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Veröffentlicht am 15.12.2017

Wunderschön und traurig zugleich

Wie das Licht von einem erloschenen Stern
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“Wie das Licht von einem erloschenen Stern” von der dänischen Autorin Nicole Boyle Rødtnes ist ein Roman über ein Thema, das es so im Jugendbuch noch nie gab: Aphasie. Der Verlust von Sprache. Die Hauptfigur ...

“Wie das Licht von einem erloschenen Stern” von der dänischen Autorin Nicole Boyle Rødtnes ist ein Roman über ein Thema, das es so im Jugendbuch noch nie gab: Aphasie. Der Verlust von Sprache. Die Hauptfigur kann nach einem Unfall weder lesen, schreiben, noch sprechen. Ein authentisches, sehr eindringlich erzähltes Buch über ein Mädchen, das ungewollt zur Außenseiterin wird. Jetzt neu als Taschenbuch. Für Jugendliche ab 14 Jahren.

Die 17-jährige Vega ist auf einer Party gestürzt. Sie ist in ein Schwimmbecken gefallen und hat sich den Kopf angeschlagen. Ertrunken. Man musste sie wiederbeleben. “Ich kam in einem Krankenhausbett zu mir. Gehirnblutung. Sprachzentrum beschädigt. Aphasie. Die Ärzte haben immer wieder versucht, mir das zu erklären. Meine Sprache ist zerbrochen. Wenn ich den Mund öffne, kommt nur ein Wörterwirrwar heraus.” (Zitat aus “Wie das Licht von einem erloschenen Stern” S.8) Mittlerweile versteht Vega wieder, was die anderen um sie herum sagen, doch sie selbst kann — bis auf einzelne Wörter — kaum mehr sprechen. Lesen geht etwas, schreiben überhaupt nicht. Wenn ihr Freund Johan ihr eine Nachricht schreibt, kann sie diese mit Mühe entziffern, aber nicht antworten. Er kommt überhaupt immer seltener bei ihr vorbei. Wenn ihre beste Freundin Ida sie besucht, schaffen sie es vielleicht gerade so eine Stunde auf umständliche Weise miteinander zu kommunizieren, ehe Vega wieder alleine gelassen wird. Und alleine, das ist das junge Mädchen nun oft. Der Unfall hat ihr ganzes Leben verändert. Zur Schule gehen kann sie nicht mehr. Die Abiturvorbereitungen laufen ohne sie. Einmal in der Woche kommt jetzt eine Frau vorbei, die das Sozialamt bezahlt, die mit ihr übt wieder richtig sprechen zu lernen. Doch Vega macht kaum Fortschritte. “Als sie weg ist, gehe ich zum Computer, wo noch immer das Sprechtraining angezeigt wird, wie eine dunkle Gewitterwolke aus schlechtem Gewissen. Ich müsste mehr üben, aber ich bringe es einfach nicht über ich mich. Ich rolle mich auf dem Bett zusammen. Der Mittagsschlaf ist jetzt alltäglich. Er hilft mir, die Zeit herumzubringen.” (Zitat S.15) Zudem hat Vega immer öfters Albträume, in denen sie von dem Unfall träumt. Warum träumt sie auf einmal von jemanden, der ihr bei ihrem Sturz zusieht? Jemandem, der sie hineinstößt in das Schwimmbecken? War der Unfall vielleicht gar kein Unfall? Zusammen mit Theo, der ebenfalls unter Aphasie leidet, und den sie bei einem Treffen einer Selbsthilfeorganisation kennenlernt, versucht sie die Wahrheit herauszufinden…

“Wie das Licht von einem erloschenen Stern” fällt sogleich auf durch sein außergewöhnlich schön gestaltetes Cover auf. Ein wahrer Hingucker! Das Schriftbild des Titels hat es mich irgendwie gleich an “Das Schicksal ist ein mieser Verräter” von John Green denken lassen. Hierzu gibt es auch inhaltlich eine Parallele: so lernen sich Vega und Theo ebenso wie Hazel und Augustus durch eine Krankheit in einer Selbsthilfegruppe kennen. Der Titel ist sehr passend gewählt, berücksichtigt man, dass Vegas Vater seine Tochter nach einem Sternenbild benannt hat und selbst beruflich in der Astronomie tätig ist. Der Vergleich Vegas mit einem erloschenen Stern symbolisiert zudem ihr gesellschaftliches “Nichtmehrdazugehören” sehr gut.
Der Roman wird durchgehend aus der Ich-Perspektive und aus Vegas Sicht geschildert. Das Buch ist in Kapitel unterteilt und die erste Passage jedes Kapitels ist ein kursiv gedruckter Abschnitt, der in Rückblenden von dem Unfall, Vegas Erwachen im Krankenhaus und ihrer darauf folgenden Krankheitsgeschichte erzählt. Die Sprache ist einfach und liefert doch ab und zu eine Mischung aus Poesie und jugendsprachlicher Unverblümtheit:“Er hat alles getan, um mich zu retten, und jetzt… jetzt habe ich manchmal das Gefühl, es wäre besser für ihn, wenn ich nicht überlebt hätte. Dieses Gefühl ist so stark, dass es mein ganzes Inneres überflutet, und ich kann es nur verjagen, wenn Johan ganz dicht bei mir ist. Deshalb küsse ich ihn. Und aus Küssen werden Liebkosungen. Und obwohl ich gar keine Lust auf Sex habe, lasse ich mich von ihm von hinten vögeln.” (Zitat S.56). Sehr bewegend schildert Nicole Boyle Rødtnes auch die Schwierigkeiten, die mit Vegas Krankheit einhergehen. Die Verzweiflung, die das Mädchen erfüllt, die Hilflosigkeit und die Wut darüber, sich nicht verständlich machen zu können. Sehr verständlich für den Nicole Boyle Rodtnes Wie das Licht von einem erloschenen SternLeser wiederum, wird dies in folgender Szene dargestellt, als Vegas Freundin Ida ihr von einer Party erzählt, auf der sie war und auf der ein Mädchen einen sehr kurzen Rock trug: “Wie kurz war denn ihr Rock?”, fragte ich. Oder genauer gesagt, ich glaube, das gefragt zu haben, aber das Runzeln auf Idas Stirn sagt mir, dass etwas anderes aus meinem Mund gekommen ist. “Wie kost war das Fest?”, wiederhole ich, und jetzt höre auch ich, dass es nicht richtig war. “Was der Eintritt gekostet hat?”, fragt Ida. […] Ich schüttele den Kopf. “Wie kost war das Fest?”, frage ich noch einmal und versuche, es mit den Händen zu demonstrieren. […] “Wie viele da waren?” Ich schüttele den Kopf. “Auch egal”, sage ich. Die Wut hämmert hinter meiner Stirn. Blöder Drecksmund und Scheißohren, nie können sie etwas richtig machen.” (Zitat S.13) Die Autorin hatte selbst einen Aphasie-Fall in ihrer Familie, der sie dazu bewegte über dieses noch eher unbekannte Thema einen Roman zu schreiben. Das ist ihr auf sehr eindrucksvolle Weise gelungen. Die Geschichte regt auf jeden Fall zum Nachdenken an. Wie würde man selbst mit so einer Krankheit umgehen? Wie mag es für einen Menschen sein, der sich seiner Außenwelt nicht mehr richtig mitteilen kann? Und wie wichtig ist Kommunikation für die seelische Zufriedenheit? Aphasie ist eine Krankheit mit einem ungewissen Verlauf. Diese Erfahrung müssen auch Theo und Vega machen, zwischen denen sich bald eine zarte Liebe entwickelt. Jedoch lernen sie, dass man gemeinsam mit manchen Schwierigkeiten immer besser fertig wird, als alleine.

Veröffentlicht am 15.12.2017

Leichte Unterhaltung

Bad Boys and Little Bitches
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Der deutsche Autor Andreas Götz hat nach einigen Jugendthrillern mit “Bad Boys & Little Bitches” einen Roman mit Soapcharakter geschrieben. Eine Geschichte über Freundschaft, Manipulation und Rache. Der ...

Der deutsche Autor Andreas Götz hat nach einigen Jugendthrillern mit “Bad Boys & Little Bitches” einen Roman mit Soapcharakter geschrieben. Eine Geschichte über Freundschaft, Manipulation und Rache. Der erste Band einer geplanten Trilogie. Flott erzählt und sehr unterhaltsam. Für alle Fans von “Pretty Little Liars” und “Gossip Girl”. Für Jugendliche ab 14 Jahren und interessierte Erwachsene.

Sie sind die besten Freunde. Wie ein vierblättriges Kleeblatt: Finn, Lissy, Elif und Leon. Alle 17 Jahre alt. “Erst waren es nur Finn und Lissy gewesen, dann hatte sich Lissy beim Ballettunterricht mit Elif angefreundet und Finn mit Leon in der Schule, obwohl die beiden total verschieden waren. […] Es hatte sofort zwischen allen gepasst, sie waren vier Räder an einem Wagen. Freunde, die im Ernstfall füreinander durchs Feuer gingen.” (Zitat S.5ff) Elif hat nach einer wilden Phase streberische Ambitionen entwickelt und ist stets fleißig am lernen, aber seit Neuestem hat sie einen Verehrer. Finn ist witzig, nie um einen Spruch verlegen und liebt die Musik. Leon ist manchmal ein bisschen depressiv, raucht zu viel Gras und ist dennoch für die anderen der Fels in der Brandung.
Und Lissy, die das Theaterspielen liebt, ist heimlich in ihren Lehrer verliebt. Doch dann kommt Vanessa neu an ihre Schule: “Als er in die Aula kam, fiel ihm sofort dieses Mädchen auf, das er noch nie zuvor in der Schule gesehen hatte. Lange blonde Haare mit einem leichten Stich ins Rötliche, tolle Figur, große Augen in einem bezaubernden Gesicht…” (Zitat S.29)

Sie schließt sich der Gruppe an. Und verändert alles. Irgendwie steht sie ständig im Mittelpunkt, gibt den Ton an und schafft es sogar, dass die Freunde ihr Stammlokal wechseln. Leon gefällt das nicht und so ruft er die Clique zum Krisengespräch zusammen — ohne Vanessa. Sie wollen sie aus dem Freundeskreis drängen, allerdings erst nach der legendären Spring Break Party, zu der sie alle fahren wollen, und deren Reise Vanessa organisiert hat. Nichts ahnend, dass diese schon längst weiß, was die Jugendlichen vorhaben. Und die im Verborgenen einen tollkühnen Racheplan schmiedet. Denn wer sich einmal gegen Vanessa stellt, der wird dies ewiglich bereuen…

“Bad Boys & Little Bitches” ist ein Roman mit einer besonderen Erzählart: ein auktorialer Berichterstatter beschreibt die Geschehnisse, wechselt die Perspektiven auch mitten im Fließtext, um eine andere Perspektive darzustellen. Auch Zeitsprünge sind hierbei möglich. Ein bisschen wirkt der erste Teil einer geplanten Reihe daher wie eine Soap, die mit distanziertem, neutralem Blickwinkel von ihren Hauptfiguren berichtet. Und auch wenn die Geschichte leider etwas an der Oberfläche bleibt, zieht sie einen dennoch unweigerlich in einen Sog. Was hat Vanessa vor? Werden die anderen ihr auf die Schliche kommen? Und was wird auf dieser legendären Party passieren? Das Buch liest sich temporeich und unterhaltsam. Das offene Ende macht neugierig auf die Fortsetzung.

Warum eigentlich “Bad Boys & Little Bitches”? Das ist der Name der WhatsApp-Gruppe, die die Freunde gegründet haben. Kennt man die Charaktere nicht genauer, klingt der Titel toll, betrachtet man jene und ihre Eigenschaften jedoch etwas genauer, wirkt er nicht besonders passend und leider etwas gekünstelt. Das Cover hingegen ist irgendwie ein Hingucker!

Fazit: Leichte Unterhaltung zum Einfach-so-runterlesen.

Veröffentlicht am 15.12.2017

Leider einige inhaltliche Schwächen

Die Seele meiner Schwester
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“Die Seele meiner Schwester” von der amerikanischen Autorin Trisha Leaver ist ein Thriller über eine Schwesternbeziehung. Eine Geschichte über einen unerwarteten Identitätstausch, ein großes Geheimnis ...

“Die Seele meiner Schwester” von der amerikanischen Autorin Trisha Leaver ist ein Thriller über eine Schwesternbeziehung. Eine Geschichte über einen unerwarteten Identitätstausch, ein großes Geheimnis und die Suche nach der Wahrheit. Flüssig und unterhaltsam geschrieben. Für Jugendliche ab 13 Jahren und für interessierte Erwachsene.

Sie sind Zwillingsschwestern. Ella und Maddy. Optisch sind sie nur durch einen klitzekleinen Leberfleck an der Stirn zu unterscheiden. Charakterlich trennen sie jedoch Welten voneinander. “Maddy trug Röcke und Stöckelschuhe und glättete sich die Haare, ich trug am liebsten Jeans und T-Shirt und Pferdeschwanz. Sie ging freitagabends auf Partys und ließ keinen einzigen Schulball aus. Ich saß mit Mikrowellen-Popcorn auf der Couch und guckte mittelmäßige Horrorfilme.” (Zitat S.11). Ella ist ruhig und introvertiert, schreibt gute Noten und liebt das Zeichnen. Ihre Bewerbung für eine Kunsthochschule hat sie gerade eingereicht. Maddy hat Unmengen an Freunden, einen festen Freund namens Alex und ist in der Schule eher mittelmäßig. Auch wenn sie viel Ärger macht, schafft sie es irgendwie immer sich aus der Affäre zu ziehen. Sie weiß genau, was sie sagen muss und wie sie sich verhalten muss, um ihren Willen zu bekommen. Auch Ella überredet sie ab und zu — wenn sie mal wieder für eine Klausur nicht richtig gelernt hat — für sie “einzuspringen” und sich als ihre Zwillingsschwester auszugeben: “Inzwischen war ich so gut darin, Maddy zu spielen, dass noch nicht mal ihre Freunde etwas merkten. Ich behielt meine Haare so lang wie sie und hörte auf, mir pinke Strähnen zu färben, damit ich ihr ähnlicher sah. Ich bekam auch ihre Stimme hin, wusste genau, wie ich sie heben und senken musste, um ihren sarkastischen Ton zu treffen.” (Zitat S.10ff)
So lässt sich Ella auch dazu breitschlagen ihre Schwester eines Nachts von einer Party abzuholen. Doch irgendetwas ist anders mit Maddy an diesem Abend: ihre Stimme und dass sie weint und abseits der Gäste draußen in der Dunkelheit sitzt, obwohl es regnet und sie ganz nass wird. Ella gibt Maddy Teile ihre Kleidung, bevor sie heimfahren. Sie streiten sich, ehe Ella die Kontrolle über den Wagen verliert und sich ein Unfall ereignet, bei dem Maddy ihr Leben verliert. Und Ellawird für Maddy gehalten. Das Trisha Leaver Die Seele meiner SchwesterMuttermal an ihrer Schläfe: durch Scherben und Nähte nicht mehr erkennbar. Und so trifft Ella eine folgenschwere Entscheidung: “Wenn sie wollten, dass Maddy lebte, dann würde ich dafür sorgen, dass sie es tat. Maddy verdiente die Chance zu leben, glücklich zu sein. Die Chance hatte ich ihr mit meinem wütenden Herumreißen des Lenkrads genommen. […] Ich würde es wieder gutmachen, für sie, für meine Eltern, für Alex. Ich würde mich selbst begraben und Maddy mein Leben schenken.” (Zitat S.75) Doch bald merkt sie, dass ihr Plan gar nicht so einfach ist. Denn Maddy hatte ein dunkles Geheimnis…

“Die Seele meiner Schwester” beginnt mit einem Prolog, der bereits deutlich macht, was Ella getan hat und mit welchen Schwierigkeiten sie nun rechnen muss: “Ich will Frieden schließen mit meiner Entscheidung, aber Maddys Geheimnis verfolgt mich. Hinten in ihrem Schrank sind die dunklen Seiten ihres Lebens versteckt, und niemand außer mir kann sie sehen. Sie war nicht die, für die ich sie gehalten habe, aber das ist egal. Maddy war meine Schwester, meine Zwillingsschwester, und ich werde alles für sie tun, auch wenn das heißt, mich selbst zu verlieren.” (Zitat S.5)
Die Grundidee in dem Roman, der durchgehend aus Ellas Sicht in der Ich-Perspektive geschrieben ist, ist gelungen. Die Sprache ist einfach und der Erzählstil sehr flüssig. Am Anfang wirken die Charaktere leider etwas klischeehaft, aber die Entwicklung jener wird schließlich glaubhafter und etwas greifbarer. Das Buch berichtet nicht nur von den aktuellen Ereignissen, sondern gibt auch immer wieder Erinnerungen an Ellas und Maddys gemeinsame Vergangenheit preis. Die Spannung hält sich auf einem mittleren, aber angenehmen Niveau — eine Geschichte, die man mal gut in einem Zug durchlesen kann. Ein wenig unglaubwürdig kam mir jedoch folgende Szene vor: als “Maddy” sich an den Lieblingsplatz ihrer Schwester zurückzieht (in einem Treppenhaus) und zu zeichnen anfängt. Etwas, was Maddy eigentlich nicht besonders gut konnte und besonders Ella auszeichnete:

“Ich war so versunken in meine Zeichnung, dass ich richtig zusammenzuckte, als es plötzlich klingelte. Die Tür ging auf und die wenigen Leute, die dieses Treppenhaus benutzen, liefen an mir vorbei. Ich ignorierte sie, konzentrierte mich auf das Blatt vor mir…” (Zitat S.148)

Wie kann sie riskieren sich so leicht dabei erwischen zu lassen? (was ja dann auch geschieht) Auch ihre Verhaltensweisen ihre Schwester zu imitieren, erscheinen mir manchmal nicht besonders bemüht. Das Ende wird dann zum Glück wieder richtig schön dramatisch, emotional und nervenaufreibend!

Das amerikanische Cover fand ich übrigens sehr gelungen. Schade, dass der Kosmos Verlag das nicht übernommen hat. Das deutsche wirkt einerseits faszinierend, andererseits für mich — farblich gesehen — leider auch etwas antiquiert.

Fazit: Abgesehen von ein paar inhaltlichen Schwächen ist “Die Seele meiner Schwester” ist ein Buch, das man mal gut so runterlesen kann.

Veröffentlicht am 15.12.2017

Fesselnd und mit Tiefgang

Last Exit
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Die niederländische Autorin Mirjam Mous legt mit “Last Exit: Das Spiel fängt gerade erst an” einen neuen spannungsgeladenen Thriller vor über eine Klassenfahrt, die jäh ihr Ende findet, als eine Bombe ...

Die niederländische Autorin Mirjam Mous legt mit “Last Exit: Das Spiel fängt gerade erst an” einen neuen spannungsgeladenen Thriller vor über eine Klassenfahrt, die jäh ihr Ende findet, als eine Bombe im Bus auftaucht. Eine actionreiche, aber gleichzeitig tiefgründige Geschichte, die man am liebsten in einem Rutsch durchlesen möchte! Lesetipp. Für Jugendliche ab 12 Jahren und interessierte Erwachsene.

Niederlande. Die 8c ist eine Problemklasse. Mit ihr möchte niemand unbedingt auf Klassenfahrt gehen. Doch schließlich nehmen sich die schwangere Frau Vos und Herr van Piere, der Chemielehrer, den 24 Schülern an. Es ist eine Reise nach Frankreich geplant, in die Ardennen, zum Kanufahren und Überlebenstraining. Denn Museumsbesuche und Sightseeing, das kann man mit dieser Klasse vergessen. Aber kaum sind sie losgefahren, erhalten die Schüler auf ihren Handys eine WhatsApp-Nachricht eines Unbekannten, der sie auffordert eine DVD mit gelber Hülle abzuspielen und zwar in den nächsten fünf Minuten, sonst sei hier bald die Hölle los. “Es klingt wie ein Drohbrief”, sagt Jessica und liest die Nachricht. Vos schweigt einen Moment. Dann verschränkt sie die Arme und sagt: “Ich schlage vor, dass sich der Witzbold augenblicklich meldet. Sonst ist wirklich die Hölle los.” “Und wenn es kein Witz ist?”, fragt Jessica.” (Zitat aus “Last Exit: Das Spiel fängt gerade erst an” S.20)

Und es ist tatsächlich kein Witz, das wird den Schülern rasch klar, als sie die DVD bei den anderen Filmen finden und einlegen. Eine schwarz gekleidete, unerkennbare Person hält einzelne Zettel hoch, die eindeutige Worte zeigen:

“Die Fahrt in die Ardennen findet nicht statt. […] An Bord ist eine Bombe. […] Sie geht hoch, sobald jemand versucht, den Bus zu verlassen oder zu betreten.[…] Solange ihr macht, was ich sage, seid ihr nicht in Gefahr.” (Zitat S.22ff)

Bald macht sich Panik breit. Kann es sein, dass einer von ihnen ein Bombenleger ist? Die Hinweise verdichten sich, dass einer in ihrer Klasse nicht mit offenen Karten spielt…

“Last Exit: Das Spiel fängt gerade erst an” lässt einen sofort mitten in die Geschehnisse hineinstürzen. Kein großes Vorgeplänkel, ein kurzer, prägnanter, neugierig machender Prolog und schon startet die Reise mit dem Einladen des Gepäcks und dem ersten Kennenlernen der Protagonisten. Die Hauptperspektiven nehmen hierbei zwei Jungs und ein Mädchen ein: Valentin, der “Professor” und Klügste der Klasse, dessen Mutter Polizistin ist. Driss, ein Muskelprotz und Mobber (der Valentin gerne ärgert). Und Fleur, ein Mädchen, die unter den plötzlichen Geldnöten ihrer Familie leidet. Aber auch viele Nebenfiguren kommen in einzelnen Kapiteln zu Wort. Die Handlungsstränge wechseln stetig und werden (sehr übersichtlich) mit dem Namen der gerade erzählenden Person eingeleitet und der Zeitangabe “HEUTE”. Hierbei wird die personale Erzählperspektive verwendet. Interessant wird es vor allem, wenn die Zeitangabe sich auf die Vergangenheit bezieht und Rückblenden (“Vor einem halben Jahr”, “Vor 58 Tagen”, “Gestern”) in die Geschichte mit eingeflochten werden. Mirjam Mous zeigt sich trotz natürlich ein wenig Konstruktion (die man ihr aber gerne verzeiht) - überraschend viel Tiefgang und ein ausgefeiltes Charakterkonzept, das viele — und sogar politische — Themen in das Buch einbindet. So schildert sie die Schwierigkeiten einer verschleierten, muslimischen Schülerin mit Kopftuch, die seit den Anschlägen von Paris und Brüssel regelmäßig schief angesehen wird. Aber auch die eines anderen Schülers, der mit seinem Vater gegen den Bau eines zweiten Asylheims protestiert. Ausgrenzung, Mobbing, plötzliche Armut, Krankheit — “Last Exit: Das Spiel fängt gerade erst an” hat sehr viele Möglichkeiten zur Diskussion und bietet wunderbaren Stoff für eine Klassenlektüre, während der flüssige und ergreifende Erzählstil gleichzeitig beste Unterhaltung liefert.

Fazit: Ein richtig gutes Buch! Fesselnd und mit dem richtigen Maß an Tiefgang.

Veröffentlicht am 15.12.2017

Pontenzial leider nicht ausgeschöpft

Beware That Girl
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“Beware that girl” von der kanadischen Autorin Teresa Toten ist bereits das zweite Buch, das von ihr ins Deutsche übersetzt wurde. Ein Thriller über Freundschaft, dunkle Geheimnisse und Manipulation. Ein ...

“Beware that girl” von der kanadischen Autorin Teresa Toten ist bereits das zweite Buch, das von ihr ins Deutsche übersetzt wurde. Ein Thriller über Freundschaft, dunkle Geheimnisse und Manipulation. Ein inhaltlich vielversprechend klingendes Werk, das den Leser leider doch sehr auf die Geduldsprobe stellt. Für Jugendliche ab 14 Jahren und interessierte Erwachsene.

New York. Die 18-jährige Kate vertraut niemandem. Es darf sie auch niemand anfassen. Und sie kennt nur ein Ziel: Die Universität von Yale. Das hat sie ihrer Mutter auf dem Sterbebett versprochen. Doch ein Leben in Armut, von Pflegefamilie zu Pflegefamilie, ist nicht immer einfach. Momentan lebt sie in einer ziemlichen Absteige. Aber sie hat ein Stipendium an einer renommierten Privatschule ergattert. Schreibt traumhafte Noten und arbeitet nebenbei für die Verwaltung der Schule und in einem Lebensmittelladen. Aber Kate will noch mehr: “Ich weiß, was die Welt zu bieten hat, und ich will auch ein Stück vom Kuchen.” (Zitat S.20).

Da sie lügen schon im Alter von 10 Jahren gelernt hat, beschließt sie Teresa Toten Beware that girlsich an die reiche Olivia heranzuhängen. Sie wird zu ihrer besten Freundin und schafft es von ihr eingeladen zu werden. In ihr Penthouse, das diese mit einer Haushälterin bewohnt und einem Vater, der aufgrund seiner beruflichen Reisen durch seine Abwesenheit glänzt. Olivia hat eine Vergangenheit, die niemand kennt. Sie war in einer Klinik, wiederholt jetzt das Schuljahr. Aber keiner weiß warum. Ständig schluckt sie irgendwelche Pillen:
“Olivia wollte lächeln, war sich aber nicht sicher, ob es ihr gelang. Wenn sie müde war, wurde sie nachlässig. Manchmal dachte sie, sie hätte ihre vorzeigbare Miene aufgesetzt, und dann ergatterte sie einen kurzen Blick auf sich und sah zu ihrer Verwunderung ein schönes blondes Mädchen, das aussah wie innerlich tot.” (Zitat S.104)

Doch dann taucht auf einmal der attraktive Mark an der Privatschule auf. Er ist der neue Direktor für Förderung und Öffentlichkeitsarbeit und ruft eine Fundraising-Initiative ins Leben, an der sich auch Kate und Olivia als Organisatoren beteiligen. Aber Kate hatTeresa Toten Beware that girl sofort ein ungutes Gefühl.

“Normalerweise durchschaute ich Situationen und Menschen schnell und klar, aber aus diesem Typen wurde ich nicht schlau. Was wollte er?” (Zitat S.139)
Was hat Mark vor? Und warum sind so viele Mädchen auf einmal ganz verrückt nach ihm? Einschließlich Olivia…

“Beware that girl” wartet mit einem interessanten Cover auf, das die Blicke schnell auf sich zieht. Der Verlag wirbt mit einer Mischung aus “Gossip Girl” und “Gone Girl”. Im beginnenden Prolog wird gleich klar: es wird etwas Dramatisches passieren, das zur Folge hat, das eines der Mädchen im Krankenhaus liegen und das andere an deren Seite harren wird, ehe die Polizei im Krankenzimmer auftaucht.

Der Thriller wird in sich abwechselnden Kapiteln erzählt, mal ist Kate in der Ich-Perspektive an der Reihe, mal Olivia in der etwas distanziert wirkenden personalen Erzählperspektive. Die Dialoge wirken zu Beginn etwas hölzern, das legt sich aber zum Glück recht bald. In kursiver Schrift werden immer wieder Rückblenden von Erlebnissen aus Kates Kindheit einblendet. Es liest sich interessant immer mehr über die Vergangenheit beider Mädchen zu erfahren (denn auch Kate hat einige Geheimnisse). Dennoch muss ich gestehen, dass mich die Geschichte nicht wirklich packen konnte und ich sogar mehrmals überlegte, das Buch nicht zu Ende zu lesen, da es einfach sehr zäh und langwierig geschrieben ist. “Atemlos und spannend bis zum überraschenden Ende” schreibt der Fischer Verlag in seinem Klappentext. Diese Aussage kann ich so leider nicht unterschreiben. Da ich aber irgendwie doch wissen wollte, wie es ausgeht, habe ich weitergelesen. Das Ende wird dann schon etwas dramatischer. Trotz allem tröstet es nicht über den zähen Hauptteil hinweg.

Fazit: Ein enttäuschender Thriller, der sein Potential nicht wirklich ausschöpfen kann.