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Veröffentlicht am 02.02.2018

Wenn der weiße Flieder wieder blüht

Die Fliederinsel
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und der hell- und dunkellilane und rosafarbene auch, dann malt Ruth ihre schönsten Bilder! Und das in einer mehr als dunklen Zeit, denn Ruth und ihr Mann Jakob sind Juden und befinden sich im Exil auf ...

und der hell- und dunkellilane und rosafarbene auch, dann malt Ruth ihre schönsten Bilder! Und das in einer mehr als dunklen Zeit, denn Ruth und ihr Mann Jakob sind Juden und befinden sich im Exil auf der dänischen Insel Fünen, wo es ihnen ganz gut geht, bis, ja bis der Deutsche (ein nicht ganz so klangvoller Ausdruck wie "Der Russe") auch hier vor der Tür steht, denn es ist der nationalsozialistischen Regierung gelungen, auch diesen Land zu besetzen. Inzwischen Eltern geworden, ist es nun für Ruth und Jakob doppelt schwierig geworden, die richtige Entscheidung zu treffen.



Ein Buch, das für mich in zwei Teile zerfällt. Insgesamt ist es über fünfhundert Seiten lang und der erste Teil könnte gut um die Hälfte gekürzt werden, so langatmig und verschlungen kommen die Schilderungen daher, so behäbig sind die Entwicklungen. Die dargestellten Fakten jedoch wie auch den Kern der Geschichte empfand ich aber als sehr fesselnd und hatte so keine Schwierigkeiten, am Ball zu bleiben, was mir nach gut der Hälfte des Buches auch eine unerwartete Belohnung einbrachte. Dieser zweite Teil ist nämlich der, wo die Autorin Sylvia Lott ihr wahres Können zeigt und auch wenn hier - in merkwürdigem Kontrast zu Teil 1 - einige Erzählstränge einfach versanden, die es durchaus wert gewesen wären, weiter verfolgt zu werden - dieses Buch zu einem wirklich inhaltsreichen Roman werden lässt.



Nicht nur zeigt sie die unterschiedliche Entwicklungen von Menschen in Extremsituationen ausgesprochen einfühlsam und tiefgründig auf, nein, es wird auch deutlich, wie solche Schicksalsjahre wie diejenigen des Zweiten Weltkrieges einen Jeden geprägt und auf seine Art verändert haben: am Ende hat ein jeder, auch diejenigen, die noch Säuglinge waren, sein Päckchen zu tragen und darüber hinaus auch die nachgeborenen Generationen: ein Umstand, den ich aus vollem Herzen bestätigen kann! Nicht zuletzt erfährt man eine ganze Menge über die Situation in Dänemark in den Jahren des Zweiten Weltkriegs - und hier hatte zumindest ich noch eine ganze Menge Nachholbedarf.



Ein Buch, das ich im Nachhinein von ganzem Herzen empfehlen kann, zumindest denjenigen, die bereit sind, mehr als 250 Seiten geduldig zu erlesen - hier wiederholt sich doch so einiges, vieles wird auch sehr ausgeweitet. Aber wie gesagt, es lohnt sich durchaus! Am Ende blicken Sie zurück auf einen sehr ungewöhnlichen Roman über die Jahre vor und während des Zweiten Weltkriegs und erfahren auch über das "Danach" so einiges. Auch wenn manches bereits früh abzusehen ist, ist die Entwicklung doch eine klare und schlüssige. Ein Roman auch für den Strandkorb auf Bornholm oder Fünen, den Ort des Geschehens, zumindest für Leser, die sich nicht nur berieseln lassen wollen!

Veröffentlicht am 30.01.2018

Ein Vamp im Koma

Einatmen, Ausatmen
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So jedenfalls der erste Eindruck von der Jazzsängerin Giorgia. Denn warum sollten sich gleich drei Männer an ihrem Bett im New Yorker Krankenhaus versammeln. Drei sehr unterschiedliche Männer, die nichts ...

So jedenfalls der erste Eindruck von der Jazzsängerin Giorgia. Denn warum sollten sich gleich drei Männer an ihrem Bett im New Yorker Krankenhaus versammeln. Drei sehr unterschiedliche Männer, die nichts voneinander gewusst haben und dennoch alle eine große Rolle in Giorgias Leben gespielt haben. Langsam wird deutlich, dass Giorgia vielleicht auch ein Vamp ist - manchmal jedenfalls, sie ist aber auch vieles (andere) mehr.

Der Erzählstil von Autorin Nataša Dragnić ist sowohl meisterlich als auch ungewöhnlich: jeder der Protagonisten kommt im Wechsel zu Wort und das bezieht auch Giorgia, die Komapatientin ein. Eine originelle Idee, doch gleichzeitig eine ziemliche Herausforderung an den Leser, die unterschiedlichen Stile im Wechsel einzubringen.

Und wie, um Himmels Willen, meldet sich wohl eine Komapatientin zu Wort? In einer Art Traumdarstellung? Ja, das kommt dem Part, der ihr zugedacht ist, schon ziemlich nahe. Sie können sich nichts darunter vorstellen? Ein Grund mehr, dieses Buch zu lesen, das von Musik und Liebe lebt. Vor allem von der Liebe zu Giorgia, die bei allen drei Männern durchaus noch vorhanden ist, obwohl der Leser schnell begreift, dass Giorgia alles andere als eine unkomplizierte Person ist. Ebenso wie die drei Männer übrigens und ebenso sind alle drei Beziehungen, die uns vor allem aus der Sicht des jeweiligen Mannes transportiert werden, ausgesprochen komplex.

Und es entstehen neue Beziehungsgeflechte - unter den Männern, aber auch jeweils zu Giorgia, die nun in einem anderen Licht betrachtet werden muss. Geheimnisse treten zutage, schockierende Überraschungen, aber auch sehr Menschliches.

Die in diesem Buch gezeichneten Charaktere sind allesamt überaus komplex, ja provokant und wie dazu gemacht, den Leser an seine Grenzen zu bringen, ebenso wie die Handlung.

Ein mutiger Roman und damit einer, der auf jeden Fall polarisiert. Ich finde, die Lektüre hat sich gelohnt!

Veröffentlicht am 26.01.2018

Allzeit bereit!

Die Herzen der Männer
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So die Losung der Pfadfinder, deren Grundsatz - in unterschiedlichen Formulierungen dargelegt - Gutes zu tun lautet. In die "Herzen der Männer" werden gleich drei Gerationen von Pfadfindern vorgestellt. ...


So die Losung der Pfadfinder, deren Grundsatz - in unterschiedlichen Formulierungen dargelegt - Gutes zu tun lautet. In die "Herzen der Männer" werden gleich drei Gerationen von Pfadfindern vorgestellt. Die Handlung des Romans findet auf drei zeitlichen Ebenen - in den Jahren 1962, 1996 und 2019 - statt, wobei die Geschicke der Protagonisten Nelson Doughty und Jonathan Quick in allen drei Teilen eine Rolle spielen - wir begleiten diese beiden Männer von ihrer Jugend an durchs Leben, doch stehen sie nicht immer im Mittelpunkt, geben sozusagen die Staffel an die nächste und übernächste Generation weiter.

Und durch all die Generationen hindurch finden sich Verbindungen zur Pfadfinderbewegung, die in jedem Teil einer Rolle spielt, auch wenn diese mit der obengenannten Losung und den Grundsätzen meistenteils recht wenig zu tun hat. Es ist keine harmonische Gesellschaft und es sind auch keine glücklichen Familien, die hier dargestellt werden, nein, schon als junge Pfadfinder haben Nelson und Jonathan wie auch die ihnen folgenden Generationen zu kämpfen und das zieht sich weiter durchs ganze Leben hindurch. Alles andere als eine Idylle also, die der Autor Nickolas Butler hier zeichnet - übrigens stilistisch absolut gekonnt, eindringlich und auch mitreißend.

Auch wenn mir vieles, was ich las - ja, lesen musste - konnte ich das Buch kaum aus der Hand legen, so hatte mich die Handlung gepackt. Und immer wieder gab es auch Szenen der Wärme, des Zusammenhalts, die aber wieder und wieder von derart schockierenden Ereignissen und Entwicklungen abgelöst wurden, dass es mich beim Lesen förmlich rüttelte. Ja, es ist starker Tobak, der hier serviert wird - doch bleibt zum Ende hin die Hoffnung.

Ein Buch, in dem es auch brutal zugeht und in dem nur selten leise, sensible Töne angeschlagen werden, das aber dennoch in die Tiefe geht. Wer nicht nur Romane lesen will, in denen eine friedliche Stimmung transportiert wird, wer bereit ist, zusammen mit dem großartigen Autor ans Eingemachte zu gehen - für den ist dieses Buch. Für mich war es manchmal ein bisschen "too much", doch das liegt im Auge des Betrachters.

Veröffentlicht am 12.01.2018

Davon geht die Welt nicht unter

Der Untergang der Habsburgermonarchie
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ist ein Schlager, der aus meiner Sicht kein Gehalt hat, es wird einfach etwas dahingesagt. Damit stellt er das Gegenteil zum vorliegenden Werk zum Untergang der Habsburgermonarchie dar. Die Welt der Habsburger ...

ist ein Schlager, der aus meiner Sicht kein Gehalt hat, es wird einfach etwas dahingesagt. Damit stellt er das Gegenteil zum vorliegenden Werk zum Untergang der Habsburgermonarchie dar. Die Welt der Habsburger ist nämlich sehr wohl untergegangen und zwar nicht nur aus einem Grund, sondern aus mindestens sieben (hauptsächlichen) Gründen, wie das Fazit am Ende der Ausführungen belegt. Doch es gibt viel "dazwischen", also vieles, das dazu beitrug und überaus lesenswert ist.

Dem Autor Hannes Leidinger fehlt die Leichtigkeit vieler angelsächsischer Autoren, die es fertig bringen, ein historisches Sachbuch wie einen spannenden Roman zu formulieren, den man nicht aus der Hand legen kann. Hier habe ich mich mit der zweifellos sowohl interessanten, auch aufschlussreichen und Neues offenbarenden Lektüre ziemlich schwer getan, denn spannend war sie ganz gewiss nicht. Zumindest nicht aus meiner Sicht.

Und das, obwohl grandiose Ansätze durchaus vorhanden waren, wie zum Beispiel gleich zu Beginn des Buches die Darstellung der realen Ereignisse aus der Sicht von Ulrich, der Hauptfigur in Robert Musils "Mann ohne Eigenschaften", also einem fiktiven Kind der Zeit. Doch Einflüsse germanischer Gründlichkeit haben eindeutig überwogen und machen das Werk zu einem ausführlichen und überaus fundierten Werk über die Habsburgermonarchie, zu einem modernen Werk, das Ursachen, Einflüsse und Entwicklungen prüft und in Frage stellt.

Ein wirklich wichtiges Werk der neuesten Geschichtsschreibung also, das jeder Historiker, der sich mit diesem Thema beschäftigt zur Hand nehmen sollte. Und nicht nur einmal. Denn es hat das Zeug zu einem Handbuch der österreichischen Geschichte, also zu einem Werk, das Kenner und Schätzer nicht wieder aus dem Regal lassen sollten. Und sicher auch das Zeug dazu, ausgiebig diskutiert zu werden, also ein Werk, das jahrzehntelang nachhallen wird. Mindestens.

Für Laien ist es eher nichts, außer für solche, die sich sehr für die Habsburger und für österreichische Geschichte interessieren und auch schon einige Vorkenntnisse haben. Andere werden sicher enttäuscht sein und das wäre schade angesichts eines so sach- und fachkundigen Werkes.

Veröffentlicht am 11.01.2018

Liebe und Treue

Olga
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das sind zwei Begriffe, die Olga prägen, nicht zuletzt die Treue zu sich selbst und zu ihren Ansichten.

Eine Jugend in schweren Zeiten ist es, die Olga erlebt, in der es sie von Schlesien nach Pommern ...

das sind zwei Begriffe, die Olga prägen, nicht zuletzt die Treue zu sich selbst und zu ihren Ansichten.

Eine Jugend in schweren Zeiten ist es, die Olga erlebt, in der es sie von Schlesien nach Pommern verschlägt, in der sie Herbert und Viktoria kennenlernt. Die sind auch anders, aber anders anders als Olga - während diese schon immer knapsen musste, sind die beiden Geschwister reich, zumindest wohlhabend. Und irgendwann wird dies für Viktoria auch wichtiger als die Freundschaft zu Olga. Aber nicht für Herbert. Der hält ihr die Treue.

Olga ist anders, sie schaut gern zu, zumindest als Kind. Auch später hat sie Spaß am Schauen, aber nicht am Zuschauen, denn sie weiß genau, was sie will und hat ihren eigenen Kopf: Sie setzt sich schon früh gegen ihre Großmutter zur Wehr, die sie zu einer Helga, einer mit einem deutschen Namen machen will und sie bemüht sich eigenmächtig um eine Stelle an einer weiterbildenden Schule.

Sie schafft es, Lehrerin zu werden. Aber schafft sie es auch, ihren Traum von einem Leben mit Herbert zu verwirklichen?

So viel sei gesagt: Olga ist ein aufrechter Mensch und sie bleibt es, auch wenn sie in ihrem langen Leben viele Verluste, bspw. den ihres Gehörs, hinnehmen muss. Olga ist ein stiller Mensch, aber keiner, der ungesehen und ungehört bleibt. Und einer, der fast das ganze 20. Jahrhundert miterlebt - zumindest bis in die 1970er Jahre - und sich so seine Gedanken darüber macht. Bernhard Schlink beschreibt ihr Leben und das Drumherum behutsam, wie es so seine Art ist und hat mit "Olga" einen eindringlichen Roman geschaffen, in dem er einmal mehr Frauen eine Stimme gibt.

Eine ganz andere, als es im "Vorleser" der Fall war, gewissermaßen eine alltäglichere. Aber sich darauf zu verlassen, dass Olga im Romanverlauf so bleibt, wie wir sie kennengelernt haben, das wäre falsch. Denn wer die Romane von Bernhard Schlink kennt, weiß, dass er immer für eine Überraschung gut ist, auch wenn Teile davon diesmal sehr vorhersehbar sind.

Dennoch ein Lesegenuss, wenn man den eher zurückgenommenen, aber keineswegs zurückhaltenden Stil des Autors so wie ich zu schätzen weiß! Auch Deutsch- und Geschichtslehrer könnten hier hellhörig werden, bietet doch dieser in Stationen deutscher Entwicklungen im 20. Jahrhundert eingebettete Roman jede Menge Stoff für Diskussionen und weitere Recherchen!