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Veröffentlicht am 28.12.2017

Der böse Brundibár

Abschied in Prag
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ist die Hauptfigur einer Kinderoper des tschechischen Juden Hans Krása, die 1938 entstand und u.a. in Theresienstadt, wohin der Komponist deportiert worden war, aufgeführt wurde - eine sehr mutige Aktion, ...

ist die Hauptfigur einer Kinderoper des tschechischen Juden Hans Krása, die 1938 entstand und u.a. in Theresienstadt, wohin der Komponist deportiert worden war, aufgeführt wurde - eine sehr mutige Aktion, angesichts der Parallelen, die nicht nur von Mitinsassen gezogen wurden.

Lenka, eine der beiden Hauptfiguren des vorliegenden Romans, ist Augenzeugin, ist sie doch mit ihren Eltern und der kleinen Schwester dorthin deportiert worden. Sie hätte es besser haben können, wäre sie ihrem Ehemann Josef ins Exil gefolgt, die Möglichkeit hätte bestanden. Doch sie blieb - und das Eheleben der beiden, das gerade erst begonnen hatte, blieb auf der Strecke.

Alyson Richman ist hier ein eindringlicher Roman zu einem bereits oft beschriebenen Thema, der Situation der Juden im Dritten Reich, gelungen. Sie stützt sich auf wahre Begebenheiten und macht damit einmal mehr deutlich, dass das wahre, das echte Leben häufig die originellsten Ereignisse hervorbringt.

Definitiv ist dieser Roman, der teilweise in Künstlerkreisen in Theresienstadt - ja, die gab es - spielt, einer an den man sich lange erinnern wird. Gerade diese Passagen werden sehr authentisch vermittelt - zugegeben, es ist extrem starker Tobak, aber sehr lesenswert, auch wenn die Lektüre Mut erfordert. Denn sie wird den Leser auf lange Zeit nicht loslassen, wenn er sich mit ganzem Herzen und Verstand auf die Lektüre einlässt: Es ist die tragische Liebesgeschichte von Lenka und Josef, aber es ist auch ein Roman über eine schwere Zeit in der insgesamt sehr gebeutelten ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Mich hat er sehr berührt und ich lege ihn jedem Liebhaber anspruchsvoller historischer Romane ans Herz. Ein sehr gefühlvoller Roman, doch die Emotionen werden sehr stimmig und eindringlich und mit hohem Anspruch vermittelt.

Veröffentlicht am 28.12.2017

Das Verschwinden junger Blondinen an der Küste Nordfrankreichs

Der Kommissar und die verschwundenen Frauen von Barneville
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sorgt nicht nur für Aufsehen, sondern ist noch mehr Anlass für größte Besorgnis. Denn nachdem im französischen Wattenmeer eine tote Studentin aufgefunden wird, offenbart sich rasch, dass es sich nicht ...

sorgt nicht nur für Aufsehen, sondern ist noch mehr Anlass für größte Besorgnis. Denn nachdem im französischen Wattenmeer eine tote Studentin aufgefunden wird, offenbart sich rasch, dass es sich nicht nur um ein einmaliges Ereignis handelt, sondern dass bereits in der Vergangenheit - und zwar in den letzten fünf Jahren - mehrere junge Frauen unwiderruflich verschwunden sind.

Als deutlich wird, dass ein paar "Cold Cases", also ungelöste Mordfälle, damit zusammenhängen, wird Kommissar Lagarde - ebenso kompetent wie charismatisch, aber bereits länger im Ruhestand - aus ebendiesem zurückgerufen, um die Sache in die Hand zu nehmen. Und schon bald zeichnen sich die ersten Linien ab...

Auch wenn dies mein ersten Krimi aus der Lagarde-Reihe ist, würde ich ihn als typisches Serienwerk bezeichnen und das meine ich keinesfalls abfällig! Denn hier kommen die großen Zusammenhänge, die Rahmengeschichte vor der Spannung. Der eigentliche Fall ist nämlich schon bald absehbar in seiner Lösung und allzugroße Überraschungen kommen auch nicht vor. Dafür hat Lagarde seinen großen Auftritt - wie es sicher bereits in den vorherigen Bänden der Fall war. Und die Normandie nicht zu vergessen, die beeindruckende Landschaft ist nämlich ein ebenso wichtiger Akteur. Die Charaktere werden nicht ganz so eindringlich beschrieben, wie ich es mir erhofft hatte, die Gegend wird allzuoft durch die Beschreibungen üppiger Mahlzeiten, die nicht nur der Kommissar offenbar pausenlos zu sich nimmt, dargestellt, aber dennoch hat das Buch mich gepackt und ich werde mir sicher auch die vorherigen Fälle - einige zumindest - zu Gemüte führen!

Veröffentlicht am 28.12.2017

Aus Kindern werden Leute - oder Mörder?

Die Eishexe
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Und auch Opfer, denn hier fließen zwei Fälle - ein Kindesmord von vor 30 Jahren und ein vermisstes Mädchen in der Gegenwart - schnell ineinander über. Schon bald kollidieren mal wieder die ...

Und auch Opfer, denn hier fließen zwei Fälle - ein Kindesmord von vor 30 Jahren und ein vermisstes Mädchen in der Gegenwart - schnell ineinander über. Schon bald kollidieren mal wieder die Aktivitäten der Poliziestelle Tanum und damit von Patrik Hedström mit denen seiner Frau Erica Falk, der Autorin aus Fjällbacka, die dabei ist, über den alten Fall zu recherchieren. Es kommt, wie es - in Läckbergs Serie fast immer - kommen muss: Es ergeben sich so einige überraschende Parallelen und immer wieder ist es Erica, die die Zusammenhänge erkennt.

Auch Patriks Kollegen und sein Chef, Bertil Mellberg und das restliche Team kommen wieder ins Spiel. Das sind außer der bereits erwähnten Frau Patriks, der Autorin Erica Falk die Kinder des Paares, Patriks Mutter Kristina, Ericas Schwester Anna, um nur einige zu nennen. Also vor allem etwas für Kenner und Liebhaber dieser Serie, denn nicht immer werden Zusammenhänge aus früheren Büchern ausführlich aufgeklärt. Ich jedenfalls war heilfroh, bislang jeden einzelnen der Läckberg-Krimis gelesen zu haben, ansonsten wäre ich ziemlich ins Schleudern geraten. Leider ist diesem Buch nicht wie einigen früheren Bänden bspw. "Die Engelmacherin" ein Verzeichnis der regelmäßig auftauchenden Akteure vorangestellt, das wäre für Neueinsteiger zumindest etwas hilfreich. Ich würde allerdings komplett davon abraten, bei dieser Serie in der Mitte einzusteigen: man verpasst einfach zu viel!

Wie immer gibt es auch diesmal wieder neue Charaktere und diesmal erhalten die syrischen Flüchtlinge, die auch in Schweden zahlreich aufgenommen wurden, einen besonderen Raum.

Mir hat das Buch wieder gut gefallen - es fügt sich schlüssig und nahtlos in die Serie ein und ich liebe Fälle, deren Anfänge in die Vergangenheit zurückreichen, auch wenn Läckberg dieses Instrument ein bisschen sehr häufig verwendet. Diesmal fand ich den Fall ausgesprochen spannend, auch der Erzählstil der Autorin - intensiv, atmosphärisch und mit eindringlichen Personenbeschreibungen - hat wieder zum Lesegenuss beigetragen, doch leider gab es doch ein paar Enttäuschungen, die vor allem die Auflösung des Falls betrafen. Aber auch im Verlauf blieben einige wichtige Aspekte auf der Strecke ... sie wurden einfach nicht weiterverfolgt bzw. aufgelöst. Aber insgesamt ist dies aus meiner Sicht einer der besten und auch originellsten Fälle dieser Reihe und auf jeden Fall sehr empfehlenswert - allerdings vor allem Freunden dieser Serie oder aber solchen, die es werden wollen und sich nicht scheuen, die insgesamt neun vorherigen Bände - oder zumindest einen Teil davon - vorher zu lesen, denn ansonsten kommt an angesichts der ausgesprochen dichten Handlung sicher gelegentlich ins Schleudern. Doch wer Patriks gewohnten Alltagsstress und das Leben mit seiner Frau Erica - beide scheinen gesetzter geworden zu sein, denn auch in diesem Band geht es - wie bereits im Vorgänger "Schneelöwin" für ihre Verhältnisse ausgesprochen harmonisch zu - und andere immer wieder auftauchende, den aktuellen Fall ergänzende inhaltliche Elemente schätzt und wie ich eher die nicht so harten Krimis bevorzugt, der wird hier auf seine Kosten kommen!

Veröffentlicht am 24.12.2017

Politikverdrossenheit

Leere Herzen
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Und mehr noch eine Verdrossenheit in Bezug auf soziales Denken - diese zeichnet die Gesellschaft der Zwanziger Jahre aus - nicht derer, die wir schon hatten, sondern derjenigen, die kommen werden und zwar ...

Und mehr noch eine Verdrossenheit in Bezug auf soziales Denken - diese zeichnet die Gesellschaft der Zwanziger Jahre aus - nicht derer, die wir schon hatten, sondern derjenigen, die kommen werden und zwar ziemlich bald. Es ist eine Vision der nahen Zukunft, die Juli Zeh hier zeichnet, eine Vision einer möglichen Nach-Merkel-Ära. Wir schreiben - ungefähr - das Jahr 2025, Frau Merkel ist schon seit einigen Jahren nicht mehr im Amt - abgelöst von der BBB, der Bewegung besorgter Bürger und an wen diese angelehnt ist, das kann man sich denken.

In dieser Gesellschaft nun lebt Britta mit ihrer Familie, ihrem Mann Richard und der kleinen Vera. Sie ist es, die das Geld nach Hause bringt, gutes Geld, das sie in einer psychotherapeutischen Gemeinschaftspraxis, die sie mit ihrem langjährigen Freund Babak teilt. Einer Praxis der ganz besonderen Art, die sich gewisse gesellschaftlich-politische Auswüchse, die sich bereits heute abzeichnen, zu Eigen gemacht hat.

Es ist kein Science-Fiction-Roman, den Juli Zeh hier vorlegt, nein, sie wagt einen Blick in eine nahe Zukunft, in der sich gewisse aktuelle Trends, wie eben zunehmende Politikverdrossenheit und abnehmender Sinn für soziale gesellschaftliche Belange der Art, die einen selbst nicht unmittelbar tangieren, verstärkt haben.

Die Geschichte, die sie darin entwickelt, ist gut angelegt, aber aus meiner Sicht nicht ganz schlüssig zu Ende gedacht. Zudem hatte ich ein wenig Schwierigkeiten mit dem Stil der eigentlich sehr eloquenten Autorin Zeh, die sich wieder und wieder in Aufzählungen diverser Art erging, die ein wenig den Eindruck von Lückenfüllern erweckten. Also ein durchaus lesenswertes Buch, das mich aber nicht vollkommen für sich einnehmen kann. Ich empfehle es dennoch weiter, an die, die sich Gedanken über unsere Gesellschaft machen, aber auch an die, die dabei sind, langsam, aber sicher die Lust daran zu verlieren.

Veröffentlicht am 21.12.2017

Nirgendwo ist Dranitz

Das Gutshaus - Glanzvolle Zeiten
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Nach der Wende kehrt Franziska Kettler, geborene von Dranitz und die letzte Überlebende dieser Sippe, zurück zum Gutshaus in Mecklenburg-Vorpommern. Nichts hat sie von dort gehört in den Jahren des zweigeteilten ...

Nach der Wende kehrt Franziska Kettler, geborene von Dranitz und die letzte Überlebende dieser Sippe, zurück zum Gutshaus in Mecklenburg-Vorpommern. Nichts hat sie von dort gehört in den Jahren des zweigeteilten Deutschland, doch - O Wunder - das Haus steht noch. Dass man sie dort nicht unbedingt (zurück)haben will, war zu erwarten. Dennoch, es gibt immer noch solche, die sie "Frau Baronin" nennen.

Und es gibt viele, viele Erinnerungen, solche an die Familie und solche an andere liebe Menschen, ganz besonders an einen. Und bald sind es nicht nur die Erinnerungen, sondern auch neue Verpflichtungen, die Franziska im Osten halten - sie hat das Gutshaus zurückerworben. Und sie ist nicht mehr allein - ihre Enkelin Jenny samt Nachwuchs hat sich zu ihr gesellt, auch ein Novum in ihrem Leben. Denn auch im Westen waren Franziskas Familienbande nicht gerade eng geflochten.

Viele Geheimnisse, kleinere und ein richtig großes, werden nach und nach enthüllt. Doch der Leser braucht einen langen Atem, denn Autorin Anne Jacobs kommt sehr langsam in die Pötte, ich würde sogar so weit gehen, die Entwicklungen als umständlich zu bezeichnen. Keine Einzelheit wird ausgelassen, die Autorin ist definitiv keine Freundin der Übersichtlichkeit. Dabei bleiben so einige Zusammenhänge bzw. Umstände, die durchaus auch von Interesse gewesen wären, auf der Strecke.

Zudem entsteht in mir der Eindruck, dass sie mit den "Ossis" bzw. den frischgebackenen Bundesbürgern teilweise hart ins Gericht geht - und ich bin selbst Wessi und kein unkritischer. Doch das hier war mir definitiv des Guten zu viel. Recht viele Klischees finden Eingang in die eigentlich durchaus interessante und spannende Geschichte. Ein bisschen kommt es mir vor wie die Vorlage zu einer Soap Opera, zu einer dieser Serien, deren Staffeln bald auf DVD zu erwerben sind. Spekuliert die Autorin vielleicht auf die Nachfolge von Christine Brückners "Poenichen"-Reihe, der sie aber aus meiner Sicht nicht das Wasser reichen kann?

Bisher jedenfalls nicht, denn dies ist erst der Erste von drei angekündigten Bänden. Und trotz meiner ja nicht gerade spärlichen Kritik überlege ich durchaus, am Ball zu bleiben, denn wie gesagt: der eigentliche Plot hat durchaus Charme.