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Veröffentlicht am 20.12.2017

Heimatlos

Außer sich
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Eine Frau, eine sehr junge, Ali nämlich, hat sich verloren. Beziehungsweise einen Teil von sich, nämlich ihren Zwillingsbruder Anton. Und sie zieht hinaus in die Welt, um ihn zu suchen, in Richtung Istanbul, ...

Eine Frau, eine sehr junge, Ali nämlich, hat sich verloren. Beziehungsweise einen Teil von sich, nämlich ihren Zwillingsbruder Anton. Und sie zieht hinaus in die Welt, um ihn zu suchen, in Richtung Istanbul, von dort gab es nämlich ein Zeichen.

Wieder einmal zieht sie in die Welt, wie sie es schon in jungen Jahren, zusammen mit ihren Eltern tat - als jüdische Emigranten aus Russland verschlug es sie nach Deutschland.

Hier geht es um Heimat, aber mehr noch um Familie, wobei beides sehr oft eines ist - denn Heimat sollte sein, wo man zu Hause ist. In irgendeiner Form zumindest. Wird es das sein? Eine unruhige Geschichte um schwierige familiäre Beziehungen, um schwierige Beziehungen insgesamt. Denn auch die Suche nach einer neuen Familie, einer Herzensfamilie kann schwer, ja unmöglich sein. Das wird hier deutlich.

Ein Buch, das mich während des Lesens sehr auf Abstand hielt. Und auch nach der Lektüre kann ich keine Nähe zu ihm entwickeln, es entsendet viel Kälte und eine Menge Schmerz dazu. Ein Roman, der mir nachgeht, aber nicht auf eine gute Art und Weise, sondern eher wie ein unheimliches Gespenst, das mich umtreibt.

Absolut nicht warmherzig und positiv, jedoch durchaus gewaltig, was bewirkt, dass ich ihn nicht schnell aus mir vertreiben kann.

Eine Mahnung angesichts der heute sehr aktuellen Themen Exil, Vertreibung, Flucht. Sie alle werden hier thematisiert, wenn auch auf eine ganz eigene Art und Weise. Definitiv ein gewaltiges Buch, das eine ebensolche Wirkung hat.

Ein verstörendes Buch ist es auf jeden Fall und es tut sicher Not in dieser Zeit, ein solches vorzulegen, aber für mich ist es nicht das Richtige in dieser Zeit. Wenn es wenigstens den Punkt, meinen Casus Knaxus sozusagen treffen würde, was aber nicht der Fall ist. Es geht an mir vorbei und trifft mich dennoch.

Sasha Marianna Salzmann ist nämlich eine Autorin, die schreiben kann, die Kraft hat und diese auch rüberbringt. Ich würde vermuten, dass sie sich damit in den Geist all ihrer Leser schreibt, auf welche Art auch immer. Angesichts der Wirkung des Romans auf mich bin ich mir nicht sicher, ob und wann ich wieder zu einem ihrer Bücher greifen werde, aber wer die deutsche zeitgenössische Literatur im Auge hat, sollte es auf jeden Fall registrieren. Und zwar, indem er es liest.

Werde ich vielleicht auch noch mal in einer anderen Zeit, in einem anderen Leben, auch wenn es mir gegenwärtig definitiv nicht guttut. Das ist allerdings auch nicht die Aufgabe hochwertige Literatur, die vielmehr aufrütteln soll. In diesem Sinne hat sie ihre Funktion definitiv erfüllt - ich bleibe zerstört zurück!

Veröffentlicht am 20.12.2017

Ermordet im Auftrag der eigenen Eltern

Love like blood
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werden im Rahmen sogenannter Ehrenmorde jährlich zig junge Frauen und viele davon leb(t)en mitten unter uns. Wenig wissen wir darüber und Mark Billingham, der schon einige mehr oder weniger spannende Krimis ...

werden im Rahmen sogenannter Ehrenmorde jährlich zig junge Frauen und viele davon leb(t)en mitten unter uns. Wenig wissen wir darüber und Mark Billingham, der schon einige mehr oder weniger spannende Krimis geschrieben hat, trägt dazu bei, hier ein Tabuthema zu beleuchten.

Und wie er das tut - dieser Krimi ist eindeutig einer seiner spannendsten und gelungensten, auch wenn streckenweise recht ruhig daherkommt. Aber dann zieht es auch wieder an.
Einmal mehr ist die ebenso außergewöhnliche wie vielschichtige Londoner Ermittlerin Nicola Tanner involviert, doch diesmal leitet sie die Untersuchung nicht. Sie ist nämlich stark lädert, hat sie doch ein privates Unglück der schlimmsten Art erfahren. Aber sie holt sich ein paar Kollegen ins Boot, allen voran den etwas unkonventionellen, man könnte sogar manchmal sagen: nassforschen Thorne - und stößt gemeinsam mit ihnen zunächst auf eine ganze Reihe von Hindernissen.

Asien - denn die Personen, die Tanner verdächtigt, einen Ehrenmord verübt zu haben, kommen von diesem Kontinent - bebt, doch das Londoner Team kommt nicht weiter. Oder doch?

Mark Billingham schreibt eloquent und eindringlich, er entwickelt gekonnt eine gewisse Spannung, die er aus meiner Sicht diesmal durchgehend halten kann. Die Charaktere sind sehr gut ausgearbeitet, man kann sich sowohl die Mitglieder der muslimischen Gemeinde als auch weitere Figuren, die im Erzählverlauf eine Rolle spielen, sehr gut vorstellen.

Trotz einigen ziemlich brutalen Szenen ist dies ein eher ruhiger Spannungsroman, der überhaupt nicht auf Knalleffekte setzt, sondern auf subtile Schwingungen und Verwebungen. Obwohl, es ist ein richtig, richtig dickes Ende und wenn dies nicht Billingham wäre, würde ich den Autor verdächtigen, doch ein klein bisschen sensationslüstern unterwegs zu sein.

Die Auflösungen waren für mich dieses Mal eine absolute Überraschung. Nicht so sehr die Personen, sondern vielmehr die Motive bzw. die Motivationen. Wirklich sehr geschickt und und klug konstruiert! Und es war immer was los, was bei diesem Autor nicht immer der Fall ist. Aus meiner Sicht sein bislang gelungenster Spannungsroman, den ich wirklich jedem Krimifreund ans Herz lege!

Veröffentlicht am 20.12.2017

Nichts ist so, wie es scheint

Eddie muss weg
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mit diesem Paar, das nicht ganz auf der Höhe zu sein scheint: Stan und Britta sind schon lange zusammen, aber werden sie auch diese Krise überstehen? Britta hat einen beruflichen Tiefpunkt erreicht und ...

mit diesem Paar, das nicht ganz auf der Höhe zu sein scheint: Stan und Britta sind schon lange zusammen, aber werden sie auch diese Krise überstehen? Britta hat einen beruflichen Tiefpunkt erreicht und es beschleicht sie das Gefühl, dass er ihr von hinten in den Rücken fällt.

Manchmal jedenfalls. Aber sie sollte sich besser nicht darauf verlassen, dass es für immer so behäbig weitergeht, denn auf einmal sitzen sie im Auto nach Brügge und alles wird ganz, ganz anders. Also nicht nur das Land, sondern auch sie selber. Und das gleich auf mehreren Ebenen!

Hinter den humorvollen Schilderungen der Autorin Katinka Buddenkotte verbergen sich kluge und ernste, ja immer traurigere Entwicklungen, die man erst einmal erfassen muss.

Definitiv kein Klamauk von der Blödelfront, sondern vielmehr ein wahrhaftiger Schicksalsroman mit Raffinesse der allerdings haarscharf an mir und meinen Lesebedürfnissen vorbeischlitterte. Das hat aber nur was mit meinem persönlichen Lesegeschmack zu tun. Wer gerne überrascht wird, der sollte das Buch nicht links liegenlassen!

Veröffentlicht am 20.12.2017

Rückkehr

Kirchberg
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Eine Frau steht mitten im Leben. Denkt sie. Und dann gibt es auf einmal einen Break und alles ist anders: Tumor, Schlaganfall, Gehirnschäden und auch solche der körperlichen Art. Da kann Hanna, deren Stern ...

Eine Frau steht mitten im Leben. Denkt sie. Und dann gibt es auf einmal einen Break und alles ist anders: Tumor, Schlaganfall, Gehirnschäden und auch solche der körperlichen Art. Da kann Hanna, deren Stern gerade am Aufgehen war, nicht mehr weitermachen. Weder mit ihrer Habilitation noch mit sonst etwas in ihrem bisherigen Leben.

Hoch hinaus war sie schon gekommen und wollte noch höher steigen, fort von dem schwäbischen Dorf, in dem sie aufgewachsen war, bei den Großeltern. Nachdem ihre Mutter sie nicht wollte, sie gar zur Adoption freigegeben hatte. Hatten deren Eltern das halt übernommen.

Wie man sieht, Hanna, eigentlich Johanna, hatte es nie so richtig leicht, auch wenn ihre Großeltern besondere Menschen waren, doch war sie immer eine Außenseiterin. Auf ihre Art jedenfalls. Doch eines war sie nie: Sprachlos. Erst jetzt, mit über 40, hat die Sprache als wichtigstes Kommunikationsmittel sich (fast) von ihr verabschiedet.

Hanna kehrt zurück in ihr Dorf, in das Haus ihrer Kindheit, das nun leer ist und mit Leben gefüllt werden will. Und das wird es auch - auf ganz überraschende Weise.

Ein Buch voller Einblicke und Rückblicke. Hannas Leben wird auf eine besondere Art vor dem Leser ausgebreitet, nicht nur sie spielt eine Rolle, nein, es ist auch ihr Umfeld, das zu Wort kommt. Jeder Protagonist hat sozusagen seine Zeit. Und die Autorin Verena Boos belässt es nicht bei der Vergangenheit, sondern wagt auch einen Blick in die Zukunft.

Ein Buch, in dem viel Schmerz enthalten ist, der allerdings auf so gelassene Art transportiert, für so selbstverständlich genommen wird, dass er dem Leser gar nicht immer so deutlich vor Augen ist. Ein Buch über die Grenzen, die dem Menschen gesetzt sind, aber auch über die Möglichkeiten. Über Freundschaft, Liebe, Offenheit, Verschlossenheit und Abgrenzung. Manchmal kam es ein wenig spröde daher, auch wenn die Figuren durchaus Charme haben, vor allem Lisa, ein kleines, ein sehr kleines Mädchen, das der bereits gebrochenen Hanna auf bemerkenswert unvoreingenommene Weise begegnet und so manche Lanze für sie bricht. Doch manchmal hatte ich den Eindruck, als stehe die Autorin sich selbst im Weg, könne diesem Familienroman - denn nichts anderes ist er - nicht das Engagement, die Größe, das Herz schenken, die es verdient. Ein Buch, das ich gerne gelesen habe, auch wenn irgend etwas - ich kann gar nicht klar formulieren, was - fehlte!

Veröffentlicht am 20.12.2017

Dem Brexit folgt ein Drexit

Die Lieferantin
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Wenn auch erst nach etlichen Jahren, denn Zoe Becks neuester Thriller spielt in der Zukunft. Die Bewohner der Britischen Insel rüsten sich - in wahrstem Sinne des Wortes - zu einer fundamentalen Abstimmung ...

Wenn auch erst nach etlichen Jahren, denn Zoe Becks neuester Thriller spielt in der Zukunft. Die Bewohner der Britischen Insel rüsten sich - in wahrstem Sinne des Wortes - zu einer fundamentalen Abstimmung über Drogen.

Wie ist das möglich - Drogen und ihre Händler haben mehr oder weniger Besitz von der ganzen Insel ergriffen und lenken ihre ganzen Geschicke. Allen voran Ellie, deren überaus florierendes Unternehmen über Drohnen läuft.

Mit dessen Hilfe will sie Rache üben am Tod ihres Bruders. Doch sie ist lange nicht die einzige Akteurin in diesem Spiel des Verderbens, das allerdings aus meiner Sicht eigentlich kein Thriller ist. Wenn man so will, will Zoe Beck höher hinaus, sie zieht die ganze British Society durch den Kakao - durch ihre ureigene, kein bisschen süße und warme Brühe. Es ist also ein Gesellschaftsroman, der hier entstanden ist und wenn man ihn als solches liest, läuft es dabei kalt über den Rücken, so realistisch ist es. Ja, so könnte es wirklich aussehen in ein paar Jahren und der Blick ist wenig einladend!

Ein wenig zu zerfasert und zu reich an Akteuren war mir dieser ansonsten sehr treffende Blick auf die künftige Welt, dessen Lektüre ich nichtsdestotrotz weiter empfehle.