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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.12.2018

Eine Enttäuschung

Freud
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„Nach wie vor faszinieren die Ideen und das Leben Sigmund Freuds viele Leser. Joel Whitebook liefert ein großartiges Porträt dieser Jahrhundertfigur, indem er ihn in all seiner Vielschichtigkeit darstellt. ...

„Nach wie vor faszinieren die Ideen und das Leben Sigmund Freuds viele Leser. Joel Whitebook liefert ein großartiges Porträt dieser Jahrhundertfigur, indem er ihn in all seiner Vielschichtigkeit darstellt. Ihm gelingt ein erhellendes und aufschlussreiches Porträt mit neuen Erkenntnissen.“

Soweit ein Auszug aus dem Klappentext.

In 13 Kapiteln versucht der Autor uns das sozialwissenschaftliche Umfeld und Sigmund Freud näherzubringen. Nicht immer gelingt ihm das. So werden bereits dem jungen Freud Gedanken des (alten) Psychoanalytikers unterlegt, die einem Kind völlig fremd sind. Ja, das Fehlen der Mutter (sie ist depressiv) hat den jungen Freud geprägt. Ja, das Übersiedeln aus dem beschaulichen Freiberg in Mähren in die pulsierende Hauptstadt Wien ist ein einschneidendes Erlebnis.

Wie der amerikanische Psychoanalytiker und Philosoph Joel Whitebook einräumt, gibt es bereits mehrere exzellente Freud-Biografien. Warum also noch eine? Das habe ich mich nach der Lektüre dieses Buchs auch gefragt. Denn meiner Meinung nach ist diese Biografie keine im herkömmlichen Sinn. Ich habe hier die Lebensgeschichte von Sigmund Freud analytisch aufgearbeitet, erwartet. Doch leider begibt sich der Autor auf das Feld der Interpretation um nicht zu sagen, Spekulation und springt zusätzlich noch durch Zeit und Raum.

Der Autor (oder die Übersetzerin) verwendet jede Menge Fremdwörter, für die es eine ausdrucksstarke deutsche Entsprechung gibt. Ein Bespiel gefällig? „Skotomisieren“ – „verdrängen“, wäre hier prägnanter, weil dieses Wort gleich direkt mit Freud in Verbindung gebracht werden kann. Sollen viele Fremdwörter, die man nachschlagen muss, dem Buch einen nachhaltig wissenschaftlichen Anstrich geben?

Gleich auf Seite 35 ist ein peinlicher Fehler zu finden: die, nicht näher definierten, Napoleonischen Reformen sollen von 1896-1808 (richtig 1796-1808) stattgefunden haben. (1796 ist Napoleon mit seiner Armee in Oberitalien.)
Und wenig später (S.85) schreibt der Autor: „Auch wenn Wien Mitte des 19 Jahrhunderts der Moderne zustrebte, setzte die Gesellschaft weiterhin auf Pomp, Gepränge und Spektakel. Nachdrücklich bestärkt wurde sie darin durch Österreichs greisen, aus der Zeit gefallenen Kaiser Franz Josef, der die Leere, Untauglichkeit und Brüchigkeit der Habsburger Dynastie zu kaschieren bestrebt war.“
Wie bitte?? Franz Joseph ist 1830 geboren und ist 1848, also Mitte des 19. Jahrhunderts, mit nur 18 Jahren Kaiser geworden. Vermutlich hat er Kaiser Ferdinand gemeint, der 1848 zu Gunsten von Franz Joseph abgedankt hat.

Entweder ist hier vom Autor schlampig recherchiert worden oder die Übersetzung oder das Lektorat hat nicht aufgepasst. Das dürfte einem so renommierten Verlag wie Klett-Cotta nicht passieren.

Ich habe immer leichte Bedenken, wenn schon eindeutige Jahreszahlen nicht richtig dargestellt werden, ob dann andere Passagen stimmen. Doch dazu müsste ich die Schriften von Sigmund Freud im Original lesen.

Für Leser, die gerne philosophische Texte lesen, mag das Buch richtig sein. Ich bin ziemlich enttäuscht. Wer eine "richtige" Biografie über Freud lesen will, muss vermutlich zu einem anderen Buch greifen, ev. Peter-André Alt "Sigmund Freud. Arzt der Moderne".

Fazit:

Hier habe ich etwas anderes erwartet und kann, auch ob der historischen Ungenauigkeiten nur maximal 2 Sterne vergeben.

Veröffentlicht am 15.12.2018

Eine faszinierende Familiengeschichte

Das verschollene Erbe der Wertheims
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Dieses Buch ist die spannende Familiengeschichte des Autors.

Einer seiner Vorfahren, der junge Joseph Wertheim bricht aus dem engen kurhessischen Städtchen Rotenburg bei Fulda nach Amerika auf, um dort ...

Dieses Buch ist die spannende Familiengeschichte des Autors.

Einer seiner Vorfahren, der junge Joseph Wertheim bricht aus dem engen kurhessischen Städtchen Rotenburg bei Fulda nach Amerika auf, um dort sein Glück zu machen. Joseph Wertheim ist ein begnadeter Mechaniker und findet beim Nähmaschinenhersteller Isaak Merrit Singer eine Anstellung. Der Tod seines Vaters ruft ihn in die Heimat zurück. Joseph schafft es, mit seinen „Wertheim-Nähmaschinen“ die führende Rolle auf dem Markt in Deutschland zu spielen. Die Weimarer Republik, Weltwirtschaftskrise sowie der aufkeimende Nationalsozialismus lassen Joseph nach anderen Absatzmärkten suchen. Man findet sie in Barcelona. Dort wird ein Zweitwerk errichtet. Doch auch Spanien wird von Unruhen geplagt, dennoch trotzt Josephs Sohn Robert, der seinen Namen den spanischen Gepflogenheiten anpasst und sich nun Roberto Vallin de Ballin nennt, den Widersachern.

Während in Deutschland die Vermögenswerte arisiert werden und zum größten Teil bis heute verschwunden sind, kann sich Robert mit seiner Nähmaschine, die hier „Rapidá“ heißt, durchschlagen.


Meine Meinung:

Autor Carlos Guilliard ist ein Nachfahre jenes Roberto de Vallin de Ballin und will nun Licht ins Dunkel seiner Familiengeschichte bringen.

Die Nähmaschinen-Wertheims sollten nicht mit der gleichnamigen Kaufhausdynastie, die aus Stralsund kommen und denen ähnlich übel mitgespielt wurde, verwechselt werden.

Der flüssige und bildhafte Schreibstil lässt die handelnden Personen mit all ihren Ecken und Kanten deutlich vor unserem geistigen Auge auferstehen.

Zwischen den historischen Ereignissen sind immer wieder die aktuellen Recherchen des Autors eingeblendet. Wie häufig bei der Aufarbeitung solcher Familiengeschichten, spielt der Zufall mitunter eine große Rolle.


Seine akribischen Recherchen lassen uns dieses Buch wie einen Krimi erscheinen, dabei ist es vorrangig eine großartige Sozial- und Familiengeschichte, die ihren Ausgang in den Gründerzeiten des 19. Jahrhunderts über das 20. Jahrhundert bis in die Gegenwart hat. Wieder einmal entdeckt der aufmerksame Leser, dass die ach so korrekte Schweiz in den diversen schmutzig dubiosen Geschäften während der NS-Zeit ihre Finger ganz tief stecken hat. Interessant wäre, wie viele „herrenlose“ Konten es hier noch gibt, bzw. wohin die Vermögen verschwunden sind.

Man kann Carlos Guillard nur wünschen, dass er, nicht zuletzt mithilfe der Leser, den Verbleib des verschollenen Wertheim-Erbes aufklären kann.

Fazit:

Eine faszinierende Familiengeschichte! Gerne gebe ich hier 5 Stern und eine Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 13.12.2018

Ein vielschichtiger Krimi

Herbststurm
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Im nunmehr dritten Band der Kommissär-Reitmeyer-Serie wirken die Ereignisse der Vergangenheit nach. Der Krieg verloren, der Kaiser abgedankt und das Experiment der Räterepublik Geschichte. Was übrig bleibt, ...

Im nunmehr dritten Band der Kommissär-Reitmeyer-Serie wirken die Ereignisse der Vergangenheit nach. Der Krieg verloren, der Kaiser abgedankt und das Experiment der Räterepublik Geschichte. Was übrig bleibt, sind unterschiedliche Gruppen, die teilweise sehr militant auftreten. Die Saat des aufkeimenden Nationalsozialismus ist aufgegangen und viele Menschen, von denen es weder Reitmeyer noch Caroline, Reitmeyers Freundin, jemals vermutet haben, sind mit den Parolen des „Schreihalses“ einverstanden. So ist bei einem Hauskonzert die Musik von Mendelsohn verpönt.

Kommissär Sebastian Reitmeyer ist mit seinem aktuellen Fall, zwei junge Männer sind mit einer Nagant-Pistole erschossen worden, vollauf beschäftigt. Eine Nagant? Das deutet auf einen russischen Hintergrund hin, ist das ja eine Waffe der russischen Armee.

Doch nicht nur Reitmeyer hat mit Russen zu tun. Auch sein Mitarbeiter, der kluge Rattler trifft auf eine russisch-stämmigen Frau, Larissa. Rattler, aus dem Weltkrieg mit einem Lungenleiden zurückgekehrt, ist ein schmächtiger junger Mann, den die Frauen eher übersehen. Deswegen ist er von Larissa, die sich für ihn interessiert, fasziniert. Erst spät, fast zu spät, bemerkt er, dass er für Larissa nur Mittel zum Zweck ist.

Der dritte im Bunde ist Rechtsanwalt Sepp Leitner, der von einer Exilrussin den Auftrag erhält, deren verschwundene Tochter Anna zu finden. Die Suche nach Anne stellt sich schwieriger heraus als angenommen, denn die Frau ist glitschiger wie ein Aal und nicht zu fassen.

Lange tappen die drei im Dunklen und geraten beinahe zwischen die Fronten rivalisierender politischer Gruppen, die vor roher Gewalt nicht zurückschrecken.

Meine Meinung:

Angelika Felenda schafft es auch in ihrem dritten Krimi, die unheimliche Atmosphäre im München der 1920er darzustellen. Da sind zum einem die wohlhabenden Bürger, die nach wie vor in ihren Villen residieren und Hausmusik pflegen (wenn auch häufig ohne jüdische Komponisten) und zum anderen die desillusionierten Weltkriegsteilnehmer, die für eine politische Wende stehen. Dann führt uns die Autorin noch zu einer dritten Gruppe, die wohl die größte unter Münchens Bewohnern ist: Jene Menschen, die arbeits- und perspektivenlos mehrere prekäre Arbeitsverhältnisse eingehen müssen. Frauen, die aus Not ihren Körper verkaufen müssen und um halbwegs über die Runden zukommen, wie zum Beispiel die Tänzerin Susie.

Der historische Hintergrund ist wieder penibel recherchiert und die Charaktere gut ausgefeilt. Der Leser kann ihnen ihre Gefühle, Gedankengänge und Handlungen getrost abnehmen.
Die Leser werden durch falsche Spuren recht ordentlich in die Irre geführt. Interessant, dass man damals die „linke“ Gefahr höher eingeschätzt hat als jene von „rechts“. Der Leser erhält ein wenig Geschichtsunterricht, der subtil und unterschwellig in die Handlung eingebaut ist.

Die unterschiedlichen Handlungsstränge werden am Ende schlüssig zusammengeführt und die Auflösung ist elegant.

Fazit:

Wieder ein gelungener historischer Krimi aus der Feder von Angelika Felenda, dem ich gerne 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 13.12.2018

Fall Nr.5 für Capitaine Roger Blanc

Dunkles Arles
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Capitaine Roger Blanc und die Untersuchungsrichterin Aveline Vialaron-Allègre, deren Ehemann Blancs Karriere ruiniert hat, treffen sich zu einem heimlichen Rendezvous in Arles. Doch die Affäre nimmt eine ...

Capitaine Roger Blanc und die Untersuchungsrichterin Aveline Vialaron-Allègre, deren Ehemann Blancs Karriere ruiniert hat, treffen sich zu einem heimlichen Rendezvous in Arles. Doch die Affäre nimmt eine unvorhergesehene Wendung: Mitten im Amphitheater von Arles wird ein Mann ermordet und die Tasche der Untersuchungsrichterin, die brisantes Material enthält, gestohlen. Aveline muss diese Unterlagen um jeden Preis der Welt wiederbekommen, und zwar binnen 36 Stunden.

Damit beginnt ein Wettlauf mit der Zeit, der wegen der nicht vorhandenen Befugnis von Roger um einiges schwieriger ist als üblich. Der Tote aus dem Amphitheater wird nicht der einzige Tote bleiben. Allen gemeinsam ist, dass der örtliche Polizist Lizarey die Verbrechen unter den Tisch kehrt. Doch der hat nicht mit Capitaine Blanc gerechnet. Allerdings ist der Handlungsspielraum denkbar knapp, vor allem weil die Affäre ja nicht bekannt werden darf. Als Blanc dann noch seinen Mitarbeiter Marius, den er auf einer Entziehungskur wähnt, in Arles begegnet, weiß das Liebespaar nicht, wem es noch trauen kann.

Meine Meinung:

Dieser 5. Fall für Capitaine Roger Blanc ist für mich nicht der beste Krimi aus Cay Rademachers Feder. Ich finde, der sonst so analytische Roger Blanc lässt sich von Aveline viel zu sehr am Gängelband führen. Gut gefallen mir allerdings seine spritzigen Dialoge mit der Kettenraucherin, wie zum Beispiel dieser Wortwechsel:

"Vor fünf Monaten war ich noch Korruptionsermittler in Paris. Und jetzt klaue ich einen Clio in Arles!"

"Es ist doch immer schön, wenn man sich beruflich verbessern kann, mon Capitaine." (S. 189).

Ist das wirklich erst 5 Monate her, dass Jean-Charles Vialaron-Allègre Roger Blancs Karriere zerstört hat? Für mich sind hier schon Jahre vergangen, so vertraut ist mir Capitaine Blanc.

Hier spürt man ein bisschen den Fatalismus, der sich der beiden in der aussichtlosen Situation bemächtigt. Abseits seiner Mitarbeiter muss Blanc einiges selbst erledigen. So kommt er einem groß angelegten Betrug mit antiken Statuen auf die Spur, in den auch die Kulturchefin der Region, Hélène Pelherbes, verwickelt ist. Insgesamt ist hier viel von familiärem Klüngel und Vetternwirtschaft zu entdecken. Sehr aufschlussreich und beklemmend ist die Unterwanderung der Exekutive mit Fans und Unterstützern des Front Nationale von Marine Le Pen.
Wie in seinen Krimis üblich, legt der Autor viel Wert auf die politische Situation in Frankreich. Dass dem Leser hierbei angst und bang werden kann, ist vermutlich durchaus beabsichtigt.

Die diversen Hetzjagden durch die Straßen und Keller von Arles haben mich ein wenig ermüdet, was aber vielleicht daran liegen mag, dass ich die Stadt nicht kenne.

Der Fall wird wieder elegant und eloquent zu Ende geführt.
Ich bin schon gespannt, ob und wie sich die Affäre mit Aveline Vialaron-Allègre weiterentwickelt. Wie lange werden sich die beiden trotz der heißen Affäre noch Siezen? Als reine Vorsichtmaßnahme, um sich bei einem zufälligen offiziellen Treffen nicht zu verquatschen, eine kluge Taktik. Aber, Madame le Juge ist ja eine fantasievolle Frau.

Fazit:

Ein Provence-Krimi, der durch sein penibel recherchiertes Lokalkolorit besticht. Diesmal gebe ich 4 Sterne.

Veröffentlicht am 13.12.2018

Gute Unterhaltung

Alles schläft, einer wacht!
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In ihrem vierten Fall bekommt es Privatdetektivin Jule Flemming mit dem hartnäckigen Tobias Kohler zu tun. Er behauptet, seine, bei einem Tauchunfall verschwundene Ehefrau Silvia, in einem Bericht des ...

In ihrem vierten Fall bekommt es Privatdetektivin Jule Flemming mit dem hartnäckigen Tobias Kohler zu tun. Er behauptet, seine, bei einem Tauchunfall verschwundene Ehefrau Silvia, in einem Bericht des Lokalfernsehens über Ulmer Weihnachtsmarkt gesehen zu haben. Jule versucht die Frau aus dem TV-Bericht ausfindig zu machen und entdeckt, dass in diesem Fall nichts so ist, wie es scheint.

Meine Meinung:

Das ist mein erster Krimi von Katrin Rodeit. Da einige Hinweise auf die Vergangenheit Jules hinweisen, werde ich mir die Vorgänger besorgen. Auch dem „Hilfspersonal“ aus dem Jazz-Club könnte ich damit näherkommen. Die scheinen ja recht interessante Lebensläufe zu haben.

Die Atmosphäre rund um den Ulmer Weihnachtsmarkt mit Bratwurst und Glühweinduft wirkt stimmig. Lachen musste ich über die Weihnachtskekse, die Jules Mutter gebacken hat. Wäre interessant zu wissen, welche Zutaten sie da verwendet hat. Die Mutter selbst finde ich furchtbar. Mischt sich ungefragt in Jules Leben und lässt ihre Umgebung ein wenig trottelig daherkommen.

Der Krimi ist durchaus fesselnd angelegt. Es gibt einige überraschende Abzweigungen und Wendungen. Ich habe recht bald herausgefunden, dass die Ursache dieses Falles in der Vergangenheit von Silvia Kohler liegt.

Ein witziges Detail ist auch Jules Unkenntnis der ach so berühmten Schauspielerin, die sogar Polizistenfreund Mark ein Begriff ist.

Fazit:

Ein Krimi, der mich gut unterhalten hat. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.