Rezension anfange, will ich direkt vorwarnen: Der einzige Grund, warum dieser Roman von mir zwei Punkte und nicht bloß einen erhält, ist der gute, leicht lesbare Schreibstil. Alles andere an diesem Buch hat mir nicht gefallen.

Die Leseprobe bzw. die ersten paar Seiten versprechen eine lockere Romanze mit zwei Protagonisten, deren Chemie stimmt. Die Autofahrt, auf der sich Romy und Leon kennenlernen, wird über den gesamten Roman hinweg erzählt, während die eigentliche Handlung die Zeit danach betrifft. Die Szenen während der Autofahrt dienen sehr offensichtlich dem Zweck, die Anziehungskraft zwischen Romy und Leon herauszustellen, doch obwohl die Intention der Autorin so offensichtlich ist, sind die Dialoge vergnüglich genug, dass ich darüber hinwegsehen könnte.

Was dann jedoch in der Zeit danach geschieht, ist für mich persönlich zum Haare ausraufen. Romys aktueller Freund, mit dem sie zusammen gezogen ist, Flo, arbeitet als Blogger. Er ist Gamer und betreibt eigenständig Deutschlands beliebtesten Gamer-Blog. Er arbeitet von zu Hause aus, sitzt gerne in Unterhose vorm Rechner und hört laute Musik, wenn er seine Artikel schreibt. Er ist ein wenig faul, hat seine Umzugskisten noch nicht ausgeräumt und beteiligt sich nicht genügend im Haushalt. Auf Grillpartys, zu denen das Paar eingeladen wird, trägt er Shirts mit Star-Wars-Bildern drauf, obwohl er schon fast dreißig Jahre alt ist. Er kann mit den Menschen auf diesen Partys wenig anfangen, weswegen er sich keine große Mühe gibt, höfliche, oberflächliche Konversation zu machen. Auf einer solcher Party muss er früher weg, da er zu einem Spiele-Marathon mit bekannten YouTubern wie Gronkh eingeladen ist. Später hat er unter anderem einen semi-bekannten Sänger bei sich in der Wohnung zu Gast, um das YouTube-Format "Schlag den Star" aufzunehmen.

All das ist Romy unfassbar peinlich, sie schämt sich dafür vor ihren Freunden und sie ärgert sich beinahe täglich, dass Flo so faul ist und sich gehen lässt. Auch, dass er mit ihr schläft, egal ob sie unten rum rasiert ist oder nicht, lastet sie ihm negativ an. Und dass er keine Brustbehaarung hat. Wenn er abends nicht hört, dass sie heim kommt, weil er bei lauter Musik arbeitet, ist das seine Nachlässigkeit, weswegen sie ihm gar nicht mitteilt, dass sie wieder da ist, und dann wütend auf ihn werden kann, wie unwichtig sie ihm ist. Dass er samstags keine eifersüchtigen Nachfragen stellt, wenn sie spontan ausgeht, ist ebenfalls ein Charaktermangel.

Natürlich ist es dann auch er, der einen so groben Fehler macht, dass Romy ihn ohne schlechtes Gewissen verlassen kann, obwohl sie selbst eine Grenze überschritten hat.

Dass sie ihrem neuen Lover, Leon, von Anfang an ihren Beziehungsstatus verschwiegen hat und auch später weiter darüber lügt, ist natürlich auch kein Vergehen von ihr. Als er deswegen wütend auf sie wird und ihr Vorwürfe macht, ist das natürlich sein Fehler und er entschuldigt sich in dramatischer Geste, dass er je böse auf sie war.

In meinen Augen macht Romy in der gesamten Geschichte zu keinem Zeitpunkt etwas richtig. Sie lügt, sie betrügt und sie erwartet von ihren Mitmenschen, dass sie bei all ihren Plänen mitmachen, ohne dass sie diese Pläne jemals kommuniziert. Ja, gewiss, sie erlebt ein paar dramatische Rückschläge deswegen, aber am Ende entschuldigen sich die anderen bei ihr, sie muss über ihr Verhalten nicht ernsthaft reflektieren, ihr wird kein Fehlverhalten zur Last gelegt, stattdessen erhält sie ihr Happy End.

Als jemand, die selbst freiberuflich arbeitet (Schriftstellerin, Bloggerin), die zudem leidenschaftlich die Pro-Gamer-Szene verfolgt und Let's Plays auf YouTube anschaut, die es liebt, in bequemen Klamotten mit ihrem Ehemann in der Wohnung zu chillen, anstatt aufgetakelt auf Grillpartys zu gehen, habe ich keinerlei Verständnis für Romy und sehr viel Verständnis für Flo. Das Buch hat mich irrational wütend gemacht und leider wurde es zunehmend nur schlechter, nicht besser. Für jemanden mit einer Lebenseinstellung, die eher der von Romy gleicht, ist dieses Buch gewiss ein packender Liebesroman voller emotionaler Momente. Für mich war es eine einzige Beleidigung und Enttäuschung. Schade. Die Leseprobe hatte mehr versprochen.