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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.07.2018

Eine geraubte Kindheit

Du verreckst schon nicht!
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muss Jana Koch-Krawczak erleiden, in der Schläge und Strafen durch die Eltern - vor allem durch die Mutter, der Vater ist irgendwann nicht mehr präsent - sich abwechseln mit Nichtbeachtung und Ignoranz. ...

muss Jana Koch-Krawczak erleiden, in der Schläge und Strafen durch die Eltern - vor allem durch die Mutter, der Vater ist irgendwann nicht mehr präsent - sich abwechseln mit Nichtbeachtung und Ignoranz. Selbstverständlich hat dies fatale Folgen für ihr weiteres Leben, das sich in einem Milieu von Kriminalität und Prostitution abspielt, bis sie die Kraft hat, dort hinauszufindet.

Ohne Zweifel ein ausgesprochen erschütternder Lebensbericht, doch mit Sicherheit nicht einzigartig. Wer sich hier eindrucksvolle, sich jahrelang ins Gedächtnis einbrennende Schilderungen im Stil von "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" von Christiane F. oder "Tiger,Tiger" von Margaux Fragoso erwartet, wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wie ich enttäuscht sein. Leider krankt dieser Tatsachenbericht sehr am Stil, der nicht lebendig genug rüberkommt, das Geschehene, Erlittene nicht eindringlich transportiert. Es mag zwar unpassend klingen, das bei einem Buch dieser Art anzuführen, doch ist auch hier die Qualität des Schreibstils wesentlich, sie trägt zur Wahrhaftigkeit und Glaubwürdigkeit der vermittelten Inhalte bei - im vorliegenden Buch ist sie - da nicht vorhanden - diesen in hohem Maße abträglich.

So bleibt dieses Schicksal eines von vielen: Jana wird von ihren Eltern schlecht behandelt und hat ein schweres, ja tragisches Leben und berappelt sich aus eigener Kraft wieder, was sehr bewunderswert ist. Aber es gibt wesentlich ergreifendere und eindringlicher geschilderte Lebensberichte in Buchform - dieser bleibt leider einer von vielen, den man rasch wieder vergisst. Das hat ein Buch mit solchen Botschaften nicht verdient, aber mir bleibt hier - leider, leider - der überhaupt nicht gehässig gemeinte Kommentar: selbst schuld!

Veröffentlicht am 28.07.2018

Gewagte Thesen

Blutsbande
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beziehungsweise sehr, sehr einseitige stellt die Autorin, die Journalistin Beate Krafft-Schöning hier auf - aus meiner Sicht ganz klar investigativer Journalismus, wie er nicht sein sollte! Ich hatte gehofft, ...

beziehungsweise sehr, sehr einseitige stellt die Autorin, die Journalistin Beate Krafft-Schöning hier auf - aus meiner Sicht ganz klar investigativer Journalismus, wie er nicht sein sollte! Ich hatte gehofft, dieses doch sehr aktuelle Thema von allen Seiten beleuchtet zu bekommen - aber .... Pustekuchen!

Die Polizei, das sind wahlweise böse Buben, Angsthasen oder Witzfiguren, die die Problematik einfach nicht raffen, der Miri-Clan zwar gefährlich, die Mitglieder im Grunde ihres Herzens aber doch liebenswert. Die Autorin selbst - ja, das ist die schlaue Spürnase, die sich á la Wallraff mitten ins Geschehen begibt und Interviews mit den wildesten Gestalten zustandebringt.

Wow! Das zumindest ist offenbar die gewünschte Reaktion der Leserschaft, wobei mir dieser Begeisterungsruf bereits beim ersten "W" im Halse steckenbleibt. Nö, definitiv kein Buch, das die Welt braucht: viel zu naiv, viel zu einseitig, viel zu undifferenziert - finde jedenfalls ich und rate jedem vom Kauf dieses Buches ab!

Veröffentlicht am 28.07.2018

Ein unerhörtes Leben mit so mancher Länge und ohne den finalen Kick

Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat
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Ein eher merkwürdiger bzw. eigentümlicher Junge, dem zunächst etwas Absurdes widerfährt, der dann über sich hinauswächst und Ungewöhnliches leistet - alles schon gehabt? Ja, richtig! Und so ganz neu war ...

Ein eher merkwürdiger bzw. eigentümlicher Junge, dem zunächst etwas Absurdes widerfährt, der dann über sich hinauswächst und Ungewöhnliches leistet - alles schon gehabt? Ja, richtig! Und so ganz neu war auch vieles andere hier nicht - trotzdem: ich habe das Buch gern gelesen, es ist in einem charmanten Stil geschrieben und trotz arg vieler Längen mangelt es ihm nicht an Charme und Witz. Woran es dem Werk aber vor allen Dingen NICHT mangelt, ist ein intelligenter Autor, der sich auf Anspielungen und Ableitungen versteht und damit einiges wieder wettmacht. Zudem macht er Lust auf mehr: der vergleichsweise junge Gavin Extence hat mit "Das unerhörte Leben des Alex Woods" mit Sicherheit noch kein Meisterwerk abgeliefert, mit der Betonung auf NOCH nicht. Ein offener und optimistischer Rezipient vermag hier nämlich durchaus Potential zu erkennen - es bleibt also zu hoffen, dass Extence in den kommenden Jahren für eine literarische Bombe verantwortlich zeichnen wird.
Ich denke an das Buch als an ein quasi zweiteiliges Leseerlebnis zurück: den ersten Teil muss man überwinden, um zum interessanteren, aber nicht unbedingt originelleren 2. Teil zu kommen, in dem die Geschichte ordentlich Fahrt aufnimmt und durchaus tiefsinnige moralische Fragestellungen aufwirft - trotz oder gerade deswegen hätte der Autor mit seinen Botschaften, die durchaus vorhanden sind, einiges mehr bewirken können.
Fazit: erinnert doch sehr an "Ein ganzes halbes Jahr" in anderem Gewand (wobei mich dieses eher noch weniger überzeugte), wobei es mit Sicherheit nicht als ein Abklatsch zu verstehen ist, dazu differiert das Umfeld doch zu stark, was sich mit Sicherheit auf die mögliche Zielgruppe auswirkt. Aber aus meiner Sicht befindet sich Gavin Extence hier mit der Autorin Jojo Moyes dahingehend in einem Boot, als dass sie - zudem in mehr als ähnlichen thematischen Schwerpunkten - lediglich einen Rohentwurf bieten, der seine ganze Kraft und Wirkung noch nicht voll entfalten kann. Wer im Gegensatz zu mir von "Ein ganzes halbes Jahr" völlig hin und weg ist, dem empfehle ich das Buch allerdings wärmstens, genauso wie es die etwas jüngere Leserschaft, gern auch als "Junge Erwachsene" bezeichnet, ansprechen dürfte.
Ich selbst habe das Leseerlebnis überhaupt nicht bereut, konnte aber mit den gelegentlich etwas leblos scheinenden Protagonisten weder lachen noch weinen - hier fehlte mir irgendwie der finale Kick.

Veröffentlicht am 28.07.2018

It's a very, very nerd world

Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra
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oder ist es doch "a Mad World", wie sie einst Roland Orzabal von "Tears for Fears" besang? Ich würde mal sagen, dieses Buch beinhaltet auf jeden Fall beides!

Ein wunderschönes Cover, das das Buch eines ...

oder ist es doch "a Mad World", wie sie einst Roland Orzabal von "Tears for Fears" besang? Ich würde mal sagen, dieses Buch beinhaltet auf jeden Fall beides!

Ein wunderschönes Cover, das das Buch eines jeden Bibliophilen höher schlagen lässt, eine kleine, verwunschene Buchhandlung mit einem überaus verschrobenen Buchhändler - das schien überaus vielversprechend, ich konnte mich der Magie dieser Versprechungen nicht entziehen. Und fiel - sinnbildlich gesehen - so ziemlich auf die Nase. ich hätte nämlich dem ebenfalls auf dem Cover abgebildeten, sich im Bücherregal befindlichen Monitor mehr Bedeutung beimessen sollen - für meinen Geschmack sind in diesem Buch nämlich eindeutig zu viele Nerds unterwegs, die mit ihren Methoden dem alles überlagerndem Geheimnis auf den Grund zu rücken versuchen.

Was passiert? Ein arbeitslos gewordener Nerd, nämlich Clay Jannon, findet einen neuen Job in einem Buchladen - und in was für einem! Mr. Penumbras Laden mitten in San Francisco ist ein Traum für Bibliophile mit besonderen, ungewöhnlichen Wünschen - wie ungewöhnlich die Wünsche wie auch die Bibliophilen sind, dies offenbart sich erst nach und nach. Und alles zielt auf ein uraltes Geheimnis, dem Penumbra mitsamt den ungewöhnlichen Kunden auf der Spur ist. Clay und seine Freunde - ja, auch ein Nerd hat welche und es gibt auch mal eine Nerd-Romanze zwischendurch - sind bald mittendrin auf einer Jagd durch die Staaten. Diese ist leider nicht verwegen, sondern ziemlich langweilig und fungiert zudem als Werbeträger für Firmen wie Google - die man fast schon als eine der relevantesten Player im ganzen Buch bezeichnen kann, aber auch Kindle und ipads werden erwähnt.

Am Ende versammelt Clay alles seine Lieblingsmenschen in einem Raum und dies ist genauso pathetisch, wie es klingt. Sequenzen wie "Mats Vorhaben ist total größenwahnsinnig, zwanghaft und vermutlich unmöglich. Mit anderen Worten: genau das Richtige für diesen Laden." (S.264) ließen mich lange auf den besonderen Clou hoffen, der sich aber leider in Langatmigkeit und Langeweile verlor. Schade.

Veröffentlicht am 28.07.2018

Eine Odyssee mit ungewissem Ausgang

Der stete Lauf der Stunden
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darauf lässt sich der amerikanische Hochschulabsolvent Tristan Campbell, der Protagonist dieses Romans ein, als er einer Nachricht aus London folgt: diese kommt von einem alteingesessenen Anwaltsbüro - ...

darauf lässt sich der amerikanische Hochschulabsolvent Tristan Campbell, der Protagonist dieses Romans ein, als er einer Nachricht aus London folgt: diese kommt von einem alteingesessenen Anwaltsbüro - ihm soll ein dort vor vielen, vielen Jahren - genauer gesagt, 1924 notariell festgelegtes Erbe zustehen, das ein gewisser Ashley Walsingham einer Imogen Soames-Andersson bzw. ihren direkten Nachfahren vermachte. Besagte Imogen war zu dem Zeitpunkt allerdings verschollen und blieb es auch.

Tristan begibt sich also nach London und dann auf eine Reise durch verschiedene Länder Europas: Schweden, Frankreich, Deutschland und Island, um zu belegen, dass diese Imogen - offiziell die Schwester seiner Urgroßmutter - in Wahrheit selbst seine Großmutter und er damit erbberechtigt ist.

Der Leser ist Tristan immer eine, nein, mehrere Nasen voraus, denn es gibt eine Parallelhandlung, die Geschichte von Ashley und Imogen, die 1916 ihren Anfang gibt und von London über die Westfront des 1. Weltkriegs - genauso grausam und schonungslos geschildert, wie man es erwartet - und Schweden nach Tibet zum Mount Everest führt.

Eine interessante und spannungsreiche, auch gut recherchierte Geschichte, bei der jedoch vieles nicht so farbig wirkt wie vom Autor zweifellos beabsichtigt, denn zwei Aspekte hat er aus meiner Sicht nicht so recht hinbekommen: Atmosphäre schaffen, den Leser in den jeweiligen Zeitraum, die Umgebung hineinzuversetzen und Figuren plastisch zu skizzieren. Mit einer Ausnahme: Imogen wird derart anschaulich dargestellt, dass der Eindruck entsteht, der Autor hätte mit ihr sein ganzes Pulver verschossen.

Der Stil ist durchaus eingängig, ja süffig, auch die Übersetzung erscheint solide. Trotzdem ist dieses ein Kann-, aber auf keinen Fall ein Muss-Buch, aus den oben genannten Gründen, vor allem jedoch aus dem nun folgenden: In diesem Buch gibt es so viele offene Enden und im Sande verlaufende Erzählstränge, dass es schon nicht mehr feierlich, geschweige denn künstlerisch ist. Auch der eigentliche Schluss bleibt offen, wenn man es zurückhaltend ausdrückt.