Lebenspläne und reale Entwicklungen
Das weibliche PrinzipGreer könnte nach dem Schulabschluss auf einem der Ivy-Colleges starten: das Zeug dazu hat sie. Aber nicht das Geld, bzw. die Eltern. Die nämlich haben sich nicht genug Mühe gegeben mit den Anmeldeunterlagen ...
Greer könnte nach dem Schulabschluss auf einem der Ivy-Colleges starten: das Zeug dazu hat sie. Aber nicht das Geld, bzw. die Eltern. Die nämlich haben sich nicht genug Mühe gegeben mit den Anmeldeunterlagen fürs College und so landet sie im allenfalls mittelmäßigen Ryland College, während ihr Liebster Cory, Weggefährte und gleichzeitig Konkurrent schon an der High School, in Princeton brillieren darf.
Bald schon trifft Greer auf einer College-Veranstaltung die bekannte Feministin und Frontfrau eines feministischen Magazins Faith Frank, sozusagen die amerikanische Alice Schwarzer, die bei ihr einen bleibenden Eindruck hinterlässt. Dass das auch umgekehrt der Fall ist, wird sich erst Jahre später zeigen, als sie sich bei Faith, die ihr schon damals eine Visitenkarte hinterlassen hat, meldet.
Die junge und später nicht mehr ganz so junge Greer steht im Mittelpunkt dieses Romans, aber das tut sie nicht allein: auch ihr Freund Cory und ihre College-Freundin Zee sind wichtige Protagonisten, deren Lebenswege und Sichtweisen immer wieder in den Fokus gerückt werden. Wobei deutlich wird, dass nicht immer nur die Vor- bzw. Startbedingungen, also bspw. welches College man besucht hat, im Vordergrund steht, eine Rolle spielt, sondern immer auch wieder Extremsituationen; prägende Erlebnisse, die auf den Charakter wirken, sogar eine Wende oder einen entscheidenden Schritt im Lebensweg bewirken können. Immer wieder wird deutlich, wie sehr Lebenspläne von den realen Lebenswegen, deren Wendungen und Einschnitten, abweichen können. So gut man auch alles durchplant, es kommt immer wieder anders. Und nicht nur in negativer Hinsicht. Nein, auch große "Brocken", gegen die man sich machtlos wähnte, werden unbedeutend: entweder durch äußere Einflüsse oder auch durch eigene innere Entwickungen bzw. Reifungen.
Ja, Meg Wolitzer verleiht ihren Figuren Farbe und vor allem Leben, sie alle sind "Typen", eindringlich wirkende Gestalten, von denen keine im Roman fehlen dürfte. Doch leider tut sie das auf eine aus meiner Sicht etwas umständliche, ja ausschweifende Art und Weise - es sind mir einfach zu viele Worte in diesem Roman. Auch wenn ich ihn sehr, sehr gerne las, kam ich nicht umhin, mich stellenweise zu langweilen. Vor allem, weil Situationen und auch innere Spannungen der jeweils im Vordergrund stehenden Figur viel zu detailliert dargestellt wurden - ich fühlte mich beim Lesen von der Flut der Informationen und Eindrücke schlicht überrollt.
Farbig, schillernd, einladend (auch wenn nicht alles positiv ist), prall und sehr präsent: das ist die Welt von Meg Wolitzer: Es sind schöne Worte, treffende Sätze, die die Autorin formt, doch sie würden mir noch besser gefallen, wenn sie sie etwas sparsamer einsetzen würde!
Dann würden die bedeutungsvollen Inhalte wesentlich besser zur Geltung kommen, die Botschaft der Autorin, dass man im Leben nicht immer nur nach vorne schauen sollte, nein, links, rechts und sogar im Rückwärtsgang kommt man durchaus manchmal weiter im Leben. Denn die gewohnte Umgebung, Menschen, die man sein ganzes Leben lang kennt, die können manchmal beim entscheidenden Schritt, bei der bahnbrechenden Erkenntnis - die auf andere ganz alltäglich wirken kann - eine wichtige, nein, die entscheidende Rolle spielen.
Ein lohnenswertes, ein wichtiges Buch, das ich mir nicht ohne Anstrengung, ohne vollen Einsatz von Geist und Seele erobern konnte!