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Veröffentlicht am 21.11.2020

Operation Soldatenklau

Unter Bombern
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Fritz Walter, der auch mir Österreicherin ein Begriff ist, wäre am 31. Oktober 2020 100 Jahre alt geworden. Diese Biografie zeichnet den Weg des kleinen Friedrich, der schon in jungen Jahren nichts anderes ...

Fritz Walter, der auch mir Österreicherin ein Begriff ist, wäre am 31. Oktober 2020 100 Jahre alt geworden. Diese Biografie zeichnet den Weg des kleinen Friedrich, der schon in jungen Jahren nichts anderes als kicken wollte, nach.

Aufgewachsen in Kaiserslautern, in unmittelbarer Nähe des „Betzenberges“ ist er ein Ausnahmetalent des deutschen Fußballs.

Ein ähnliches Talent ist August Klingler (1918-1944) aus Daxlanden nahe Karlsruhe.

Die Lebenswege der beiden Fußballer kreuzen sich schon 1939.

Eine große Rolle in beider Leben spielt Josef „Sepp“ Herberger, der als Reichstrainer alles daran setzte, die Spieler der Reichsmannschaft vor der Front zu bewahren. Mehrmals hat die „Operation Soldatenklau“ funktioniert und zahlreiche Fußballer vor dem Tod bewahrt.

Nur bei August Klingler ist es ihm nicht gelungen, den jungen Mann vom Reichsarbeitsdienst loszueisen und den „Roten Jägern“ einzuverleiben. Klinglers Vorgesetzte waren nicht bereit, Herberger zu unterstützen. Die „Roten Jäger“ war eine Mannschaft der besten Fußballer jener Zeit, die der fußballnärrische Jagdflieger Herbert Graf ins Leben gerufen hat. Ausgerechnet als Klingler an die russische Front abkommandiert worden ist, war Graf abgeschossen worden und schwer verletzt im Lazarett. Herberger konnte August Klingler nicht vor der Ostfront retten, wo er am 23.11.1944 gefallen ist.

Fritz Walter hat mehr Glück und spielt während des Zweiten Weltkrieges in diversen Militärmannschaften. Der Fußball rettet ihm abermals das Leben, denn als er 1945 in russische Gefangenschaft gerät, wird er erkannt und gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder vorzeitig entlassen.

Gemeinsam mit seinem Bruder Ottmar spielt er nach 1950 bis 1958 in der neu formierten deutschen Nationalmannschaft. Unvergessen ist die WM von 1954, als er die deutsche Fußball-Elf als Kapitän zum WM-Titel geführt. Österreich wurde damals Dritter.

Meine Meinung:

Autor Stefan Mayr ist er wunderbar gelungen, den Menschen und Sportler Fritz Walter zu porträtieren. Der Fußballer scheint immer mit beiden Beinen am Boden geblieben sein. Angebote, zu einem ausländischen Klub zu gehen, hat er immer abgelehnt. Seinem Klub Kaiserslautern ist er zeitlebens treu geblieben. Wenn ich mir das Gewese um die aktuellen Fußballer ansehe (Stichwort David Alabas Gagenforderung an den FCB), so kann ich nur den Kopf schütteln.

Fritz Walter ist nicht nur ein Ausnahmetalent. Davon gab es, wie man in diesem Buch lesen kann, ja mehrere. Er hat auch unwahrscheinliches Glück, den Zweiten Weltkrieg zu überleben, denn mindestens 38 andere Nationalspieler sind gestorben.

Das Buch ist penibel recherchiert und beinhaltet auch Dutzende Zitate aus der Zeitschrift „Kicker“. Ergänzt wird es durch zahlreiche Fotos.

Die Jahre des Zweiten Weltkrieges und seiner Grausamkeiten sind ungewöhnlich gut dargestellt. Der Leser kann das Geschehen hautnah miterleben.
Bei Sepp Herberger muss ich ein wenig Abbitte leisten, denn ich habe ihn eher auf der Seite der Machthaber vermutet.

Fazit:

Eine Hommage an einen herausragenden Fußballer, der ich gerne 5 Stern gebe.

Veröffentlicht am 21.11.2020

Zukunft iohne Pestizide? Geht das?

Das Gift und wir
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Klappentext:

Sie finden sich überall: im Trinkwasser, im Gemüse, im Obst, im Getreide, in der Milch, im Bier – in vielen unserer Lebensmittel. Und in uns selbst: im Gewebe, im Urin, in der Muttermilch. ...

Klappentext:

Sie finden sich überall: im Trinkwasser, im Gemüse, im Obst, im Getreide, in der Milch, im Bier – in vielen unserer Lebensmittel. Und in uns selbst: im Gewebe, im Urin, in der Muttermilch. Überall da, wo sie nicht hingehören und nicht hingelangen sollen, finden wir die giftigen Hinterlassenschaften der industrialisierten Landwirtschaft, die Rückstände der synthetischen Pestizide. Ihr weltweiter Einsatz ist zu einem gewaltigen Vernichtungsfeldzug geworden, der vielen Pflanzen und Tieren auf dem Land das Überleben unmöglich gemacht hat. Es ist höchste Zeit, das Gift von den Äckern zu verbannen und wieder mit der Natur und dem Leben zusammenzuarbeiten. Dieses Buch zeigt auf, wie die synthetischen Pestizide zur Bedrohung wurden und wie es ohne sie weiter gehen kann und muss.


Dreißig anerkannte Expertinnen und Experten aus aller Welt haben zu diesem aufschlussreichen Buch beigetragen. In fünf großen Kapiteln, die noch in zahlreiche Unterkapitel geteilt sind, beleuchten die Wissenschaftler den Einfluss, den die massenhaft verwendeten Pestizide auf unsere Umwelt und auf uns selbst haben.

Prolog
Das vergiftete Leben
Das Panorama
Das Zukunftsbild
Anhang

Die Rückstände der Chemikalien finden sich überall. In Nahrungsmitteln, in Kleidung und recht bedrohlich auch in unseren Körpern. Wie es dazu kam? Das listet der Herausgebe dieses Buchs minutiös auf. Dazwischen zeigt er unter der Überschrift „Verlustanzeige“ stellvertretend für die vielen Lebewesen, beinahe oder gänzlich ausgerottet wurden, folgende Tiere:

Der Baumweißling
Der Rotkopfwürger
Die Heideschrecke
Die Bachforelle
Die Feldlerche
Der Schwalbenschwanz
Die Felchen
Der Rote Apollo
Die Westliche Honigbiene
Der Rote Schneckenfalter
Die Turteltaube
Die Grauschuppige Sandbiene
Die Schwarze Mörtelbiene

Im Kapitel „Zukunftsbild“ werden auch Auswege aus dem Dilemma und der Ausstieg aus der flächendeckenden Verwendung von Pestiziden gezeigt.

Fazit:

Dieses Buch rüttelt auf, zeigt aber Möglichkeiten, wie es ohne Pestizide weitergehen kann und muss. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Veröffentlicht am 21.11.2020

Behtsame Aufarbeitung eines TAbu-Themas

Wir Kinder der Gewalt
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Nach ihrem Buch „Die Soldaten kommen“ widmet sich Miriam Gebhardt diesmal den Folgen der Vergewaltigungen durch Besatzungssoldaten. Anders als immer wieder kolportiert, haben Soldaten aller Besatzungsarmeen ...

Nach ihrem Buch „Die Soldaten kommen“ widmet sich Miriam Gebhardt diesmal den Folgen der Vergewaltigungen durch Besatzungssoldaten. Anders als immer wieder kolportiert, haben Soldaten aller Besatzungsarmeen und nicht nur die Sowjets sexuelle Gewalten gegen die Besiegten ausgeübt. Dabei spielt der Ort des Geschehens kaum eine Rolle, ebenso wenig wie das Alter und das Geschlecht der Opfer.

Gesprochen wurde darüber von den Betroffenen nur ganz selten. Sie bekamen keinerlei Unterstützung. Im Gegenteil, sie wurden als Russenhuren oder Amiliebchen diffamiert. Besonders schlimm hat es jene getroffen, die bei diesm Gewaltakt schwanger wurden und natürlich den Kindesvater nicht benennen konnten. In manchen Fällen wurden diese Kinder der Gewalt stillschweigend geduldet. Liebe haben diese Kinder wenig erfahren. Besonders, wenn es dann später erwünschten Nachwuchs gab.

Welchen Belastungen die vergewaltigten Frauen ausgesetzt waren und wie sich die auf ihre Kinder bzw. Enkel übertragen haben, hat Miriam Gebhardt anhand von zahlreichen Interviews und Fragebögen erforscht.

Diese Gewalterfahrung wird, wie wir es aus der neueren Forschung nun wissen, an die nächste Generation(en) weitergegeben. So ist es auch wenig verwunderlich, dass die betroffenen Frauen bzw. ihre Kinder an Spätfolgen leiden.

Stellvertretend für die, ihren Schätzungen nach 900.000 Vergewaltigungen und den daraus ca. 80.000 geborenen Kinder, lässt die Autorin und Historikerin vier Frauen und einen Mann über ihre bzw. die Geschichte der Mütter zu Wort kommen.

Behutsam begegnet Miriam Gebhardt ihren Interviewpartnern, die sich oft ungeliebt fühlten. Sie berichtet auch von Versuchen, den „Erzeuger“ ausfindig zu machen. Das Aufwachsen ohne Vater ist in der Nachkriegszeit grundsätzlich ja kein Einzelschicksal, da Millionen von Männern gefallen oder vermisst waren. Doch der Makel in der Geburtsurkunde „Vater unbekannt“ stehen zu haben bzw. von den Gerüchten rund um die Zeugung zu hören, hat bei den Kindern tiefe Spuren hinterlassen, di sich in Depressionen und/oder Bindungsstörungen bemerkbar mach(t)en.

Neben den fünf Einzelschicksalen bietet Miriam Gebhardt einen Blick auf die geschichtlichen Zusammenhänge. Auch allgemeine Fragen zu diesem nach wie vor tabuisierten Thema werden gestellt und soweit möglich beantwortet.

Fazit:

Kinder der Gewalt - ein sehr schwieriges, emotionales Thema, das von der Autorin sehr sachlich und behutsam bearbeitet wird. Gerne gebe ich diesem Buch 5 Sterne.

Veröffentlicht am 21.11.2020

Wirklich der letzte Weckruf?

Letzter Weckruf für Europa
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Journalist und Politiker der „Neos“ Helmut Brandstetter beleuchtet in 15 Kapiteln die aktuelle Lage in Europa. Diese Abschnitte sind:

Identität
Illusion
Geschichte
Entschlossen
Solidarität
Geld
Lernen
Lebensart
Balkan
Kandidaten
Zerfall
Krieg
Reform
Klimawandel
Weckruf

Die ...

Journalist und Politiker der „Neos“ Helmut Brandstetter beleuchtet in 15 Kapiteln die aktuelle Lage in Europa. Diese Abschnitte sind:

Identität
Illusion
Geschichte
Entschlossen
Solidarität
Geld
Lernen
Lebensart
Balkan
Kandidaten
Zerfall
Krieg
Reform
Klimawandel
Weckruf

Die EU ist ein Zusammenschluss von einst 28 und nach dem Brexit nunmehr 27 individueller Staaten Europas, die ihre eigene Identität nicht wirklich aufgeben wollen. Vielmehr scheint es, als wollte sich die Mitglieder mehrheitlich die sprichwörtlichen Rosinen aus dem Kuchen picken. Der Streit um das zukünftige EU-Budget droht zu eskalieren. Polen und Ungarn drohen mit einem Veto, wenn die EU weiter auf das Einhalten der Rechtsstaatlichkeit pocht, die auf Grund der autokratischen Strukturen in beiden Ländern gefährdet sind.

Auch im Handelskrieg USA versus China sieht die EU hilflos zu und könnte zwischen den beiden aufgerieben werden. Ob der neue Präsident der USA Joe Biden hier eine andere Rolle spielen wird als „America First-Trump“?

Auch das Verhalten der einzelnen Länder während der Corona-Pandemie zeigt, dass jeder Staat seine eigenen Interessen gegenüber einem gesamteuropäischen vorzieht. Allerdings sind sich die meisten Staaten einig, wenn es darum geht, einen Sündenbock für das eigene Versagen zu finden: Ja, genau - die EU.

Sehr interessant ist der Blick des Autors auf den Balkan, dessen Staaten als Beitrittskandidaten eine lange Liste von Aufgaben zu erfüllen haben, bevor sie tatsächlich Mitglied der EU werden können. Doch ohne Balkanländer wäre Europa unvollständig.

Fazit:

Ein guter Überblick über den aktuellen Zustand Europas, dem ich gerne 4 Sterne gebe.

Veröffentlicht am 21.11.2020

Ein beeindruckender hist. Roman

Heimatlos
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Judit Kovàts erzählt in diesem Roman die Geschichte der Lili Hartmann, die das Schicksal von Millionen Deutschen, die nach 1945 als Siebenbürger, Donauschwaben, Schlesier, Ungarndeutsche und Sudetendeutsche ...

Judit Kovàts erzählt in diesem Roman die Geschichte der Lili Hartmann, die das Schicksal von Millionen Deutschen, die nach 1945 als Siebenbürger, Donauschwaben, Schlesier, Ungarndeutsche und Sudetendeutsche aus der wiedererstandenen Tschechoslowakei (und anderen Staaten) vertrieben werden, teilt. Zuvor werden sie noch enteignet, aller beweglichen Besitztümer beraubt, erniedrigt und gedemütigt. Wer nicht spurt, wird erschossen. So nehmen die Tschechen und Slowaken blutige Rache an den Deutschen. Dabei ist es egal, ob es sich um alte Männer, Frauen oder Kinder handelt.

Wer ist sie nun, die Romanfigur Lili, die stellvertretend für zahlreiche Frauen steht?

Lili stammt aus dem slowakischen Käsmark/Kesmark/Kezmarok. Man sieht schon aus der dreifachen Bezeichnung des Ortes, dass unterschiedliche Menschen zusammenleben. Schon mit 12 Jahren ist sie die Ernährerin der Familie. Auf der Flucht muss sie ihre Großmutter und ihre Schwester begraben. Während die Frauen der Familie Hartmann in Etappen und verschiedenen Lagern Richtung Westen vertrieben werden, wird Lilis Vater, ein Rechtsanwalt, jahrelang in auf einer Festung inhaftiert und anschließend in das Uranbergwerk Jàchymov als Zwangsarbeiter verschleppt.

Wir erleben mit, wie sich Lily im Arbeitslager durchschlägt, wie sie durch einen Irrtum bei der Registrierung zur Mutter ihres kleinen Neffen wird und nach Bayern deportiert wird.

Heimatlos und ausgeliefert erlebt sie die ersten Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges. Auch das innere Gefüge ihrer Familie löst sich auf, als die Mutter sich in einen ebenfalls geflüchteten Tierarzt verliebt.

Meine Meinung:

Ein sehr gut gelungener Roman, der anhand von Lili Hartmanns Schicksal, die der Millionen vertriebenen Deutschen erzählt. Es klingt wie ein Treppenwitz der Geschichte, dass diese Flüchtlinge nun in jenen KZ zusammengepfercht werden, die zuvor für Juden und Zwangsarbeiter errichtet wurden.

Die Geschichte ist einfühlsam und spannend erzählt. Es gibt keine großen Helden, sondern kleine Zufälle und Begebenheiten, die über Leben und Tod entscheiden.

Die Autorin beschreibt das Leben der kleinen Leute, die es nicht richten konnten, die ums nackte Überleben kämpften, für die das Ende des Krieges der Beginn ihres eigenen Leidensweges war. Die entwurzelt und heimatlos in Deutschland, oft als Eindringlinge maximal geduldet waren.

Der Roman ist, wie es sich für eine Historikerin gehört, penibel recherchiert.

Fazit:

Ein beeindruckender Roman der ungarischen Schriftstellerin und Historikerin, dem ich gerne 5 Sterne gebe.