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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.07.2018

Ihre Krankheit aus sich herauslassen

Minusgefühle
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das tut Jana Seelig, indem sie die zeitgemäßen Medien nutzt - sie twittert und bloggt über ihre Krankheit und hat sich damit einen gewissen Bekanntheitsgrad erworben. Damit hat sie eine sehr persönliche ...

das tut Jana Seelig, indem sie die zeitgemäßen Medien nutzt - sie twittert und bloggt über ihre Krankheit und hat sich damit einen gewissen Bekanntheitsgrad erworben. Damit hat sie eine sehr persönliche Dokumentation ihrer Krankheit geschaffen. Man könnte es leichtsinnig oder auch mutig nennen - ich würde mal einfach vermuten, dass sie nicht in solchen Kategorien denkt, sondern dass ihr einfach danach ist bzw. war, dergestalt zu handeln.

Auf jeden Fall hat sie damit - und mit ihren Äußerungen - eine Menge Aufmerksamkeit auf sich gezogen und ist seit einiger Zeit ein häufiger Gast in diversen Talkshows. Ich persönlich habe keine Ahnung, wie sie das bewältigt - ebenso wenig wie ich ihren Umgang mit der, ihren Kampf gegen die Krankheit nachvollziehen kann, ganz einfach, weil ich ein anderer Mensch bin, der zudem nicht ihren Leidensweg teilen muss. Gottseidank, muss ich sagen!

Aus ebendiesem Grund jedoch nehme ich dieses Buch einfach als persönliches Protokoll einer Krankheitsgeschichte, als nicht mehr und nicht weniger. Jana Seelig schreibt eloquent und eröffnet eine neue - ich möchte sagen, eine weitere neue - Sicht auf die Krankheit, wie dies eben jeder tut, der sich entschließt, damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Deswegen möchte ich es weder über- noch unterbewerten. Durch dieses Buch hat sich mir eine weitere Facette der Krankheit Depression auf eine sehr persönliche Art und Weise erschlossen

Veröffentlicht am 27.07.2018

Identitätssuche mit Herz und Verstand

Albertos verlorener Geburtstag
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Ein wahrhaft herzergreifendes Thema ist es, mit dem sich die Britin Diana Rosie hier befasst: ein kleiner Junge hilft seinem Opa Alberto, seinen Geburtstag, den er nicht kannte, zu finden. Und dahinter ...

Ein wahrhaft herzergreifendes Thema ist es, mit dem sich die Britin Diana Rosie hier befasst: ein kleiner Junge hilft seinem Opa Alberto, seinen Geburtstag, den er nicht kannte, zu finden. Und dahinter steckt so Einiges: es ist nämlich so, dass die ganze Geschichte im spanischen Bürgerkrieg der 1930er Jahre ihren Anfang nimmt - und da hat Rosie ausgesprochen akribisch recherchiert. Und da sie auch zu schreiben versteht, breitet sich das ganze Szenario bald in Gänze vor dem Leser aus.

Damals war nämlich Alberto selbst ein kleiner Junge, dem ein schlimmes Schicksal beschieden war. Es ist schon starker Tobak, was man hier so erfährt. Mit Sicherheit werden auch viele Leser, die eher nichts über den spanischen Bürgerkrieg wissen, zu diesem Buch greifen und allein das lohnenswert. Denn die Suche von Alberto und dem kleinen Tino nach Albertos Geburtstag wird zu einer Reise, die nicht nur in der Gegenwart, sondern durch Rückblenden auch in der Vergangenheit stattfindet. Doch es gibt so viel mehr - es geht um Liebe, Freundschaft, doch auch um Verlust und um Grausamkeit und bis zum Ende machen die Schrecken des Alltags, des Lebens, nicht halt vor diesem Buch. Es ist eine bittersüße Geschichte, in der deutlich wird, wie nahe Trauer und Freude zusammen liegen.

Ein Buch, in dem es für Alberto und Tino zu einer ganzen Reihe von schicksalhaften Begegnungen kommt. Für den Leser ein besonderer Genuss, trifft er doch auf eine ganze Reihe von liebevoll gezeichneten Charakteren, an denen allein die doch sehr ausgeprägte Schwarz-Weiß-Malerei der Autorin ein kleines Manko ist. So sehr sie wieder und wieder betont, dass es im Bürgerkrieg keine "richtige" oder "falsche" Seite gab, so sehr untergräbt sie ihre eigene Darstellung durch die Figuren, die stets gut oder schlecht sind.

Dies und die an der ein oder anderen Stelle ein wenig zu sehr aufploppenden Klischees sind dann auch die einzigen Kritikpunkte, die ich an diesem Buch habe. Insgesamt ist es ausgesprochen empfehlenswert - ein Schmöker mit Anspruch, der auch als Geschenk für Menschen, die gerne alles um sich herum vergessen, geeignet ist.

Veröffentlicht am 27.07.2018

Ein alter Familiensitz in Cornwall

Black Rabbit Hall - Eine Familie. Ein Geheimnis. Ein Sommer, der alles verändert.
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bildet die atmosphärische Kulisse für diesen Roman - natürlich nicht als einziger Schauplatz, aber wie bspw. in "Torstraße1" fungiert hier ein Gebäude als Dreh- und Angelpunkt, wenn nicht gar als heimlicher ...

bildet die atmosphärische Kulisse für diesen Roman - natürlich nicht als einziger Schauplatz, aber wie bspw. in "Torstraße1" fungiert hier ein Gebäude als Dreh- und Angelpunkt, wenn nicht gar als heimlicher Hauptdarsteller.

Cornwall in der Gegenwart: die junge Lorna steht kurz vor dem schönsten Tag in ihrem Leben und besucht mit Jon, ihrem Zukünftigen die Black Rabbit Hall, einen ziemlich verfallen Familiensitz, den beide als mögliche Location für ihre Hochzeit in Erwägung ziehen. Mit ihrer kürzlich verstorbenen Mutter war sie mal da, aber was war da eigentlich los, damals, 1968? Eine Bewohnerin hat das Haus noch und durch sie erfährt Lorna nach und nach die Geschichte...

Und schwuppdich, landet der Leser in den späten 1960er Jahren, in denen die Familie Alton mit ihren vier Kindern das Haus als Feriendomizil nutzt - bis eine furchtbare Tragödie alles ändert. Familiengeheimnisse und Lügen werden aufgedeckt, nur allmählich erfährt Lorna mehr über das Schicksal ihrer Familie. Der Leser allerdings auch, denn das Buch weist extreme Längen auf, die zu ebenso extremen Spannungseinbußen führen und macht es so auch dem geneigtesten Leser zuweilen schwer, am Ball zu bleiben. Auch wenn Eve Chase durchaus über einen angenehmen Stil und nette Formulierungen verfügt, die auch in der Übersetzung ganz gut rüberkommen.

Dennoch: ich habe mich ziemlich gelangweilt und fand, dass die Geschichte nicht gehalten hat, was sie versprach. Kann man lesen, muss man aber definitiv nicht.

Veröffentlicht am 27.07.2018

Alles andere als glatt

Das Apfelblütenfest
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verläuft die Liebesgeschichte von Jules und Lilou, die beide - was ihre Biografie angeht - einen steinigen Weg hinter sich haben. Doch Jules ist durch Erbschaft Besitzer einer Cidrerie und eines wunderschönen ...

verläuft die Liebesgeschichte von Jules und Lilou, die beide - was ihre Biografie angeht - einen steinigen Weg hinter sich haben. Doch Jules ist durch Erbschaft Besitzer einer Cidrerie und eines wunderschönen Hauses - und wunderbarer, alteingesessener Mitarbeiter, Nachbarn und Freunde. Er ist zwar nicht auf Rosen, aber doch auf Apfelblüten gebettet. Doch es gibt einen düsteren Punkt in seiner Biografie und um diesen zu überwinden, hat er vor mehr als 20 Jahren eine ungewöhnliche Stellenanzeige geschaltet. Er hat nämlich seine Suche nach einer Haushälterin für seinen Vater in die Rinde eines Apfelbaumes geritzt, was nicht sehr effizient war, da sich nie jemand darauf gemeldet hat. Doch nun, ausgerechnet am Abend des jährlichen Apfelblütenfestes, ändert sich das.

Denn nun meldet sich Lilou und wird - nach sanfter Nachhilfe seitens einer von Jules' Mitarbeiterinnen - tatsächlich eingestellt, nun für Jules selbst. Und man muss sagen, sie hat nicht gerade den Dienstleistungsgedanken in sich verinnerlicht - nein, sie will Jules stets sagen, wo es langgeht und so eine Stellung in seinem Leben - und bald auch in seinem Herzen erobern. Ein wenig hoppladihopp und unglaubwürdig, gleichwohl überaus charmant beschreibt der Autor Carsten Sebastian Henn die Geschichte von Jules und Lilou, die eine Menge von Hindernissen in sich birgt und zuletzt noch mit einer richtig tragischen Wendung aufwartet, die der Autor jedoch nicht kitschig, sondern genau im richtigen Tonfall und durchaus mit ein wenig Humor versetzt beschreibt.

Auch die Figuren sind eindringlich - wenn auch für meinen Geschmack teilweise etwas zu sperrig und widersprüchlich - gezeichnet, so dass man nicht nur Jules und Lilou, sondern auch sämtliche Nebenfiguren direkt von Augen hat. Warmherzig, wenn auch gelegentlich etwas zu duldsam gegenüber einigen Charakteren - allen voran Lilou - zeichnet Henn eine stimmungsvolle Geschichte, die im wahrsten Sinne des Wortes Appetit auf einen Urlaub in der Normandie - natürlich mit Cidre und den Speisen der Region - macht, wenn auch mit kleinen Abstrichen.

Ich kannte den Autor bisher vor allem als Gastrokritiker des "Kölner StadtAnzeigers" und muss sagen, dass er seinem Faible, über leckeres Essen und gute Getränke zu schreiben, in diesem Buch treu bleibt - hier lief mir sogar noch mehr das Wasser im Munde zusammen als bei der Lektüre seiner samstäglichen Kolumne!

Veröffentlicht am 27.07.2018

Blitzlichter

Großer Bruder Zorn
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nämlich solche aus dem Leben diverser Bewohner des Wedding, hat Johannes Ehrmann wie kleine Perlen zu eine Roman, einer übergreifenden Geschichte zusammengefügt. Einer Geschichte, die eine Woche und eine ...

nämlich solche aus dem Leben diverser Bewohner des Wedding, hat Johannes Ehrmann wie kleine Perlen zu eine Roman, einer übergreifenden Geschichte zusammengefügt. Einer Geschichte, die eine Woche und eine Reihe von Protagonisten umfasst: den Boxer Aris, die Verkäufer Serdar und Jessie, die Großes bzw. ihre kleine Tochter im Sinn haben. Und den Juwelier Heinz Hönow und der Flaschenfascho.

Merkwürdige Typen? Naja, alltägliche eben, sie markieren aber einen Ausschnitt aus einem bestimmten Milieu. Ein Leben im Weddinger Kiez, in dem die Menschen eigentlich nichts mehr erreichen werden, aber (noch) ihre Träume haben und teilweise auch zu leben versuchen. Wobei, Wedding - das könnte auch Köln-Kalk oder Bonn-Tannenbusch sein, zumindest von der Ansammlung der Protagonisten her - es sind eher die im unteren Spektrum des allgemein gültigen sozialen Rankings angesiedelten Mitbürger, um die es hier geht.

Die Sprache? Eine ganz eigene ist es, die Johannes Ehrmann hier gewählt hat, bzw. die ihn gewählt hat. Er berichtet ja schon länger aus dem Wedding (und würde meine obige Bemerkung zu KölnBonn möglicherweise nicht goutieren) und zwar in Form von Miniaturen, Spotlights, Blitzlichtern eben. Ein wenig ähnelt sein Schreibstil dem Vorgehen im Robert Altman-Film "Shortcuts" aus den 1980ern, in dem auch immer wieder abwechselnd kurze Sequenzen aus dem Leben bestimmter Figuren vorgeführt werden, die alle mehr oder weniger miteinander zu tun haben. Im vorliegenden Falle eher mehr: zumindest für die Dauer dieser hier thematisierten Woche - stehen sie in einem unmittelbaren Zusammenhang zueinander. Und das wird alles in einer Sprache, in einem Stil vorgetragen, der ganz eigen und für mich ein wenig schwierig ist. Diese hat mit Altman nichts zu tun, sondern mit den Bewohnern des Wedding. Ich muss gestehen, ich hatte Probleme, dem Buch zu folgen, es war für mich ein wenig sperrig. Ja, nicht meine Welt, aber sicher eine bemerkenswerte, die sich zu erlesen lohnt und die viele ansprechen wird. Ich empfand diese Kiez-Sprache, diese Umgangssprache bestimmter Zielgruppen als sehr anstrengend zu lesen.

Der Autor hat eine sehr eigene Art und vor allem eine Botschaft. Bei mir landet sie nur bedingt, was aber nicht bedeutet, dass ich das Buch nicht weiterempfehle. Allen, die sich ein Stück Leben aus dem Wedding sichern wollen, einen Einblick gewinnen - vor allem jedoch denjenigen, die Ehrmann bereits kennen, seine Miniaturen aus dem Leben zu schätzen wissen. Sie werden den Einblick in das Leben in Wedding in weitläufigerem, umfassenden Format sicher sehr genießen. Innovativ, anders, ganz eigenwillig - damit ist eigentlich klar, dass es nicht für jeden was ist. Für mich nicht unbedingt, aber vielleicht ja für Sie?