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Variemaa

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.04.2017

Hier wird jeder zum Künstler

Blütenpracht und Schmetterlingszauber
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Ich male unheimlich gern aus. Das beruhigt und ich kann zwischendurch Pausen machen, ohne den Rahmen zu verlieren. Auch meine Kinder sind unheimlich gern mit Buntstiften unterwegs. Umso besser, wenn ich ...

Ich male unheimlich gern aus. Das beruhigt und ich kann zwischendurch Pausen machen, ohne den Rahmen zu verlieren. Auch meine Kinder sind unheimlich gern mit Buntstiften unterwegs. Umso besser, wenn ich ihnen eine Alternative zur weißen Wand bieten kann.
Die Flächen zum Ausfüllen sind teilweise sehr klein und filigran. Gerade die einzelnen Karten ermüden teilweise schnell. Jedenfalls mich. Meine Tochter malt munter weiter. Eine gute Übung also, den eigenen Perfektionismus an seine Grenzen zu bringen. Dabei hat mich teilweise gestört, wenn die Flügel eines Schmetterlings nicht symmetrisch waren. Da ist aber auch mein innerer Nerd schuld.
Das Ausmalen hat uns großen Spaß gemacht. Eine tolle Idee, einen stressigen Nachmittag zu entspannen. Sogar mein Mann hat zu den Stiften gegriffen und losgelegt und auch der Kleinste hat es sich nicht nehmen lassen, mit zu kritzeln.
Sehr schön fand ich auch, dass nicht nur Karten, sondern auch Umschläge ausgemalt, gefaltet und anschließend benutzt werden können. Ein komplettes selbst gemaltes Grußkartenset kommt zusammen, über das sich nicht nur Oma und Opa freuen, denn die Feinheiten der Vorzeichnungen lassen auch das fertige Bild detailreich und durchdacht werden.
Ein tolles Ausmalbuch für Große und Kleine, Viellmaler und Buntstiftneulinge.

Veröffentlicht am 30.04.2017

macht Spaß

Ei, Ei, Ei, was seh ich da?
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Ich bin ja eigentlich kein großer Freund solcher "Bilder"-Bücher. Aber dieses hat es mir angetan. Allein die Idee, Eier so in Szene zu setzen finde ich schon toll. Und die kleinen Sprüche dazu lassen mich ...

Ich bin ja eigentlich kein großer Freund solcher "Bilder"-Bücher. Aber dieses hat es mir angetan. Allein die Idee, Eier so in Szene zu setzen finde ich schon toll. Und die kleinen Sprüche dazu lassen mich immer wieder schmunzeln.
Die Eier treten hier als stereotype Personifizierungen auf. Als Superheld und Prinzessin beispielsweise. Und dann doch wieder wunderbar verzerrt. Der Superheld ist superwütend. Unser Lieblingsbild. Ein wunderbarer Wortwitz, pfiffige Ideen und ein Spaß beim Anschauen. Jedes Mal wieder.
Die Kinder lieben das Büchlein. Der kleine Trick, jedes "ei" im Wort mit einer Eiform außenherum zu kennzeichnen verdeutlicht das Thema amüsant. Jeder, der es bisher in der Hand hatte oder "vorlesen" sollte, hat gekichert.
Nicht zu vergessen, die Inspiration, mit Eiern mal was anderes zu machen, als sie zu färben. Frischer Wind auf dem Ostertisch und große Augen sind garantiert.

Veröffentlicht am 28.04.2017

Sehnsucht nach dem Selbst in Zeiten der Passivität

Rechts blinken, links abbiegen
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Sonja will endlich das Autofahren lernen. Mit über vierzig, getrennt, unglücklich mit Job, Wohnort, Beziehungen, spürt sie Sehnsucht. Sie will zurück an den Ort ihrer Kindheit, aber auch in die Einfachheit. ...

Sonja will endlich das Autofahren lernen. Mit über vierzig, getrennt, unglücklich mit Job, Wohnort, Beziehungen, spürt sie Sehnsucht. Sie will zurück an den Ort ihrer Kindheit, aber auch in die Einfachheit. Hin zu Momenten, die vergangen sind. Und das ist es auch schon. Im Grunde will Sonja einfach nur Auto fahren lernen. Mehr nicht.
Ich fand es sehr interessant, Sonja in diesem Buch zu begegnen. Sie befindet sich im Stillstand und will so unbedingt heraus, dass es mich immer wieder verwundert. Als eine zutiefst passive Gestalt macht es ihr schon Bauchschmerzen die dominante Fahrlehrerin gegen einen Fahrlehrer einzutauschen. Sonja kann nicht Nein sagen und ihre Meinung ausdrücken traut sie sich schon gar nicht. Das Übersetzten der blutrünstigen Bücher, sie alle so gerne lesen, macht ihr Angst.
Zur Metapher ihrer Sehnsucht nach zu Hause wird einmal die trostlose Landschaft. Sie sehnt sich nach der Weite, den Bergen, den goldenen Feldern, in denen sie sich als Kind versteckt hat. Und ihr wird eine Ebene präsentiert. Sie schwankt zwischen Extremen. Und irgendwie wird klar, sie ist eigentlich ein brodelnder Vulkan. Doch statt auszubrechen, beugt sie sich immer wieder, nimmt Abzweigungen, die es ihr erlauben, weiterhin passiv zu bleiben.
Als ihre Masseurin sie zu einem spirituellen Ausflug überredet, bleibt Sonja nur der Ausweg, sich auf ein Klos zu flüchten und zu warten, bis „die anderen“ ohne sie weiter gehen. „Die anderen“ wird zum kollektiven Übel. Alle, die ihr Zuschreibungen geben, sie mit sich ziehen wollen, um in ihr eine Verbündete zu finden. Der Fahrlehrer, der nicht die erhoffte Wendung bringt, sondern eine ganz andere will. Die beste Freundin, die Sonja von ihrem Liebesleben berichtet. Doch das alles ist Sonja nicht.
Es war herrlich erfrischend, dass dieser Roman so zentriert auf seine Protagonistin ist. Sonjas Passivität wird dadurch zur Möglichkeit, ihre Innensicht, ihre Gedanken bedeutungsschwer werden zu lassen. Es gibt keinen Kerl, in dem Sonja sich verlieren will. Ihr geht es gerade um das Gegenteil. Das Ankommen – das Zurückkommen. Ich bin ehrlich nicht ganz glücklich mit diesem starren Blick in die eigene Kindheit, die kindliche Heimat als räumlicher Ort der Zufriedenheit. Denn natürlich romantisiert Sonja hier. Sie überzeichnet ihre Erinnerungen als Wunschvorstellungen. Ich glaube nicht, dass sie dort glücklich werden kann.
Aber neu anfangen könnte sie. „Back to the roots“ ganz wörtlich. Zurück zu ihren Wurzeln. Und die werden hier großartig mit einem Gegenkonzept aufgezeigt. Mit der Schwester, die Sonja nie sprechen will. Mit dem Lebensweg, den sie nie gegangen ist. Sonja sucht verzweifelt die Nähe zur Schwester. Zu dem Ich, das sie hätte sein können. Diese Metapher wird hier schön gestaltet. Weniger schön ist, dass Sonjas Schwester Klischeecharakter hat. Sie ist verheiratet, Mutter, im Heimatdorf geblieben. Das andere Extrem und ich glaube, dass Sonja das auch nicht glücklich gemacht hätte. Dafür ist sie viel zu zufrieden mit sich selbst – nur ihre Umgebung stört sie.
Sehr schön finde ich auch den Rahmen des Autofahrens. Sonja sucht Anleitung. Jemanden, der ihr erklärt, wie sie ihr Leben zu leben hat. Sie will an die Hand genommen werden. Doch das geht immer wieder schief. Einmal prallt sie mit Figuren zusammen, die sich selbst zu stark einbringen und Sonja damit dominieren wollen. Und auf der anderen Seite kann nur Sonja selbst die entscheidenden Schritte gehen.

Veröffentlicht am 26.04.2017

vielfältiges Buch, was "Frau" alles heißen kann

Lieben muss man unfrisiert
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Lieben muss man unfrisiert gibt Berichte von Frauen wieder. Wie sie ihr Leben rückblickend und aktuell bewerten. Was sie erlebt haben, aber auch wie ihre Stellung als Frau ist. Ein sehr wichtiges Thema ...

Lieben muss man unfrisiert gibt Berichte von Frauen wieder. Wie sie ihr Leben rückblickend und aktuell bewerten. Was sie erlebt haben, aber auch wie ihre Stellung als Frau ist. Ein sehr wichtiges Thema also und ich wünsche mir, dass mehr Menschen – egal welchen Geschlechts – sich damit befassen.
Die Aufzeichnungen, die Nadine Kegele hier liefert, unterliegen keiner höheren Ordnung. Sie sind weder alphabetisch noch zeitlich geordnet. Und das ist auch gut so. Eine zeitliche Einteilung käme einer Chronik gleich und keiner Bestandsaufnahme. Der Eindruck entstünde, hier würde eine Entwicklung aufgezeigt. So war das Frauenbild – so ist es heute. Doch – und das zeigt dieses Buch wunderbar – es gibt nicht DAS Frauenbild. Es gibt Elemente und Zuschreibungen, Vorurteile und Umstände, die Faktoren für die Vorstellung der Frau sind. Und doch gibt es in diesem Buch lediglich parallelen zwischen den einzelnen befragten Frauen – keine Überschneidungen.
Außerdem, und auch diesen Umstand liebe ich hier, sind die Gesprächsteilnehmerinnen so großartig divers. Migrantinnen und Emigrantinnen, Traditionelle und Konservative, Junge und Alte, Weiße und Schwarze, Mütter, Großmütter, Alleinstehende, Lesbische, Transgender, Queer. Statt nur zu fragen, wie Frauen heute leben, fragt das Buch hier auch was eigentlich eine Frau ausmacht. Auch zieht Nadine Kegele dabei durch die verschiedenen sozialen Schichten. Von der Anwältin zur Putzfrau, von der Tänzerin zur Wissenschaftlerin, von der Schülerin zur Architektin. Das öffnet die Augen und zeigt die eigene Begrenztheit der Erfahrungen auf.
Geradezu erschütternd ist, wenn die einen vom Kampf gegen das Patriachat reden, vom Wunsch nach Gleichberechtigung, der freien Entfaltung des eigenen Seins – und die anderen gerade diese Regeln als Gottgegeben aufzeigen. Auch hier arbeitet das Buch fesselnd. Indem es diese Meinungen lediglich präsentiert, aber nicht gegeneinander aufwiegt, schafft es einen Vergleich zu ermöglichen, ohne selbst zu werden. Generell nimmt die Fragestellerin sich in den Aufzeichnungen so gut es geht heraus. Lediglich das von den Befragen Gesagte ist abgetippt. Zu behaupten, dadurch wäre ein objektiver Blick gewährleistet ist aber fatal. Nur weil sie „herausgeschnitten“ ist, heißt das nicht, dass sie keine Fragen gestellt hat. Das zeigt sich in den Antworten, wenn direkt auf Nachfragen zu Berufsaussichten, Ungerechtigkeiten, Erfahrungen eingegangen wird.
Hier zeigt sich, dass die Intention des Buches doch klar ist, Missstände aufzuzeigen. Gehaltsunterschiede zwischen Männer und Frauen werden genauso angesprochen wie Probleme der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Bildung, Aussehen, Diskriminierungen kommen zu Sprache. Aber eben aus so vielen Perspektiven und teilweise auch mit Kritik an dem Konzept des Buches selbst, dass ich wirklich erstaunt, beeindruckt, erschreckt und begeistert zugleich war. Gerade durch diesen vielseitigen Blick wird für mich jedenfalls die Zuschreibung „Frau“ offener und weiter. Gleichzeitig bin ich geradezu entsetzt, wie viele Belästigungen hier zur Sprache kommen, Übergriffe, Gewalt, Anfeindungen.
Wie prägend die Einteilung in Frau und Mann ist – in all ihren Einzelheiten – ist kaum fassbar. Aber dieses Buch bietet zumindest auf der einen Seite und in sehr vielen Facetten einen guten Ansatz, um es herauszufinden.

Veröffentlicht am 09.04.2017

Erzählendes Sachbuch

Hidden Figures - Unerkannte Heldinnen
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Anhand einzelner Lebensgeschichten umfasst die Autorin die Geschichte der NACA, die später die NASA wurde. Faszinierend ist dabei nicht nur, dass die ausgewählten historischen Figuren allesamt Frauen sind, ...

Anhand einzelner Lebensgeschichten umfasst die Autorin die Geschichte der NACA, die später die NASA wurde. Faszinierend ist dabei nicht nur, dass die ausgewählten historischen Figuren allesamt Frauen sind, sondern auch Afroamerikanerinnen. In einer Zeit, in der die Schulen und Bussitzplätze nach Hautfarben getrennt waren, leisteten diese Frauen die Rechenarbeit für das Langley Memorial Aeronautical Laboratory, die Flugzeugentwicklung und später die Raumfahrt.
Ich habe den Film, zu dem dieses Buch inspiriert hat, noch nicht gesehen. Allerdings muss ich gestehen, dass ich beim ersten Blick in das Buch sehr verwundert war. Statt einer Geschichte fand ich viele kleine, die mal auseinandergezogen wurde, mal als kurze Episoden daher kamen. Dazwischen aber zeigte das Buch sein wahres Gesicht. Ein erzählendes Sachbuch vielleicht, aber eindeutig ein Sachbuch. Eines, das geschichtliche Veränderungen zeigt, ohne sich zu sehr in einer Geschichte zu verlieren. Am Anfang war ich kurz irritiert.
Das Buch zeigt gleich mehrere hochinteressante Entwicklungen in den USA auf. Zum einen die unterschiedlichen Ausgangspunkte für Weiße und Schwarze, ehe der zweite Weltkrieg auch in Amerika Frauen als Arbeitskräfte entdecken ließ. Statt kleinbürgerlicher Hausfrauen waren die meisten Frauen, die Margot Lee Shetterly fokussiert, erwerbstätig und gleichzeitig Mutter. Fasziniert bin ich vor allem darüber, dass die Frage nach Vereinbarkeit in keinem Moment angesprochen wird. Selbst wenn die Frauen keine Großeltern oder einen Ehemann an ihrer Seite hatten, haben sie ihre Karriere verfolgt. Unschlüssig bin ich aber, ob das Buch sich hier einfach mehr auf die Arbeit der „schwarzen Computer“ konzentriert und andere Probleme einfach außer Acht lässt, oder (was irgendwie unwahrscheinlich ist) es keine gab.
Dabei ist die Geschichte der afroamerikanischen Rechnerinnen der verbindende Handlungsstrang. Die einzelnen Schicksale sind hier miteinander verbunden. Und über diese Gemeinsamkeit blickt das Buch weiter, in die Geschichte der Bürgerrechtsbewegung hinein. Diskriminierungen und Entwicklungen für die schwarze Bevölkerung Amerikas werden aufgezeigt. Manchmal ist dabei nicht ganz klar, wo der eigentliche Fokus des Buches ist. Hidden Figures will Frauenbewegung, Bürgerrechtsbewegung und die technischen Entwicklungsschritte in Einklang bringen. Auf weiten Strecken schafft das Buch das, aber eben nicht immer. Dann schweift es ab und muss sich wieder – fast sprunghaft – konzentriere, was denn eigentlich das Thema ist.
Dass Margot Lee Shetterly Hidden Figures dazu noch in ihre eigene Biografie einwebt und einen zusätzlichen Rahmen gibt, ist eigentlich unnötig. Es weckt den Anschein, begründen zu müssen, warum gerade sie sich diesen Themas angenommen hat. Das muss ein Autor nicht. Stattdessen wirkt es unsicher und impliziert, dass sie dieses Buch nur schreiben konnte, weil sie auch schwarz ist und darum die Geschichte der Hidden Figures kennt. Damit erreicht sie, was das Buch genau nicht will. Eine künstliche Grenze zwischen Schwarz und Weiß zu ziehen. Schade finde ich gerade hierbei auch, dass Hidden Figures die Erfolge der Bürgerrechtsbewegung und Emanzipation zeigt, aber nicht zugibt, dass in beiden Feldern noch jede Menge aufzuholen ist.