(G)Leichenfeier ist der zweite Fall für den Detektiv Marco Martin aus Wien.
Bei einer unangekündigten Überprüfung einer Baustelle durch die „Einsatzgruppe gegen Sozialbetrug“ stürzt ein illegaler Bauarbeiter zu Tode. Niklas Felder, Chef der Einsatzgruppe gegen Sozialbetrug wird verdächtigt, den Arbeiter gestoßen zu haben. Anja Felder bittet Marco Martin Recherchen aufzunehmen. Obwohl dieser Auftrag seiner üblichen Klientel widerspricht, beginnt der Detektiv mit seinen Nachforschungen, denn Anja ist seine Schwester, mit der er vor längerer Zeit jeglichen Kontakt abgebrochen hat.
Gleichzeitig plagen Marco Martin noch andere Sorgen: Erstens sein Gesundheitszustand. Wegen seiner Vorliebe für gutes Essen und Trinken ziemlich übergewichtig, aber dafür kurzatmig, wird er von seinem Hausarzt auf Diät und Bewegung gesetzt. Zweitens: Martin hat sein Auto an einen jungen Mann verkauft, der blöderweise mit Falschgeld und einem ungedeckten Scheck bezahlt hat.
Noch während Martin mit seinen Vorermittlungen beschäftigt ist, werden weitere Männer aus der Baubranche brutal ermordet.
Da diese aus dem ehemaligen Jugoslawien kommen, ermittelt das zuständige Polizei-Team eher lauwarm. Man hält die Todesfälle für das Ergebnis bandeninterner Machtkämpfe. Doch nicht nur unter den ehemaligen Gastarbeitern gibt es Intrigen. Auch auf der Polizeiinspektion herrscht dicke Luft zwischen Gruppeninspektor Krasberger und seinem Vorgesetzten Grasmugg.
Wird Marco Martin die Unschuld seines Schwagers beweisen können?
Meine Meinung:
Christian Klinger hat mit Marco Martin einen Ermittler geschaffen, der zwiespältige Gefühle in mir auslöst. Einerseits muss ich über seine körperlich nicht berauschende Konstitution schmunzeln, andererseits ist mir sein schnöselige Gehabe ein wenig zuwider. Wieso schnöselig? Es scheint, dass Marco Martin sich für etwas Besseres hält, sich daher lieber in feinen Zwirn (hier eher feines Leinen) hüllt und sich eher mit der leicht snobistischen High-Society aus Döbling beschäftigen möchte. Zu seinem Leidwesen ist der aktuelle Fall genau das Gegenteil: Ehemalige Gastarbeiter aus dem ehemaligen Jugoslawien, miefige und ärmliche Wohnungen, Sicherheitsschuhe und Blauzeug sowie Dreck und Unrat wohin man schaut.
Marco stolpert eher in seinen Fällen herum, als klassische Spurensuche zu betreiben. Dazu passt dann der Vorfall im Bad sehr gut, als er ein Kind vor dem Ertrinken retten will und ihm dabei ein Bein bricht.
Gut gefällt mir, dass die Wiener Schauplätze so richtig originalgetreu beschrieben sind. Seien es die Tschocherln in der Favoritner Quellenstraße oder die alten Winzerhäuser, die nach und nach der Baulobby und deren Spitzhacken zum Opfer fallen. Wobei wir wieder beim Thema wären: Das ganze Leben ist eine Baustelle.
Herrlich wieder die Dialoge im breiten Wiener Dialekt und die Schilderung der Charaktere. Besonders amüsiert habe ich mich über Dr. Lichtenfels, seines Zeichens (Winkel)Advokat, der überall dort zu finden ist, wo Beziehungen und juristische Winkelzüge gefragt sind.
„Martin wurde bewusst, dass er eben ein juristische Privatissimum erhalten hatte, und zwar in jenem Fach, das auf keiner Uni gelehrt wurde, denn die Vorlesung ‚Wie lege ich täglich die Welt aufs Kreuz?‘ hatte noch keinen Eingang in den akademischen Lehrplan gefunden.“ (S.331)
Wieder hervorragend gelungen ist das Cover. Wie schon der Vorgänger „Winzertod“ (und auch Nachfolger „Bühnentod“ und „Blutschuld) ganz in weiß gehalten, bietet es dadurch einen perfekten Wiedererkennungswert. Der typische Arbeitshandschuh lässt gleich auf einen blutigen Inhalt schließen.
Die Dissonanzen zwischen dem Arbeiterbezirk Favoriten und dem Nobel-Bezirk Döbling sind perfekt herausgearbeitet, auch wenn sich der Autor vieler Klischees bedient. Immerhin, die kommen ja nicht aus heiterem Himmel.
Fazit:
Ich habe mich wieder gut unterhalten gefühlt. Wer gerne Krimis mit buntem Lokalkolorit und Wiener Dialekt lesen möchte, ist in dieser Reihe gut aufgehoben. Gerne gebe ich 5 Sterne.