Profilbild von TochterAlice

TochterAlice

Lesejury Star
online

TochterAlice ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit TochterAlice über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.10.2019

Die dunklen Seiten der Nachkriegszeit

Die Zeit der Töchter
0

Wir begegnen Maria und Vivien und ihren Töchtern Anna und Antonia, die wir in "Die Stunde der Mütter" durch den Krieg begleiteten, in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre. Anna und Antonia sind zu jungen ...

Wir begegnen Maria und Vivien und ihren Töchtern Anna und Antonia, die wir in "Die Stunde der Mütter" durch den Krieg begleiteten, in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre. Anna und Antonia sind zu jungen Frauen herangewachsen, die ihr eigenes Leben leben und sich dem Alltag stellen. Ihre Mütter halten immer noch zusammen und stehen ein für die Schwachen: Vivien als energische Schuldirektorin und Maria durch ihr Engagement in der Flüchtlingshilfe.

Sie sind umgeben von einer ganzen Reihe weiterer Charaktere, die mehr oder weniger wichtige Rollen im Leben der vier Frauen spielen.

Ich liebe den atmosphärischen, eleganten Stil und die klugen Recherchen der Autorin Katja Maybach zu immer noch brennenden historischen Themen und konnte somit auch wieder wunderbar in vergangenen Zeiten schwelgen bzw. mich von überraschend vielen negativen Erscheinungen schrecken lassen. Ein wieder mal ausgesprochen gelungener Roman über die Nachkriegszeit, in dem mir diesmal leider ein wenig zuviel Personal vorhanden war. Nicht nur die beiden Mütter/Töchterpaare, sondern weitere Figuren, die zuerst noch einführt werden mussten, standen im Vordergrund. Das war mir insgesamt ein bisschen des Guten zuviel, auch wenn dies eine Kritik auf sehr, sehr hohem Niveau ist: Katja Maybach ist und bleibt eine meiner Lieblingsautorinnen - das hat sich durch die Lektüre dieses Romans nur verstärkt!

Insgesamt also ein keineswegs pessimistischer Roman, der die dunklen Seiten der Nachkriegszeit zutage fördert. Und zeigt, wie stark die Frauen trotzdem waren - sie waren diejenigen, die mutig einstanden für Werte, die auf eine bessere Zukunft hoffen ließen! Erschreckend allerdings ist, wie viele der damals aktuellen Themen wie Fremdenfeindlichkeit und Ausländerhass im Allgemeinen und die Ablehnung von Flüchtlingen im Speziellen heute wieder im Vordergrund der politischen und gesellschaftlichen Debatten stehen!

Die Autorin legt den Finger in die Wunde, ohne jemals plump zu werden, sie rüttelt auf eine besonders markante Weise auf: durch das Aufzeigen des Wiederkehrenden, der Wiederholungen. Ein sehr empfehlenswerter Roman für alle die, die mit beiden Beinen im Hier und Jetzt stehen, denen die Bedeutung der Vergangenheit jedoch bewusst ist.

Veröffentlicht am 30.10.2019

Eine leidende Exzentrikerin

Die Dame hinter dem Vorhang
0

Das war Edith Sitwell, die es sowohl aus gesundheitlichen als auch rein optischen - ihre Eltern fanden sie einfach hässlich - nie einfach hatte. Dennoch konnte sie sich das ein oder andere große ...

Das war Edith Sitwell, die es sowohl aus gesundheitlichen als auch rein optischen - ihre Eltern fanden sie einfach hässlich - nie einfach hatte. Dennoch konnte sie sich das ein oder andere große Stück Kuchen von der Sonnenseite des Lebens abschneiden. Denn sie war klug und originell und reüssierte als Autorin sowohl von Poesie als auch von Erzählungen und diversen Berichten, mit denen sie ihr täglich Brot verdiente.

Und zwar nicht nur für sich, sondern auch für ihren Hausstand - ihre frühere Gouvernante und spätere Gesellschafterin Helen und für Jane Banister, ihrem Hausmädchen, einer fiktiven Figur, aus deren Perspektive die Handlung geschildert wird.

Man erfährt so einiges von ihr - sie hielt nicht mit ihrer Meinung hinter dem Berg und tat, was ihr passte. Allerdings ließ sie sich durchaus auch von dem ein oder anderen Zeitgenossen ausnutzen. Nein, ein glücklicher Mensch war sie zeitlebens nicht; schon in ihrer Kindheit wurde sie von ihren Eltern ihren Brüdern gegenüber benachteiligt und das setzte sich auch in späteren Jahren durch.

Veronika Peters hat einen Roman über diese faszinierende Persönlichkeit verfasst, die sowohl von realen als auch fiktiven Figuren umgeben ist. Die Charaktere sind gut gezeichnet, auch Zeit und Raum sind atmosphärisch dargestellt, doch wäre ein stellenweise etwas tiefergehender Ansatz wünschenswert gewesen. Ein unterhaltsamer, ab und an zu wenig Spannung beinhaltender Roman, der dazu einlädt, sich weiter mit der Person Edith Sitwell und einigen ihrer Zeitgenossen zu beschäftigen.

Veröffentlicht am 29.10.2019

Nicht mein Thema

Mein Zuhause zum Aufatmen
0

Obwohl es das eigentlich ist. Denn mein Zuhause ist hoffnungslos überladen mit Zeug - aber nicht mit Deko, sondern mit Gebrauchsgegenständen, von denen nicht gerade wenige wertvolle Andenken emotionaler ...

Obwohl es das eigentlich ist. Denn mein Zuhause ist hoffnungslos überladen mit Zeug - aber nicht mit Deko, sondern mit Gebrauchsgegenständen, von denen nicht gerade wenige wertvolle Andenken emotionaler Art für mich darstellen. Zu wieder anderen möchte ich gerne immer wieder greifen können, dazu zählen vor allem Bücher, aber auch Küchengeräte.

Ich hatte gehofft, anspruchsvolle Leitgedanken philosophischer und psychologischer Art zu Themen wie "Besitz", "befreien", "loslösen" übermittelt zu bekommen - sowie Vorschläge, inwiefern mir mein christlicher Glaube bei diesen Fragestellungen eine Hilfe oder ein Halt sein könnte.

Nichts davon habe ich hier aufgefunden, es geht eigentlich immer um dasselbe - dass man seine Wohnung beruhigen sollte und dass das am besten mit wenigen und großen Gegenständen geht. Dazu gibt es Fotos, die auf mich ausgesprochen wenig einladend wirken - sie sehen aus wie aus dem Möbelhaus und werden von Mal zu Mal - das heißt, je näher die Autorin ihrem ansgestrebten Mix aus Gemütlichkeit und Minimalismus - GeMi, wie sie ihn nennt, rückt, unpersönlicher. Bspw. werden alle kleinen, persönlichen Gegenstände von Wänden und Borden entfernt und durch große beschriftete Schilder mit Worten wie "Relax" und durch 08/15-Pflanzen ersetzt.

Nein, auch wenn es ein paar kleinere hilfreiche Hinweise für mich gab, ist das alles doch meilenweit entfernt von mir und von meinen Vorstellungen.

Ich hatte gehofft, dass ein Buch mit Einrichtungstipps und welchen zum Entrümpeln aus einem christlichen Verlag auch übergeordnete Empfehlungen, solche zu Entscheidungswegen oder zu Empfindungen gewissem Besitz gegenüber beinhalten würde - Pustekuchen. Leider zielt die Autorin haarscharf vorbei an allen Themen, Fragen, Hoffnungen und Wünschen, die mich diesbezüglich umtreiben!

Veröffentlicht am 28.10.2019

Lebendiges Lernen

Alles außer fern
0

Ksenia Konrad kommt aus Russland und hat selbst Deutsch als Fremdsprache gelernt. Inzwischen lebt sie selbst im deutschsprachigen Raum, unterrichtet selbst Deutschlernende - und schreibt Bücher ...

Ksenia Konrad kommt aus Russland und hat selbst Deutsch als Fremdsprache gelernt. Inzwischen lebt sie selbst im deutschsprachigen Raum, unterrichtet selbst Deutschlernende - und schreibt Bücher auf Deutsch, wie man sieht.

Und zwar über genau das: über ihre Erfahrungen als Deutschtrainerin, wie sie sich bezeichnet. Dass sie ihre Aktivitäten sehr strukturiert angeht, wird schon von Beginn an klar, denn so verfährt sie auch Im Aufbau ihres Buches: entlang der deutschen Grammatik nämlich - und kommt von dort auf die weiteren Zusammenhänge in ihrem Unterricht, auf die Inhalte und Aktivitäten ihrer Kurse und vor allem: auf die Teilnehmer.

Schnell lernen wir, dass eigentlich alles an der Motivation hängt - ist der Unterricht eintönig, sind die Teilnehmer gelangweilt und vergessen die Lerninhalte alsbald wieder. Doch bei anschaulichem Lernen ist das Gegenteil der Fall - es bleibt viel mehr hängen, die Inhalte werden quasi spielerisch erarbeitet, was auf verschiedenste Weisen möglich ist - bspw. durch Einbeziehung der eigenen Lebensinhalte oder durch Anwendung des Gelernten vor Ort, also in der Natur, in Museen oder auch einfach in der Stadt. Alles, was mit dem eigenen Alltag, der eigenen Situation und vor allem den eigenen Interessen zu tun hat, bleibt hängen.

Die Trainerin kniet sich ordentlich rein in ihre Aufgabe - und ihre Schützlinge danken es ihr, indem sie es ihrerseits auch tun. Sie kommen aus den unterschiedlichsten Ecken der Welt, aber in ihrem Einsatz um die Eroberung der Sprache Deutsch sind sie vereint, ein Team sozusagen. Eines, das einander aufgrund der gleichen Bedürfnisse versteht. Wobei es nicht alle schaffen, so weit zu kommen, aber viele!

Ein spannendes Buch, während dessen Lektüre ich mich stellenweise auch ein klein bisschen gelangweilt habe, nämlich in dem Teil, in dem es um die Grammatik ging. Obwohl ich eine kleine Auffrischung durchaus gebrauchen könnte, auch als Muttersprachlerin. Aber es geht auch ohne, also bin ich faul und lasse mich nicht richtig drauf ein. Falsch von mir, ich weiß! Doch vielleicht bin ich nicht ganz die richtige Zielgruppe, sondern fortgeschrittene DaF-Lernende - und die werden das ganz sicher zu schätzen wissen!

Veröffentlicht am 25.10.2019

Drei Frauen - Drei Perspektiven

Die Zeuginnen
0

In Margaret Atwoods Fortsetzung um den fiktiven Staat Gilead an der Grenze zu Kanada ist nicht mehr die Magd Desfred die alleinige Protagonistin.

Vielmehr kommt sie überhaupt nicht vor, nicht einmal ihr ...

In Margaret Atwoods Fortsetzung um den fiktiven Staat Gilead an der Grenze zu Kanada ist nicht mehr die Magd Desfred die alleinige Protagonistin.

Vielmehr kommt sie überhaupt nicht vor, nicht einmal ihr Name fällt in diesem neuen Szenario, das etliche Jahre später stattfindet. Es wird aus der Perspektive dreier Frauen berichtet, aus der einer älteren, nämlich von Tante Lydia, die in Gilead eine einflussreiche Position einnimmt und von zwei jüngeren, Agnes und Daisy, von denen die erstere ein düsteres, vorbestimmtes Leben in Gilead führt, die zweite privilegiert bei ihren Eltern in Kanada aufwuchs und erst nach deren Tod von ihrer Verbindung zu Gilead erfährt.

Beide Frauen geraten in den Fokus von Tante Lydia - ob in ihre Klauen oder unter ihren Schutz, das kann man unterschiedlich sehen.

Denn Margaret Atwood lässt ihren Leser nie in Ruhe in Bezug auf dessen Meinung zu den Protagonisten, er muss immer wachsam bleiben, denn - schwupps - kann sich durch einen winzigen Dreh in der Handlung die Wahrnehmung einer Figur komplett ändern.

Dadurch, dass hier die Perspektive wechselt, entsteht eine breitere Sicht aufs Szenario, die Betrachtung ist nicht einseitig und der Leser erhält einen breiten Blick. Und gleichzeitig profitiert er von den Gaben der großartigen Schriftstellerin, denn die Darstellung wechselt je nachdem, ob nun Agnes, Daisy oder Tante Lydia berichtet und ändert sich auch bei jedem Charakter im Erzählverlauf - denn bei Frau Atwood sind alle Figuren dynamisch, ebenso wie das Szenario.

Somit muss man sich nicht ängstigen, dass es düster bleibt - tatsächlich haben alle drei Protagonistinnen ebenso wie die weiteren Figuren ganz schön etwas durchzustehen, doch immer wieder - und besonders zum Ende hin - blinkt ein Fünkchen Hoffnung auf.

Das mir auch im Blick auf die Realität Stärke und Zuversicht gegeben hat. Denn Gilead kommt mir vor wie ein USA unter der Regierung von Michael Richard Pence, dem aktuellen Vizepräsidenten der Vereinigten Staaten - eine von religiösen Eiferern angeführte Regierung, wie sie nach einem erfolgreichen Impeachment-Verfahren gegen Trump zur Realität werden könnte. Dass nicht immer das Schlimmste eintreffen muss, das war eine der Botschaften, die ich aus diesem großartigen Roman mitgenommen habe!