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Veröffentlicht am 30.12.2017

Krimi mit Stil

Die satten Toten
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...wenn auch mit einigen Unwägbarkeiten und zahllosen offen gelassenen Fragen! Nun, niemand ist perfekt - auch nicht Karl Kane, der glücklose Privatdetektiv mit seinen Dauerproblemen - schmerzenden Hämorrhoiden, ...

...wenn auch mit einigen Unwägbarkeiten und zahllosen offen gelassenen Fragen! Nun, niemand ist perfekt - auch nicht Karl Kane, der glücklose Privatdetektiv mit seinen Dauerproblemen - schmerzenden Hämorrhoiden, einer gescheiterten Ehe, schwierigen Beziehungen zu Tochter und Lebensgefährtin - und sein Autor Sam Millar. So weist das vorliegende Werk, der 2. Band um Kane, einige Schwachstellen auf, besticht jedoch durch Stil, Charme und Gefühl... eine Seltenheit bei einem richtig harten Krimi bzw. Thriller!

Der Autor hat erneut ein spannendes Werk, das in der wohl zerrissensten Stadt Westeuropas, in Belfast spielt, vorgelegt: Wieder pflastern Leichen den Weg von Karl Kane, einem ehemaligen Polizisten und Detektiv, der in echter Noir-Manier daherkommt und dem auch diesmal neben einem Hauch von Coolness die Rolle des Losers zunächst scheinbar unabdingbar anhaftet.

Diesmal gerät Kane in die Ermittlungen um entführte, gefolterte und qualvoll ermordete Mädchen - die zudem vor ihrem Tod noch zwangsgemästet wurden. Kane ist eine Art Unglücksrabe unter den Detektiven: es mangelt ihm an Geld, er ist getrennt von Frau und Tochterund nicht gerade erfolgreich als Detektiv - und vor allem: er wird von der Welt nicht so recht verstanden. Auch Naomi, seine junge und hübsche Geliebte, die ihn zudem bei der Arbeit unterstützt, reagiert zunehmend verständnisloser. In einigen Facetten erschien mir die Figur des Karl Kane als eine Art männliche Claire DeWitt, Heldin der außergewöhnlichen Krimis von Sara Gran.

Die brutale und spannende Geschichte wird stilvoll, eloquent und mit Gefühl und Charme erzählt, wodurch auch ein wenig zartbesaitetere Leser wie ich bei der Stange bleiben, obwohl es gnadenlos zur Sache geht. Karl Kanes Feldzug gegen den brutalen Killer ist in bester Noir-Manier, stilvoll, teilweise kühl und meist wie aus der Ferne geschildert - für Freunde knallharter, moderner Thriller, die mittendrin sein möchten, vielleicht ein wenig zu manieriert, für Liebhaber des gehobenen Erzählstils, feiner literarischer Anspielungen und gekonnt gewählter, immer passender und spitzfindiger Zitate - die am Anfang jedes Kapitels stehen und für mich einen besonderen Leckerbissen darstellen - jedoch genau das Richtige. Allerdings bleibt leider doch einiges offen, anderes wiederum ist nicht ganz nachvollziehbar von der Logik her.

Veröffentlicht am 30.12.2017

Ein menschenscheuer antiquarischer Buchhändler

Das Buch der Fälscher
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... aus einem kleinen Ort in den Staaten, der gerade den für ihn größtmöglichen Verlust - nämlich den Krebstod seiner über alle geliebten Frau Amanda - erlitten hat, gerät durch einen Zufall in einen ganzen ...

... aus einem kleinen Ort in den Staaten, der gerade den für ihn größtmöglichen Verlust - nämlich den Krebstod seiner über alle geliebten Frau Amanda - erlitten hat, gerät durch einen Zufall in einen ganzen Strudel von Ereignissen. Er tätigt einen Fund, der sein ganzes Leben verändern sollte - und zwar das bereits vollendete bzw. seinen Blick auf dieses wie auch das zukünftige.

Dies geschieht in England, wo Peter Byers - so der Name des akademisch gebildeten Buchhändlers - schon mit seiner Frau Amanda, die einer berühmten Dynastie von Buchsammlern entstammte und deren Großmutter die Bibliothek der Universität, an der sie ihren späteren Mann kennenlernte, oft war und nach Büchern suchte.

Die Geschichte spielt in drei zeitlichen Ebenen: einmal in den 1980er Jahren in den Staaten, dann 1994/5 hauptsächlich in England und in einemvom 16. bis zum 19. Jahrhundert reichenden Rückblick, im dem die Geschichte von Peters Fund quasi von hinten aufgerollt wird und ist - dieses ist ihr ganz, ganz großes Plus - ausgesprochen atmosphärisch und mitreißend geschildert, die Charaktere werden eindrücklich skizziert, so dass der Leser sie bildhaft vor Augen hat. Der Leser findet sich wieder im England der Shakespeare-Zeit, des 18. und 19. Jahrhunderts... und liegt quasi mit Peter und Amanda im Bett bzw. in der Bibliothek, wo sich einige der - nicht zu aufdringlich geschilderten - Liebesszenen abspielen.

Keine Frage, Charlie Lovatt kann schreiben und ihm ist ein emotionales und mitreißendes Buch gelungen, das an keiner Stelle kitschig ist. Mit wenigen Worten vermag er den Leser so auf das Setting einzustimmen, mit der jeweiligen Szenerie vertraut zu machen, dass man sich sofort einfindet. Aber leider ist das Ende, die Auflösung lange nicht so rund wie der Rest des Romans. Peters Handlungen habe ich als teilweise widersprüchlich und seinem sehr zurückhaltenen Naturell entgegenstehend empfunden, auch die Einbindung weiterer Akteure, vor allem der Schuldigen, war nicht ganz so glatt. Über das letzte Drittel des Romans erfasste mich also ein ungutes Gefühl, das sich kontiuierlich steigerte - aber selbst dieses vermochte den Genuß, den der überwiegende Teil des Buchs mir bereitet hat, nicht auszulöschen!

Veröffentlicht am 30.12.2017

Ein Auswärtsspiel mit Volltreffer

Almuth spielt auswärts
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zumindest in erotischer Hinsicht und noch dazu mit einem 15 Jahre jüngeren Mann - das gelingt der fußballverrückten Haus- und Ehefrau Almuth unerwarteter- und unfreiwilligerweise bei einer Reise mit ihren ...

zumindest in erotischer Hinsicht und noch dazu mit einem 15 Jahre jüngeren Mann - das gelingt der fußballverrückten Haus- und Ehefrau Almuth unerwarteter- und unfreiwilligerweise bei einer Reise mit ihren Freundinnen - alle drei um die 60 - in die Schweiz. Ansonsten werfen die Erlebnisse eher Fragen in ihr auf - wie weit wird, wie weit kann Almuth gehen?

Ein lustiges, ein ungewöhnliches Buch mit einer sensationellen Protagonistin - der ältlichen Almuth, seit 33 Jahren mit dem Lehrer Günther verheiratet und Mutter von Karsten - und seit Jahren Riesenfan vom FC Barcelona, wegen dem sie sich sogar ein paar Brocken Spanisch angeeignet hat. Doch es sind Träume, die Almuth in ihrem festgefahrenen Alltag hegt - Träume, die Schäume bleiben, oder die sich zu etwas Konkretem verfestigen.

Almuth und ihre Freundinnen wie auch die anderen Figuren sind mit viel Humor gezeichnet, aber bei jeder steckt was dahinter - gekonnt vermengt Autorin Ernstes und Lustiges zu vielschichtigen, komplexen Charakteren, die einen zwar humorvollen, doch alles andere als oberflächlichen Roman , der leider einige Längen aufweist, bevölkern. Eine Autorin, die Botschaften zu versenden hat, die betonen will, dass es wichtig ist, das Gute im Leben zu erkennen und zu genießen und sich selbst nicht nur in Ausnahmefällen etwas zu gönnen - kurzum, sich selbst zu lieben oder zumindest zu achten.

Ein liebenswerter Roman vor allem für Damen in der zweiten Lebenshälfte, den ich sicher häufiger verschenken werde - an alle in meinem Umfeld, denen ich einen Freude machen möchte und die gut, aber nicht ohne Anspruch unterhalten werden wollen.

Veröffentlicht am 30.12.2017

Mutterliebe

Das Licht zwischen den Meeren
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... das ist nicht das einzige, aber eines des zentralen Themen, um die es in diesem Buch geht. Die anderen sind Verlust, Glück, Lüge, Verrat und vor allem Gewissen und Liebe ganz im Allgemeinen.

Die Geschichte ...

... das ist nicht das einzige, aber eines des zentralen Themen, um die es in diesem Buch geht. Die anderen sind Verlust, Glück, Lüge, Verrat und vor allem Gewissen und Liebe ganz im Allgemeinen.

Die Geschichte ist eine alltägliche, ja fast beiläufige: Auch Australien hat unter dem ersten Weltkrieg gelitten und viele seiner Söhne verloren. Die, die zurückkehren, tragen häufig eine schwere Last wie auch Tom Sherbourne, der durch einen Zufall Leuchtturmwärter wird und entdeckt, dass dies nicht nur ein Beruf, sondern eine Berufung sein kann: besonders, als die Liebe bei ihm einkehrt und er sich mit seiner Frau Isabelle eine gemeinsame Existenz auf der kleinen Insel Janus Rock aufbaut. Es folgen Tage der Zweisamkeit, Tage voller Glück - bis Isabelle eine Fehlgeburt nach der anderen erleidet und zunehmend an ihrer Kinderlosigkeit verzweifelt. Bis eines Tages ein Boot mit der Leiche eines Mannes und mit einem sehr lebendigen Baby angeschwemmt wird. Aus dem kleinen Mädchen wird Lucy, aus dem Ehepaar eine Familie... doch dieses Glück, das auf einer Lüge basiert, hat keinen Bestand...

Häufig mitreißend, hin und wieder an der Grenze zum Kitschigen vorbeistreifend und nicht ohne teilweise erhebliche Längen erzählt die australische Autorin M.L. Sherman die Geschichte von Tom, Isabelle und Lucy... und von Hannah, Lucys wahrer Mutter. Die Stärke der Autorin liegt in der Kraft ihrer atmosphärischen Schilderungen, mit denen sie den Leser mühelos in das Australien der späten 1920er Jahre versetzt und ihm scheinbar nebenher eine Reihe interessanter und relevanter historischer Informationen vermittelt. Die Geschichte selbst hätte von Zeit zu Zeit ein wenig mehr Kraft gebrauchen können, doch insgesamt ist die behutsame Schilderung der verschiedenen Positionen, der Begründung der unterschiedlichen Handlungsweisen aller beteiligten Charaktere durchaus gelungen. Der Leser muss sich zunächst daran gewöhnen, dass die Autorin die Figuren nicht nach ihren Charakteren, sondern durch ihre Handlungsweisen, ihre Motivation beschreibt. Ein interessanter Ansatz - wenn man sich denn an ihn gewöhnt hat. Was ist richtig - was ist falsch? Das ist hier die zentrale Frage, die sich für nahezu jede Figur unterschiedlich beantworten lässt.

Ein Roman, der zum Nachdenken veranlasst und insgesamt ein lesenswertes Buch über die großen Gefühle im Leben eines jeden Menschen - nicht nur in Australien!

Veröffentlicht am 30.12.2017

Eine verbotene Liebe

Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert
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..steht im Mittelpunkt dieses ungewöhnlichen und auf gewisse Art sicher auch herausragenden Werkes des jungen französischen Schriftstellers Joel Dicker.

Um was geht es? Zunächst um die Rettung eines Meisters, ...

..steht im Mittelpunkt dieses ungewöhnlichen und auf gewisse Art sicher auch herausragenden Werkes des jungen französischen Schriftstellers Joel Dicker.

Um was geht es? Zunächst um die Rettung eines Meisters, nämlich der Rettung von Marcus' ehemaligen Professor Harry, der eines Mordes angeklagt ist, der lange zurückliegt: des Mordes an seiner Gespielin, angeblich seiner großen Liebe Nola, die Ende August 1975 im Alter von nur 15 Jahren - Harry selbst war damals bereits 34 - auf Nimmerwiedersehen verschwand. Ihre sterblichen Überreste nämlich finden sich in Harrys Garten, er tut unschuldig und ist doch sooo verdächtig.

Sein ehemaliger Student Marcus - ein junger Erfolgsautor, dessen erster Roman eingeschlagen hat wie eine Bombe und von dem nun mehr erwartet wird, versucht sich in der Wahrheitsfindung. Er will einfach nicht glauben, das der von ihm so bewunderte Harry, selbst Autor eines unglaublichen Werkes, ein Mörder sein soll....

Geschäfttüchtige Agenten und Verleger bringen ihn dazu, aus diesem Stoff seinen neuen Roman zu machen und bewerben diesen - es ist das Jahr 2008 - bereits lange vor seinem Erscheinen aufs Heftigste. Ganz USA hat schon lange vor der Fertigstellung davon gehört - und Marcus steht unter Zugzwang. Zudem möchte er natürlich Harry, seinem Freund und Mentor, helfen.

Es gibt eine Menge Maine, einen verschrobenen Autor, verschiedene schräge bzw. ungewöhnliche und gut dargestellte Charaktere ... und den Boxsport. Wiederholt stellte sich mir während des Lesens die Frage, ob Dicker und ich nicht etwa denselben Lieblingsautor - nämlich den großen John Irving - haben und ob er sich nicht hat beeinflussen lassen - sowohl vom Setting - der Roman spielt in Maine, obwohl der Autor Franzose ist - als auch von der Themenwahl und der Person Irvings. Boxen spielt hier eine nicht unwesentliche, nicht immer jedoch sinnvoll eingebrachte Rolle - und ließ mich an das Ringen, das bei irving immer wieder Thema ist, denken. Und bei der Entwicklung der Figur Harry könnte es Anleihen an die reale Person Irving geben, wenn auch diese - gottseidank - eine nicht annähernd so tragische Gestalt ist. Und immer wieder stellte sich mir die Frage der Authentizität - wie gut kennt der Franzose Dicker die USA und speziell Maine wirklich? Basiert das alles auf Rezipiertem, auf Recherchiertem oder auf Erdachtem. Insgesamt ein toller Roman - wenn auch aus meiner Sicht mit einigen Schwachstellen hinsichtlich Logik und Glaubwürdigkeit - auch einiger Klischees hat sich der Autor fleißig bedient..

Aber Joel Dicker kann schreiben wie ein junger Gott - herrlich die Verschachtelung des entstehenden Romans mit dem vorliegenden Werk, der Tragödie um Harry und Nola! Ein Buch, das auf jeden Fall lohnenswert ist, auch wenn ich Ihnen nicht versprechen kann, dass Sie sich überhaupt nicht ärgern!