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Veröffentlicht am 01.10.2016

Guter Roman

Rubinmond
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Faye verfolgen immer wieder Träume, in denen ein bestimmter Mann – James – immer wieder vorkommt. Die Umstände, der Hintergrund und die Kulisse ändern sich aber. Faye weiß, sie liebt in den Träumen James ...

Faye verfolgen immer wieder Träume, in denen ein bestimmter Mann – James – immer wieder vorkommt. Die Umstände, der Hintergrund und die Kulisse ändern sich aber. Faye weiß, sie liebt in den Träumen James und immer wieder geschehen schreckliche Dinge, die die beiden trennen. Als sie James auch in Wirklichkeit gegenüber steht, weiß sie bald nicht mehr, was wirklich ist und was nicht. Gleichzeitig wird sie zur Zielscheiber mysteriöser Gestalten und James erklärt er, dass er sie diesmal für immer verlassen wird. Das aber will Faye auf keinen Fall.
Zuerst fand ich die Besessenheit Fayes für James sehr nervig. Sie hinterfragt nicht, sondern will einfach nur bei ihm sein. Doch schnell zeigt sich, dass Faye durchaus nachdenkt, für und wider abwägt. Das steht immer wieder in Konflikt mit ihrem Herz, das eben einfach nur bei James sein will. Auch James, der zu Beginn sehr weich und von allen Kräften hin und her geschubst erscheint, kommt aus dieser Passivität heraus und agiert nicht nur eigenständig, sondern auch durchdacht.
Interessant fand ich den Punkt der Widergeburt, der im Roman nicht nur impliziert, sondern durch verschiedene Einheiten plausibel gemacht wird. Den wiedergeborenen stehen dabei Vampire gegenüber, aber auch göttliche Wächter, die die normalen Menschen beschützen wollen. Dadurch erfährt dieser Roman mit christlichen Einflüssen eine neue Tiefe.
Etwas irritiert hat mich, dass Faye nur deswegen nicht von James zu einem Vampir gemacht wird, weil er Angst hat, sie würde – wie die meisten – dadurch ihre Tugend und Moral zu vergessen. Er aber ist als Phänomen auch als Vampir mit einem Verständnis für Gut und Böse ausgestattet, das dem vampirhaften Blutdurst entgegen wirkt. Allerdings gibt es noch mehr Phänomene und dabei auch eine ganze Familie, die sich gegen die dunklen Einflüsse wehren konnte, weil sie stark genug waren. Hier wird Faye also eine charakterliche Schwäche zugesprochen, die ich im Ganzen nicht so ganz nachvollziehen kann.
Sehr gut fand ich, dass Fayes Schicksal immer noch selbstbestimmt ist. Schnell gibt es die ersten Hinweise, dass ihr Unglück mit James keinesfalls seine Schuld ist oder einer festen Regel folgt. Vielmehr zeichnet sich eine andere Kraft ab, die hier wirkt. Die Puzzleteile, die sich hier ergeben haben mir gut gefallen. So bleibt der Leser wachsam und kommt eventuell auf die Auflösung, bevor der Roman sie gibt.
Der Stil hat mir wieder gut gefallen. Sehr melodisch und weich. Gleichzeitig wird die Beziehung zwischen Faye und James nicht bei der leidenschaftlichen Sehnsucht belassen, sondern ist tief aber realistisch gezeichnet. So wirft Faye sich nicht sofort James in die Arme, sondern überlegt durchaus, was diese Änderung in ihrem Leben bedeutet.
Für Vampirroman-Freunde gut geeignet. Aber auch für alle, denen schon Aurora Sea gefallen hat und die den weichen, schönen Stil von Nadine Stenglein mögen. Kein typischer Vampirroman, aber ein guter.

Veröffentlicht am 22.09.2016

Toller Hintergrund, viel Entwicklung

Goddess of Poison - Tödliche Berührung
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Twylla lebt auf dem Schloss und muss jeden Monat Gift trinken. Sie stirbt davon aber nicht, denn sie ist die wiedergeborene Tochter der Götter. Darum wird sie den Prinzen heiraten, darum darf sie niemand ...

Twylla lebt auf dem Schloss und muss jeden Monat Gift trinken. Sie stirbt davon aber nicht, denn sie ist die wiedergeborene Tochter der Götter. Darum wird sie den Prinzen heiraten, darum darf sie niemand berühren. Denn ihre Berührung tötet. Twylla, einst Tochter der Sündenesserin, hat nun eine neue Bestimmung, die Rettung des Reiches. Als der Prinz von langer Reise zurückkommt und ihr gleichzeitig ein neuer Wächter zur Seite gestellt wird, ändert sich alles. Plötzlich versucht der Prinz sie auf seine Seite zu ziehen, denn er plant etwas. Und auch der Wächter verdreht Twylla mit seinem Grinsen den Kopf und pflanzt dort Gedanken ein, die sie gar nicht haben dürfte. Und hinter allem braut sich eine Gefahr auf, die niemand erahnen kann.
Die ersten Seiten des Buches waren gar nicht so leicht zu lesen. Twylla ist sehr emotionslos, in sich gekehrt, passiv und naiv. Sie lässt alle, allen voran die Königin, mit ihr machen, was sie will. Widerspruch wagt sie nie zu geben – selbst wenn sie überzeugt ist, dass es falsch ist, was sie tun soll. Dass die dahinter aber schlicht verängstigt ist und ihre Umwelt beschützen will, zeigt sich nicht nur in den Gedanken an ihre jüngere Schwester, sondern auch, als sie versucht einen in Ungnade gefallenen Adligen vor der Königin zu retten.
Im Grunde ist Twylla nämlich weder dumm noch gemein, viel eher ist sie hoffnungslos. Die Einsamkeit hat sie gefügig gemacht und die Macht der Königin steht über allem. Als der Prinz und ihr neuer Diener Lief an diesen Machtverhältnissen zerren – jeder auf seine Weise – traut sich Twylla wieder, ihre eigenen Gedanken zu festigen. Sie sucht sich unter dem Bild der Göttlichen, das für die Öffentlichkeit aufgestellt wurde – an das sie mittlerweile selbst geglaubt hat. So ist es kein Wunder, dass sie ihre Kindlichkeit schnell ablegt und schließlich offenbart, wie viel schon in ihr gebrodelt hat.
Diese Adoleszenzentwicklung erfolgt aber nicht im Hinblick auf die Königin als Herrscherin und Vormund, sondern auch in Bezug auf Twyllas leibliche Mutter und ihre Erinnerungen an sie. Diese durchziehen das Buch gemeinsam mit den unterschiedlichen Speisen, die für die begangenen Sünden nach dem Tod gegessen werden müssen. Diese kulinarische Verwebung von tätlicher Sünde und Maßlosigkeit wie Genuss prägt Twyllas Verständnis von Richtig und Falsch und ihr eigenes Verhältnis zur Nahrung. Wie auf der Trauerfeier die Gerichte für die Sünden stehen, werden sie für Twylla zur Sünde selbst. Stets beschäftigt sie dabei auch die Frage, was zu ihrer Beerdigung gegessen werden müsste.
Ein interessantes Beispiel für Taten und ihre Folgen. Auch Twylla lernt, dass manche Taten die Folgen wert sind, Schuld und Sünde aber unterschiedliche Dinge. Das alles bietet einen gut durchdachten Hintergrund für ihre eigene Geschichte, die Geschichte einer Aufklärung und eines Erwachens in mehrfacher Hinsicht. Denn nicht nur Twylla erwacht endlich als sie selbst, auch eine undenkbare Gefahr.
Faszinierend gelöst finde ich hier auch das Motiv der zwei Männer, die um eine Frau buhlen. Dabei zeigen der Prinz und Lief Ähnlichkeiten wie Gemeinsamkeiten und verbergen beide doch vor Twylla entscheidendes. Schade fand ich, dass der Prinz dabei weniger Raum erhält und oft schneller abgefertigt wird. Ihre Wahl am Ende kann ich euch nicht verraten – nur so viel: Ich war beeindruckt, dass ausgerechnet die anfangs so naive Twylla solch eine reife Entscheidung fällen kann.
Goddess of Poison hat mich nach den ersten Seiten schnell in seinen Bann gezogen. Mit Twyllas Entwicklung verändert sich der Stil und auch die Spannung arbeitet auf mehreren Ebenen. Die tolle Hintergrundgeschichte, aus der so viel herauszuarbeiten wäre, finde ich schlicht genial und ich bin sehr gespannt auf den nächsten Teil.

Veröffentlicht am 22.09.2016

Tolles Buch

Die Flucht
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Aus der Sicht eines Kindes erzählt Die Flucht die Geschichte des Flüchtens vor dem Krieg. Angefangen bei den geruhsamen Tagen in der Heimat über den Ausbruch des Krieges, den Verlust von Familienangehörigen ...

Aus der Sicht eines Kindes erzählt Die Flucht die Geschichte des Flüchtens vor dem Krieg. Angefangen bei den geruhsamen Tagen in der Heimat über den Ausbruch des Krieges, den Verlust von Familienangehörigen zu Angst, Hoffnung, Suche und Sehnsucht. Namenlos bleibt dabei sowohl das Heimatland, als auch das ominöse Land mit den Bergen, in das die Familie fliehen will. Verschieden Wege müssen dabei passiert werden, der Besitz schrumpft, die Angst steigt.
Doch die Flucht ist weder ein hoffnungsloses noch ein utopisches. Wächter stellen sich der Familie in den Weg, dunkle Hände „helfen“. Das Meer wird zur Ort der Monster, das ersehnte Ziel zum Sinnbild des Friedens, magisch verklärt. Ohne, dass es je erreicht würde. Es ist der Weg, um den es hier geht. Die Strapazen und Geschichten des Fliehens, der Glaube der Kinder an die Eltern und Sorge der Eltern, die für ihre Kinder stark sind. Dieser Punkt hat meine Kleine sehr bewegt, die Mutter, die lacht, solange die Kinder wach sind, um ihnen die Angst zu nehmen, während sie selbst voller Sorgen ist.
Francesca Sanna hat ihrem Buch viele Freiheiten gelassen. Auch wenn die Zeichnungen deutlich ein südliches Land als Ausgangspunkt haben – durch eine Frau mit Kopftuch mag auch ein muslimisches angedeutet werden – und das ominöse Land des Friedens mit Bergen und Tieren sehr an Europa erinnert, fehlt die Benennung. Genauso gut lässt sich die Geschichte damit auf andere Fluchtgeschichten übertragen. Die Botschaft des gefährlichen und weiten Weges, die Strapazen und Entbehrungen sind klar. Und durch die Wächter wird auch deutlich, dass die Geflüchteten keinesfalls überall mit offenen Armen empfangen werden.
Interessant finde ich dabei, dass die Familie die unterschiedlichsten Verkehrsmittel benutzt. Sie läuft zu Fuß, fährt mit dem eigenen Auto, versteckt sich auf Ladeflächen, radelt, nimmt das Boot und den Zug. Auch der Zeit wird ein wichtiger Bereich zugestanden. Die Reise ist lang – räumlich wie zeitlich. Um sehr schwierige Themen macht das Buch aber einen Bogen. Um Auffanglager und tödliche Unfälle während der Flucht beispielsweise. Teilweise erscheint die Reise wie ein großes Abenteuer. Dafür ist zum einen der kindliche Blick verantwortlich zu machen, der sich Wege sucht, das Erlebte ertragbar zu machen.
Andererseits aber ist Flucht und Exil ein Trauma – das zeigt sich hier weniger. Vieles ist sehr beschönigt dargestellt. Beispielsweise verstehen alle Leute auf dem Boot die Geschichten, die erzählt werden. Sprachschwierigkeiten oder Konflikte gibt es da nicht. Auch die Thematik des Hungers oder des Wartens taucht nicht auf. Die Familie schläft teilweise unter freiem Himmel, flüchtet in der Nacht, verliert ihr Hab und Gut – aber solche deutlichen wie verständlichen Punkte wie fehlendes Essen werden nicht aufgegriffen.
Die Bilder sind dabei wirklich gut gemacht. Helle Farben dominieren am Anfang und symbolisieren auch die Hoffnung. Der Krieg dagegen ist schlicht schwarz, genauso wie alle, die davon profitieren, wie der Mann, der der Familie über die Grenze hilft. Die Gefahr ist – einfach zu verstehen – rot, wie die Wächter, aber auch die Wohnung während des Krieges. Die Flucht selbst wird erst mit dunkleren Farben dargestellt – es wird und ist Nacht. Das Meer stellt ein erstes Ziel dar, zeigt aber auch Tiefe und dunkle Gefahren. Heller und damit auch hoffnungsvoller wird es am Ende wieder. Die Familie ist da noch nicht am Ziel, aber sie sind noch zusammen und geben nicht auf.
Die Flucht ist auf jeden Fall ein aktuelles Buch, ein wichtiges Buch, um auch jüngeren Kindern zu erklären, was Flucht ist und in welcher Situation Geflüchtete nach Europa kommen. Die Reise steht dabei im Mittelpunkt, weniger der Krieg oder das Ankommen. Ein guter Punkt, denn gerne stellen auch wir großen uns diese Reise als einfaches von A nach B vor. Außerdem aber ist die Flucht ein Buch zum gemeinsam Lesen und darüber reden. Unsere Kleine wollte das Buch mehrmals lesen, über die Bilder reden und einige Punkte klären – wie den, dass die Mutter weint, wenn die Kinder schlafen. Die Verknüpfung zu unserer aktuellen Situation ist bei ihr (3 Jahre) noch weniger da, auch hier ist es Aufgabe der Eltern zu klären. Der große Bruder aber, der schon mehr versteht und auch ein Kind aus Syrien in der Klasse sitzen hat, fand das Buch und die Geschichte der Flucht sehr interessant.
Vielleicht liegt gerade hier die Stärke des Kinderbuches. Dass sein Inhalt und seine Geschichte eben nicht nur für kleine Kinder ist, sondern für alle, um Flucht und Exil besser verstehen zu können.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Gelungener Jugenroman

Alles, was ich sehe
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Maggie ist seit einer Hirnhautentzündung blind und verdammt unglücklich damit. Ihr ganzes Leben, den Fußball, ihre Freunde, ihr früheres Zimmer, musste sie aufgeben. Eigentlich will sie sich in dieser ...

Maggie ist seit einer Hirnhautentzündung blind und verdammt unglücklich damit. Ihr ganzes Leben, den Fußball, ihre Freunde, ihr früheres Zimmer, musste sie aufgeben. Eigentlich will sie sich in dieser Welt aus Dunkelheit gar nicht zurecht finden. Da trifft sie auf den zehnjährigen Ben. Und plötzlich ist alles anders, denn sie kann ihn sehen. Fasziniert, neugierig und süchtig nach den „normalen“ Momenten, verbringt Maggie viel Zeit mit Ben. Wäre da nur nicht sein großer Bruder Mason, der in Maggies Lieblingsband spielt, und sich ziemlich sicher ist, dass Maggie ihre Blindheit nur vortäuscht, um an ihn ranzukommen. Doch der Grund, warum Maggie Ben sehen kann, ist kein leichter und schnell wird ihr klar, dass es um mehr geht, als kurze Momente des Sehens.
Wohin das große Geheimnis des Romans führen soll, war mir relativ schnell klar. Darum habe ich mich eher auf das Wie konzentriert und die Entwicklung der Figuren. Maggie ist zu Beginn noch nicht in ihrer Situation angekommen. Sie verweigert sich allem. Den Übungen, die ihr helfen sollen, sich zurecht zu finden, der neuen Schule, den neuen Mitschülern. Notgedrungen macht sie Hausaufgaben mit einer Mitschülerin, die seit Geburt blind ist. Und nur notgedrungen quält sie sich zu ihrer Lehrerin für das Zurechtkommen in der Dunkelheit. Sie kann sich mit ihrer Situation nicht abfinden und ist im Grunde nur mit Ben zusammen, weil sie ihn und seine direkte Umgebung sehen kann.
Das ändert sich. Maggie entwickelt sich. Sie entdeckt Gemeinsamkeiten mit ihrer neuen Freundin und erkennt in Ben einen liebenswerten Jungen, der sie im Grunde verzaubert. Sie lernt seinen Bruder kennen und trifft auch hier auf eine Figur, der sich mit der ihm vorgestellten Realität nicht abfinden wollte und sie verändert hat. Und irgendwie schwebt über allem der unausgesprochene Konflikt mit ihren Eltern, die sich seit Maggies Hirnhautentzündung anders verhalten. Schuld und Scham kommen zusammen. Zwei Dinge, mit denen auch Maggie sich schnell konfrontiert fühlt.
Das Ende von Alles, was ich sehe ist eines voller Hoffnung, aber kein unrealistisches. Es zeigt Wege auf, die zunächst unsichtbar erscheinen und führt Maggie zu einem Punkt, den sie sich immer erträumt hat, nur eben ein bisschen anders. Das Schöne an dem Roman ist also die Entwicklung der Figuren – denn wirklich alle lernen hier etwas dazu.
Interessant ist dabei auch die leichte Veränderung der Sprache. Während Maggie als Erzählerin gerade am Anfang einfach nur furchtbar nervig ist und ich mit dem Augenrollen nicht hinterher gekommen bin, zeigen sich hier die ersten Entwicklungen am schnellsten. Weniger zynisch wird sie, ehrlicher, auch mit sich selbst, und weniger kindisch. Also – natürlich – ist der Roman auch einer über das Erwachsenwerden. Über das zu sich Finden und die Entdeckung der Tätigkeit, die Ben als „das absolute Ding“ bezeichnet.
Mir hat Alles, was ich sehe gut gefallen. Viel Entwicklung auf Figuren- wie Handlungsebene und eine Überlegungen stecken darin. Mit der Sprache musste ich erst etwas Grün werden, dann war ich aber irgendwann ganz drinnen und konnte nicht mehr aufhören.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Ein Buch über Ent-Täuschung und eine Liebe, die dem Alltag Raum lässt

Das Herz von Paris
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Guillaume ist Fremdenführer und schreibt an einem Roman über Voltaire. Er hat einen Sohn und trauert noch der Beziehung zu dessen Mutter hinterher, die bereits seit Jahren beendet ist. Da verliebt er sich ...

Guillaume ist Fremdenführer und schreibt an einem Roman über Voltaire. Er hat einen Sohn und trauert noch der Beziehung zu dessen Mutter hinterher, die bereits seit Jahren beendet ist. Da verliebt er sich von einem auf den anderen Tag in seine beste Freundin Edie und ist völlig überwältigt. Er stolpert durch die gemeinsamen Treffen. Noch dazu dreht die gemeinsame Chefin durch, das Reisebüro steht kurz vor dem aus. Edie hat eine Idee und Guillaume muss sich zusammenreisen, denn mehr als nur sein Herz steht auf dem Spiel.
Der Plot klingt ziemlich einfach und ist es auch. Die großen Überraschungen bleiben aus. Mit einem realistischen Hang manövriert Guillaume als Erzähler durch seine Geschichte. Er ist verliebt und seine Welt steht Kopf, verändert sich aber nicht sofort. Noch immer genießt er die Zeit mit seinem Sohn, hadert mit seinem Manuskript, will seinen Beruf nicht aufgeben. Die Einbettung der Liebesgeschichte in das Leben hat mir gut gefallen. Es gibt Schmetterlinge, aber alle bleiben mehr oder weniger am Boden.
Keine großen Überraschungen heißt aber auch, dass die Spannung verhalten ist. Es werden kleinere Schwankungen eingebaut, die Reiz schaffen sollen. Aber keine großen Umwürfe. Das macht die Geschichte irgendwie authentisch, weniger melodramatisch, als ich kurz befürchtet hatte. Es gefällt mir. Kurz gestockt habe ich da lediglich am Ende. Da wird die Handlung ins Zeitgeschehen eingebettet und ich habe mich gefragt, ob die Alltäglichkeit der Geschichte wirklich Raum finden darf in einem weltbewegenden Ereignis.
Der Stil ist auf jeden Fall toll. Eine leichte Sprache, der die Schwere anhängt. Wie bei einem guten Wein, der erst sanft auf der Zunge weilt und dann seine Tiefe zeigt. Die Tiefe des Romans ist die zwischen Schein und Sein zu stehen. Die Enttäuschung des Fabelhaften im Alltäglichen. Das Erkennen des Wunderbaren in der Langeweile. Es ist eine Mischung aus Überdruss und Sehnsucht. Das Paris-Snyndrom des Buche, der alle befällt die mit der Wirklichkeit konfrontiert werden statt mit einem romantischen Film-Paris. Es dehnt sich aus auf die Geschichte. Die Liebe in der Wirklichkeit, statt auf Wolke sieben. Und das hat mir wirklich gefallen.
Das Herz von Paris ist darum ein leichtes Buch. Die Gefühle sind leicht und luftig, holen einen dennoch auf den Boden. Der Stil flaniert ein bisschen, der Erzähler schweift manchmal ab. Und am Ende zeigt sich doch, dass alles zusammenhängt und pulsiert. Ein Buch, das nicht nur nach Paris entführt, sondern in eine Welt der Ent-Täuschung. Und das vor dem Hintergrund, dass der Erzähler sich als Autor gibt, wo das Buch doch von einer Autorin verfasst ist. Kleinigkeiten vielleicht, aber hier sind es eben Kleinigkeiten, die Größe zeigen.
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