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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.12.2017

Der Bauch des Architekten

Die Kälte in dir
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... ist ein Film von Peter Greenaway von 1987, der mir sehr gefallen hat, der Bauch eines Architekten - und weitere Bäuche - spielen aber auch eine nicht unwesentliche Rolle in diesem Krimi, der den Auftakt ...

... ist ein Film von Peter Greenaway von 1987, der mir sehr gefallen hat, der Bauch eines Architekten - und weitere Bäuche - spielen aber auch eine nicht unwesentliche Rolle in diesem Krimi, der den Auftakt einer neuen, in und um Stuttgart angesiedelten Krimireihe um die eigenwillige Kommissarin Kristina Reitmeier markiert.

Ein fieser, alter, reicher und dicker Mann ist tot - ermordet, wie es sich herausstellt. Nun, er hatte viele Feinde, es könnten ihm so Einige nach dem Leben getrachtet haben. Und dann gibt es weitere Leichen... vor allem, aber nicht nur Dicke, die eindeutig dieselbe Handschrift tragen. Wer steckt dahinter...

Kristina und ihr eigentlich suspendierter Kollege Daniel ermitteln fieberhaft und jeweils überaus eigenständig, behindert durch Unwegsamkeiten wie die Russenmafia, Leitung und Kollegen des eigenen Hauses und ... den Täter, der ihnen offenbar ausgesprochen nahe ist.

Ein origineller Krimi mit einer charismatischen Ermittlerin, aber leider auch mit zahlreichen Macken - trotz des außergewöhnlichen Themas und durchaus spektakulärer Settings mangelt es bisweilen an Spannung. Die Figuren sind teilweise gut ausgearbeitet, doch leider bleibt es bei Ansätzen. Zudem sind einige, der zahlreichen, sich abwechselnden und immer mit einem Cliffhanger endenden Erzählstränge leider nicht befriedigend ausgearbeitet und verlaufen bisweilen im Leeren. Es scheint so, als hätte der Autor nach eine Vorlage geschrieben - alles immer schön offen lassen, viele spannungssteigernde Cliffhanger einbauen: doch leider vergisst er so manchen Abschluss und so geht die Lösung nicht immer auf. Zudem ist so Manches inhaltlich doch sehr an den Haaren herbeigezogen.

Trotzdem - Kristina Reitmeier und ihre Leute sind ein vielversprechendes Team, die weitere spannende Fälle versprechen - einen Tick realistischer, umfassendere Auflösung und eine Prise mehr Spannung - und ich werde zum Riesenfan dieser Reihe!

Veröffentlicht am 30.12.2017

Eine benachteiligte Jugend in der DDR und was daraus wurde

Der Rumtreiber
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Karsten Berndt wächst in DDR in unterprivilegierten Verhältnissen auf - die Kindheit ist geprägt von einem gleichgültigen Elternhaus, in dem die Lebensbedingungen in Ostdeutschland zwar kritisiert, nicht ...

Karsten Berndt wächst in DDR in unterprivilegierten Verhältnissen auf - die Kindheit ist geprägt von einem gleichgültigen Elternhaus, in dem die Lebensbedingungen in Ostdeutschland zwar kritisiert, nicht aber reflektiert werden. Es wird betrogen, geschmuggelt... alles, was das Leben leichter macht eben, rein wirtschaftlich gesehen eben. Vor den Kindern wird dies nicht verborgen, allerdings wird ihnen auch keine Bedeutung beigemessen - die Kinder sind was Beiläufiges, Erziehung noch nicht mal Nebensache. An der möglichen Sportlerkarriere des Sohnes sind die Eltern komplett desinteressiert, ein mühsam selbst von ihm zusammengespartes Musikinstrument wird gedankenlos verschenkt. Menschliche Werte, Liebe, ein Miteinander - dies wird Karsten nicht vermittelt und so entwickelt er sich schnell zum Rabauken, der den Kameraden die Westjeans stiehlt und auch sonst in alle möglichen kleinkriminellen Handlungen verwickelt ist.

Als sehr jungem Erwachsenen gelingt ihm die Flucht in den Westen - hier ist das Glück des Dummen oder vielmehr des Naiven auf seiner Seite und er wird auch auf der anderen Seite rasch leichtsinnig. Dadurch landet er wieder im Osten - und kommt so schnell nicht wieder raus - er wird nämlich inhaftiert und muss im berühmt-berüchtigten Bautzen II einsitzen.

Spannend wie ein Krimi liest sich die Geschichte des jungen Karsten, auch wenn ich vieles nicht nachvollziehen konnte. Ein wichtiges Zeitzeugnis, das vom Autor leider überhaupt nicht reflektiert wurde und genau dies wäre so spannend gewesen... wie nimmt er selbst seine damaligen Aktionen, seinen einstigen Blick auf die Welt wahr? Insgesamt jedoch eine wichtige Dokumentation zum Leben in der DDR, zur Republikflucht und zu den entsprechenden Zusammenhängen, die durchaus auch Schülern im Politik- und Geschichtsunterricht nicht vorenthalten werden sollte.

Veröffentlicht am 30.12.2017

Erfurt im Herbst 1990

Auf Sendung
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Der Plot allein hätte mich hier nicht am Ball gehalten - es geht um eine, später dann zwei Leichen - Personen, die offenbar aufgrund irgendwelcher Schachereien auf der Strecke geblieben sind. Die Auflösung ...

Der Plot allein hätte mich hier nicht am Ball gehalten - es geht um eine, später dann zwei Leichen - Personen, die offenbar aufgrund irgendwelcher Schachereien auf der Strecke geblieben sind. Die Auflösung ein wenig wirr, nicht ganz stringent, hat das Ganze nicht unbedingt besser gemacht.

Die drei Protagonisten, die einander in unterschiedlichen Konstellationen in Liebesränken wie auch in dienstlichen Zusammenhängen verbunden sind, werden zwar eindringlich und plastisch geschildert, sind aufgrund ihrer vielen privaten "Abstecher" nicht unbedingt starke Stützen für den eingängigen Fluss der Krimihandlung.

Warum ich dieses Buch trotzdem weiterempfehle? Nun, wer so richtig tief in die Zeit der Wende, der Wiedervereinigung eintauchen, dem Gefühl von damals nochmal nachspüren will, der ist hier allerbestens aufgehoben. Die Aufbruchstimmung, die Hoffnungen, die Naivität, die Offenheit: all diese Schwingungen werden von Beate Baum ganz wunderbar eingefangen und so transportiert, dass man sie heute, mehr als 20 Jahre danach, noch lebhaft nachempfinden kann. Ich habe mich wirklich ins Erfurt im Herbst 1990 versetzt gefühlt, war mit Journalistin Kirsten auf aussichtsloser Wohnungssuche und in unattraktiven Restaurants mit aus heutiger Sicht originellen Speisekarten, die aus DDR-Zeiten übriggeblieben sind.

Beate Baum schreibt gut und versteht es vor allem Atmosphäre zu schaffen. Ich bin überzeugt, wenn ihr dies nicht so fundamental wichtig gewesen wäre und so sehr im Vordergrund gestanden hätte, dann hätte sie auch den Leichen mehr Aufmerksamkeit verliehen, ihre Fälle mit mehr Spannung versehen und diese sauber aufgelöst.

Ärgerlich - im Hinblick auf den Fall und eindringlich - was Zeitgeist und Lokalkolorit angeht. Entscheiden Sie also vor der Lektüre, was ihnen wirklich wichtig dabei ist, damit sie so richtig Spaß an dem Buch haben können. Nachdem ich mich ein kleines Bisschen geärgert hatte, hatte ich diesen durchaus!

Veröffentlicht am 30.12.2017

Die jungen Männer und das Meer

Jenseits der Untiefen
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In Tasmanien spielt dieser Roman, in dessen Mittelpunkt die drei Brüder Joe, Miles und Harry stehen. Mutterlos wachsen sie heran, geprägt vom Meer, an dessen Küste sie ihr gesamtes bisheriges Leben verbracht ...

In Tasmanien spielt dieser Roman, in dessen Mittelpunkt die drei Brüder Joe, Miles und Harry stehen. Mutterlos wachsen sie heran, geprägt vom Meer, an dessen Küste sie ihr gesamtes bisheriges Leben verbracht haben und das in ihrem Leben eine große Rolle spielt - und vom Vater, der jedoch sein eigenes Leben nicht so recht meistern kann.

Ein Leben am Rande der Existenz - ein Thema, das gerade in letzter Zeit im angelsächsischen Raum immer und immer wieder aufgegriffen wird, was die Aktualität schmerzhaft verdeutlicht. Denn die Familie lebt am wirtschaftlichen Existenzminimum, die Jungs müssen sehen, wie sie zurecht kommen - sie führen ein Leben im Schatten.

In diesem Buch fällt gleich das Zusammenspiel von Mensch und Natur ins Auge, das Favel Parrett eindruckvoll umsetzt: es ist ein, nein DAS essentielle stilistische Element in diesem Buch. Und damit sind wir auch schon beim größten Plus: dem eindrücklichen Stil, der schönen Sprache, die von der Autorin und Übersetzerin Antje Ravic Strubel - die im Übrigen selbst wundervolle Bücher wie "Sturz der Tage in die Nacht" geschrieben hat - überzeugend und elegant ins Deutsche übertragen wurde. Das größte, nein: einzige Minus aus meiner Sicht: trotz der Kürze weist das Buch durchaus gelegentliche Längen auf, die mir das Weiterlesen ein kleines Bisschen erschwerten.

Ein Buch, das zu empfehlen ist für Leser, die Menschen und Schicksalen weltweit begegnen und diese erfahren wollen. Wer "Winters Knochen" von Daniel Woodrell oder "Vor dem Sturm" von Jesmyn Ward gerne gelesen hat, der wird sich auch für dieses Buch begeistern können.

Veröffentlicht am 30.12.2017

Eine gemeinsame Vergangenheit

zorneskalt
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teilen die Freundinnen Rachel Walsh, erfolgreiche Fernsehreporterin und die Künstlerin Clara O'Connor. Nachdem Clara eines Abends irritierenderweise nicht zur Verabredung erscheint, muss Rachel bei einer ...

teilen die Freundinnen Rachel Walsh, erfolgreiche Fernsehreporterin und die Künstlerin Clara O'Connor. Nachdem Clara eines Abends irritierenderweise nicht zur Verabredung erscheint, muss Rachel bei einer Pressekonferenz, an der sie dienstlich teilnimmt, mit deren Verschwinden konfrontiert - nach ihr wird mittlerweile landesweit gefahndet... und dann gibt es eine Leiche: einen für Rachel sehr wichtigen Menschen. Aber wo ist Clara? Und was hat sie, was hat die gemeinsame Geschichte der beiden Freundinnen mit dem Fall zu tun? Das alles ist ausgesprochen verschachtelt und merkwürdig und öffnet sich dem Leser als Gesamtpanorama nur häppchenweise.

Ein richtiges Psychodrama, eine geballte Ladung an Spannung, auch wenn diese nicht an jeder Stelle optimal vermittelt wird, auch wenn das Setting an einigen Stellen ein wenig holperig dargestellt wird: Insgesamt ein ausgesprochen beeindruckendes Buch mit all den Verstrickungen, all den Verschachtelungen, die darin gewoben werden. Auf jeden Fall hat das Buch am Ende eine ernüchterte Leserin hinterlassen, der einmal mehr verdeutlich wurde, dass nicht nur nette Menschen Freundschafts- und Liebesbeziehungen aufbauen und pflegen... vieles ist nicht so wie es scheint, aber vor allem sind es die Hintergründe, die zunächst anders scheinen... was hier alles auf Lügen aufgebaut ist, geht einerseits auf keine Kuhhaut, verdeutlicht jedoch andererseits, wie sehr solche Lügen unser Leben oftmals begleiten.

Ein Buch, das mich an "Gone Girl" und an "Du.Sollst.Nicht.Schlafen.", zwei Thriller-Bestseller der letzten Jahre, erinnert hat, auch wenn es vor allem ersteren nicht ganz das Wasser reichen kann. Aber es lohnt sich trotzdem! Sehr zu empfehlen für Thrillerfreunde, die Überraschungen - auch nicht so angenehme - lieben.