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Veröffentlicht am 16.01.2018

Das Abecedarium, schief und krumm

Die Anarchie der Buchstaben
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Die kleine Perry hat an jedem Nachmittag eine andere Beschäftigung, ob Klavier spielen oder den Sportkurs „Musik und Bewegung“. Als dies am Donnerstag entfällt, hat Perry die Idee zu ihrer Großmutter ins ...

Die kleine Perry hat an jedem Nachmittag eine andere Beschäftigung, ob Klavier spielen oder den Sportkurs „Musik und Bewegung“. Als dies am Donnerstag entfällt, hat Perry die Idee zu ihrer Großmutter ins Pflegeheim Santa Lucia zu fahren. Dort unterhält sie sich mit ihrer Oma, die an Alzheimer erkrankt ist, dem Pflegepersonal und den anderen verschrobenen älteren Leuten. Um sich zu beschäftigen beschließt die Kleine ein ABC zu erstellen – ein ABC über Santa Lucia. Zu jedem Buchstaben malt sie Personen oder Dinge auf ein Blatt Papier. Daneben hält sie Wörter fest, die zu dem entsprechenden Buchstaben und dem Pflegeheim passen. Von Namen wie „A wie Audrey“, über „W wie Wanderstock, den Melvyn als Waffe einsetzt“ bis zu „G wie ganz schön komisch“ ist alles vertreten. Die Handlung dreht sich hauptsächlich um das ABC und ist eher unspektakulär.

Perry ist ein kleines aufgewecktes und fröhliches Mädchen. Ihre Eltern jedoch blieben das gesamte Buch über sehr flach. Man erhält den Eindruck, als würden sie nur für ihren Job leben und sich nur gelegentlich mit ihrer Tochter beschäftigen. Diese hat auch ein Kindermädchen, das sich oft um ihren eigenen Sohn und Perry kümmert.

Trotz der wenigen Seiten konnte Kate de Goldi eine schöne Geschichte erzählen. Der Schreibstil ist sehr einfach und enthält kurze Sätze, passend zu der jungen Protagonistin. Auch die Sprache ist sehr schlicht gehalten und etwaige schwierige Wörter, die Perrys Vater benutzt, lässt sie sich direkt erklären.

„Die Anarchie der Buchstaben“ ist eine leise Geschichte, die von der Beziehung Perrys zu den Bewohnern des Pflegeheims erzählt. Obwohl die älteren Leute alle an Alzheimer oder sonstigem erkrankt sind, baut Perry eine freundschaftliche und sehr innige Beziehung zu ihnen auf. Ich schätze, dass Perry erst in die Grundschule ist und finde es sehr bewundernswert, wie wenig sie sich davon einschüchtern lässt, dass ihre Oma immer wieder fragt „Wer ist Perry?“. Auch die Pfleger des Heimes haben das kleine Mädchen ins Herz geschlossen und gehen mit den Patienten liebevoll und sehr geduldig um.


Fazit:
„Die Anarchie der Buchstaben“ ist ein kurzes und leicht zu lesendes Buch für Zwischendurch. Es wird von der geduldigen und liebevollen Beziehung zwischen der jungen Perry zu ihrer dementen Großmutter, den anderen Heimbewohnern und dem Pflegepersonal erzählt. Die eher unspektakuläre Handlung lebt von der ruhigen Erzählweise und dem, was der Leser zwischen den Zeilen liest.

Veröffentlicht am 15.01.2018

Großartig-issimo

Café Morelli
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Das Café Morelli wird seit mehreren Generationen von der Familie Morelli geführt. Schon Joes Uropa kam damals von Italien nach England um dort Arbeit zu finden und gründete das Café. Doch nun gibt es immer ...

Das Café Morelli wird seit mehreren Generationen von der Familie Morelli geführt. Schon Joes Uropa kam damals von Italien nach England um dort Arbeit zu finden und gründete das Café. Doch nun gibt es immer weniger Kundschaft und Joes Mam möchte es schließen. Joe beschließt alles dafür zu tun, damit das Café Morelli nicht geschlossen werden muss, schließlich ist es seit Generationen in Familienbesitz und er möchte es in naher Zukunft unbedingt weiterführen.

Während der lebhafte Joe immer raffiniertere und kreative Ideen hat um mehr Kundschaft im Café zu bekommen, erzählt sein Opa, nonno, die Geschichte des Cafés bzw. der Familie. Mit einem Aufnahmegerät hält er für Joe fest, wie er mit seinem Vater das Café führte, sich in der Gemeinschaft des Städtchens zurecht fand und den zweiten Weltkrieg erlebte. Joe hörte sich nonnos Aufnahmen nach und nach an, was im Text kursiv gedruckt wurde. Es wird immer deutlicher, wie viel das Café mit der Familie verbunden ist und allen viel bedeutet.

Die Geschichte ist sehr italienisch angehaucht. Durch den Besuch seiner Cousine Mimi lernt Joe viele italienische Wörter, Gesten und natürlich auch Pasta zu kochen. Nonnos Erzählungen der Familiengeschichte und Joes Einsatz für das Familienunternehmen, hat dem Leser gezeigt, wie wichtig den Morellis ihre Familie ist. Joe und seine Eltern gehen sehr harmonisch miteinander um und trotz Anfangsschwierigkeiten wurde seine Cousine Mimi sehr herzlich aufgenommen. Das italienische und liebevolle Flair hat mir sehr gut gefallen.

Der Schreibstil von G. R. Gemin macht die Geschichte sehr lebendig. Ich konnte das Café, seine Gäste und die Familie Morelli stets direkt vor meinem Auge sehen. Von Lachen, Weinen bis zu Ungläubigkeit waren alle Emotionen beim Lesen vertreten.


Fazit:
„Café Morelli“ ist eine sehr lebhafte und liebevolle Geschichte über die Familie Morelli. Die Geschichte überzeugt durch einen lebendigen Schreibstil und italienischem Flair. Joe hat viele kreative Ideen, um das Café zu retten, denn eines Tages möchte er in die Fußstapfen seines Opas treten. Ob ihm das gelingt?

Veröffentlicht am 15.01.2018

Anders ist anders

Anders
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Im ersten Kapitel des Buches werden mehrere Begebenheiten beschrieben, die alle mit dem 11-jährigen Felix zusammen hängen. Es beginnt mit einem kurzen Einblick, wie Felix‘ Eltern vor seiner Geburt einen ...

Im ersten Kapitel des Buches werden mehrere Begebenheiten beschrieben, die alle mit dem 11-jährigen Felix zusammen hängen. Es beginnt mit einem kurzen Einblick, wie Felix‘ Eltern vor seiner Geburt einen Namen für ihn aussuchten. Danach wird der Unfall beschrieben, durch den Felix für mehrere Monate ins Koma fiel. Der Unfallhergang wird durch Augenzeugen und dem Unfallbericht der Polizei beschrieben. Schon hier wird die besondere Erzählweise von Andreas Steinhöfel erkennbar. Im zweiten Kapitel begleiten wir Felix‘ Pfleger Gerry im Krankenhaus bis zu dem Zeitpunkt, als Felix aufwacht.

Daraufhin kommt der Junge wieder nach Hause, wo ihm jedoch alles fremd ist, da er seine Erinnerungen verloren hat. Der Leser spürt, dass es für Felix nicht leicht ist, obwohl er nach außen hin viel Ruhe ausstrahlt. Felix entscheidet sich, sich von nun an anders zu nennen – und zwar Anders. Bald wird deutlich, dass Anders nicht nur seinen Namen gewechselt, sondern sich auch in seinem Charakter verändert hat. Ab hier nimmt die Geschichte eine besondere Atmosphäre an und wird ungewöhnlich. Anders scheint nun viel mehr wahrzunehmen und entwickelt eine große Empathie seinen Mitmenschen gegenüber.

„Anders“ ist nicht nur ein Buch, das beschreibt, wie schwer es für einen Menschen ist, der sich an sein vorheriges Leben nicht mehr erinnern kann, sondern vor allem, wie das Leben von einem bestimmten Kreis aus Menschen um ihn herum aussieht. Für Anders‘ Mutter hat sein Unfall und Koma ihre Zukunftspläne und Vorstellungen durcheinander gebracht. Anders‘ Vater wird bewusst, dass er vor dem Unfall kein sehr enges Verhältnis zu seinem Sohn hatte, wodurch er dessen Vorlieben und Charakterzüge beschreiben könnte. Auch Felix‘ Pfleger Gerry, Ärztin Laura und Lehrerin Sabine haben einen kleinen, aber wichtigen Anteil in dem Buch, weil sie zu diesem Zeitpunkt wichtige Rollen in Anders Leben spielen. Außerdem verändern sich Anders Beziehungen zu seinen beiden Freunden und dem einsamen Stack. Und dann gibt es jemanden, der froh ist, dass Anders anders ist und keine Erinnerungen mehr hat, denn wenige Tage vor seinem Unfall ist etwas passiert.

Der Schreibstil von Andreas Steinhöfel ist anders, und zwar positiv anders. Die Geschichte wird nicht einfach aus Felix‘ Perspektive beschrieben, sondern aus vielen verschiedenen. Der Autor nutzt die auktoriale Erzählperspektive und konzentriert sich dadurch phasenweise auf bestimmte Charaktere. Dabei wirkt die Geschichte jedoch nie zu distanziert, weil immer ein Geschehen beschrieben wird, das unmittelbar mit Felix bzw. Anders zusammen hängt. Außerdem schafft der Autor es, die Figuren sehr lebendig darzustellen. Es gibt einige Charaktere, die nicht sehr viel Platz in der Geschichte einnehmen, aber trotzdem lernt der Leser diese sehr genau kennen.


Fazit:
Dieses Buch ist anders, und zwar auf seine ganz eigene Art etwas Besonderes. Felix kann sich nach einem mehrmonatigen Koma an nichts mehr erinnern. Der neue Felix ist ganz anders und hat eine neue Wahrnehmung und Empathie entwickelt – so wird aus Felix Anders.

Veröffentlicht am 15.01.2018

Düstere Kurzgeschichten

Der 13. Stuhl
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Der junge Jack erforscht ein verlassenes, altes Haus. Dabei entdeckt er 12 Personen, die um einen runden Tisch sitzen und jeweils eine brennende Kerze vor sich stehen haben. Der 13. Stuhl ist leer und ...

Der junge Jack erforscht ein verlassenes, altes Haus. Dabei entdeckt er 12 Personen, die um einen runden Tisch sitzen und jeweils eine brennende Kerze vor sich stehen haben. Der 13. Stuhl ist leer und für Jack bestimmt. Dann beginnen die Personen reihum eine Geschichte zu erzählen, die blutig, grotesk, erschütternd, gruselig oder überraschend ist. Ich mag eigentlich keine Kurzgeschichten, weil sie mich auf den wenigen Seiten nicht berühren, doch diese 13 Geschichten haben mich alle mehr oder weniger fasziniert. Mit jeder ausgepusteten Kerze und bereits erzählter Geschichte, habe ich mich stets auf die nächste gefreut. Jede Erzählung baut die Spannung anders auf und bedient sich einer unterschiedlichen Sprache. Hierdurch erkennt man die Charaktere der einzelnen Erzähler und hat immer wieder neues zu entdecken. Eingerahmt werden die 13 Geschichten durch die Haupthandlung, in der sich die 13 Personen an dem runden Tisch gegenüber sitzen und in den Erzählpausen kurz miteinander kommunizieren.

Das Ende wirft meiner Meinung nach mehr Fragen auf, als es beantwortet. Während des Lesens konnte ich mir einige Dinge erschließen, jedoch bin ich mir nicht sicher, ob ich die Kerngeschichte vollends richtig erfasst habe. Ich habe erwartet, dass die aufgebaute Spannung in einem Knall endet und mich überrascht. Tatsächlich hat es mich jedoch ruhig und nachdenklich zurückgelassen, was aber auch seinen Reiz hatte.

Fazit:
Ein Buch, das 13 gruselige, faszinierende und atemraubende Geschichten erzählt, die fast alle fesseln konnten. Auch die Haupthandlung, die alles miteinander verbindet, konnte mich in ihren Bann ziehen, sodass ich unbedingt wissen wollte, was es mit dem verlassenen Haus und den 13 Personen auf sich hat. Von dem Ende hätte mich mir überraschenderes erwartet, wohingegen es eher Ruhe ausgestrahlt hat.

Veröffentlicht am 15.01.2018

Vier Geschichten, ein Setting

Der Geruch von Häusern anderer Leute
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>>Da ist es, mein Herz. Es mag aus tausend Stücken zusammengeflickt und etwas mitgenommen sein, aber es schlägt. Eindeutig…

>>Da ist es, mein Herz. Es mag aus tausend Stücken zusammengeflickt und etwas mitgenommen sein, aber es schlägt. Eindeutig… <<, S. 315


Meine Meinung:
Die Geschichte beginnt mit einer kurzen Erinnerung von Ruth, als sie noch gemeinsam mit ihren Eltern im unabhängigen Alaska wohnte. Nicht nur die Anerkennung Alaskas zum 49. Bundestaat der USA, sondern auch der Tod ihres Vaters hat ihr Leben verändert. Nun wohnt sie mit ihrer kleinen Schwester bei ihrer Oma, die sehr auf Prinzipien beharrt. Als Ruth ein Geheimnis hat, das sie bald schon nicht mehr verheimlichen kann, erfährt sie viele Dinge, wodurch sie die Vergangenheit ihrer Familie aufarbeiten kann.
Da Doras Vater Alkoholiker ist und sich dann ihr gegenüber gewalttätig verhält, ist sie zu ihren Nachbarn geflüchtet. Dort wohnt sie nun bei ihrer Freundin Dumpling, die in einem behüteten und liebevollen Zuhause aufgewachsen ist.
Alyce träumt von einer Karriere als Tänzerin und muss dafür eine wichtige Aufnahmeprüfung absolvieren, die aber im Sommer stattfindet, wo sie seit Jahren zu ihrem Vater fährt, um ihm bei der Fischerei auf seinem Boot behilflich zu sein. Die Jugendliche ist hin- und hergerissen zwischen ihrem Traum Tänzerin zu werden und ihrer Verpflichtung der Familie gegenüber.
Hank flieht mit seinen Brüdern vor seinem gewalttätigen Stiefvater und seiner Mutter, die sich mehr nach Nähe sehnt als sich um ihre Kinder zu sorgen. Auf ihrer Reise müssen sich die Brüder durch viele Situationen kämpfen, finden aber auch Menschen, die bereit sind ihnen zuzuhören.

Anfangs mögen die vier verschiedenen Personen und ihre individuellen Leben den Leser verwirren, doch die immer auftretende Ich-Erzählung und der ruhige Schreibstil haben sie alle gemein. Trotzdem schildert Bonnie-Sue Hitchcok die Geschichten auf ihre eigene besondere Art und Weise, wodurch die vier Erzählungen sprachlich voneinander getrennt werden. Der Schreibstil strahlt eine große Ruhe und Sensibilität aus, wodurch man die unterschiedlichen Charaktere und deren Lebensumstände zu verstehen lernt.

Eine weitere Besonderheit des Buches ist der gewählte Ort der Geschichten. Die vier Jugendlichen wachsen in den 60er Jahren in Alaska auf, wo das Leben vom Fischfang, der Jagd und sehr kalten Wintern geprägt ist. Dies verleiht der Geschichte eine ganz besondere Atmosphäre, wodurch der Leser sich in einer völlig anderen und interessanten Welt wiederfindet.


Fazit:
„Der Geruch von Häusern anderer Leute“ erzählt vier Geschichten über sehr unterschiedliche Jugendliche, die ihre ganz eigenen Probleme haben. Mit einem sensiblen Schreibstil schildert Bonnie-Sue Hitchcock wie Ruth, Dora, Alyce und Hank ihre Situation bewältigen müssen. Außerdem wird das Alaska der 60er Jahre beschrieben, was ich sehr interessant und informativ fand. Man findet selten ein Buch, das so eine unscheinbare, aber emotionale Geschichte in einem so einzigartigen Settting, wie Alaska, erzählt.