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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.12.2016

Mischung schafft etwas ganz Neues

Schneewittchen strickt ein Monster
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Die Ziege Schneewittchen strickt sich Ziegenkinder. Als Frau Schaf sie ablenkt, wird aus dem achten Ziegenkind ein hungriger Wolf. Schneewittchen strickt und strickt, immer größer wird das Ergebnis. Wie ...

Die Ziege Schneewittchen strickt sich Ziegenkinder. Als Frau Schaf sie ablenkt, wird aus dem achten Ziegenkind ein hungriger Wolf. Schneewittchen strickt und strickt, immer größer wird das Ergebnis. Wie kann sie die Gefahr nur aufhalten?
Schneewittchen mit den sieben Geißlein und noch so ein paar Elementen zu vermischen, finde ich wirklich toll. Auch meine Kinder kennen die grimmschen Märchen und verstehen diese Belege. Gleichzeitig zeigt die Geschichte von der Ziege Schneewittchen so viele ganz neue Elemente, dass sie keinesfalls eine Nacherzählung oder Adaption ist, sondern eher ein Spiel mit Neu und Alt. Es gibt eine böse Hexe und auch der Wolf hat wenig mit dem bösen Märchenwolf gemein.
Dafür taucht mit Frau Schaf eine Figur auf, die Chaos hineinbringt. Sie lenkt die Ziege ab, indem sie sie beleidigt. Doch auch Schneewittchen ist keinesfalls über alle Zweifel erhaben, sie lässt sich ablenken und wird unkonzentriert. Sowohl Ziege als auch Schaf lernen aus ihren Fehlern. Das finde ich sehr sympathisch. Statt nur weiß und schwarz gewinnt diese Geschichte Tiefe und Farbe hinzu - trotz einer Ziege, die weiß ist wie Schnee.
Meine Kinder lieben die immer größer werdenden Figuren, die Schneewittchen strickt. Der Text ist crescendohaft aufgebaut, gleiche Wortfolgen, wenn die Ziege strickt und jede Menge Spannung für so ein schmales Kinderbuch. Und da der Knopf alles mit Monstern liebt, wird es momentan oft vorgelesen. Ich mag die klare Sprache ohne Verniedlichungen und die detaillierten Zeichnungen, auf denen es jede Menge zu entdecken gibt. Für alle großen und kleinen Märchenfreunde ein großer Lesespaß!

Veröffentlicht am 02.12.2016

utopisches Beispiel statt Anleitung

Ich liebe meinen Job! Dachte ich jedenfalls ...
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Bea geht morgens schon mit einem miesen Gefühl aus dem Haus. Sie meckert nur noch über ihren Job und sitzt die Stunden mehr ab, als dass sie dort wirklich etwas findet, das ihr Spaß macht. Damit soll nun ...

Bea geht morgens schon mit einem miesen Gefühl aus dem Haus. Sie meckert nur noch über ihren Job und sitzt die Stunden mehr ab, als dass sie dort wirklich etwas findet, das ihr Spaß macht. Damit soll nun Schluss sein. Bea beschließt, einen Tag lang ein Jobtagebuch zu führen. Vom nervigen Telefonat mit dem Vorgesetzten, der sie auffordert, um zu parken, über Besprechungen, den Kantinenklatsch und das Achtsamkeitstraining, erlebt Bea mehr, als ein Mensch an einem Tag verarbeiten kann und notiert alles artig in ihrem Tagebuch.
Wann Bea die Zeit zum Schreiben finden, weiß sie selbst wahrscheinlich nicht. Vor allem dann, wenn die Punkte im Minutentakt fallen, was die Dynamik der Handlung unterstützt, aber einfach nicht mehr glaubhaft ist. Legen wir also die Annahme, das Tagebuch könnte so tatsächlich geschrieben werden, beiseite. Tatsächlich meckert Bea den ganzen Tag und zeigt doch im Aufschreiben bereits reflexive Seiten. Diese auszuführen fehlt ihr die Zeit – wie könnte es auch anders sein. Trotzdem lernt sie bereits ein paar Kleinigkeiten, die sie in gelben Notizzetteln festhält. Zum Ende hin mehren sich da die Wortspielereien, was ich etwas nervig fand. Zum Merken ist so ein Satz wie „Nach wessen Ermessen lasse ich mich stressen?“ aber natürlich genial.
Auch der Leser kommt vor lauter Handlung selten zum Überlegen. Das ist aber ganz gut so. Denn Beas Gemeckere wirkt sonst schnell infantil und nervt. Das merkt sie selbst auch, als sie am nächsten Tag von zu Hause aus arbeitet und dabei das Tagebuch mehrmals durchliest. Sie erkennt: Sie ist so nicht glücklich in ihrem Beruf, aber auch, dass sie ihn nicht aufgeben will. Das zeigt sich bereits am Tag zuvor bei Kleinigkeiten. So gibt es zwar viele Kollegen, mit denen Bea nicht so gut kann, aber auch einige, die sie wirklich mag. Und sie gibt die Stellung „Ich habe recht und alle anderen nicht“ relativ schnell auf, bleibt offen für konstruktive Kritik.
Dabei zeigt sich, dass nicht nur Bea hadert. Probleme mit Vorgesetzten oder den Anschluss an die Untergebenen verlieren, mit sich selbst unzufrieden sein und das Angebot der Firma überdenken. Bea lernt bereits ehe sie ihr Tagebuch nimmt, dass sie nur teilhaben kann, wenn sie sich einbringt und nicht nur zuschaut und dass nicht alles so ist, wie es scheint. Trotzdem braucht sie die schriftliche Fixierung, da der Arbeitstag so rasant und sprunghaft ist, dass sie diese Punkte sonst nicht verinnerlichen könnte.
Nun bleibt die Frage zu klären, wie diese Geschichte von Bea als Sachbuch daher kommen kann. Sie ist schlicht als Beispiel zu verstehen, das die Anleitung für ein eigenes Jobtagebuch ist. Ein einziger Tag, so die Aussage des Buches, kann reichen, um sich selbst in einem neuen Licht zu sehen und für eine Veränderung – in die oder die Richtung – bereit zu sein. Dass die Handlung auch noch Unterhaltsam und sehr realitätsnah ist, hat mir gut gefallen. Kein klassisches: Sie müssen das so machen, sondern eher ein : schau mal, wie es hier geklappt hat.

Veröffentlicht am 02.12.2016

Thema verfehlt

Pubertät war erst der Vorwaschgang
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Im Grunde bringt der Autor am Anfang auf den Punkt, was ich mir auch schon lange überlegt habe. Mit 20 (oder 18) ist der Mensch heute noch lange nicht erwachsen. Jetzt steht die Festigung an, die großen ...

Im Grunde bringt der Autor am Anfang auf den Punkt, was ich mir auch schon lange überlegt habe. Mit 20 (oder 18) ist der Mensch heute noch lange nicht erwachsen. Jetzt steht die Festigung an, die großen Entscheidungen, die das Leben für immer prägen. Ausbildung oder Studium, Hochzeit oder alleine bleiben (oder etwas dazwischen und wenn doch, mit wem?), Kinder oder lieber nicht, Karriere und wenn ja wo? Auch von außen wird der noch so wankelmütige „Twentysomething“ nicht als „erwachsen“ angesehen (MEINE ERFAHRUNG). Und über allem schwebt laut Koch der Wunsch, der Kindheit nicht entfliehen zu müssen.
So gelungen der Ansatz in meinen Augen ist und so wichtig die Debatte, schwirrt Koch dann um den heißen Brei herum. Mit viel Empirik versucht er zu Beginn den „Zwanzigern“ des Lebens auf die Schliche zu kommen. Einzelne Zitate werden eingebracht, aber oft nur absatzweise auf die Personen dahinter eingegangen. Schlagwortartig fallen hier Behauptungen, die ja von Menschen im besprochenen Altersabschnitt stammen und deswegen als Tatsachen angeführt werden. So nützlich die Empirik gerade in Verhaltensforschung ist, so ungenügend bleibt sie hier, schon allein, weil große Interviews fehlen. So ganz wurde mir auch nicht klar, wo Koch die jeweiligen Aussagen herhat. Und dass er später eine 15-jährige dazu ruft, macht es nicht besser. Die Sicht verschwimmt und die Frage, wo denn jetzt die eigentliche Aussage ist, kommt auf.
Nach dem ersten empirischen Blick, versucht der Autor festzuhalten, wie die IST-Situation betrachtet werden muss. Die Probleme des „Erwachsenwerdens“ und die Unterschiede zur Zeit als Jugendliche*r werden aufgegriffen. Hier finde ich durchaus gelungen, welche Schritte und Differenzen aufgeführt werden. Von der allzu romantisch verklärten Liebe zur Beziehung auf Lebenszeit, von der ICH-Perspektive hin zur Verantwortung für andere. Was etwas auf der Strecke bleibt, ist die Vielzahlt der Lebensentwürfe. Die wird zwar als zusätzliche Problem aufgeführt, in der „Regelkonstellation“ aber nicht berücksichtigt. Da geht es dann doch sehr geordnet zu. Neben Schule und Bildung werden die Eltern, allen voran die Mutter, als Gründe für das Defizit der jetzigen Erwachsenengeneration angeführt. Diese Sicht ist für mich einfach zu kurz. Die Kinder der sogenannten Helikopter-Eltern sind bisher kaum jenseits der 20 gelandet und der historische Blick ist stark verzerrt. Der große Umsturz, den die 68er durch ihre Suche nach Freiheit angezettelt haben, in der sie sich gerade auch gegen das „Erwachsensein“ nach Jahreszahlen ausgesprochen haben und den Fokus dessen, was Erwachsen überhaupt ist ganz neu gesetzt haben, fehlt. Auch werden die strengen Regeln älterer Generationen, die gar keine Wahlmöglichkeiten hatten und sich schlicht den Regeln ergeben mussten, geradezu als Ideal verkitscht, nur um an einer anderen Stelle wieder auf die Bedeutung der individuellen Wünsche aufmerksam zu machen, die durch die Möglichkeiten heute gar nicht mehr fokussiert werden könnten.
Schließlich führt Koch mit dem Peter Pan Syndrom eine psychologische Komponente ein. Statt diese aber direkt auf die Altersgruppe zu beziehen, analysiert er die literarische Vorlage genau. Für mich sehr interessant, gerade im Hinblick auf die Mutterfiguren. Vielen Dank dafür! Dass es die Debatte, die das Buch anstoßen will, voranbringt, glaube ich indes weniger. Die Verbindung wird schlicht nicht aufgeführt. Liegt es etwa an einer fehlenden Zuwendung, dass junge Menschen zwischen 20-30 angeblich nicht erwachsen werden wollen? Diese Frage bietet sich nach Kochs Ausführungen zu Peter Pan eigentlich an, wird so aber nie gestellt. Dass dann mit dem kleinen Prinzen von Saint-Exupéry ein Gegenentwurf gezeichnet wird, ist auch wieder literarische interessant, bleibt aber unvollständig durchexerziert.
Die folgenden Auswirkungen zum Erwachsenwerden lesen sich dann eher wie Elternratgeber. Die Entwicklung des Kindes, die Rolle des Umfelds, pubertäre Einwirkungen, das alles wird angesprochen, liest sich interessant und mag Eltern, deren Kinder noch am Anfang der Pubertät stehen, bestimmt helfen. Das Thema eines Buches, dass sich mit dem Erwachsenwerden der jungen Menschen ab 20 befasst ist damit aber leider wieder verfehlt. Ansatz gut, Ausführung mangelhaft.

Veröffentlicht am 02.12.2016

emotional, mitreißend - ohne zu bewerten

Nur die Liebe fehlt
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Die Autorin erklärt gleich zu Beginn, dass es ihre Beispiele so gar nicht gab, sondern sie die Geschichten mehrerer Frauen zusammengetragen, zusammengelegt und angepasst hat. Das ist wichtig, um zu verstehen, ...

Die Autorin erklärt gleich zu Beginn, dass es ihre Beispiele so gar nicht gab, sondern sie die Geschichten mehrerer Frauen zusammengetragen, zusammengelegt und angepasst hat. Das ist wichtig, um zu verstehen, dass keine realen Frauen hinter den Namen im Buch stehen, sondern stattdessen ganze Gruppen von Menschen. Die Depression einer frisch gebackenen Mutter ist kein Einzelfall, sondern lediglich ein Tabuthema.
Wiegers vier Fälle unterscheiden sich dann auch elementar. Da ist die Mutter, die bereits zwei Kinder hat und nun beim dritten depressiv wird. Sie verliert die Kontrolle. Erst über ihr geregeltes Leben und den Alltag, dann über sich selbst. Ganz anders und doch ähnlich ist es im zweiten Fall, bei dem eine junge, erfolgreiche Frau nach der Geburt des Wunschkindes keine Bindung aufbauen kann. Sie fühlt sich in der Mutterrolle total fehl am Platz und traut sich nicht, sich jemandem anzuvertrauen. Die Erfahrung der Mutterschaft ist für sie etwas völlig Neues und sie kann sich in dieser Rolle schlicht nicht zurecht finden. Die dritte Frau, die die Autorin vorstellt, fällt auch anders etwas aus dem Rahmen. Der Mann ist wesentlich älter, schnell wird klar, dass die Beziehung keinesfalls einen festen Stand hat. Für die junge Frau ist es die Aufgabe der Freiheit, die Verantwortung für ein anderes Wesen, das sie belastet. Sie glaubt, das nicht leisten zu können und versucht, dem endgültig zu entgehen. Die letzte Frau, die Wiegers vorstellt, erzählt eine ganz andere Geschichte. Nach einer künstlichen Befruchtung wird sie zum zweiten Mal schwanger – ein Wunschkind also. Als sie aber erfährt, dass sie diesmal gleich zwei Kinder bekommt, wächst ihr alles über den Kopf. Zwillinge will sie nicht. Die Lage eskaliert aber erst Monate nach der Geburt. Die Frau bekommt Panikattacken, zweifelt daran, drei Kinder großziehen zu können. Aber sie ist auch Ärztin, kennt die Symptome, sucht sich Hilfe.
Hilfe erfahren alle vier Frauen auf unterschiedliche Weise. Mutter-Kind-Einrichtungen etwa ermöglichen es der Frau, die beim dritten Kind depressiv wird, zu lernen, mit dem Kind umzugehen und mit ihm zusammen zu sein. Auch die vierte Frau wählt diese Variante. Ohne Kind geht die junge Mutter, die im dritten Beispiel gezeigt wird, mehrmals in die Klinik. Ihre große Rettung ist schließlich eine Haushaltshilfe. Sehr gut fand ich hier die Szene, in der es zur „Versöhnung“ zwischen Mutter und Kind kommt, weil ein Raum geschaffen wird, in dem die Mutter ohne Angst zu haben, ihrem Kind nicht gerecht zu werden, mit ihm zusammen sein kann.
Besonders gut gemacht ist auch, die Auswirkungen auf die restlichen Familienmitglieder zu zeigen. Natürlich geht eine Depression der Mutter einher mit einer Belastung des Vaters, der anderen Kinder, etc. Auch die Stigmatisierung, die nicht nur die Frau, sondern auch ihre Familie erfährt, ist hier sehr gut gezeigt. Die Entfremdung, die die Frau spürt ist dabei nur insofern etwas Besonders, als wir sie gesellschaftlich nicht anerkennen. Väter erleben diese halbseitige Beziehung zu den eigenen Kindern leider immer noch oft. Der Ansatz wird im Buch aber nicht angesprochen. Aber manche Väter, Verwandte oder Mitmenschen machen den Frauen auch Vorwürfe – es wäre immerhin ihre Aufgabe, eine gute Mutter zu sein.
Ich persönlich fand das Buch sehr lesenswert. Einmal aus der persönlichen Perspektive, denn auch nach drei Kindern kenne ich eine solche Depression nicht, weiß aber, dass es sie gibt und finde es interessant, wie ich mich doch in Ansätzen finden kann. In der Müdigkeit, wenn die Kinder die Nächste durch schreien oder im geradezu mechanischen an- und ausziehen des Kleinen an manchen Tagen. Faszinierend finde ich das Buch aus der Perspektive der Wissenschaftlerin, die sich mit der Mutterfigur in der Gegenwartsliteratur beschäftigt. Denn auch da kommt natürlich die Vorstellung der „idealen“ Mutter zum Tragen. Empfehlen kann ich das Buch eigentlich durchweg, um die Augen zu öffnen, dass eine „Mutter“ zu sein eben gar nicht so selbstverständlich ist. Dadurch, dass das Buch eher Geschichten erzählt, als psychologische Ausführungen zu liefern, ist es durchweg verständlich. Besonders betroffenen Frauen und ihrem Umfeld möchte ich das Buch ans Herz legen, aber vielleicht würde es vielen Frauen bereits vor der Geburt helfen, einen Blick hinein zu werfen und zu wissen, dass es eben nicht immer alles perfekt ist, sobald man das Kind im Arm hält.

Veröffentlicht am 24.11.2016

Zu 75% Vorspiel im erotischen Kitsch

Entfachte Glut
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Kane, dem Ziehsohn eines Dämonenfürsten, wird das Neugeborene einer Elfe praktisch vor der Nase entführt. Zur Strafe muss er schwören, das Kind zu finden. Ruhelos irrt er darum seit mehr als zwanzig Jahren ...

Kane, dem Ziehsohn eines Dämonenfürsten, wird das Neugeborene einer Elfe praktisch vor der Nase entführt. Zur Strafe muss er schwören, das Kind zu finden. Ruhelos irrt er darum seit mehr als zwanzig Jahren durch die Welten als er auf Tanja trifft. Zum ersten Mal seit langem denkt er an etwas anderes, als das Kind, nämlich daran, sie so schnell wie möglich in sein Bett zu bekommen. Schnell stellt sich heraus, dass Tanja das Kind der Elfe ist, ein Mischling und damit dem Tode geweiht. Kane entführt sie, um sie seinem Vater auszuliefern. Doch eine innere Stimme sagt ihm, das Tanja nur zu ihm gehört. Aber Kane hat Angst, Angst vor seinem wahren Ich, während Tanja nicht mehr weiß, ob sie ihren Gefühlen noch trauen kann.
Spannung und psychologische Verstrickungen haben mich zu dem Buch gelockt. Das bekam ich auch. Sowohl Tanja als auch Kane haben ihre Vorgeschichte und sind dementsprechend vielschichtig aufgebaut, auch wenn sie sich in der Handlung permanent im Kreis drehen. Die Nebenfiguren sind dafür nur grob gezeichnet und wirken schnell flach. Das mag daran liegen, dass folgende Bände andere Charaktere aufgreifen sollen, lässt hier aber die Nebenhandlungen platt erscheinen.
Tatsächlich kristallisiert sich schnell heraus, dass Kanes Schwur zwar die Reise und seine Zerrissenheit begründet, die eigentliche Handlung sich aber auf erotischer Ebene zwischen Kane und Tanja abspielt. Im Grunde nichts anderes als 75% Vorspiel und 25% Akt(e). Dass dabei alle Klischees des erotischen Kitschs abgearbeitet werden, strapaziert meine Lesegeduld stark. Erotik in Liebesgeschichten gehört für mich dazu, aber hier besteht die „Liebe“ allein in sexueller Anziehung, in schweren Hoden, harten Penissen und feuchten Vaginen. Grenzen bis zur Vergewaltigung werden ausgetestet, was aber nur verwirrt und die Handlung nur peripher vorantreibt.
Dass die Autorin dabei tatsächlich schreiben kann zeigt sich in den Stellen dazwischen, wenn es psychologisch, gefährlich, spannend und mitreißend wird. Trotz ihrer langanhaltenden Lernresistenz entwickeln sich die Protagonisten und wachsen über sich hinaus. Kleine Details beweisen sich als wichtige Hinweise und fast jeder Schritt ist durchdacht. Ein gelungener Aufbau, der so viel Kitsch gar nicht nötig gehabt hätte.
Entfachte Glut hat mich zwar sehr neugierig auf Vergessene Leidenschaft gemacht, war aber selbst ein Griff ins Klo des erotischen Kitschs. Ich kann kaum sagen, ob ich es wirklich als fantastische Liebesgeschichte bezeichnen würde, weil Liebe auf den über 600 Seiten kaum Raum erfährt. Der Stil aber und das, was von der Handlung tatsächlich übrigbleibt, wenn ich den Sex abziehe, hat mir gut gefallen und ich bin gespannt, ob der zweite Band hier ansetzen kann.