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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 12.09.2018

Theo hat es nicht leicht

Theo und das Geheimnis des schwarzen Raben
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Sein Vater verschwand, als er ein Kleinkind war, seine Mutter ist vor allem mit Stiefvater Martin beschäftigt und berücksichtigt - so Theos Sicht - ganz klar dessen Bedürfnisse mehr als die seinigen. Zu ...

Sein Vater verschwand, als er ein Kleinkind war, seine Mutter ist vor allem mit Stiefvater Martin beschäftigt und berücksichtigt - so Theos Sicht - ganz klar dessen Bedürfnisse mehr als die seinigen. Zu wenig Zeit hat sie auch und so wird Theo ins Sommerlager verfrachtet, wo er von seinen Zimmergenossen gemobbt wird.

Doch da taucht wieder der sprechende Rabe auf, den er bereits von zu Hause kannte und nimmt ihn mit auf ein Schiff - auch das war ihm bereits in der besagten Nacht begegnet, zusammen mit einem merkwürdigen Kapitän. Doch der ist gar nicht da, vielmehr soll Theo jetzt das Schiff steuern... auf der Reise begleiten ihn neben dem Raben weitere merkwürdige Gesellen, die ihm versprechen, dass er seinen echten Vater finden wird...

Eine ganz besondere Idee ist es, die Autorin und Zeichnerin Ute Krause hier realisiert hat. Das Buch ist auch für Erwachsene eine schöne Gelegenheit, mal für ein paar Stunden in eine andere Realität einzutauchen. Die Bilder, die die Geschichte auf vielen Seiten begleiten, sind genau darauf abgestimmt und vollenden die Geschichte zu einem wahren Genuss.

Mein Fazit: ein wunderschönes Kinderbuch, das reale Themen, die vielen Kindern bekannt sind wie Patchworkfamilien, Mobbing, Sommercamps mit Märchenhaftem, sprechenden Tieren, verzauberten Wesen usw. verbindet und zusätzlich zum Text auch noch wunderschöne Bilder bietet!

Veröffentlicht am 12.09.2018

Ungebildet im Namen des Herrn

Befreit
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So sollen Tara und ihre sechs älteren Geschwister aufwachsen, nach dem Wunsch ihres Vaters, eines strenggläubigen Mormonen. Die Mutter sieht das ein bisschen anders, kann sich aber nicht durchsetzen und ...

So sollen Tara und ihre sechs älteren Geschwister aufwachsen, nach dem Wunsch ihres Vaters, eines strenggläubigen Mormonen. Die Mutter sieht das ein bisschen anders, kann sich aber nicht durchsetzen und will das wohl auch gar nicht, denn ein weiterer Grundsatz ist, dass die Frau sich dem Manne zu unterwerfen hat.

Zumindest konnte sie sich soweit positionieren, dass sie die Kinder zu Hause unterrichtet und ihnen Lesen und Schreiben beigebracht hat. Wobei die Arbeit immer vorging - wenn der Vater Arbeitskräfte benötigte, mussten die Kinder schon in frühen Jahren los, um ihm auf dem Schrottplatz zu helfen. Wo es sehr gefährlich zuging und nicht selten zu schweren Verletzungen kam, die dann nicht vom Arzt, sondern lediglich mit Hausmitteln behandelt wurden.

Und das sind nur eine wenige Punkte aus dem Vorschriftenkatalog des Westoverschen Familienhaushalts - der im Übrigen nicht die Ansichten der Mormonen im allgemeinen spiegelt, ganz und gar nicht. Rund um die Familie herum gab es angefangen mit den Großeltern eine Reihe von Menschen, die meisten davon ebenfalls gläubige Mormonen, die das ganz anders sahen und teilweise einzugreifen versuchten.

Das ist kein Roman aus vergangenen Zeiten, nein, es ist die Autobiographie von Tara Westover, 1986 geboren. Und mit 17 gegen den Willen der Familie losgezogen, um Bildung zu erlangen. Sie hat es bis zur Promotion gebracht und zum Bruch mit großen Teilen der Familie.

Ihre Biographie liest sich wie eine Offenbarung, ein Thriller, eine schockierende Aufdeckung - suchen Sie sich etwas davon aus. Eine ebenso erschütternde wie eindringliche Dokumentation einer Kindheit und Jugend, von der man gar nicht glaubt, dass diese in einem zivilisierten Land existiert.

Ich möchte jetzt nicht die Frage beleuchten, inwiefern man die USA in Zeiten von Trump als zivilisiertes Land bezeichnen kann, wobei das meiste in den Jahren davor stattgefunden hat und zwar in Idaho. Ich möchte Sie aber von ganzem Herzen zu dieser Lektüre ermuntern - es ist unglaublich, zu was für einem besonderen Menschen Tara Westover geworden ist, trotz der Hindernisse die ihr in den Weg gelegt wurden. Vielleicht ist Amerika ja doch noch das Land der unbegrenzten Möglichkeiten? Lesen und urteilen Sie selbst!

Veröffentlicht am 09.09.2018

Ein ungewöhnlicher Krimi

Die Tote im Wannsee
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Und zwar ein zeithistorischer ist dieser gleich von drei Autoren gemeinsam verfasste Band "Die Tote am Wannsee": das Setting - Berlin-West im Jahre 1968, mitten in den Studentenunruhen. Die Kripo Berlin ...

Und zwar ein zeithistorischer ist dieser gleich von drei Autoren gemeinsam verfasste Band "Die Tote am Wannsee": das Setting - Berlin-West im Jahre 1968, mitten in den Studentenunruhen. Die Kripo Berlin wird in eine eher spießige Schrebergartensiedlung Nähe Wannsee beordert, wo eine Leiche liegt. Eine junge Frau ist es, Ehefrau und Mutter von zwei noch recht kleinen Kindern. Wie ist sie dorthin gekommen? Das kann doch nichts Politisches sein? Oder doch?

Immerhin befindet sich der Fundort recht nahe an der Mauer und zudem hat Heidi Gent - so der Name der Toten - in der Anwaltspraxis Mahler gearbeitet. Na, da klingelt doch etwas - Horst Mahler, war das nicht...? Ja, genau, der Verteidiger der Kaufhausattentäter - das war der erste große Coup von Baader, Ensslin und Co., dem noch so manches folgen sollte.

Wolf Heller ist ein Typ, der die Ereignisse in der Politik nur am Rande verfolgt - plötzlich jedoch befindet er sich mitten drin. Oder doch nicht?

Die drei Autoren Lutz Wilhelm Kellerhoff (das Pseudonym ist ganz pragmatisch und eine Zusammenfügung aller drei Nachnamen) zeichnen ein eindringliches, teilweise auch bedrohliches Bild von der geteilten Stadt Berlin Ende der 1968er Jahre - denn es geht mitnichten nur um den Westteil. Wie schnell man zum Spielball innerhalb verschiedener Interessenskonflikte werden kann - das erfährt nicht nur Heller am eigenen Leib.

Der junge Ermittler Wolf Heller steht vor einem Rätsel, nicht zuletzt, weil seine eigene Behörde immer wieder neue Direktiven heraus gibt. Könnte es tatsächlich sein, dass einige Kollegen nicht mit offenen Karten spielen? Und wenn, dann warum?

Ein ganz besonderer Krimi, bei dem mir - auch wenn ich mich in der Zeit ganz gut auskenne - ein paar Hilfestellungen zur Einordnung im Anhang gefehlt haben. Auch war die Handlung manchmal zu dicht - ein paar Figuren weniger hätten dem Buch aus meiner Sicht gut getan.

Dennoch ein wirklich empfehlenswerter Fall, bei dem das Wort "Rufmord" eine ganz neue Bedeutung erhält!

Veröffentlicht am 08.09.2018

Aufwühlender als jeder Krimi

Loyalitäten
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ist dieser Roman, in dem es um ein Kind geht, das dringend gerettet werden muss, nämlich um Théo. Noch keine dreizehn ist er und schon jetzt ist Alkohol seine einzige Rettung. Denn er trägt eine ...

ist dieser Roman, in dem es um ein Kind geht, das dringend gerettet werden muss, nämlich um Théo. Noch keine dreizehn ist er und schon jetzt ist Alkohol seine einzige Rettung. Denn er trägt eine schwere Last bzw. sogar mehrere: seine Eltern sind geschieden und wechseln kein Wort mehr miteinander. Und wollen auch nichts über einander hören.

So fällt es Théo leicht, das Versprechen, das er seinem Vater gegeben hat, zu halten. Doch er ist nicht der Einzige, von dem Loyalität verlangt wird: er fordert diese ebenso von seinem gleichaltrigen Freund Mathis, der auch sein Trinkkumpan ist und dadurch mit ihm in einem Boot sitzt.

Mathis`Mutter wird hellhörig, ebenso die Klassenlehrerin der beiden Jungen und beide agieren, bzw. reagieren, doch nicht eindringlich genug.

Ein Alltagsereignis ist es, auf das Autorin Delphine de Vigan ihre Romanhandlung aufbaut - leider. Die Tragödie um ein Kind, um seine Umgebung, die nicht hinschaut. Bzw. nicht genau genug hinschaut, sich nicht einmal vorstellen kann, was für Lasten dieses Kind, der Junge Théo, bereits schultern muss. Und selbst zu wenig Gehör findet, zu wenig Unterstützung, um wirklich einschreiten zu können.

Ein Roman, der dazu einlädt, nein: dringend aufruft, hinzuschauen, nicht vorbeizugehen, wenn man eine Ahnung, ein ungutes Gefühl hat. Auf der anderen Seite zeigt die Autorin aber auch auf, wie schwer es manchmal ist, sich an der richtigen Stelle zu positionieren, sich einzumischen. Ein Buch, das für mich ein etwas zu abruptes Ende hat. Doch eigentlich passt es zum Roman wie die Faust aufs Auge, ist es doch ein weiterer Aufschrei!

Veröffentlicht am 05.09.2018

Schmetterlinge können nicht weinen

Der Schmetterling
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drum wein` auch du nicht mehr um den Einen
heißt es in einem uralten Schlager. Hier ist der Schmetterling ein Rätsel, einer, der vor Jahren jahrelang Geld überwiesen hat an Henna, eine junge Frau, die ...

drum wein` auch du nicht mehr um den Einen
heißt es in einem uralten Schlager. Hier ist der Schmetterling ein Rätsel, einer, der vor Jahren jahrelang Geld überwiesen hat an Henna, eine junge Frau, die brutal ermordet wurde. Eine junge Frau, die ein Leben auf der Sonnenseite führte, mit Mans Sandin, einem erfolgreichen Fussballer verheiratet war und mit ihm zwei Kinder hatte. Gerade hatte Mans seine Karriere beendet und die Familie war aus Florenz, wo er unter Vertrag stand, nach Hudinge in Schweden, Mans`Heimatstadt, zurückgezogen.

Doch wer konnte Henna so übel mitspielen? Die Ermittlungen leitet Johan Rokka, gerade erst aus Stockholm in seine Heimatstadt zurückgekehrt, der Mans noch aus Jugendtagen kennt - sie haben sogar gemeinsam Fussball gespielt. Wie viele andere auch.

Die Ermittlungen führen Rokka, wie er von allen genannt wird, nach Italien, doch dann stirbt in Hudiksvall eine weitere Person, ein Mann, den Rokka ebenfalls von früher kennt. Es ist zweifellos ebenfalls Mord, doch stehen die beiden brutalen Taten, die sich so kurz hintereinander in einem ansonsten friedlichen Ort ereigneten, in irgendeinem Zusammenhang?

Ein spannendes Sujet, ohne Frage! Meine Lesefreude wurde ein wenig getrübt durch die überbordende Lebenslust von Ermittler Rokka und einigen seiner Gefährten. Man könnte auch sagen: die Darstellung ihrer kernigen Männlichkeit. Und das aus der Feder einer Frau...

Dieser Krimi hat so gar nichts von der aus skandinavischen Krimis bekannten subtilen Melancholie und auch zu wenig von deren üblicher Tiefsinnigkeit. Weit entfernt von Mankell und Nesser, aber auch von Läckberg und Sten, was ja eigentlich kein Minuspunkt sein muss. Doch ich empfand sowohl die Ermittlungen als auch das Drumherum oftmals doch als etwas oberflächlich, ja leichtfertig.

Was den Krimi letztendlich für mich gerettet hat, war die spannende Auflösung - auch wenn ein Aspekt aus meiner Sicht sehr absehbar war Aber es war eben nur einer von mehreren.

Ich werde es aber sicher mit der Autorin Gabriela Ullberg Westin, deren Erstling zumindest in deutscher Sprache dies ist, zumindest ein weiteres Mal aufnehmen, Potential ist auf jeden Fall in großer Menge vorhanden!