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Veröffentlicht am 31.07.2018

Die Piroggen werden eingedeutscht

Wenn wir wieder leben
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und heißen nun "Die Vier von Zoppot" - auch hier hat das nationalsozialistische Regime Einzug gehalten und die Nazis deutschen alles ein, was sie nicht ausmerzen. Hierbei handelt es sich um eine Band von ...

und heißen nun "Die Vier von Zoppot" - auch hier hat das nationalsozialistische Regime Einzug gehalten und die Nazis deutschen alles ein, was sie nicht ausmerzen. Hierbei handelt es sich um eine Band von regionaler Bekanntheit, die vor allem durch Sängerin Gundi Sonnenschein, eine ausgesprochene Frohnatur, punktet. Diese heißt in Wirklichkeit Gundi bzw. Gundula Frieböse, ist bei ihrem geliebten Opa Pop aufgewachsen und tanzt durchs Leben. Man könnte aber auch sagen, sie geht mit Scheuklappen hindurch, denn dass es den Nazis ernst ist und sie nicht nur den Juden, sondern auch den Polen mit brutalster Gewalt zusetzen, ja sie ausmerzen, da ist es schon zu spät.

Sie tourt nämlich schon als Unterhaltungsmusikerin gemeinsam über die Sieben Weltmeere: die Vier aus Zoppot musizieren auf dem "Kraft durch Freude"-Schiff Wilhelm Gustloff, das zwar nicht die ganze Welt, wohl aber die dem nationalsozialistischen Deutschland wohlgesonnenen Staaten anfährt und so auch dem kleinen Mann das Vergnügen einer Kreuzfahrt nahebringt. Und aus der Nummer kommt sie nur schwer wieder raus, denn sie hat sich schon ganz schön verzettelt und das dürfen weder die Nazis noch ihre Musikerfreunde - unter ihnen Schwester Lore und Ehemann Julius - niemals erfahren.

Doch was hat all das mit der 19jährigen Berlinerin Wanda zu tun? Diese hat ihre Mutter, die nie von früher sprach, nach dem "Damals" erlebt und in Folge eine Tragödie sondergleichen erlebt. Die sie nach Polen verschlagen hat, genauer gesagt nach Sopot, wie Zoppot nun heißt. Wird sie sich dort der Vergangenheit ihrer Familie stellen können?

Ich habe bereits einen Roman der Autorin Charlotte Roth gelesen, in dem weite Teile im Dritten Reich spielen und zwar "Als der Himmel uns gehörte" - ein wunderbarer Roman, klar und durchdacht, wie er stimmiger nicht hätte sein können und entsprechend hoch waren meine Erwartungen, die leider nicht in Gänze erfüllt werden konnten.

Hier dagegen wimmelt es zwar von guten Ideen und auch die Atmosphäre von Zoppot sowohl in der Vorkriegszeit als auch während und lange nach dem Zweiten Weltkrieg wurde gut eingefangen. Jedoch nicht die Zusammenhänge um Gundi bzw. um Wanda, ebenso wie die Überlappungen. Nachdem ich diesen sehr ausführlichen Roman beendet hatte, blieb mir der Eindruck, dass mir so einiges fehlte, um die ganze Handlung zu überblicken. Dazu gehören bspw. Informationen zu einigen Nebenfiguren, die an mancher Stelle durchaus relevant sind - auch ihr Wirken bleibt . Und im Gegensatz zur bildhaften und atmosphärischen Darstellung von Zoppot sind Geschicke und Ereignisse um Gundi und noch mehr um Wanda und um ihr jeweiliges Umfeld aus meiner Sicht an vielen Stellen wenig eindringlich gezeichnet. Auch die beiden Hauptfiguren selbst bleiben im Hinblick auf die Auseinandersetzung mit ihrem Umfeld in vielen Aspekten an der Oberfläche und hinterlassen so einen wenig tiefsinnigen Eindruck. Umgekehrt hingegen rücken einige Nebenschauplätze - vor allem der um einen nationalsozialistischen Funktionär der Region - aus meiner Sicht zu sehr in den Fokus, hier wäre im Kontext der Handlung weniger mehr gewesen.

Dennoch: die Thematik, also die in den sogenannten Ostgebieten lebenden Deutschen und deren spätere Umsiedlung ist eine aus meiner Sicht enorm wichtige und spannungsreiche, zu der es noch viel zu sagen gibt. Einiges davon kam im vorliegenden Roman zur Sprache und so habe ich ihn im Großen und Ganzen sehr gern gelesen und werde ihn sicher nicht so bald vergessen!

Veröffentlicht am 29.07.2018

Der Erwählte

Die Gesichter
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Nein, ich spreche (bzw. schreibe) hier nicht von Thomas Manns Rezeption des mittelalterlichen Werkes "Gregorius" von Hartmann von Aue - die Rede ist von Pinch, dem Sohn des Künstlers Bear Bavinsky. ...

Nein, ich spreche (bzw. schreibe) hier nicht von Thomas Manns Rezeption des mittelalterlichen Werkes "Gregorius" von Hartmann von Aue - die Rede ist von Pinch, dem Sohn des Künstlers Bear Bavinsky. Einem von vielen, muss man sagen, denn Bear hat in seinem frauenreichen Leben eine Reihe von Kindern gezeugt, von denen er die meisten nur selten oder sogar nie zu Gesicht bekommt.

Pinch, der in Wirklichkeit Charles heißt, schon, denn er ist über all die Jahre hinweg, der einzige, zu dem der Maler, eine vereinnahmende und schillernde Persönlichkeit, über die Jahre bzw. Jahrzehnte hinweg Kontakt hält, auch wenn sie sich fast immer in verschiedenen Ländern, meist auch auf unterschiedlichen Kontinenten aufhalten. Doch jeden Sommer treffen sie sich in Bears Ferienhaus in Südfrankreich, einem recht kleinen Häuschen in einem winzigen Nest. Dort haben sie Geheimnisse - sowohl gemeinsame als auch jeweils eigene.

Warum gerade Pinch? Er ist vollkommen anders als sein Vater, ein unscheinbarer Typ, der als Lehrer in einer Sprachenschule in London arbeitet und nicht gerade gesellig ist. Manchmal erscheint er als einer, mit dem die Dinge einfach so geschehen, aber das ist nur ein Teil seiner Persönlichkeit.

Denn es ist Pinch, der im Fokus des Romans steht, natürlich vor allem im Verhältnis zu seinem Vater, aber doch auch als Charakter mit einem eigenen Leben. Ein zurückhaltender Mann, der doch imstande ist, gelegentlich Einfluss auf andere auszuüben, nicht nur auf seinen Vater.

Und der sicher von vielen Zeitgenossen mit ganz anderen Augen betrachtet werden würde, wenn sie alles über ihn wüssten. Was ihnen aber nicht vergönnt ist, im Gegensatz zum Leser.

Der Autor Tom Rachman hat ebenso einen Entwicklungs- wie einen Beziehungsroman geschaffen. Ich habe vor allem genossen, dass er im Künstlermilieu spielt, das hat ihn für mich ganz besonders lesenswert gemacht. Wobei es für mich auch einige Abstriche gab, denn der ruhige Pinch und mehr noch sein Vater rasen durch das Leben - und letzterer dazu noch durch Beziehungen - als wenn es kein Morgen gäbe. An manchen Figuren ziehen sie regelrecht vorbei, auch wenn diese mehrfach auftauchen. Stellenweise nahm ich dies als ein unstetes Buch wahr, gefüllt mit unsteten Figuren, was sicher zu einem großen Teil an Bear und an seinem Verständnis von Familie liegt und möglicherweise von anderen Lesern mit einem anderen persönlichen Hintergrund als ich ihn habe, auch anders wahrgenommen wird.

Insgesamt habe ich das Buch, obwohl gelegentlich für mich verwirrend, sehr gerne gelesen und empfand es als unterhaltsam. Zudem habe ich - nach "Die Unperfekten" und "Aufstieg und Fall großer Mächte" den Stil des Autors sehr genossen. Rachman bleibt sich treu im Hinblick auf unvorhergesehene Entwicklungen, überraschende Windungen, Ränke und - sprachliche - Schwänke. Dennoch ein Buch, das man nicht schnell mal zwischendurch lesen kann, aber durchaus eines für Rezipienten, die ihre Mußestunden gern auch mal mit Anspruchsvollerem füllen!

Veröffentlicht am 28.07.2018

Tausendundeine Nacht im Balkan-Stil

Die Tigerfrau
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Der Tiger und seine Frau sind - als Thema einer Geschichte - für Tea Obreht ein Mittel, das enge und vertraute, seit ihrer Kindheit gereifte, doch durchaus komplexe und nicht unkomplizierte Verhältnis ...

Der Tiger und seine Frau sind - als Thema einer Geschichte - für Tea Obreht ein Mittel, das enge und vertraute, seit ihrer Kindheit gereifte, doch durchaus komplexe und nicht unkomplizierte Verhältnis ihrer Protagonistin und Ich-Erzählerin Natalia zu ihrem Großvater zu beschreiben. Dieser ist nun verstorben - auf einer geheimnisvollen Reise, für die zunächst niemand den Grund kennt - und Natalia blickt zurück.

Die Basis für die Beziehung zwischen Großvater und Enkelin bestand in zwei Geschichten aus dem Leben des Großvaters, die er ihr - wie ein Geschenk, quasi als Beweis seines Vertrauens - anvertraut hatte. Auf diesem Hintergrund spürt sie dem Tod des Großvaters und seinem Leben nach, folgt ihm an seinen Todesort...

Obwohl die junge Autorin wundervoll mit der Sprache umzugehen versteht, wird die detailgenaue Darstellung von Figuren und Vorgängen von teilweise nur nebensächlicher Bedeutung an manchen Stellen zu umständlich und verkompliziert so das Geschehen und aus meiner Sicht auch den Lesegenuss. Ein wenig hapert es gelegentlich auch an der Übersetzung: Der Originaltitel des Romans lautet "The Tiger's Wife", also "Die Frau des Tigers", was aus meiner Sicht eine ganz andere Bedeutung als der jetzige deutsche Titel transportiert und dem Inhalt des Buches viel stärker entspricht. Ein weiterer "Störfaktor" war für mich die Verwendung des Wortes "sachlich" in der deutschen Ausgabe: Natalia und ihre Freundin werden "sachlich auf die Wangen" geküsst (S.33), auf S. 136 hat ein sachlicher Bauer seinen Auftritt - ich finde die Anwendung dieses Adjektivs im Deutschen an den beiden Stellen etwas befremdlich und gehe davon aus, dass die Autorin etwas anderes im Sinn hatte.

Der Stil der noch so jungen amerikanischen Autorin mit serbischen Wurzeln, - Obreht ist Mitte der 1980er Jahre in Belgrad geboren und im Alter von 12 Jahren in die Staaten ausgewandert - ihre Detailverliebtheit und die Einbindung paranormaler und fantastischer Elemente gemahnen auch an die großen Autoren und Nobelpreisträger aus dem lateinamerikanischen Kulturkreis wie Garcia Marquez oder Vargas Llosa - Freunde dieser Autoren dürften hier auf ihre Kosten kommen und durch ihre Unterstützung der jungen Schriftstellerin möglicherweise einen Weg ganz nach oben ebnen.

Veröffentlicht am 28.07.2018

Ein rundes Ding, aber...

Entführt
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Die junge Familienmutter Ylva wird auf dem Heimweg von der Arbeit entführt - von alten Bekannten, Bekannten aus einem Lebensabschnitt, der in ihrem gegenwärtigen Leben nicht mehr von Bedeutung für sie ...

Die junge Familienmutter Ylva wird auf dem Heimweg von der Arbeit entführt - von alten Bekannten, Bekannten aus einem Lebensabschnitt, der in ihrem gegenwärtigen Leben nicht mehr von Bedeutung für sie ist. Aus Höflichkeit ist sie in deren Auto gestiegen - der Beginn eines Martyriums, denn für viele Monate wird sie in einen schalldichten und völlig abgeschlossenen Keller eingesperrt, misshandelt und missbraucht.. dabei gewährt ihr ein Monitor einen Blick auf ihr früheres Zuhause, das nur wenige Meter entfernt ist. Sie sieht täglich ihren Mann und ihre Tochter ein und aus gehen. Es geht um Rache - Rache an einer lange zurückliegenden Schuld, die Ylva aus Sicht ihrer Entführer auf sich geladen hat und für die sie nun büßen muss.

Ihre Familie, ihr berufliches Umfeld bleibt zurück - Ylva war alles andere als eine Vorzeigeehefrau, es hätte auch durchaus sein können, dass sie sich abgesetzt hat oder aber von ihrem Ehemann ermordet wurde - so denken zumindest viele im Umfeld, so denkt auch die Polizei, die allerdings keine Beweise hat. Oder hat dieser etwas mit ihrer Entführung zu tun? Stück für Stück wird die Geschichte aufgeschlüsselt, bis alle Mosaiksteine zusammenpassen.

Eine runde Sache also - aber irgendwie fehlt etwas. Es ist aus meiner Sicht kein packender Thriller geworden, da der Autor weder sprachlich noch inhaltlich so richtig zu fesseln vermag, er füllt den Rahmen nicht mit Kraft und soooo spannend und vor allem neu ist das Thema auch wieder nicht. Ein gewisser Zynismus, der dem Buch einen charakteristischen Stempel aufdrücken könnte, ist zwar vorhanden, auch die Aussage, dass man einer Schuld, die man auf sich geladen hat, nicht entfliehen kann, egal wie lange diese zurückliegt - aber dies alles bleibt in Ansätzen stecken. Aus meiner Sicht ein Buch, das man zwar zwischendurch lesen kann - eigentlich ist es jedoch überflüssig. Es gibt bereits viel Ähnliches, das um Klassen besser ist. Vielleicht sollte der Autor sich seiner journalistischen Wurzeln besinnen und zu ihnen zurückkehren. Wenn nicht, wäre zu hoffen, dass er steigerungsfähig ist - und das nicht zu knapp. Sonst werden ihm viele Leser nicht lange treu bleiben.

Veröffentlicht am 28.07.2018

Engländer wollen in einem französischen Dorf Fuß fassen

Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf
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und geraten ins Zentrum des dörflichen Interessenkonflikts.

Lorna und Paul Webster erwerben im kleinen Pyrenäendorf Fogas eine abgewrackte Gaststätte mit angehängtem Hotel und planen dort einen neuen ...

und geraten ins Zentrum des dörflichen Interessenkonflikts.

Lorna und Paul Webster erwerben im kleinen Pyrenäendorf Fogas eine abgewrackte Gaststätte mit angehängtem Hotel und planen dort einen neuen Anfang - optimistisch und gut gelaunt, bis sie ins Kreuzfeuer der Dorfbewohner geraten und vor allem vom Bürgermeister Monsieur Papon, der bei der Neueröffnung der Auberge eigene Interessen verfolgt, angefeindet werden.

So weit, so gut - die Grundlagen für einen weiteren atmosphärischen Roman im dörflichen Frankreich sind gelegt, der Leser freut sich auf ein britisch-französisches Feuerwerk.

Aber... es passiert nichts, oder sagen wir, kaum was, da die Autorin versäumt bzw. nicht fähig ist, den Figuren Leben und Charakter und dem dörflichen Setting die erhoffte Atmosphäre einzuhauchen. Dazu eine unglückliche Wahl des deutschen Titels: Monsieur Papon spielt keineswegs eine so exponierte Rolle, wie man das aufgrund dessen erwarten würde - nein, das Dorf, seine alten und neuen Bewohner insgesamt, prägen diesen Roman. Und damit ist schon ein weiteres Problem benannt: es sind einfach viel zu viele "Mitspieler", die hier herumwuseln, der Leser verliert rasch die Übersicht.

Es ist schade, aber Julia Stagg hat es verpasst, dem literarischen Reigen zum Thema französische Dörfer ein weiteres Kleinod hinzuzufügen und das lässt sich nicht nur ihre Nationalität entschuldigen, haben doch ihre Landsleute Rose Tremain mit ihrem spannungsgeladenen Roman "Ein unausweichlicher Tag" und Martin Walker mit seiner wundervollen Krimireihe über den Dorfpolizisten Bruno Maßstäbe gesetzt, was die Beschreibung des Dorflebens in Frankreich durch Briten anbelangt.