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Veröffentlicht am 04.03.2018

Mit sich und der Welt im Reinen

Ein letzter Flug
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ist die frisch emeritierte Musikprofessorin Wilhemina Bowen. Denkt sie jedenfalls, denn sie hat ja Gott an ihrer Seite, hat den christlichen Glauben von jeher gelebt. Sie ist mit ihm aufgewachsen, er hat ...

ist die frisch emeritierte Musikprofessorin Wilhemina Bowen. Denkt sie jedenfalls, denn sie hat ja Gott an ihrer Seite, hat den christlichen Glauben von jeher gelebt. Sie ist mit ihm aufgewachsen, er hat sie durchs Leben geführt. Doch jetzt, ohne ihren Beruf, der ihr auch Berufung war, fühlt sie sich unausgefüllt, weggedrängt und weiß nicht, was sie mit dem Rest ihres Lebens machen soll, obwohl sie gesund ist, jede Menge Zeit und auch genug Geld hat. Ja, die Voraussetzungen sind gegeben, aber doch - ohne ihre Position als Professorin macht nichts Spaß, auch nicht ihre freiwillige Aktivität in der Krebshilfe, in der sie viele totgeweihte Menschen kennen lernt.

So auch den Piloten Mike, der Kriegsveteran und Witwer ist und nach dem Erhalt seiner Krebsdiagnose nur noch kurz zu leben hat. Doch er ist immer noch fröhlich, teilt sein Leben mit seinem Sohn, seinen Enkeln - und ein bisschen auch mit Wilhelmina, die für ihn nur Willymina ist. Und - unglaublich! - er will seinem Leben selbst ein Ende setzen, denn er will aktiv sterben, nicht langsam dahinvegetieren. Und er hat vor, den Zeitpunkt dafür selbst zu setzen - mit einem letzten Flug.

Selbstmord also! Ein Gedanke, den Wilhelmina als Christin nicht mittragen kann und so sieht sie ihre Aufgabe darin, ihn davon abzubringen. Doch sie kommt nicht dazu - nicht dass Mike nicht für sie da ist, doch er zieht sie mit hinein in seine Aktivitäten, in sein prall gefülltes Leben voller Enkel und Flugzeuge . Wird sie dazu kommen, ihn davon zu überzeugen, das er sein Leben - und auch dessen Ende - in Gottes Hand geben soll?

Ein kluges und zudem sehr unterhaltsames Buch, das ich
"in einem Rutsch" runtergelesen habe und an dem ich viel Freude hatte. Und die wird mir bleiben, denn es ist ein ganz besonderes Buch, das ich lange in Erinnerung behalten werde.

Ja, Gott ist groß! Aber wie kann jemand der an ihn glaubt, so unzufrieden und oft auch traurig sein? Und ein anderer, in dessen Leben er kaum Platz hat, so erfüllt vom Leben, so reich beschenkt durch sich selbst und seine Lieben? Dass man in Bezug auf diese und andere "große" Fragestellungen des Lebens und Glaubens nicht vorschnell urteilen, sondern auch und gerade hinter die Fassade blicken sollte, das zeigt uns Lynn Austen in diesem sowohl klugen als auch warmherzigen Buch, dem ich viele Leser wünsche!

Veröffentlicht am 02.03.2018

Ein überaus geheimnisvolles Erbe

Die Klippen von Tregaron
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Nämlich ein wunderschönes Häuschen auf den Klippen von Tregaron, Wales, steht der Glaskünstlerin Caron ins Haus. Ganz plötzlich und unvermittelt, denn noch nie hat sie von dem Ort gehört, auch der Erblasser, ...

Nämlich ein wunderschönes Häuschen auf den Klippen von Tregaron, Wales, steht der Glaskünstlerin Caron ins Haus. Ganz plötzlich und unvermittelt, denn noch nie hat sie von dem Ort gehört, auch der Erblasser, Brynmore Bowen, ist ihr gänzlich unbekannt.

Doch das Erbe ist an eine Bedingung geknüpft und die ist so geheimnisvoll und gleichzeitig spannend, dass Caron gleich Feuer und Flamme ist. Denn sie soll eine Person auf einem Bild, das in ihrem potentiellen neuen Haus hängt, identifizieren: eine Frau, die ein kleines Kind hält. Und diese Frau sieht ihr selbst so unglaublich ähnlich, dass es ihr die Schuhe auszieht!

Und es gibt auch schon einen ersten Hinweis - ein geheimnisvolles Tagebuch aus dem späten 19. Jahrhundert. Autor ist der Künstler selbst.

Im Umfeld des Hauses trifft sie auf diverse Gestalten, von denen einige - so Anwalt Stan, mit dem sie wegen der Erbschaft zu tun hat und der gutaussehende Gärtner Ioan - sehr nett und zugänglich scheinen, andere jedoch - so die Verwandten des Verstorbenen, die Witwe seines Bruders und ihre (erwachsenen) Zwillinge - ihr Angst einjagen. Ist Caron dort in ihrem Häuschen sicher und hat sie eine Zukunft in Wales?

Was steckt der ganzen Geschichte? Und kann ihre in London lebende Mutter ihr einen Hinweis geben? Ich habe begeistert und gespannt gelesen, mit Caron gehofft und gelitten und war ganz traurig, als das Buch ausgelesen war.

Constanze Wilken hat einen wunderschönen Spannungsroman geschrieben, in dem auch Atmosphäre und Herz eine große Rolle spielen. Die Protagonistin Caron verliebt sich gleich mehrfach und eine Liebe - nämlich die zu Wales und speziell zu Tregaron und Umgebung - kann ich sehr gut nachvollziehen. Ich habe mich auch gleich mitverliebt und könnte mir gut vorstellen, dass es mich in einem meiner nächsten Urlaube dort in die Gegend verschlagen wird. Und zwar definitiv mit einem der Wales-Romane von Constanze Wilken im Gepäck. Es gibt nämlich insgesamt fünf, von denen ich erst zwei gelesen habe. Gottseidank!

Veröffentlicht am 02.03.2018

So viele tote Frauen

Kaiserschmarrndrama
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und das in Niederkaltenkirchen und Umgebung! Wo es doch so beschaulich ist! Doch den örtlichen Polizisten, den Eberhofer Franz wirft so schnell nichts um, denn er hat ganz klare Prioritäten, die - ja, ...

und das in Niederkaltenkirchen und Umgebung! Wo es doch so beschaulich ist! Doch den örtlichen Polizisten, den Eberhofer Franz wirft so schnell nichts um, denn er hat ganz klare Prioritäten, die - ja, genau in dieser Reihenfolge: Omas leckeres Essen, Bier in Wolfis Kneipe, und Susischatz mit Söhnchen Paul und - lange danach - sein Münchner Spezi Rudi ist. Aber das heißt nicht, dass das ihn vom Ermitteln abhält. Aber alles zu seiner Zeit.

Verwirrend? Zu viele Vorlieben, zu viele Figuren? Dann greifen Sie aber sowas von flink zum Kaiserschmarrndrama - oder beginnen am besten sogar mit "Winterkartoffelknödel", dem ersten der mittlerweile neun Bände um den Eberhofer Franz, seine Familie und das Wohl und Weh von und in Niederkaltenkirchen. Ich bin sicher, Sie werden sich bald gut orientieren können, denn diese Reihe hat Suchtfaktor und das nicht zu knapp.

Rita Falk schreibt witzig, klug und stets mit einem Augenzwinkern - gerade auch in Bezug auf das Bayerische im Buch - und das ist nicht gerade wenig. Doch sie schafft es, auch Nichtbayern im Nullkommanichts auf ihre Seite - und auch die vom Eberhofer Franz zu ziehen. Ratzfatz ist man drin in der Geschichte! Und so hat mich auch "Kaiserschmarrndrama" komplett umgehauen, denn hier geht es um einen wahren Serienmord am schönen Geschlecht!

Im Übrigen kommen die Frauen stets sehr gut weg bei Frau Falk, auch wenn die Männer die Hauptfiguren sind und die lesenden Männer das oft gar nicht merken. Aber Frauen werden in den Eberhofer-Krimis stets mit Achtung behandelt , wenn auch nicht unbedingt vom Protagonisten, so doch auf jeden Fall von der Autorin, die stets auf der Seite ihrer Geschlechtsgenossinnen steht, auch wenn sie das alles andere als vordergründig kommuniziert.

Aus meiner Sicht die mit Abstand beste deutsche Regionalkrimi-Reihe aus dem Süden - da müssen sich Kluftinger und Konsorten warm anziehen.

Autorin Rita Falk hat einen wunderbaren Humor, tolle Ideen und bringt alles auf den Punkt - so absurd es zu Beginn auch scheint - so passt es! Auch die Lösung des Falles, die - wie so oft beim Eberhofer Franz - einerseits auf der Hand liegt und andererseits doch überrascht. Wenn Sie wissen wollen, warum, dann hilft nur eines: lesen, lesen, lesen! Womit Sie mir gegenüber im Vorteil sind, denn ich muss nun wieder monatelang auf den nächsten Band warten!

Veröffentlicht am 26.02.2018

Wer sie waren, wer sie sind

Schöne Seelen und Komplizen
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Damals und Heute - in diesem Roman kommen Menschen zu Wort, Menschen gleichen Alters. Zunächst ganz jung, dann - in der Gegenwart - mittelalt. Es sind ehemalige Schüler eines Potsdamer Elitegymnasiums, ...

Damals und Heute - in diesem Roman kommen Menschen zu Wort, Menschen gleichen Alters. Zunächst ganz jung, dann - in der Gegenwart - mittelalt. Es sind ehemalige Schüler eines Potsdamer Elitegymnasiums, die gemeinsam die Wende erlebt haben. Eine Wende, die vielfach von Privatem überlagert wurde - denn als junger Mensch hat man doch so viel mehr im Kopf als den Lauf der Welt. Was mit einem selbst passiert, ist doch so viel spannender! Nicht immer, aber doch sehr, sehr oft.


Julia Schoch schildert diese Zeit aus vielerlei Perspektiven: es sind eine Menge junger Mensche, die hier zu Wort kommen Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre, so viele, dass sie mich verwirrt haben. Wofür stand nochmal Lydia, wofür Ellen oder Britta, war jetzt Alexander oder Tomas oder gar Martin der Mädchenschwarm oder habe ich es sogar verwechselt? Und vor allem: was bedeutete die Wende für sie alle, die damaligen (teilweise noch heutigen) Potsdamer, die die Wege der Zeit, des Lebens vielfach auseinander gebracht, teilweise jedoch auch zusammengehalten haben.


Julia Schoch hat einen aus Blitzlichtern, Momentaufnahmen verschiedener Protagonisten zusammengefügten Roman auf zwei Zeitebenen geschaffen, der durchaus interessant ist, mich jedoch äußerst verwirrt zurückgelassen hat. Die Einzelschicksale und die jeweils damit verbundenen Charaktere waren zu wenig akzentuiert, setzten sich zu wenig voneinander ab, verschwammen teilweise aus meiner Sicht sogar ineinander und vermischten sich. Ein gutes, spannendes Potential, das nicht ganz ausgeschöpft wurde aus meiner Sicht, das teilweise sogar im Sande verlief. Und das, obwohl Julia Schoch wirklich schön schreibt, passende Sätze findet, die bis ins Mark treffen. Zum Beispiel "ich glaube, die Erinnerungen sterben später als die Menschen." (S.122) Das sagt eine der Protagonistinnen, Vivien, zu Alexander - eine Verbindung, die über Jahrzehnte erhalten bleibt.


Doch das Problem der Autorin (kenne ich auch), also auch "Mein Fehler ist, dass ich davon ausgehe, andere Leute würden die Dinge genauso sehen wie ich." (128) Geht mir auch oft so und gerade dies ist mit ein Grund, dass ich ihr und ihrem - insgesamt duchaus sympathischen - Buch stellenweise leider nur Unverständnis entgegenbringe.

Veröffentlicht am 25.02.2018

Leo Wechsler ermittelt

Nachts am Askanischen Platz
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Im Berlin der 1920er Jahre tickten die Uhren ein wenig anders, als sie dies heute tun. Es war die Blütezeit der Weimarer Republik, falls es eine solche überhaupt gab: denn es herrschten schwierige Zeiten: ...

Im Berlin der 1920er Jahre tickten die Uhren ein wenig anders, als sie dies heute tun. Es war die Blütezeit der Weimarer Republik, falls es eine solche überhaupt gab: denn es herrschten schwierige Zeiten: viele politische Strömungen liefen parallel, gerade die Extreme: die Nationalsozialisten und die Kommunisten bekriegten sich regelmäßig, doch auch in der Regierung gab es keine Partei, die sich längerfristig durchsetzen konnte.


In dieser Zeit treffen wir auf Kommissar Leo Wechsler und seine Familie, die sich mit den Sorgen des Alltags herumzuschlagen haben. Inzwischen ist es eher die politische Instabilität, die der Familie zu schaffen macht - die Wirtschaftskrise macht zumindest den Hauptstädtern nicht mehr ganz so schwer zu schaffen, wie zu Beginn der 1920er Jahre. Doch man genießt auch eine gewisse Freiheit bspw. in Bezug auf das kulturelle Leben in der Stadt, das in Berlin um Längen fortschrittlicher war als in jeder anderen deutschen Stadt - auch wenn man sich allerorts Mühe gab. Gerade auch im kulturellen Bereich boten sich Vergnügungen der eher ungewöhnlichen Art wie bspw das "Kabarett des Bösen", dass schaurige Vergnügungen für Mann und Frau bietet, in der Nähe des Askanischen Platzes. Und des anliegenden Gymnasiums. Beide Einrichtungen werden alsbald in Zusammenhang mit einem Mordfall gebracht, dessen Opfer jedoch nicht identifiziert werden kann. Doch alsbald können Verbindungen zur Sowjetunion hergestellt werden. Kommissar Wechsler und sein Team ermitteln unter russischen Exilanten ebenso wie unter Schülern und Mitarbeitern des Askanischen Gymnasiums.


Susanne Goga entführt ihre Leser tief ins Berlin der 1920er: Sie hat wie immer akribisch recherchiert und wartet neben ihrem mitreißenden Schreibstil auch mit interessanten Fakten auf, die diesmal weit über die Grenzen Berlins hinaus reichen. Ein wirklich tolles Buch, das ich - wie alle vorherigen dieser Reihe - mit großem Genuss gelesen habe. Eine der besten deutschen historischen Krimireihen, wenn nicht gar die beste - ich empfehle sie von ganzem Herzen und zwar nicht nur Freunden historischer Romane und auch nicht nur Krimifreunden: diese Reihe ist etwas für jeden Leser, der gern mal etwas Spannendes, Unterhaltsames und Hochwertiges liest!