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Veröffentlicht am 13.07.2019

Ein Kriminalfall in einem Land der Veränderungen

Die geheime Mission des Kardinals
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Denn das ist Syrien im Jahre 2011 - die Zeichen des Wandels und einer gewissen Bedrohung werfen ihre Schatten voraus, wenn man auch noch nicht genau sagen kann, in welche Richtung diese sich entwickeln ...

Denn das ist Syrien im Jahre 2011 - die Zeichen des Wandels und einer gewissen Bedrohung werfen ihre Schatten voraus, wenn man auch noch nicht genau sagen kann, in welche Richtung diese sich entwickeln werden.

In der Stimmung der Unsicherheit erhält die Italienische Botschaft in Damaskus ein riesiges Fass mit Öl und kann diese Gabe zunächst nicht einordnen, bis sich erschreckenderweise herausstellt, dass es neben dem teuren Öl einen weiteren Inhalt gibt und zwar die Leiche eines Kardinals aus dem Vatikan, der sich für einige Zeit in Syrien aufhielt. In einer offiziellen und offenbar auch einer inoffiziellen Mission, wobei letztere seine Herzenssache zu sein schien.

Die Kommissare Barudi und Schukri von der syrischen Kripo erhalten bald Unterstützung aus Rom - Ermittler Mancini. Barudi, dessen Pensionierung kurz bevorsteht und der italienische Gast sind sofort ein Herz und eine Seele und gehen miteinander durch dick und dünn, was Barudi aufgrund des Arbeitsklimas im Kommissariat mit den meisten seiner Kollegen nicht tun kann. Denn hier herrscht eine Atmosphäre des Misstrauens und Schukri ist der einzige Kollege, der sein volles Vertrauen hat. Und das, obwohl er nach außen hin ein Weiberheld und absoluter Luftikus ist. Doch ist er auch ein Mann mit messerscharfen Verstand und einem offenen Herzen wie Barudi selbst.

Und wie Mancini, was Barudi auf den ersten Blick erkennt. Und das hat mich stutzig gemacht: Ich bin seit langen Jahren ein großer Fan des Autors Rafik Schami und habe seit Mitte der 1990er Jahre jedes, aber wirklich jedes Werk gelesen, das von ihm publiziert wurde. Und war immer angetan. Mehr oder weniger, meistens aber mehr. Diesmal geht mir hier einiges zu glatt: dass Barudi und Mancini sich vom ersten Moment an verstehen, das ist glaubwürdig, keine Frage. Denn es gibt Menschen, bei denen sofort klar ist, dass man auf der selben Schiene ist, was Werte und Ethik angeht. Aber trotzdem gibt es doch eine Phase des Kennenlernens, des Aufeinanderzugehens, des Abtastens sozusagen. Gerade auch, weil Barudi - und nicht nur er - im Land niemandem trauen kann und Syrien sich insgesamt in einer Phase der Auflösung befindet. Und nicht zuletzt, weil sie sich im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit kennenlernen, wo man sowieso vorsichtig sein sollte. Und mehr noch im Beruf eines Ermittlers.

So klar, wie Rafik Schami die Atmosphäre der Wandlung, darunter auch die Begegnung mit der Scharia, darstellt, so wenig passt Barudis Treuherzigkeit hier herein und zwar nicht nur in Bezug auf Mancini. Denn Barudis Herz wird von seiner Nachbarin in einer einzigen kurzen Nacht in wenigen Stunden auf der Treppe erobert. Dabei kannte er, der seine große Liebe viel zu früh verlor und seitdem allein ein durchs Leben geht, sie bis dahin nur vom Sehen. Diese Liebe auf einen Blick mag es geben, aber in dieser Situation und für diesen spezifischen Mann wirkt sie nicht glaubhaft. In der bereits beschriebenen Situation des Wandels nämlich. Man weiß einfach nicht, welcher Gefahr man sich aussetzt.

Deswegen hatte ich an diesem Roman nur eingeschränkt Freude, obwohl der eigentliche Kriminalfall wirklich spannend dargestellt war und der Autor auch eindringlich die ersten Regungen des Islamischen Staates verdeutlichte. Ein Roman, der mich ein wenig stutzig werden ließ. Und zwar wegen des Vertrauens, das hier in einigen Fällen Mitmenschen völlig vorbehaltlos entgegen gebracht wurde. Wobei Vertrauen natürlich ein, wenn nicht DAS lebenswichtige Elixier ist. Doch es passte nicht in die hier dargestellte Welt - es hätte einen Vorlauf geben müssen. So schien es - mir zumindest - ein wenig vereinfacht dargestellt, es fehlte ein ganz wichtiges Element.

Ich bin zwar nicht gerade enttäuscht von diesem Roman, aber als richtig rund habe ich ihn auch nicht empfunden. Auch, wenn mir der Stil des Autors - wie immer - in vielen Passagen ausgesprochen zusagte. Wobei ich die Lektüre zugegebenermaßen mit ausgesprochen hohen Erwartungen startete - wie es eben bei einem Werk eines Lieblingsautors so üblich ist!

Veröffentlicht am 05.07.2019

Kann das tatsächlich sein?

Dein Blick so tot
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Avery ist mit ihrer Freundin Skylar auf einer Vernissage verabredet. Dort werden Fotografien eines Künstlers ausgestellt, für den Skylar Modell stand. Doch es stellt sich heraus, dass ein anderes Bild ...

Avery ist mit ihrer Freundin Skylar auf einer Vernissage verabredet. Dort werden Fotografien eines Künstlers ausgestellt, für den Skylar Modell stand. Doch es stellt sich heraus, dass ein anderes Bild an der Stelle hängt - auch eines von Skylar, auf dem sie jedoch wie tot wirkt. Und sie taucht auch nicht auf der Veranstaltung auf. Während der ausstellende Künstler vor Wut schäumt und sich ausgesprochen unvorteilhaft präsentiert, vergeht Avery vor Sorge und kontaktiert sogleich ihren ehemaligen Kollegen Parker, einen Ermittler, der gleich sein gesamtes Team heranzieht. Denn hier hat jeder andere Fertigkeiten, zusammen sind sie unschlagbar. Meistens jedenfalls. Kann es tatsächlich sein, dass Skylar nicht mehr lebt? Es beginnt eine fieberhafte Jagd, bei der mehrere Zweierteams im Einsatz sind.

Und es stellt sich heraus, dass dies nicht der einzige Fall ist, mit dem sie sich auseinandersetzen müssen. Ich fand vor allem das Ende ausgesprochen spannend und überraschend - es waren letztendlich zwei Fälle, die hier aufgeklärt wurden und beide endeten sowohl stimmig als auch überraschend. So gesehen eine total runde Geschichte!

Aber so richtig begeistert war ich dann doch nicht von diesem Band.

Ja, die Auflösung gefiel mir, aber die Einbettung, also das Setting hat mich nicht so gepackt. Vor allem wuselten mir viel zu viele Pärchen im Ermittlerteam rum, jeder empfand etwas für irgendeinen. Es sollte doch eigentlich eher die Ausnahme sein mit der Liebe am Arbeitsplatz, oder? Hier kam mir das Team wie ein regelrechter Heiratsmarkt vor. Ein sehr christlicher Heiratsmarkt - dass alle Kollegen dieselbe religiöse Überzeugung haben, ist ja auch nicht unbedingt typisch, wobei mich das allerdings überhaupt nicht gestört hat, das ist eben das besondere I-Tüpfelchen an einem christlichen Krimi.

Jedoch ist dies der zweite Band um das Team: es kann auch sein, dass mir einfach einige Informationen fehlen, um hier richtig anzukommen und alles einordnen zu können. Aus meiner Sicht sollte man hier unbedingt mit dem ersten Band einsteigen!

Veröffentlicht am 03.07.2019

Der Zweite Weltkrieg in Norwegen

Die Frau aus Oslo
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Ein Krimi, der in verschiedenen Zeiten und auf unterschiedlichen Handlungsebenen spielt - das ist genau mein Ding! Zumal der Ausgangspunkt in Oslo während des zweiten Weltkriegs liegt, wo die Jüdin Ester ...

Ein Krimi, der in verschiedenen Zeiten und auf unterschiedlichen Handlungsebenen spielt - das ist genau mein Ding! Zumal der Ausgangspunkt in Oslo während des zweiten Weltkriegs liegt, wo die Jüdin Ester es gerade noch rechtzeitig schafft, sich nach Stockholm abzusetzen. Leider im Gegensatz zu ihren Eltern und der Großmutter, die auf direktem Wege nach Deutschland verfrachtet werden.

Ester hatte noch versucht, die Wertsachen aus der von den Nazis geöffneten Wohnung zu retten - doch war ihr da jemand zuvorgekommen.

Ohne die Hilfe ihrer Freundin Ase hätte Ester es doch nicht geschafft, doch Ase selbst, eine junge Mutter, wird neben ihrem Säugling, dem Mädchen Turid, ermordet aufgefunden.

Ihrem Lebensgefährten Gerhard, wie Ester im Widerstand aktiv, gelingt die Flucht nach Schweden, wo sich seine Gefährten allerdings fragen, ob er Schuld trägt an Ases Tod.

In den 1960er kehrt Gerhard, der lange Jahre in den Vereinigten Staaten gelebt hat, zurück nach Stockholm, trifft seine alten Weggefährten und versucht auch, Kontakt zu Turid aufzunehmen, die bei Adoptiveltern aufwuchs.

Ein dritter Handlungsstrang spielt in Oslo im Jahr 2015: Turid, inzwischen eine alte Frau, Rechtsanwältin im Ruhestand, stößt durch Zufall auf ein Armband, das sie von ihrer Mutter Ase geerbt hatte und das 1967 spurlos verschwand...

Ein interessantes Setting mit vielversprechenden Akteuren. Allerdings versinken diese aufgrund fehlender Alleinstellungsmerkmale teilweise in der Masse - mir fiel es bei einigen etwas schwer, sie auseinander zuhalten. Zudem kreisten im Mittelteil einige Figuren wie Fliegen um den heißen Brei bzw. um einander, wobei es mir schwerfiel, hier eine Zielorientierung zu erkennen und mein Interesse an dem Krimi merklich sank. Bis zum Ende konnte es trotz einiger durchaus interessanter Fragestellungen nicht wieder geweckt werden, zumal einiges offenblieb bzw. ungenau erläutert wurde. Es fällt mir schwer, zu akzeptieren, dass dieser Krimi in Norwegen richtiggehend gefeiert und zudem preisgekrönt wurde. Aus meiner Sicht gibt es zu diesem Thema wesentlich spannendere und eindringlichere Literatur!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Spannung
  • Geschichte
  • Erzählstil
Veröffentlicht am 26.06.2019

Extreme, die kurz vor den Abgrund führen. Mindestens.

All das zu verlieren
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Als erschreckend empfand ich beim Lesen Sehnsüchte, Begierden und Empfindungen der Protagonistin Adéle. Und es geht weiter - all diese erfüllt sie sich: die verheiratete Frau und junge Mutter führt ein ...

Als erschreckend empfand ich beim Lesen Sehnsüchte, Begierden und Empfindungen der Protagonistin Adéle. Und es geht weiter - all diese erfüllt sie sich: die verheiratete Frau und junge Mutter führt ein Leben der Extreme, das sie immer wieder bis kurz vor den Abgrund bringt. Ob sie es irgendwann nicht mehr schafft, vorher anzuhalten? Das verrate ich hier nicht!

Adéle ist Journalistin und führt eine glückliche und erfüllte Ehe mit dem Arzt Richard. Das findet jedenfalls er - Adéle sehnt sich nach leidenschaftlichem, ja gewalttätigen Sex - eine Sehnsucht, die sie sich immer wieder erfüllt. Vorzugsweise mit unbekannten Männern - bei ihrer Auswahl sind Aussehen und Benehmen unwichtig, es geht eher um die Weckung des animalischen Reizes in ihr - und da gehört nicht viel dazu. Finde ich jedenfalls, der solche Bedürfnisse mehr als fernliegen und äußerst befremdlich vorkommen.

Stilistisch dagegen erfüllt die französische Autorin Leila Slimani meine Ansprüche in jeder Hinsicht und dies ist auch der Grund, warum ich das Buch trotz des teilweise für mich abstoßenden Inhalts beendet habe: trotz der Schilderung des oft rohen und animalischen Sexes ist die Wahl der Worte, auch der Symbole und Beschreibungen, empfindsam und ab und an sogar berührend. Gelegentlich hat sie es sogar geschafft, den Ekel, der ob der Wahl von Adéles Gespielen oder der ausführlichen Darstellung der Sexszenen in mir hochkam, zu dämpfen und mich der Handlung wieder näher zu bringen.

Um ehrlich zu sein, bin ich auch alles andere als eine Freundin detaillierter erotischer Schilderungen, das muss auf jeden Fall klargestellt werden, damit Rezipienten mit anderen Erwartungen und Vorlieben hier nicht abgeschreckt werden. Wer es offen, ehrlich und schonungslos in jeder Hinsicht liebt und einen gehobenen literarischen Stil zu schätzen weiß, der könnte mit diesem Roman richtig liegen.

Veröffentlicht am 18.06.2019

Machtspiele

Golden Cage. Trau ihm nicht. Trau niemandem. (Golden Cage 1)
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Da ich schon seit Jahren ein großer Fan von Camilla Läckbergs Krimireihe um die Autorin Erica Falk bin, wollte ich mir natürlich ihren ersten Thriller nicht entgehen lassen. Und wurde in der Hinsicht ...

Da ich schon seit Jahren ein großer Fan von Camilla Läckbergs Krimireihe um die Autorin Erica Falk bin, wollte ich mir natürlich ihren ersten Thriller nicht entgehen lassen. Und wurde in der Hinsicht nicht enttäuscht, dass auch hier mich ihr ausgesprochen eloquenter Stil gefanden nahm und ich das Buch nicht aus der Hand legen konnte. Weil es sich so ungeheuer süffig las. Auch wenn die Themen - Machtmißbrauch und beziehungsweise durch Sex - nicht unbedingt mein Fall sind.

Aber hier fand der seltene, wenn nicht gar einzigartige Fall statt, dass ich das Buch aufgrund des eingängigen und mir sehr vertrauten Stils der Autorin schnell durchgelesen hatte, wenn mich auch der Inhalt nicht begeistert konnte.

Denn hier geht es um Rache - ein Begriff, der aus meiner Sicht immer gemeinsam mit "Vergebung" genutzt werden sollte, wovon hier aber nichts zu spüren ist.

Es geht um die Ehe von Faye und Jack, die jäh endet - einer der beiden Ehepartner sinnt auf Rache, nachdem er begriffen hat, dass er über Jahre hinweg belogen und betrogen wurde.

Machtspielchen - nicht zuletzt Sex - spielen immer wieder eine zentrale Rolle und haben nichts mit den atmosphärischen und warmherzigen Schilderungen der Autorin gemein, die ich aus der Fjällbacka-Reihe kenne und liebe. Zudem ist der Plot ausgesprochen wenig originell. Wer oft Thriller liest, wird hier nichts Neues entdecken, das war schon bei mir, die ich nur gelegentlich zu einem greife, der Fall.

Ein Buch also, zu dem man greifen kann, aber definitiv nicht muss. Als Lektüre für zwischendurch aufgrund des angenehm zu lesenden Stils ganz nett.