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Veröffentlicht am 26.03.2023

Wunderschöner und gefühlvoller Schreibstil, aber Charaktere sind nur Hintergrundstatisten

Denn ohne Musik werden wir ertrinken
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Hazel ist bei ihrer drogensüchtigen Mutter aufgewachsen, die mit ihrem toxischen Drogendealer-Freund in einem Trailerpark wohnt. Da die Mutter nun schwanger ist und weiterhin nicht auf sich und das ungeboren ...

Hazel ist bei ihrer drogensüchtigen Mutter aufgewachsen, die mit ihrem toxischen Drogendealer-Freund in einem Trailerpark wohnt. Da die Mutter nun schwanger ist und weiterhin nicht auf sich und das ungeboren Baby achtet, plant Hazel mit ihr fortzugehen. Um Geld zu verdienen beginnt sie auf der großen Farm von Big Paw zu arbeiten. Dort trifft sie auf dessen Enkel Ian, der ein totaler Frauenheld ist und eine nach der anderen „vernascht“. Sein großer Traum ist es, mit seiner Band erfolgreich zu werden. Nachdem Hazel von zu Hause rausgeschmissen wurde, lebt sie nun auch auf der Farm und trifft vermehrt auf Ian. Er kann Hazel zunächst nicht ausstehen, aber als sie ihm hilft seine Songtexte zu verbessern, kommen sich die gar nicht so ungleichen Protagonisten näher. Anfangs necken sich die beiden noch aus Abneigung und Trotz, aber mit der Zeit entwickeln sie dadurch Zuneigung, was ich richtig schön finde.

Dies ist mein erster Roman von B. C. Cherry und im internationalen Bereich ist sie ja die New Adult-Autorin. Sie kann Emotionen und Liebe wirklich sehr anschaulich und gefühlvoll beschreiben. Am meisten haben mir die Worte in den Szenen gefallen, wenn Hazel oder Ian ihre Liebe füreinander beschrieben oder darüber gesprochen haben. Die Autorin punktet mit ihrem sehr romantischen und herzerwärmenden Schreibstil. Das kann sie ausgesprochen gut!

Die Protagonisten sind ebenfalls sehr anschaulich und plastisch beschrieben. Vor allem, weil die Geschichte abwechselnd aus seiner und ihrer Sicht geschrieben ist. Hazel ist so eine starke Frau und ich war von Seite 1 an begeistert von ihr. Sie hat keinerlei Unterstützung, kämpft aber für ihre Mutter und ihr ungeborenes Geschwisterchen. Sie ist eine Macherin und lässt sich auch nicht von Ians anfänglicher Feindseligkeit entmutigen und schuftet z. B. mehr auf der Farm als alle anderen Mitarbeiter/innen. Ian ist zunächst der Frauenheld und Unfreundlichkeit in Person, weshalb ich echt Angst hatte nicht mit ihm warm zu werden. Aber wie gesagt beschreibt B. C. Cherry die Gefühle der Protagonisten so gut, dass ich mich bald in Ian hineinversetzen und ihn verstehen konnte. Die übrigen Charaktere bleiben hingegen eher blass und erscheinen nur auf der Seite, wenn sie gebraucht werden. Hazels angespannte Beziehung zu ihrer Mutter nimmt zunächst einen großen Stellenwert ein, verschwindet aber zunehmend hinter anderen Aspekten der Geschichte, weshalb ich es extrem schade finde, dass man die große Konfrontation der beiden nicht direkt miterlebt. Leah wird zu Hazels bester Freundin, taucht aber nur vier Mal in der Geschichte als Mittel zum Zweck auf. Auch die Boyband, die eigentlich auch Ians Freunde sind, geht oft hinter der Liebesgeschichte unter. Big Paw ist ein harter Hund mit weichem Herz, doch meines konnte er nie erobern, vor allem nicht, als er zum Schluss Personen dermaßen angreift, die ihm doch nur helfen wollen. Ich finde es schade, dass die übrigen Charaktere nur blasse Statisten sind, die immer nur kurz auftauchen. Genauso ist leider auch die Musik in den Hintergrund getreten. Aufgrund von Titel und Klappentext hätte ich erwartet, dass Musik eine zentrale Rolle in dem Buch spielt. Aber abgesehen von einer gemeinsamen Szene, als Hazel und Ian anfangs Songs zusammen schreiben, findet man sie leider nur noch indirekt in der Karriere der Band wieder.

„Unser Lied ist noch nicht zu Ende. Wir sind gerade mal beim Refrain angekommen, und ich werde für uns singen, für dich, für immer.“, Ian, S. 386

Das Ende des Buches fasst alle losen Stränge zusammen und zeigt deutlich, wie wichtig Freundschaft und Liebe ist. Wir begleiten nicht nur Hazels und Ians romantische Momente, sondern auch Big Paw und Grams rücken mit ihrer jahrzehntelangen Liebe in den Fokus. Manches löst sich zum Schluss viel zu einfach auf, dafür dass es lange ein großes Problem war. Obwohl es Sinn und Zweck des Epilogs ist, die Protagonisten in ihrem zukünftigen Leben zu zeigen, ist mir das Geschehen darin zu überhastet. Ich hätte mir hier ein längeres Ende oder einen ausschweifenderen Epilog gewünscht, damit wie ich im Rest des Buches hätte mitfühlen können. Trotzdem hat mir das Ende von Hazels und Ians gemeinsamer Geschichte gefallen, das durch ähnliche Szenen einen schönen Bogen zum Anfang zog, und ich war erfüllt von den herzerwärmenden Worten der Autorin.


Fazit:
Mein erstes Buch von Brittainy C. Cherry hat mich vor allem durch ihren anschaulichen und gefühlvollen Schreibstil überzeugt. Die Liebesgeschichte zwischen den Protagonisten ist absolut romantisch und berührend, während alle anderen Charaktere leider sehr blass bleiben und auch die Musik immer mehr in den Hintergrund rückt.

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Veröffentlicht am 19.03.2023

Besonders: Besonders raffiniert geschrieben, besonders viele Themen und besonders unnötig gehypt

Morgen, morgen und wieder morgen
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Sam und Sadie lernten sich als Kinder kennen, als beide im Krankenhaus waren. Sam hatte durch einen Autounfall mehrere Knochenbrüche in seinem Fuß und Sadie war wegen der ernsten Krankheit ihrer Schwester ...

Sam und Sadie lernten sich als Kinder kennen, als beide im Krankenhaus waren. Sam hatte durch einen Autounfall mehrere Knochenbrüche in seinem Fuß und Sadie war wegen der ernsten Krankheit ihrer Schwester oft zu Besuch. Zusammen haben sie die öden Stunden beim Spielen von Super Mario verbracht und sich über Videospiele besser kennen gelernt. Das Buch steigt nun ein, als die beiden Protagonisten studieren und sich zufälligerweise an der U-Bahn-Station wiedertreffen. Sadie gibt Sam eine Diskette mit ihrem selbst entwickelten Spiel und bald darauf erstellen sie zusammen ihr erstes gemeinsames, das der Anfang ihrer erneuten Freundschaft und (gemeinsam mit Sams Freund Marx) Karriere in der Gaming-Branche ist. Beginnend in den 90ern begleiten wir Leser/innen die beiden bzw. drei Freunde über mehr als 10 Jahre durch die Höhen und Tiefen des Lebens.

Gabrielle Zevin hat hier einen umfassenden Roman über eine Freundschaft geschaffen, eine realistische, enttäuschende, erfolgreiche und traurige Freundschaft. Gekonnt wird zunächst von Sam und Sadies Wiedersehen und deren Kennenlernen erzählt und, während von der Gegenwart berichtet wurde, schrittweise immer mehr darauf aufgebaut. Es gibt viele Sprünge in die Vergangenheit und Situationen, in denen vergangene Momente nochmals aufgegriffen und genauer erläutert werden, wodurch das Geschehen immer mehr gefüllt wurde. So hat Zevin sehr raffiniert eine vielschichtige Freundschaft bzw. Geschichte geschaffen, was für mich eine der Königsdisziplinen von Autor/innen ist. Trotzdem hat manches auch gestört, weil Dinge aufkamen, z. B. Sams Hund, bei denen ich zunächst sehr viele Fragen im Kopf hatte, diese aber erst viel später wieder aufgegriffen werden und ich bis dahin unsicher war, was dies nun zu bedeuten hatte. Manches jedoch ist nur ein kleines Detail im großen Ganzen und spielte später keine weitere Rolle mehr, auch eigentlich große Ereignisse im Leben, wie der erste Erfolg und die Firmengründung deswegen, gehen oft unter. Anderes bringt einfach nur Symbolik ins Geschehen, wie die Autobahnen. Dies machte mich zunehmend unsicher und ich konnte vieles nicht mehr einschätzen. Gabrielle Zevin erzählt die Geschichte überwiegend aus den beiden Perspektiven von Sadie und Sam, manchmal auch wie ein auktorialer Erzähler, wenn sie z. B. mal auf Situationen vor- oder zurückgreift. Einige Kapitel sind aber auch aus der Sichtweise anderer Charaktere oder sogar durch Computerspiele erzählt, was das Geschehen nochmals spannender und intensiver macht.

>>Es ist mehr als romantisch. Es ist besser als eine romantische Beziehung. Es ist Freundschaft.<<, S. 137

Mein größter Kritikpunkt an der Geschichte ist die Entwicklung von Sams und Sadies Beziehung. Es kommen einige Dinge auf, die ich in einer Freundschaft nicht gut finde und eine/r der beiden wurde mir dadurch viel unsympathischer. Außerdem hat ihre Kommunikation auch nicht immer gepasst. Ich könnte hier mit einem Satz schreiben, was mich so an ihrer Freundschaft gestört hat, aber das wäre indirekt schon ein Spoiler… ich wurde einfach unzufrieden mit der Beziehung der beiden und da ich Sadie und Sam mit der Zeit nicht mehr gleichwertig gern hatte, konnte ich im weiteren Verlauf nicht mehr so mitfühlen wie anfangs, weil mir zunehmend das Verständnis dafür gefehlt hat. Die Autorin hat den gewissen Charakter durchgängig authentisch dargestellt, andererseits auch einen realitätsnahen Aspekt einer Freundschaft aufgezeigt, aber manchmal stört und nervt einem beim Lesen etwas sehr, wie hier mich.

Durch den großen Zeitraum, in dem die Geschichte spielt, kommen auch sehr viele wichtige Themen vor, die im Leben eine große Rolle spielen – insgesamt fast schon zu viele. Man spürt, dass das Buch in der heutigen Zeit, wo immer mehr Sensibilität für einige dieser Probleme vorhanden ist, geschrieben wurde. Einerseits ist das Leben der drei Protagonisten realistisch, andererseits erleben sie jedoch auch sehr viel. Es werden Themen wie Sexismus, (der Umgang mit) Behinderung, soziale Unterschiede, verschiedene Arten von Liebesbeziehungen und vieles mehr angesprochen.

>>Bevor ich dich kennengelernt habe, war ich einsam. Ich habe mich in meiner Familie, bei meinen Freunden und sogar in den Armen meiner Liebhaber einsam gefühlt, und irgendwann dachte ich: Zu leben bedeutet, zu akzeptieren, dass man im Grunde allein ist.“, Simon, S. 382

Durch den Zeitgeist und die Thematik der Videospiele und deren Entwicklung durch die Protagonisten, ist diese Geschichte für Fans von Computerspielen oder Kinder der 90er quasi schon ein Muss, aber trotzdem auch gut zu lesen, wenn man nicht viel Videospiele kennt. Die Autorin beschreibt die bekannten Spiele und auch die neu entwickelten von Sam und Sadie sehr gut, sodass man dem Geschehen stets folgen kann. Besonders schön finde ich auch, dass das dazu passende Cover und auch der Titel im Buch eine Rolle spielen bzw. eben genau deswegen so gestaltet wurden.


Fazit:
„Morgen, Morgen und wieder Morgen“ ist fast nur eine mittelmäßige Geschichte, die aber doch sehr raffiniert und vielschichtig geschrieben ist, was man als Autor/in können muss und Gabrielle Zevin auf jeden Fall tut. Die Freundschaft im Buch hat sich anders entwickelt, als ich mag, aber doch ist sie andererseits teilweise realistisch. Die Geschichte ist meiner Meinung nach viel zu sehr gehypt, aber eben auch eine, die definitiv lesenswert ist, auch wenn sie nicht jede/r Leser/in lieben wird.

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  • Thema
Veröffentlicht am 03.03.2023

Abenteuerlicher und wahrer Reisebericht über eine beeindruckende Frau

Fräulein Stinnes und die Reise um die Welt
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1920er, beruhend auf einer wahren Begebenheit: Clärenore Stinnes wächst in einer wohlhabenden Familie und männerdominanten Welt auf. Entgegen aller Konventionen und den Wünsche ihrer Mutter, engagiert ...

1920er, beruhend auf einer wahren Begebenheit: Clärenore Stinnes wächst in einer wohlhabenden Familie und männerdominanten Welt auf. Entgegen aller Konventionen und den Wünsche ihrer Mutter, engagiert sie sich im Familienunternehmen, kann nicht nur selbst Auto fahren, sondern hat auch schon an einigen Autorennen teilgenommen. Sie ist sehr starrköpfig, manchmal zu sehr, und willensstark. Ich finde sie eine starke und beeindruckende Frau. Ihr Wunsch ist es, mit dem Auto um die Welt zu fahren, und so startet sie nach einer monatelangen Vorbereitungszeit mit zwei Mechanikern, einem Fotografen und ihrem Hund in ein großes Abenteuer. Von Frankfurt a. M. fährt die junge Frau mit einem Adler über Russland und China, nach Nord- und Südamerika um am Ende mit einer weiteren Fähre den Atlantischen Ozean zu überqueren und in Berlin an ihrem Ziel anzukommen. Diese lange Strecke ist in der vorderen und hinteren Buchklappe eingezeichnet, wohin ich während des Lesens auch oft geblättert habe.

Es ist nicht nur beeindrucken, dass die junge Frau mit den Vorurteilen ihrer Mechaniker und den schiefen Blicken auf ihre Hose vonseiten der Gastgeber in den 1920ern ihren Traum verwirklicht, sondern auch den Bedingungen trotzt, die sie auf ihrer Reise begegnen. Wochenlang nur Eier als Proviant, sengende Hitze oder enorme Kälte, oftmaliges Schlafen im Auto, all das macht Clärenore nichts aus und sie steht es im Gegensatz zu einiger ihre Mitfahrer klaglos durch. Es ist beeindruckend, auf welche Hindernisse sie damals auf der Fahrt gestoßen sind. Kein Navi, nur Karten und der Rat der Einheimischen, kein isoliertes Auto mit Klimaanlage, sondern Kälte und Hitze ausgesetzt, kaum ausgebaute Straßen, oft nur Schotterpisten, dünne Pfade an Felsen und einige unsichere Gegenden. Im Begleitfahrzeug befinden sich zwar Ersatzmaterialien und Treibstoff, doch diese mussten stets ausreichen. Egal wo sie hinfahren, es gibt immer ein Problem zu lösen oder die jeweilige Kultur zu bestaunen.

Trotzdem hat sich die Geschichte für mich irgendwann gezogen. Die Autorin hat Cläreonores Erlebnisse und die vielen Buchcharaktere anschaulich beschrieben und wirklich gut dargestellt, sodass ich nicht sagen kann und will, dass das Buch langweilig wurde. Vielleicht lag es auch daran, dass durch das erste und weitere eingeschobene Kapitel schon ein Teil der späteren Handlung fest stand. Ich hab das Buch teilweise parallel und über einen längeren Zeitraum gelesen. Aber trotzdem ist es eine tolle Geschichte über eine starke Frau, die Unglaubliches erlebt und geleistet hat.



Fazit:
„Fräulein Stinnes und die Reise um die Welt“ ist eine anschauliche Geschichte über eine wahre Persönlichkeit. Cläreonore Stinnes hat trotz Vorurteilen und kaum verfügbarer Infrastruktur ihren Traum wahr gemacht und jahrelang mit dem Auto den Globus umrundet. Eine beeindruckende Frau und sehr lesenswerte Geschichte!

Veröffentlicht am 01.02.2023

Leicht zu lesendes schweres Schicksal

Feldpost
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Der Prolog verspricht direkt verheißungsvolles: Mit nebulösen und nachdenklichen Worten wird der Aspekt von Erinnerungen beschrieben, die plötzlich an die Oberfläche treten. Im ersten Kapitel treffen wir ...

Der Prolog verspricht direkt verheißungsvolles: Mit nebulösen und nachdenklichen Worten wird der Aspekt von Erinnerungen beschrieben, die plötzlich an die Oberfläche treten. Im ersten Kapitel treffen wir im Jahr 2000 auf Cara, die kurz vor Weihnachten eine überraschende Begegnung mit einer Unbekannten hat, die ihr alte Briefe und Dokumente anvertraut. In der Vergangenheit wird anschließend über die Besitzer/innen und deren Familien erzählt. Die Jugendlichen Adele und Albert Kuhn und Richard Martens sind befreundet. Doch die aufsteigende Herrschaft Hitlers und der Zweite Weltkrieg machen der Familie Kuhn Probleme und auch die Freundschaft der drei wandelt sich. Das Buch erzählt das Leben der Familie Kuhn von 1935 – 1945. Abwechselnd werden die Ereignisse während des Dritten Reichs und der Recherche in der Gegenwart erzählt, wobei es mich manchmal gestört hat, dass große Ereignisse 2000 in einem Gespräch erwähnt werden und dann nochmals im Vergangenheits-Strang aufgegriffen wurden. Besser aufeinander abgestimmt wäre das Lesen für mich mitreißender gewesen.

Anfangs kam die Geschichte eher trocken daher. Die Autorin benutzt wenige Beschreibungen der Umgebung, was z. B. ein Charakter sieht, hört oder riecht. Auch die Emotionen kommen etwas kurz, obwohl man die Gefühle der Buchfiguren gut nachvollziehen kann. Im Laufe der Geschichte wurde sie aber ausführlicher. Das Buch erzählt von schicksalhaften Jahren einer Familie, die mich aber nicht direkt berühren und emotional machen konnten. Das liegt auch daran, dass das Ende zu abrupt zusammengefasst wurde, statt es unmittelbar durch die Charaktere zu schildern. Der Schluss hätte durchaus Potenzial für viele Emotionen und Tränen bei mir gehabt, blieb aber leider aus.

"Die Menschen redeten, diskutierten oder beruhigten Kinder, und alle bemühten sich leise zu sprechen. Es war eine geflüsterte Kakofonie aus Angst, Verunsicherung, Zweifel und bangem Hoffen.", S. 204

Die Familie Kuhn hat es schwer, sich unter der Herrschaft der Nazis zurechtzufinden. Immer wieder geschehen Ereignisse, die Adele, Albert oder deren Eltern beeinflussen. Bekannte Tage und Taten der Nazis werden aufgegriffen und zeigen somit, wie sich damals Menschen unter der Diktatur fügen mussten. Mechthild Borrmann hat damit eine spannende Familiengeschichte geschaffen. Es werden auch Randgruppen angeschnitten, die von dem Nazi-Regime verfolgt wurden, wie Juden, Homosexuelle und politisch Verfolgte. Jedoch gehen die Themen nicht zu sehr in die Tiefe und auch der eher nüchterne Schreibstil sorgt dafür, dass Neulinge in diesem Bereich des historischen Genres zu dieser Geschichte greifen können. In „Feldpost“ werden zwar einige Schicksale geschildert, jedoch nie zu emotional und schwer.


Fazit:
„Feldpost“ ist eine tragische Geschichte über eine große Liebe und eine Familie, die durch die schwere Zeit während des Dritten Reichs getrennt wurde. Mit wenigen Beschreibungen aber geschickt gewählten Worten erzählt die Autorin die spannende und ereignisreiche Geschichte. Aufgrund der fehlenden emotionalen Beschreibungen ist dieses Buch bestens geeignet für Leser/innen, die aufgrund der Schwere Bücher über das Dritte Reich und den 2. Weltkrieg sonst meiden würden.

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Veröffentlicht am 11.12.2022

Mysteriös, geheimnisvoll, düster & fesselnd

Das Geheimnis des Orangengartens
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Das Buch startet im Prolog direkt sehr erschreckend und düster. Eine Frau wird ermordet und verscharrt, was die Rahmenhandlung der Geschichte bildet und von der man unbedingt wissen will, wie es dazu kam.
Leandra ...

Das Buch startet im Prolog direkt sehr erschreckend und düster. Eine Frau wird ermordet und verscharrt, was die Rahmenhandlung der Geschichte bildet und von der man unbedingt wissen will, wie es dazu kam.
Leandra ist Übersetzerin und soll den Auftrag der Schmuckmanufaktur Rufin ergattern. Doch als sie dort ankommt, wird sie von der Sekretärin abgewiesen, nur um von Herrn Rufin persönlich doch noch die Chance für den Auftrag zu erhalten, inklusive Kost und Logis in der alten Villa. Diese Seltsamkeit ist erst der Anfang, denn als sie in der Villa wohnt, hört sie geheimnisvolle Gespräche, spürt Ablehnung, vernimmt oft einen Orangenduft und wird schlussendlich unter Drogen gesetzt. Warum das alles? Und von wem?
Abwechselnd werden die Kapitel aus der Gegenwart und Vergangenheit erzählt. Dadurch lernt man Emilia Witt im Jahr 1899 kennen, die von ihrem Vater in eine lieblose Ehe verkauft wurde, in der ihr Mann und dessen Vater ihre Dominanz voll ausleben. Ihre Zuflucht ist das Gewächshaus im Garten mit dem imposanten Orangenbaum in der Mitte. Außerdem wird sie noch in die Familienprobleme und –fehden der Witts gezogen. Kann sie doch noch ihr Glück finden?

Reena Browne verwebt die Geschichten der beiden Frauen geschickt miteinander. Als Leser/in kann man durch einige Details Verbindungen zwischen den zwei Zeitebenen ziehen, z. B. die Namen der Familien, die großen Villa in Berlin und die Herstellung von Schmuck. Der Schreibstil der Autorin ist sehr flüssig und bildhaft und die beiden Zeitebenen gut dargestellt. Lediglich manchmal hätte ich mir eine genauere Erklärung einer Situation gewünscht um nicht im ebook zurückblättern zu müssen. Bei Romanen auf zwei Zeitebenen finde ich immer eine spannender als die andere, aber hier war dies nicht der Fall und ich bin den Protagonistinnen in beiden Zeiten gerne gefolgt. Zusätzlich zu dem großen Familiengeheimnis hat Reena Browne dem Buch einen etwas übernatürlichen Touch verliehen, weil Leandra in der Villa oft einen Orangenduft wahrnimmt, obwohl dort gerade keine solche Frucht in der Nähe ist, geschweige denn überhaupt noch der Baum in der Orangerie stehen würde. Dadurch wurde die Verbindung zwischen den beiden Zeitebenen intensiver und die Geschichte hat eine sehr geheimnisvolle und düstere Atmosphäre erhalten. Das Buch hat mich dadurch auch etwas an alte geschickt geschriebene Schauerromane erinnert. Es ist definitiv eine tolle Lektüre für die düstere Herbst- und Winterzeit. Das große Manko an der Geschichte waren die zwei Liebesbeziehungen, denn keine der beiden konnte mich überzeugen. Die Gefühle waren bei Emilia und Lenadra zu schnell da, manche Emotionen in der Vergangenheit sehr turbulent um ihnen kaum noch folgen zu können und von anderer Seite für mich nicht nachvollziehbar, da man nicht aus der Sichtweise von Tim der Gegenwart gelesen hat.

Das Geschehen im Prolog konnte ich beim Lesen bald in die Geschichte einsortieren und ist das zentrale dramatische Erlebnis, das Vergangenheit und Gegenwart, sowie die verschiedenen Familien, verbindet. Trotzdem ist die Geschichte noch spannend, weil ich unbedingt wissen wollte, wie es dazu kam. Noch dazu gibt es in der Gegenwart auch einige überraschende Geschehnisse, die das Ende des Buches noch sehr fesselnd und mitreißend gestalten.


Fazit:
„Das Geheimnis des Orangengartens“ ist ein spannender und sehr mitreißender Roman über zwei Frauen, deren Leben von über 100 Jahren getrennt, aber doch miteinander verbunden sind. Die Geschichte spielt auf beiden Zeitebenen und erhält zunehmend eine etwas übernatürliche, düstere und geheimnisvolle Atmosphäre. Lediglich die beiden Liebesgeschichten konnten mich nicht erreichen, ansonsten kann ich das Buch besonders zur momentan dunklen Jahreszeit sehr empfehlen.

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