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Veröffentlicht am 21.06.2019

Das Wüten der ganzen Welt

Kalter Strand
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Das Wüten der ganzen Welt - zentriert auf einen winzigkleinen Ort an der dänischen Küste - so empfand ich stellenweise während der Lektüre dieses aufwühlenden und ausgesprochen ungewöhnlichen Thrillers.

Kommissar ...

Das Wüten der ganzen Welt - zentriert auf einen winzigkleinen Ort an der dänischen Küste - so empfand ich stellenweise während der Lektüre dieses aufwühlenden und ausgesprochen ungewöhnlichen Thrillers.

Kommissar Tom Skagen von der Sondereinheit Skanpol, zuständig für Fälle im gesamten skandinavischen Raum, wird gemeinsam mit seiner Kollegin Jette angefordert, da das lokale Team beim aktuellen Fall - im Meer wurde die Leiche einer jungen Frau entdeckt - nicht so recht weiter kommt. Was durchaus auch an ihrem Vorgesetzten liegen könnte, der sofort nach Kräften beginnt, auch Tom und Jette das Leben schwer zu machen.

Wie auch der Fall, denn es ist keineswegs einfach, die Identität der Toten festzustellen und weitere Einzelheiten herauszufinden.

Parallel lesen wir von einer Familie in der Feriensiedlung, die auf unglaubliche Art und Weise terrorisiert wird - von jemandem, der sich "Das Auge" nennt.

Ein Thriller, der seinem Genre mehr als gerecht wird, denn er ist nicht nur spannend von der ersten bis zur letzten Seite, sondern konfrontiert seine Leser mit ebenso ungewöhnlichen wie unvorhersehbaren Entwicklungen. Autorin Anne Nordby hat einen mitreißenden und sehr lesenswerten Thriller mit einer ganzen Reihe von Alleinstellungsmerkmalen geschrieben und mit Tom Skagen einen ebenso vielschichtigen und faszinierenden wie auch sympathischen Protagonisten erschaffen, dessen nächster Fall hoffentlich nicht allzu lange auf sich warten lässt!

Veröffentlicht am 06.06.2019

Anders - und mehr als in Ordnung!

Mein Leben als Sonntagskind
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Jasmijn ist schon von Kind an klar, dass sie anders ist als die anderen - sie liebt es nicht laut, kommt nicht gut zurecht, wenn viele Leute zusammen sind ... und ist von klein an gewöhnt daran, dass die ...

Jasmijn ist schon von Kind an klar, dass sie anders ist als die anderen - sie liebt es nicht laut, kommt nicht gut zurecht, wenn viele Leute zusammen sind ... und ist von klein an gewöhnt daran, dass die Menschen ihr mit Verwunderung, ja Befremdung begegnen. Außer ihren Eltern und ihrem Bruder - die stehen hinter, wenn es sein muss, auch vor ihr und machen ihr das Leben erträglich. Zumindest meistens

Wobei Jasmijn eigentlich nur mit einem Wesen zusammen normal sein kann - und das ist ihre Hündin Senta. Sonst zieht sie sich sehr in sich zurück, isst sogar meist allein auf ihrem Zimmer - und zwar ständig. Denn, obwohl spindeldürr, hat sie ständig Hunger.

Es ist ein Leben, in dem sie sich selbst ständig im Weg steht, da sie genau weiß, wie sie eigentlich sein will. Aber das klappt nur in ihren Gedanken und manchmal in ihrem Tagebuch. Umso überraschter ist sie, als sie im Laufe ihres Lebens den ein oder anderen Menschen trifft, der sie verstehen, ja, sogar lieben kann.

Und trotz diverser Unwegsamkeit so langsam lernt, sich inmitten anderer zu respektieren und wertzuschätzen.

Die Autorin Judith Visser hat selbst erst als Erwachsene erfahren, dass sie das Asperger Syndrom hat und führt uns in diesem Roman einfühlsam und warmherzig in die Welt ihres Alter Ego ein. Ein wundervoller Roman, der Brücken baut, zum Lachen und zum Weinen mit Jasmijn, aber auch mit den Menschen um sie herum einlädt!

Veröffentlicht am 20.05.2019

Durchs Leben schwimmen

Im Freibad
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Das tut Rosemary Peterson im wahrsten Sinne des Wortes - bereits seit achtzig Jahren ist sie eine treue Besucherin des Freibades in Brixton, dem Londoner Stadtteil, in dem sie ihr Leben lang ...

Das tut Rosemary Peterson im wahrsten Sinne des Wortes - bereits seit achtzig Jahren ist sie eine treue Besucherin des Freibades in Brixton, dem Londoner Stadtteil, in dem sie ihr Leben lang gelebt hat - sogar während des Krieges wurde sie nicht evakuiert, als eines der wenigen Kinder.

Inzwischen gehört es zu ihrem Leben dazu - wie sehr, das merkt sie erst, als es geschlossen werden soll! Ein Immobilienhai will es zur zentralen Sportanlage seines Wohnkomplexes umbauen und aus dem Pool selbst einen Tennisplatz machen! Sie schafft es, einige Leute zur Gegenwehr zu mobilisieren, allen voran Journalistin Kate, angestellt beim Lokalblatt, jung und noch ganz neu im Quartier.

Ja, eigentlich lernt Kate erst durch Rosemary Brixton kennen und lieben. Man könnte sogar sagen, dass sie erst durch Rosemary lernt, das Leben zu genießen - allen voran das Schwimmbad, das auch für sie - nicht nur wegen Rosemary zu einem unverzichtbaren Mittelpunkt des Viertels wird. Aber sie lernt auch Mitmenschen kennen, nämlich viele ihrer neuen Nachbarn und sie erfährt, dass Freunde manchmal so wichtig sind wie eine Familie. Und das Freunde mitnichten nur Altersgenossen sein müssen - manchmal entwickeln sich Personen zu Schicksalsgefährten, von denen man es nie erwartet hätte.

Trotz diverser positiver Erfahrungen vor allem im sozialen Bereich scheint es einfach unmöglich zu sein, die Schließung des Bades zu verhindern, zumal die Stadt gemeinsame Sache mit dem Investor macht.

Ein warmherziger Roman, der nicht nur die Gegenwart beschreibt - nein, Rosemary blickt zurück auf ihr ganzes erfülltes Leben, von dem sie einen Großteil - nämlich mehr als sechzig Jahre - mit Ehemann George, dem lokalen Gemüsehändler, verbracht hat. Ein glückliches Leben, das sich fast ausschließlich in Brixton abgespielt hat.

Ein Roman von einer jungen Autorin, die ein großes Verständnis und Einfühlungsvermögen für und in ihre Mitmenschen unterschiedlicher Geschlechter, Herkunft und Generationen hat. Sie beschreibt sie mit einer Wärme und Aufmerksamkeit, ja Zärtlichkeit, die ihresgleichen sucht. Und für die die Vermittlung immaterieller Werte wie Freundschaft, das Füreinander Einstehen und das Teilen sowohl von Sorgen als auch von Freuden an oberster Stelle steht.

Wer einen sommerlichen Unterhaltungsroman mit einem gewissen Anspruch, einer Botschaft sucht, der sich nicht nur für den London-Urlaub eignet, der wird von diesem Roman nicht enttäuscht sein. Es werden mitnichten nur die heiteren Stunden des Lebens erzählt, doch legt man das Buch mit einem Lächeln und einem warmen Gefühl im Bauch, wenn man nicht gerade ein absoluter Misanthrop ist.

Veröffentlicht am 23.04.2019

Es braut sich was zusammen

Fünf Tage in Paris
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Sowohl in Paris, das von Starkregen so heimgesucht ist, dass die Seine außer Rand und Band zu geraten droht, als auch in der Familie Malegarde. Diese nämlich - Eltern und die beiden längst erwachsenen ...

Sowohl in Paris, das von Starkregen so heimgesucht ist, dass die Seine außer Rand und Band zu geraten droht, als auch in der Familie Malegarde. Diese nämlich - Eltern und die beiden längst erwachsenen Kinder Tilia und Linden - hat sich zusammengefunden, um in kleiner Runde ein umso bedeutungsvolleres Fest zu feiern, für das es einen doppelten Anlass gibt: den siebzigsten Geburtstag des Vaters Paul sowie den vierzigsten Hochzeitstag der Eltern.

Doch schon am ersten Abend fühlt sich der Vater unwohl und beide Eltern - Paul und Lauren - bleiben auf dem Zimmer, erst am nächsten Tag trifft sich die Familie zu einem ersten Rundgang, der in Teilen im wahrsten Sinne ins Wasser fällt. Und im übertragenen dann nochmal am Abend, als der Vater ausgerechnet am Abend seines 70sten Geburtstags einen Schlaganfall erleidet.

Schnell wird er ins Krankenhaus gebracht, der Zustand ist ernst. Parallel dazu erkrankt Mutter Lauren an einem starken Grippevirus, Tilia kümmert sich um sie, Linden um den Vater und um die Gesamtsituation.

Linden ist es auch, aus dessen Perspektive die Handlung geschildert wird: ein erfolgreicher Fotograf Mitte dreißig, der es aus verschiedenen Gründen schwer hatte in der Kindheit und Jugend und in Teilen bei seiner mittlerweile verstorbenen Tante, der älteren Schwester seiner Mutter aufwuchs.

Mit Tilia verbindet ihn eine enge Beziehung, auch wenn sie auf verschiedenen Kontinenten leben, mit den Eltern ist er eher auf Abstand - eine emotionale Annäherung vor allem zunächst an Vater Paul erfolgt in dieser absoluten Extremsituation.

Autorin Tatiana de Rosnay legt hier einen perfekt komponierten Roman vor, in dem sich Naturgewalt und die Situation der Familie Malegarde parallel zu einem dramatischen, eskalierenden Höhepunkt entwickeln. Ein Roman mit einer überaus starken Symbolik und einer enormen Kraft, der nicht so leicht vergessen werden kann.

Veröffentlicht am 19.04.2019

Kühle Leidenschaft

Marlene und die Suche nach Liebe
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Diesen scheinbaren Widerspruch hat Marlene Dietrich gelebt, jedenfalls dem biographischen Roman C.W. Gortners zufolge. Der Autor lässt uns die Schauspielerin mit der besonderen Ausstrahlung auch als starke ...

Diesen scheinbaren Widerspruch hat Marlene Dietrich gelebt, jedenfalls dem biographischen Roman C.W. Gortners zufolge. Der Autor lässt uns die Schauspielerin mit der besonderen Ausstrahlung auch als starke Frau erleben, als eine, die sich niemals die Butter vom Brot nehmen ließ, auch wenn es hart auf hart kam.

Und das kam nicht selten vor in ihrem Leben: durch den frühen Tod ihres Vaters in einfachen Verhältnissen aufgewachsen, kam sie in den "Roaring Twenties" durch ein eher halbseidenes Milieu zum Film, wo sie schnell den Durchbruch schaffte.

Man könnte sagen, sie war zur richtigen Zeit am richtigen Ort, denn sie war Berlinerin, und das bedeutete in den 1920ern, am Puls der Zeit zu leben. Jedenfalls, was die Kultur anging.

Wir lernen "die Dietrich" als Frau lernen, die sowohl Frauen als auch Männer liebte und mit ihrem Ehemann und Vater ihrer Tochter verheiratet blieb, obwohl seit Jahrzehnten getrennt lebend. Als eine tapfere Frau, die den Nazis schon früh die Stirn bot, auch wenn das nur in Teilen ihrer eigenen Familie gut ankam. Als schwierige Frau, die ihrer Zeit weit voraus war und als Frau mit einem riesengroßen Herzen. Kühl wirkte sie, doch ihre Leidenschaft blieb dennoch nicht im Verborgenen.

Ein wirklich spannender und unterhaltsamer biographischer Roman, den ich mit großem Genuss gelesen habe und gerne weiter empfehle.