Siegfried Hetz ist vielen Lesern als Autor zahlreicher Reiseführer durch das Land Salzburg bekannt.
Diesmal hat er sich, nach Engelbert Dollfuss, wieder einer umstrittenen Persönlichkeit Österreichs angenommen: Dr. Burghard Breitner, seines Zeichens Mediziner, der von einem Teil der Bevölkerung als „Engel von Sibirien“ verehrt wurde und es dennoch, trotz jüdischer Herkunft, nicht geschafft hat, sich vom nationalsozialistischen Gedankengut zu befreien.
Wer ist er nun dieser Dr. Breitner?
1884 in Mattsee, dessen „Geschichte eine Geschichte von braunen Bonzen in herrschaftlichen Villen ist“ (© Siegfried Hetz/2016) geboren, studiert er Medizin und rückt begeistert 1913 in den Balkankrieg ein. Schon nach wenigen Tagen an der Front landet er „unverwundet“ in russischer Kriegsgefangenschaft. Dies ist nach seinen Ehrbegriffen eine Schande. In einem sibirischen Lager leistet medizinische Hilfe, soweit das mit den beschränkten Mitteln möglich ist. Erst 1920 wird er aus dem Kriegsgefangenenlager entlassen und kehrt in ein völlig anderes Österreich zurück.
Bereits 1932 tritt er der NSDAP bei, die er nach deren Verbot 1934 wieder verlässt. 1939 wird er wieder in die Partei eintreten. Dieser Ein- und Austritt sowie der Wiedereintritt wirft ein schräges Licht auf Breitner. Vor allem, wenn man weiß, dass niedrige Mitgliedsnummern während der NS-Zeit (und auch später) eine große Bedeutung haben. Wobei es verwunderlich ist, dass er wieder in die Partei aufgenommen worden ist. Um eine große Karriere zu machen, benötigt er den „großen Ariernachweis“, den er nicht beibringen kann. Ganz im Gegenteil, er sollte 1938 gemäß des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums (1933)“ mit nur 54 Jahren in den Ruhestand geschickt werden. Durch Intervention wird er 1941 „deutschblütigen Personen“ gleichgestellt und sofort eingezogen. In diversen Lagern ist er an Menschenversuchen beteiligt.
Diese Beteiligung an NS-Verbrechen wird ihm 1946 (wie schon 1938) abermals den Lehrstuhl für Chirurgie an der Universität Innsbruck kosten. Er behauptet,
„Das nationalsozialistische Regime hat mich in seinen führenden Vertretern keineswegs als Gesinnungsgenossen gewertet. Ich war nur geduldet, von Vielem ausgeschlossen, in nichts gefördert.........In dem Bewusstsein, kein Parteimitglied zu sein und keins sein zu wollen, sah ich mich als unentwegter Österreicher, der die nationalsozialistischen Doktrinen schärfstens abgelehnt hat, nicht bemüssigt, auch nur in Nebensächlichkeiten meine Person politisch bemerkbar zu machen.“(S.131)
Die schriftlichen Beweise über seine Mitgliedschaft in der NSDAP wiegen schwer. Und dann geschieht das, was häufig passiert: Man sieht letztendlich darüber hinweg. So kommt es, dass Burghard Breitner 1951 als Kandidat des „Verbandes der Unabhängigen“ (VdU) als Gegenkandidat zu Theodor Körner (SPÖ) und Heinrich Gleißner (ÖVP) zur Wahl des Bundespräsidenten aufgestellt wurde.
1956 stirbt Burghard Breitner, der sich Zeit seines Lebens auch als Dichter verstanden hat.
Meine Meinung:
Der Text auf der Rückseite des Buches fasst die ambivalente Persönlichkeit des Burghard Breitners recht gut zusammen:
"Habe ich bestanden?" Die bange Frage stand brennend über seinem Leben und ist in seinen Grabstein gemeißelt. Deutschnational bis in die Knochen, jüdischer Abstammung, Nietzsche verfallen und von Otto Weiningers Geschlecht und Charakter aufgerüttelt – ständig bewegte sich Burghard Breitner zwischen den Welten. Dem Rot-Kreuz-Gedanken über 50 Jahre aufs Innigste verbunden, schaffte er es dennoch nicht, sich vom menschenverachtenden System des Nationalsozialismus ausreichend zu distanzieren.“
Autor Siegfried Hetz gelingt es, durch seine akribische Spurensuche ein plastisches Bild dieses Mannes zu zeichnen und die Widersprüche seiner Person heraus zu arbeiten.
Fazit:
Das Buch ist nicht ganz einfach zu lesen, was vor allem an der kleinen Schrift liegt. Zahlreiche Fotos und Faksimiles ergänzen diese Biografie. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.