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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.03.2024

Eine Meuterei im Kontext der Geschichte

Meuterei im Paradies
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Wer „Bounty“ sagt und nicht den gleichnamigen Schokoriegel meint, denkt unwillkürlich an den Hollywoodfilm aus 1962 mit Marlon Brando als Fletcher Christian, jenen charismatischen Anführer jener Besatzungsmitglieder, ...

Wer „Bounty“ sagt und nicht den gleichnamigen Schokoriegel meint, denkt unwillkürlich an den Hollywoodfilm aus 1962 mit Marlon Brando als Fletcher Christian, jenen charismatischen Anführer jener Besatzungsmitglieder, die sich gegen den Leute schindenden Kapitän William Bligh, auflehnten. Doch was als Stoff für Hollywood und andere Verfilmungen gedient hat und noch immer dient, entspricht nicht immer den Tatsachen.

Die Meuterei, wie sie in Filmen und Romanen beschrieben worden ist, hat es so nicht gegeben. Simon Fürchtenschnieder rekonstruiert an Hand von Briefen, Log- und Tagebüchern sowie den Akten aus dem Prozess um Kapitän William Bligh die Geschichte, die hinter den Abenteuerromanen steckt.

Der Autor schildert die Reise der Bounty, die Meuterei und das Schicksal der Besatzungsmitglieder sowie jenes von Kapitän Bligh und den anderen achtzehn, die in einem kleinen Beiboot ausgesetzt werden.

Und genau hier setzt das Buch ein: William Bligh, der Seekarten und andere wichtige Unterlagen sowie wenigen nautischen Instrumente und Waffen, ausgestattet ist, gelingt das Husarenstück nach 3.618 Seemeilen (rund 6.700 km) und 28 Tagen, am 14. Juni 1789, in Osttimor anzulegen. Nicht alle Gefährten haben überlebt. Bereits 1791 macht Blight sich auf, den eigentlichen Auftrag der „Bounty“, nämlich Brotfruchtbäume von Tahiti auf die Westindischen Inseln zu bringen, zu erfüllen. Diese Bäume sollen die Sklaven in den Zuckerrohrplantagen billig ernähren.

Genau einen Monat nach Blighs Ankunft in Osttimor, also am 14. Juli wird in in Paris die Bastille von der hungernden Bevölkerung gestürmt: Startschuss für eine Revolution, die nicht nur König und Königin die Köpfe kostet, sondern einen mehr als 25-jährigen Krieg entfesselt, der erst 1815 beendet werden kann.

Der Autor geht der Frage nach, ob zwischen der Meuterei und der Revolution ein Zusammenhang stehen könnte. Hier wie dort werden durch eine kleine Gruppe streng hierarchische (Macht)Strukturen ausgehebelt.

Anhand von weiteren Beispielen erzählt Simon Fürchtenschnieder, dass Meutereien auf Schiffen keine Seltenheit waren. Er beleuchtet die Rolle der Royal Navy bei wissenschaftlichen Expeditionen, die auch gleichzeitig bislang unbekannte Territorien für die Krone in Besitz nahm, sowie deren Interesse an Stützpunkten, die sowohl Handels- als auch militärischen Interessen dienten.

Wir erfahren einiges über die Betriebsformen von Zuckerrohrplantagen, das Leben der Sklaven sowie die Handelsschifffahrt. Simon Fürchtenschnieder ist Anglist und Geschichtswissenschaftler, der sich ganz der britischen Seefahrtsgeschichte des 18. und 19. Jahrhunderts verschrieben hat. In diesem Buch kann er aus dem Vollen schöpfen.

Jede These ist wissenschaftlich fundiert dargelegt, was auch die mehr als 150 Seiten von Quellen, weiterführender Literatur sowie zahlreichen Abbildungen belegen.

Sprachlich ist das dann nicht ganz so perfekt. Immer wieder gibt es Redundanzen. Allerdings ist das Buch im Gegensatz zu anderen Bücher über die „Meuterei auf der Bounty“ kein Abenteuerroman.

Ach ja, Kapitän Bligh ist in einem Prozess vor dem Seegericht übrigens vom Vorwurf der Leuteschinderei frei gesprochen worden. Ohne Disziplin und Hierarchie kann der Alltag an Bord nicht funktionieren.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem informationsreichen Buch, das einen interessanten Einblick in eine spannende Epoche bietet, 5 Sterne.

Veröffentlicht am 28.03.2024

Fesselnd bis zur letzten Seite

Die Kriminalistinnen. Acht Schüsse im Schnee
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Man schreibt den März im Jahre 1970. Die sechs Aspirantinnen für den Kriminaldienst durchlaufen die verschiedenen Abteilungen. Nach wie vor werden sie als „Experiment“ geführt und manche der Vorgesetzten ...

Man schreibt den März im Jahre 1970. Die sechs Aspirantinnen für den Kriminaldienst durchlaufen die verschiedenen Abteilungen. Nach wie vor werden sie als „Experiment“ geführt und manche der Vorgesetzten sehen mit skeptischen Blicken auf die jungen Damen, die aus unterschiedlichen Gründen bei der Polizei angeheuert haben. Die Bewährungsprobe ist dann der Mord an Millionär Theo Ellerbeck, der vor seiner Villa mit acht Schüssen getötet wird. Lucia Specht, derzeit gerade der Sitte zugeteilt, wird in das Mordermittlerteam eingebunden, da sie am Tag zuvor Ellerbecks minderjährige Tochter Michaela bei einer Razzia in einer Disco mit einem gefälschten Ausweis aufgegriffen hat. Das Mädchen will nur mit Lucia sprechen. Michaela gibt an, den Mord vom Küchenfenster gesehen haben zu wollen.

Die Ermittlungen laufen im Düsseldorfer Polizeipräsidium auf Hochtouren, war doch Ellerbeck ein Mann mit großen Einfluss. Feinde, so sagen die Menschen in seinem Umfeld, hatte er keine. Warum also, wurde er dann regelrecht hingerichtet? Wer profitiert von seinem Tod? Je tiefer Lucia Specht und ihre KollegInnen in den Fall eindringen, desto mehr Widersprüche kommen zum Vorschein.

Meine Meinung:

Dieser zweite Krimi rund um die sechs ersten weiblichen Kriminalbeamten für die Bereiche Gewaltverbrechen in Deutschland ist an ein wahres Verbrechen angelehnt. Bisher werden Polizistinnen eher für Recherchearbeit oder bei der Sitte oder zur Unterstützung der Fürsorge eingesetzt.

Ich kenne den ersten Fall „Der Tod des Blumenmädchens“ leider nicht und habe den schon bestellt. Es gibt zwar einige Rückblenden, was die Herkunft und die Motivation der jungen Frauen in den Kriminaldienst einzutreten betrifft. Im vorliegenden Fall ist Lucia Specht quasi die Hauptperson. Sie will den mysteriösen Tod ihre Mutter aufklären und nützt dafür den Polizeiapparat.

Mir hat dieser zweite Krimi aus dieser Reihe, die hoffentlich noch einige Fortsetzungen haben wird, sehr gut gefallen, vor allem auch deswegen, weil er uns die Zeit von 1970 näherbringt. Ehefrauen dürfen nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Ehemanns arbeiten, was bei Petra, die mit einem Staatsanwalt verheiratet ist und von einem Team, das gemeinsam Verbrecher jagt träumt, mit häuslicher Gewalt endet.

Andererseits sind die Frauen ständig sexuellen Belästigungen durch Kollegen und Vorgesetzte ausgesetzt. Das Abweisen von Avancen mündet häufig in Versetzung in das sprichwörtliche „Besenkammerl“ und schlechter Beurteilung. Wie sich die Frauen gegen diese Übergriffe wehren, ist unterschiedlich. Lilly nimmt seit einiger Zeit an einem Boxtraining teil, während Lucia es bislang geschafft hat, ihre Widersacher verbal niederzuringen.

Daneben sind noch zahlreiche Kollegen wie Müller, die schon während der NS-Zeit bei der Polizei waren und ihre Ansichten über Frauen und Homosexuelle nicht geändert haben. Einige der Männer fühlen sich quasi kastriert, wenn nun auch weibliche Kriminalbeamte Waffen tragen dürfen. Also eine Gemengelage, die es in sich hat.

Die Charaktere sind sorgfältig und ziemlich authentisch dargestellt. Die Frauen zeichnen sich durch den Zusammenhalt in ihrer Gruppe aus und stellen Fragen, die Männer so nicht in den Sinn gekommen wären. Das liest sich dann so:

»Ich habe da einen Gedanken«, sagte sie laut, »hört mal bitte zu.«
Menden blieb stehen. Wir sahen Mieze aufmerksam an.

»In meiner Zeit bei der Vermisstenabteilung habe ich eines gelernt: Wenn Menschen freiwillig verschwinden, ist es so, dass sie sich an Orten aufhalten, an denen sie sich sicher fühlen. Orte, die anonym sind oder die sie aus ihrer Vergangenheit kennen, die positiv belegt sind für sie oder einen Sehnsuchtsort darstellen. Ich dachte mir gerade: Was ist, wenn es bei Michaela anders ist? Wenn für sie der beste Ort, um sich zu verstecken, der wäre, an dem sie niemand vermutet? Ein Ort, den sie selbst furchtbar findet. Denn dort würden wir nicht suchen.«

Mieze sah uns erwartungsvoll an. Menden drehte sich langsam um die eigene Achse. Er straffte die Schultern und sah zu Lenzian.

»Warum kommst du nicht auf solche Ideen?«, sagte er zu ihm.

Der Kriminal Theo Ellerbeck ist komplex und führt sowohl Ermittler als auch uns Leser in so manche Sackgasse. Die Auflösung ist für mich nicht ganz überraschend, aber schlüssig.

Der Cliffhanger auf den letzten Seiten ist echt fies!

Fazit:

Gerne gebe ich diesem Krimi, der uns in das Jahr 1970 und in die Anfänge der weiblichen Kriminalpolizei zurückführt, 5 Sterne.

Veröffentlicht am 26.03.2024

Eine gelungene Fortsetzung

Kärntner Ritterspiel
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Andreas Pittler, Historiker und Autor zahlreicher Bücher, unter anderem der grandiosen Reihe um David Bronstein, hat sich mit diesem, seinem zweiten Krimi rund um die beiden Ferlacher Dorfpolizisten Sigi ...

Andreas Pittler, Historiker und Autor zahlreicher Bücher, unter anderem der grandiosen Reihe um David Bronstein, hat sich mit diesem, seinem zweiten Krimi rund um die beiden Ferlacher Dorfpolizisten Sigi Obiltschnig und Ferdinand Popatnig eine besonders hübsche Kulisse ausgesucht: das jährliche Mittelalterfest auf der Burg Hochosterwitz.

Zunächst gehen die Uhren im knapp 18 km von der Landeshauptstadt Klagenfurt entfernten Ferlach noch ein wenig langsamer als sonst irgendwo. Die Verbrechen spielen sich zwischen Falschparken und Fahrraddiebstahl ab. An jenem denkwürdigen Tag, an dem Oberst Dullnig vom LKA Klagenfurt anruft, hat Popatnig einen Autofahrer ertappt, der gegen eine Einbahn fährt und Obiltschnig frei.

Und schon ist es mit der vertrauten Gemütlichkeit vorbei, denn das LKA ist wieder einmal chronisch unterbesetzt und auf der Burg Hochosterwitz gibt es eine Leiche. Da müssen die Ferlacher aushelfen, denn im letzten Fall („Kärntner Finale“) haben sie die hauptberuflichen Kriminalbeamten quasi an die Wand gespielt und den komplexen Fall de facto im Alleingang gelöst.

Obiltschnig und Popatnig wissen noch nicht, ob sie sich geehrt fühlen sollen, oder nur für das LKA die heißen Kartoffeln aus dem Feuer holen müssen.
Der vorerst unbekannte Tote wurde enthauptet und wird nicht die einzige Leiche bleiben. Wie in einem Abzählreim, sterben insgesamt nacheinander vier Personen, jeweils in der nächsten Nacht. Auffällig ist, dass sie aus einer Gruppe von sieben Ausstellern des Mittelalterfestes stammen, sich gut kennen. Vier von ihnen haben nun einen, nach einer mittelalterlichen Tradition, Tod gefunden: Also die Enthauptung, dann hat ein Bogenschütze ins Schwarze getroffen, eine Frau wurde vergiftet und ein anderer in seinem eigenen Met ertränkt. Nun bleiben nur noch drei übrig. Ist der Täter einer von ihnen? Nur wer ist es?

Die Durchforstung der Lebensläufe sowohl der bisherigen Opfer als auch der drei noch lebenden Schausteller gibt zunächst wenig Aufschluss. Erst ein Foto, das vor rund 15 Jahren aufgenommen worden ist, bringt Gruppeninspektor Obiltsching auf eine heiße Spur und auf einen schwarzen Hengst.
Was dann folgt, ist eine Verfolgungsjagd, die Monty Pythons Flying Circus würdig ist. Aber, das müsst ihr bitte selbst lesen.

Meine Meinung:

Als halbe Kärntnerin und schwerer Fan von Andreas Pittlers Krimis hat mir dieser zweite Kärnten-Krimi wieder sehr gut gefallen. Wie schon im ersten Fall für Obiltschnig und Popatnig fehlt mir ein wenig der Kärntner Dialekt. Gut, einmal wird die Bezeichnung „Tocker“ (= Idiot, Dummkopf) verwendet. So weiterhin mehr oder weniger auf hochdeutsch parliert. Die humorvollen Dialoge, in denen sich Obiltschnig und Popatnig die Bälle (oder wie man in Wien sagt: die Wuchteln) zuspielen, haben mich mehrmals schmunzeln lassen.

Neben den bekannten Charakteren wie Oberst Dullnig, Obiltschnig und Popatnig wird die Gerichtsmedizinerin Stefaner als neue Figur eingeführt. Die passt bestens in die Ferlacher Truppe, auch wenn die Gerichtsmedizin in der Landeshauptstadt angesiedelt ist. Ihr trockener, schwarzer Humor hat mir sehr gut gefallen.

Es dauert ein wenig, bis die Ermittlungen Erfolg haben. Wir Leser können dem Täter durch geschickt platzierte Einschübe über die Schulter schauen. Der aufmerksame Leser wird bald eine Idee haben, was Täter und Motiv betrifft.
Gut gefallen hat mir, dass das Privatleben der beiden eine eher untergeordnete Rolle spielt und nicht überhand nimmt.

Dass mich Obiltschings Ritt auf dem schwarzen Hengst an Monty Python Flying Circus erinnert, kommt nicht von ungefähr, hat doch Andreas Pittler ein Buch über die Truppe verfasst: „Monty Python 100 Seiten“ erschienen bei Philipp Reclam, das ich vor kurzem gelesen habe.
Nach der erfolgreichen Auflösung des Kriminalfalles hat Obert Dullnig für unsere wackeren Ferlacher Dorfpolizisten eine Überraschung bereit: Beide erhalten jeweils einen halbe Planstelle beim LKA in Klagenfurt, um die Stadtcowboys bei der Verbrecherjagd zu unterstützen. Das heißt, weitere Fälle mit Obiltschnig und Popatnig sind vorprogrammiert. Fans von Kärnten und Andreas Pittler wie mich, freut das sehr.

“… Always Look at the Bright Side of Life …”

Fazit:

Gerne gebe ich dieser gelungenen Fortsetzung 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 26.03.2024

UFO-Alarm in Fredenbüll

Krieg der Seesterne
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Das Dutzend ist voll, nämlich die Anzahl der Krimis, die in Fredenbüll spielen, und für dieses denkwürdige Jubiläum hat sich Autor Krischan Koch wieder etwas ganz Besonderes ausgedacht: Den Krieg der Seesterne.

Ungewöhnliches ...

Das Dutzend ist voll, nämlich die Anzahl der Krimis, die in Fredenbüll spielen, und für dieses denkwürdige Jubiläum hat sich Autor Krischan Koch wieder etwas ganz Besonderes ausgedacht: Den Krieg der Seesterne.

Ungewöhnliches geht in Fredenbüll vor sich. Das wär ja an sich jetzt nichts Neues, aber dass sich extraterrestrische Lebensformen ausgerechnet Fredenbüll als Landeplatz ausgesucht haben, scheint doch ein wenig zu verwundern. Aber, vielleicht hat deren Navi beim „abdät“ einen interstellaren Stromschlag erlitten.

Zunächst glaubt Piet Paulsen seinen Augen samt Gleitsichtbrille nicht zu trauen, als eines Nachts ein UFO an seinem Haus vorbei schwebt.

Auf dem Dinkelacker des nunmehrigen Biohof Brodersen wächst das Getreide gegen den Himmel. Plötzlich erscheinen nicht nur rätselhafte Kornkreise, sondern in deren Mittelpunkt eine Leiche. Die Kumpel der Leiche entpuppen sich letzten Endes als schnöde Geschäftemacher in der leichtgläubigen Welt der Esoteriker..

Thies und Nicole Stappenbeck haben wieder einmal einen Mord aufzuklären. Das erweist sich als nicht ganz einfach, denn es treiben sich zahlreiche verdächtige Gestalten in Fredenbüll herum. Von E.T. bis Luke Skywalker - alles was in der SF-Szene Rang und Namen hat, gibt sich vor Piet Paulsens Haus ein Stelldichein, denn der wird als „Alpha-Kontakt“ geoutet. Piet ist über den Rummel alles andere als erfreut, plagen ihn doch ganz andre Sorgen. Alexa und Uwe Seeler matchen sich um die Vorherrschaft in seinem Haushalt. Und dann ist da noch die Sache mit Magath und Hrubesch.

Und dann kommt noch Austerndieb und Bademeister Benny mit den spitzen Ohren ums Leben.

Wann wird endlich wieder Ruhe in Fredenbüll einkehren?

Meine Meinung:

Autor Krischan Koch nimmt die allerorten aus dem Boden schießenden Wunderheiler und Esoteriker sowie die Welt der SF-Gläubigen aufs Korn. Doch hinter den durchaus lustigen und skurrilen Szenen finden sich auch ernste Themen wie sektenähnliche, durchaus kriminelle Organisationen ziehen leichtgläubige Menschen in den Bann und anschließend ihnen das Geld aus der Tasche, nicht immer ist BIO drin, wenn BIO draufsteht und was passiert, wenn Maschinen infolge von KI das Kommando übernehmen. Da ist Piet Paulsen mit seiner Alexa und ihrer eigenwilligen Grammatik beinahe noch gut bedient. Drastisch, aber dann doch mit gutem Ausgang, zeigt uns Krischan Koch, was passiert, wenn man den ganzen Tag auf dem Smartphone herumwischt, in die virtuelle (Schein)welt abgleitet und dabei die reale Umwelt vergisst.

Der Krimi beschert uns ein Wiedersehen mit einigen Charakteren aus mehreren Vorgängern. So hat Ex-Talkmaster und Mörder März, nach Verbüßung seiner Haft wieder Gelegenheit, mit kriminellen Machenschaften aufzufallen. Auch der nunmehrige Biohof Brodersen, einst Schauplatz zweier Leichenfunde, ist wieder mit dabei. Ob sich Bounty über das Wiedersehen einer ehemaligen Kommunardin wirklich gefreut hat, bleibt dahin gestellt, denn das unerwartete Auftauchen von Ufo bringt eine Menge Kalamitäten.

Fazit:

Auch der 12. Fredenbüller Krimi unterhält seine Fans mit zahlreichen schrägen Typen und viel Wortwitz. Gerne gebe ich hier 5 Seesterne.

Veröffentlicht am 26.03.2024

Ein gelungener Auftakt einer neuen Krimi-Reihe

Der Dienstmädchenmörder
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Autor Walter Christian Kärger verlässt mit diesem Krimi den Bodensee und die Gegenwart und entführt uns in das München von 1886. Es ist die Regierungszeit von Ludwig II., der seit einiger Zeit als nicht ...

Autor Walter Christian Kärger verlässt mit diesem Krimi den Bodensee und die Gegenwart und entführt uns in das München von 1886. Es ist die Regierungszeit von Ludwig II., der seit einiger Zeit als nicht mehr regierungsfähig gilt.

Hajo von Zündt ist Pathologe und begeisterter Amateurkriminologe. Gemeinsam mit seinem Freund und Adoptivbruder Adam Bittencourt sowie Charlotte Brauchitsch, die ihn bei seinen Sektionen als Assistentin unterstützt, gerät er diesmal in einen Strudel von Verbrechen, der seine Schatten bis in höchste Kreise wirft.

Zunächst beginnt alles (fast) harmlos: Hajo und Charlotte obduzieren auf Wunsch von Kommissar Manteuffel eine Wasserleiche und entdecken, dass die Frau, Marianne, ertränkt worden ist. Schlimmer noch, sie war schwanger und ehedem im Elternhaus von Hajo als Dienstmädchen angestellt. Nachdem man ihren Verlobten ausgeforscht und verhaftet hat, begeht dieser Selbstmord, was als Schuldeingeständnis gewertet wird. Fall erledigt, Akte geschlossen. Punktum.

»Manteuffel ist der Einzige im gesamten Polizeiapparat, der seinen Beruf ernst nimmt und einen Fall nicht für abgeschlossen erklärt, nur weil das Opfer aus einfachen Verhältnissen stammt und kein Hahn danach kräht. Da ich das respektiere und unterstütze, bin ich ihm in dieser Angelegenheit gerne behilflich.«

Bei einem Treffen im Haus von Zündt bemerkt Manteuffel, dass das tote Dienstmädchen nicht die einzige Tote sei. Im Zeitraum von einem Jahr sind weiter zwei Mädchen tot aus der Isar gefischt worden und von drei anderen fehlt jede Spur. Allen gemeinsam ist, dass sie als Dienst- oder Schankmädchen gearbeitet haben, und so weit bekannt, ledig waren und keine Angehörigen hatten.

Um Herauszufinden, warum sich Marianne gegen ihren Angreifer nicht zur Wehr gesetzt hat, stellt Hajo mit Charlotte in Anwesenheit von Adam und Manteuffel, den Mord an Marianne im Zündt’schen Badezimmer nach und kommt zu einer höchst gefährlichen Erkenntnis: Der Tod des Mädchens wurde als Suizid inszeniert, um vom Täter abzulenken. Nur, wer kann der Täter sein?

Dann beginnt höchst bemerkenswerte Ermittlungen, die Hajo, Adam und Charlotte nicht nur in höchste adelige Kreise führen, sondern eine Verschwörung aufdecken lassen und sie mehrmals in akute Lebensgefahr bringen.

Meine Meinung:

Mit diesem Krimi ist Walter Christian Kärger ein fesselnder historischer Krimi gelungen, der nicht nur persönliche Abgründe degenerierter Adelige aufdeckt, sondern auch Einblick in die von Standesdünkel dominierte Welt gibt. Wir erfahren von Frauenvereinen, die sich für Frauenbildung, das Frauenwahlrecht und überhaupt für die Verbesserung der Lebensbedingungen von Frauen einsetzen. Dass das Leben von adeligen Frauen, die genau wie ihre bürgerlichen Zeitgenossinnen von den Launen ihrer Väter, Brüder, Vormunden und schließlich ihren Ehemännern abhängt, und mitunter auch nicht immer ein Zuckerschlecken ist, macht Annette von Valleys Schicksal deutlich.

Sehr geschickt erklärt der Autor die neuen Methoden der Kriminalistik, die Hajo aus Büchern erlesen und ausprobiert hat. Fingerprints, also die Daktyloskopie wird erst ab 1903 in Deutschland eingeführt. Federführend war hier Dresden. Hier darf Hajo von Zündt ein wenig experimentieren.

Die Charaktere sind ausgezeichnet gelungen. Die Handlung ist komplex konzipiert. Ich habe recht bald einen Verdacht gehabt, wer hinter den ganzen Morden steht. Allerdings hat mich der werte Herr Autor eine Zeit lang ein wenig auf den Holzweg geführt.

Wir dürfen auf eine Fortsetzung hoffen, denn mitten in die Feierlichkeiten zur gelungenen Aufklärung der Morde an den Dienstmädchen und des geplanten Regierungsumsturzes platzt die Nachricht, der entmündigte König, Ludwig II. und sein Arzt Bernhard von Gudden, der ja in diesem Krimi auch eine Rolle gespielt hat, am Starnberger See ertrunken sind. Prinzregent Luitpold erteilt Hajo von Zündt höchstpersönlich den Auftrag, die Umstände der tragischen Ereignisse zu ermitteln.

Fazit:

Ein gelungener Auftakt einer historischen Krimi-Reihe aus dem München des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Gerne gebe ich diesem fesselnden, komplexen Krimi 5 Sterne und eine Leseempfehlung.