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Veröffentlicht am 14.07.2019

Zu zweit dabei

Doppelt durchs Leben
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Zu zweit dabei - und zwar überall, wo was los ist! Das war bei den eineiigen Zwillingen Werner und Reinhard Seidel zumindest in jungen Jahren der Fall! In Niederschlesien, wo sie 1936 geboren wurden und ...

Zu zweit dabei - und zwar überall, wo was los ist! Das war bei den eineiigen Zwillingen Werner und Reinhard Seidel zumindest in jungen Jahren der Fall! In Niederschlesien, wo sie 1936 geboren wurden und bis zum Jahr 1950 lebten, ging es zunächst trotz des Nationalsozialismus noch beschaulich zu.

Auch wenn die sechsköpfige Familie Seidel auf den Pfennig schauen musste, haben die Eltern Arthur und Johanna ihren vier Söhnen ein warmherziges und friedliches Familienleben geboten, in dem es an nichts fehlte. Zwei Dinge waren von besonderer Bedeutung, nämlich das christliche Leben in der evangelischen Gemeinde und die Musik.

Dass die Lebensgeschichte so warmherzig und atmosphärisch, dabei ehrlich und offen daherkommt: das ist der Autorin Elke Ottensmann ganz allein zuzuschreiben, die durch ihren einfühlsamen Erzählstil aus den Erinnerungen der beiden Zwilligen, von denen einer (Reinhard) ihr Vater, der andere (Werner) ihr Onkel ist, eine kraftvolle, dabei bunte und lebendige, oftmals leider auch schmerzhafte Geschichte gezaubert hat.

Die Jungs wurden ganz klar mit einem Blechlöffel im Mund geboren, was die weltlichen Güter anbelangte, die sie umgaben. Doch war ihre Kindheit dennoch eine goldene, was sie ausschließlich ihren Eltern, deren Wertvorstellungen und den klaren Strukturen innerhalb der Familie, vor allem jedoch der unendlichen LIebe, die sie von Beginn an erfuhren, verdankten. Die Unbeschwertheit, die sie über lange Phasen ihrer frühen Kindheit begleitete, klingt immer wieder durch.

Durch die Zeit des Nationalsozialismus, später durch das Leben in der sowjetischen Besatzungszone, wobei Niederschlesien bald zu Polen gehörte, hat Familie Seidel stets ihre Überzeugung gewahrt, auch in den schlimmsten Zeiten. So verlor sie, die sich jahrelang mutig allen Widrigkeiten stellte, 1950 schließlich doch ihre Heimat. Doch das Wichtigste, ihre Würde, ihre Glaube an Gott und das Mit- und Füreinander in ihrer eigenen Familie - das hat sie sich stets erhalten, dadurch, dass sie sich selbst treu blieben.

Diese auf Originaldokumenten, vor allem jedoch auf Erzählungen der beiden Protagonisten basierende Lebensgeschichte ist eine ganz besondere Ehrung der nun bereits über 80jährigen Zwillingsbrüder Werner und Reinhard Seidel und ein Geschenk für alle Leser dieser wunderbaren, sehr persönlichen Biographie!

Veröffentlicht am 13.07.2019

Ein Kriminalfall in einem Land der Veränderungen

Die geheime Mission des Kardinals
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Denn das ist Syrien im Jahre 2011 - die Zeichen des Wandels und einer gewissen Bedrohung werfen ihre Schatten voraus, wenn man auch noch nicht genau sagen kann, in welche Richtung diese sich entwickeln ...

Denn das ist Syrien im Jahre 2011 - die Zeichen des Wandels und einer gewissen Bedrohung werfen ihre Schatten voraus, wenn man auch noch nicht genau sagen kann, in welche Richtung diese sich entwickeln werden.

In der Stimmung der Unsicherheit erhält die Italienische Botschaft in Damaskus ein riesiges Fass mit Öl und kann diese Gabe zunächst nicht einordnen, bis sich erschreckenderweise herausstellt, dass es neben dem teuren Öl einen weiteren Inhalt gibt und zwar die Leiche eines Kardinals aus dem Vatikan, der sich für einige Zeit in Syrien aufhielt. In einer offiziellen und offenbar auch einer inoffiziellen Mission, wobei letztere seine Herzenssache zu sein schien.

Die Kommissare Barudi und Schukri von der syrischen Kripo erhalten bald Unterstützung aus Rom - Ermittler Mancini. Barudi, dessen Pensionierung kurz bevorsteht und der italienische Gast sind sofort ein Herz und eine Seele und gehen miteinander durch dick und dünn, was Barudi aufgrund des Arbeitsklimas im Kommissariat mit den meisten seiner Kollegen nicht tun kann. Denn hier herrscht eine Atmosphäre des Misstrauens und Schukri ist der einzige Kollege, der sein volles Vertrauen hat. Und das, obwohl er nach außen hin ein Weiberheld und absoluter Luftikus ist. Doch ist er auch ein Mann mit messerscharfen Verstand und einem offenen Herzen wie Barudi selbst.

Und wie Mancini, was Barudi auf den ersten Blick erkennt. Und das hat mich stutzig gemacht: Ich bin seit langen Jahren ein großer Fan des Autors Rafik Schami und habe seit Mitte der 1990er Jahre jedes, aber wirklich jedes Werk gelesen, das von ihm publiziert wurde. Und war immer angetan. Mehr oder weniger, meistens aber mehr. Diesmal geht mir hier einiges zu glatt: dass Barudi und Mancini sich vom ersten Moment an verstehen, das ist glaubwürdig, keine Frage. Denn es gibt Menschen, bei denen sofort klar ist, dass man auf der selben Schiene ist, was Werte und Ethik angeht. Aber trotzdem gibt es doch eine Phase des Kennenlernens, des Aufeinanderzugehens, des Abtastens sozusagen. Gerade auch, weil Barudi - und nicht nur er - im Land niemandem trauen kann und Syrien sich insgesamt in einer Phase der Auflösung befindet. Und nicht zuletzt, weil sie sich im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit kennenlernen, wo man sowieso vorsichtig sein sollte. Und mehr noch im Beruf eines Ermittlers.

So klar, wie Rafik Schami die Atmosphäre der Wandlung, darunter auch die Begegnung mit der Scharia, darstellt, so wenig passt Barudis Treuherzigkeit hier herein und zwar nicht nur in Bezug auf Mancini. Denn Barudis Herz wird von seiner Nachbarin in einer einzigen kurzen Nacht in wenigen Stunden auf der Treppe erobert. Dabei kannte er, der seine große Liebe viel zu früh verlor und seitdem allein ein durchs Leben geht, sie bis dahin nur vom Sehen. Diese Liebe auf einen Blick mag es geben, aber in dieser Situation und für diesen spezifischen Mann wirkt sie nicht glaubhaft. In der bereits beschriebenen Situation des Wandels nämlich. Man weiß einfach nicht, welcher Gefahr man sich aussetzt.

Deswegen hatte ich an diesem Roman nur eingeschränkt Freude, obwohl der eigentliche Kriminalfall wirklich spannend dargestellt war und der Autor auch eindringlich die ersten Regungen des Islamischen Staates verdeutlichte. Ein Roman, der mich ein wenig stutzig werden ließ. Und zwar wegen des Vertrauens, das hier in einigen Fällen Mitmenschen völlig vorbehaltlos entgegen gebracht wurde. Wobei Vertrauen natürlich ein, wenn nicht DAS lebenswichtige Elixier ist. Doch es passte nicht in die hier dargestellte Welt - es hätte einen Vorlauf geben müssen. So schien es - mir zumindest - ein wenig vereinfacht dargestellt, es fehlte ein ganz wichtiges Element.

Ich bin zwar nicht gerade enttäuscht von diesem Roman, aber als richtig rund habe ich ihn auch nicht empfunden. Auch, wenn mir der Stil des Autors - wie immer - in vielen Passagen ausgesprochen zusagte. Wobei ich die Lektüre zugegebenermaßen mit ausgesprochen hohen Erwartungen startete - wie es eben bei einem Werk eines Lieblingsautors so üblich ist!

Veröffentlicht am 10.07.2019

Eddie fasst Fuß

Jenseits von schwarz
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Eddie Beelitz ist eine gestandene Frau mit einer fundierten Ausbildung in einem qualifizierten Beruf: sie ist nämlich Polizistin. Und seit der Trennung von ihrem Mann auch wieder in Amt und Würden. Wenn ...


Eddie Beelitz ist eine gestandene Frau mit einer fundierten Ausbildung in einem qualifizierten Beruf: sie ist nämlich Polizistin. Und seit der Trennung von ihrem Mann auch wieder in Amt und Würden. Wenn auch nur Teilzeit, was sie sich von ihrem Chef Adrian Adamkowitsch ständig aufs Butterbrot schmieren lassen muss. Sie hat nämlich gleich zu Beginn einen folgenschweren Fehler begangen. Und ihr Ex nervt auch immer mal wieder, zumal ein Kampf um die gemeinsame fünfjährige Tochter Lotti entbrannt ist.

Und ein neuer Fall kommt auch noch auf sie zu - in dem sie es, wie der Zufall so will, mit einem Bekannten aus vorherigen Ermittlungen zu tun bekommt, nämlich mit Zombie. Mit dem es - wie sich nun zeigt - auch privat gewisse Überlappungen gibt.

Die Leichen allerdings liegen nicht im Keller, sondern auf dem Gelände einer Reha-Klinik in Bochum-Eppendorf. Genauer gesagt: einer Entziehungsanstalt für Spieler und Trinker. Wo Zombie nun auch landet, wenn auch eher aus Zufall. Er braucht dringend Eddies Hilfe und sie die seinige. Um jeweils auf gewissen Lebenswegen weiter- bzw. aus gewissen Situationen rauszukommen.

Wird Eddie sich vom Abstellgleis, auf dem sie sich bei der Kripo leider gerade befindet, mitten ins Geschehen, also ins Zentrum der Ermittlungen, manövrieren können? Wie auch in Band 1 tummeln sich abermals einige dunkle Gestalten um sie, die ihr das Leben schwergemacht haben bzw. dies gerade tun.In unterschiedlichster Hinsicht.

Lucie Flebbe schreibt wie gewohnt locker-lässig und spannend zugleich und hat auch den ein oder anderen Gag parat - genau, wie man es von ihr kennt. Wenn überhaupt noch möglich, birgt dieser Fall noch mehr Überraschungen, als alle vorherigen, also die mit Lila Ziegler noch hinzugenommen. Ich bin jedenfalls schon jetzt traurig - nein, nicht, weil der Inhalt des Krimis mich so bedrückt. Sondern, weil mit Eddie Beelitz insgesamt nur drei Bände geplant sind. Finde ich ziemlich gemein von der Autorin und sie kann mich nur versöhnen, wenn sie gleich danach eine neue Reihe mit mindestens ebenso coolen und unkonventionellen Protagonisten wie Lila und Eddie, aber natürlich auch Ben Danner und Zombie vorlegt! Am besten wieder in Bochum, dort gibt es noch so viel "ungenutztes" Terrain für Verbrechen.

Doch jetzt freue ich mich erst mal auf den dritten Band mit Eddie!

Veröffentlicht am 08.07.2019

Wenn man vom Leben überholt wird

Die Dinge, die wir aus Liebe tun
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Ein jeder hat sicher schon die Situation erlebt, dass das Leben ihm ein Schnippchen schlägt: man kann so gut planen und vorbereiten, wie man will, dennoch kommt alles anders als gedacht. Und irgendwann, ...

Ein jeder hat sicher schon die Situation erlebt, dass das Leben ihm ein Schnippchen schlägt: man kann so gut planen und vorbereiten, wie man will, dennoch kommt alles anders als gedacht. Und irgendwann, tja, da sieht man sich um und erkennt, dass man vom Leben selbst überholt wurde.

So ergeht es Angie Malone, die mit Conan ihre große Liebe geheiratet hat und auf eine langjährige Ehe zurückblickt. Eine Ehe, die leider trotz aller Versuche kinderlos geblieben ist. Angies ganzes Denken und Tun konzentriert sich auf diesen Kinderwunsch, bis sie auf einmal erkennen muss, dass zwischen ihr und Conan nichts geblieben ist.

Sie kehrt Seattle den Rücken und kehrt in ihre Heimat, eine Kleinstadt am Pazifik, zurück, wo ihre Mutter mit den beiden jüngeren Schwestern versucht, das italienische Familienrestaurant über die Runden zu bringen, das kurz vor der Pleite steht. Die Familie überredet sie, mit einzusteigen und bald lernt sie die junge Lauren - klug, ehrgeizig, aber ohne familiären Rückhalt - kennen.

Angie und Lauren finden einander sozusagen und schöpfen wieder Kraft - bis Lauren gewissermaßen aus der Bahn geworfen wird.

Kann sie gerettet werden bzw. sich selbst retten? Und wird Angie stark genug sein, sich noch ein weiteres Mal dem Leben zu stellen?

Ein warmherziger, mitreißender, stellenweise ein bisschen zu detailverliebter Roman über die Irrungen und Wirrungen, in die man im Laufe seines Lebens hineingerät. Nur dadurch, dass man es lebt. Also, das Leben als solches. Dies ist ein neu aufgelegtes Frühwerk der Autorin Kristin Hannah, das bereits eine Ahnung von ihrer gewaltigen Erzählkraft vermittelt. Leser, die Romane in der Art von Barbara Wood mögen, werden sicher Gefallen daran finden.

Veröffentlicht am 07.07.2019

Weckt eigene Erinnerungen

Römische Tage
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Als ich dieses Büchlein in die Hand nahm, war ich sehr gespannt auf den Zugang des Autoren Simon Strauß zum Thema. Würde er mit diesem kurzen Band dazu imstande sein, mich zu bewegen, vielleicht auch ...

Als ich dieses Büchlein in die Hand nahm, war ich sehr gespannt auf den Zugang des Autoren Simon Strauß zum Thema. Würde er mit diesem kurzen Band dazu imstande sein, mich zu bewegen, vielleicht auch Erinnerungen zu einer meiner drei Romreisen, zu denen ich es bisher gebracht habe zu wecken. Oder zu allen?

Um es gleich vorwegzunehmen: ja, er war es! Und zwar fühlte ich mich ganz klar an meine allererste Romreise im Alter von knapp 20 Jahren erinnert. In den Semesterferien begleitete ich für eine Woche ein Team von Archäologen - dazu kam es eher zufällig, denn eigentlich fuhr ich mit meinem Vater, der der Fotograf dieses Teams war. Tagsüber war ich also alleine und hatte eine Menge Zeit. Und eine ganze Menge Anregungen, die ich sowohl von meinem Vater als auch von den Archäologen erhielt.

Wie auch der Autor wurde ich mit einem gewissen Hintergrund auf Rom losgelassen. Oder Rom auf mich - wer kann das schon sagen. Ich dachte beim Lesen dieses Buches, das ebenfalls einen gewissen Zugang zur Archäologie hat, aber auch an das Buch "Engelsbrücke" von Marie Luise Kaschnitz, das ihre Eindrücke als Rückkehrerin in die ewige Stadt nach langen Jahren schildert. Auch sie hat eine gewisse Nähe zur Archäologie.

In dieser Tradition der Rombesucher finde ich mich nun, wenn mir auch die Worte der beiden genannten Autoren fehlen, die auf sehr persönliche Art auf die Stadt reagieren. Simon Strauß tut dies sehr zeitgemäß, mit einem gewissen Augenzwinkern, aber auch mit einem umfangreichen kulturhistorischen Wissen im Hintergrund, auf das er immer wieder zurückgreift.

Dies ist quasi ein Buch mit einer Tür, die man öffnen muss, um zu sehen, ob es passt. Denn es ist tatsächlich ein sehr individuelles Werk, das mit Sicherheit ebenso individuelle Reaktionen evoziert. Bei mir passte es in vielen Teilen, auch wenn mir die Schilderung der Liebe des Erzählers (war es überhaupt Liebe?) zu einer Römerin ziemlich auf die Nerven ging. Auch mit dem Ende wurde ich nicht ganz glücklich. Trotzdem hat mich dieses Büchlein ausgesprochen bereichert, gerade auch durch das Erwecken lange zurückliegender Erinnerungen und Emotionen, die jahrelang vergraben waren - wie zahlreiche archäologische Schätze in der Ewigen Stadt!