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Venatrix

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Veröffentlicht am 15.02.2024

Gelungener Reihenauftakt

Töchter des Aufbruchs
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Dieser historische Roman ist der Auftakt zu einer vorerst (?) als Trilogie angelegte Geschichte einer Mädchen-Schule im Moselstädtchen Diedenhofen/Thionville.

Schulleiterin und Lehrerin Pauline Martin ...

Dieser historische Roman ist der Auftakt zu einer vorerst (?) als Trilogie angelegte Geschichte einer Mädchen-Schule im Moselstädtchen Diedenhofen/Thionville.

Schulleiterin und Lehrerin Pauline Martin versucht, ihre Zöglinge zu selbstbewussten Frauen zu entwickeln. Keine Selbstverständlichkeit in Elsass-Lothringen im Jahr 1910, einer Zeit, in der das Elsass wieder einmal zum Deutschen Kaiserreich gehört und Frauen ausschließlich als Dekoration ihrer Männer dienen sollen. Paulines Schule ist bei den deutschen Diedenhofern nicht gerne gesehen, fürchten die doch den „welschen“ (also französischen) Einfluss auf ihre Töchter. Die Leichtigkeit des französischen Flairs, das Savoir Vivre, ist das genaue Gegenteil der preußischen Strenge, die viel für besondere Tugend halten. So wird versucht, Pauline und ihre Schule zu diskreditieren. Unfreiwillige Unterstützung erhält Pauline von Hauptmann Erich von Pliesnitz, den man, ob seiner Strenge in Militärkreisen nur Hauptmann „Gnadenlos“ nennt.

Die zehn Schülerinnen kommen aus unterschiedlichen Familien und Landesteilen. Unter ihnen ist auch Suzette, Paulines Verwandte, die sich von ihren Eltern abgeschoben fühlt und sich ziemlich aufmüpfig verhält. Sie trifft heimlich einen Soldaten und verschwindet bei einem Ausflug mit ihm.

Meine Meinung:

Mir hat diese Geschichte sehr gut gefallen. Sie zeigt zum einen die Schwierigkeiten des Lebens in einer seit Jahrhunderten umkämpften, zweisprachigen Grenzregion auf und zum anderen die Rolle der Frauen dieser Zeit. Eine Zeit, in der junge Mädchen möglichst vorteilhafte Ehen eingehen sollen, um dann lediglich als Deko ihrer Männer bzw. als Mütter möglichst vieler Söhne ein Leben im Schatten führen sollen. Pauline Martin ist da anders. Sie ist mit Leidenschaft Lehrerin, auch wenn sie dafür mit Einsamkeit bezahlt. Heiraten darf sie aufgrund des Lehrerinnenzölibats nicht und eine Liebschaft ist ohnehin verwerflich. Affären dürfen nur Männer haben. Eine ungerechte Welt, gegen die sie im Mikrokosmos ihrer Schule kämpft.

Die Charaktere sind, wie immer bei Maria W. Peter sehr gut getroffen. Die größte Entwicklung macht Erich von Pliesnitz durch. Hauptmann „Gnadenlos“ kann durchaus charmant sein.

Der geschichtliche Hintergrund ist wie immer penibel recherchiert.

Ich freue mich schon auf den zweiten Band, der „Schwestern im Geiste“ heißen wird und im August 2024 erscheinen wird.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem sehr gut recherchierten historischen Roman, der in Elsass-Lothringen spielt, 5 Sterne.

Veröffentlicht am 15.02.2024

Ein gelungener Roman

Im Schatten zweier Sommer
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Vor 130 Jahren, am 2. September 1894, wurde Joseph Roth im galizisch-österreichischen Brody in der heutigen Ukraine geboren. Mit Romanen wie „Radetzkymarsch“ und „Die Kapuzinergruft“ schrieb er Literaturgeschichte. ...

Vor 130 Jahren, am 2. September 1894, wurde Joseph Roth im galizisch-österreichischen Brody in der heutigen Ukraine geboren. Mit Romanen wie „Radetzkymarsch“ und „Die Kapuzinergruft“ schrieb er Literaturgeschichte. Der deutsche Autor Jan Koneffke hat nun den Jugendjahren Roths einen Roman gewidmet. Zufall oder nicht? Ausgerechnet in jenem Haus, in der Rembrandtstraße 35, in der Wiener Leopoldstadt, in dem Joseph Roth in Untermiete bei der Familie Fischler lebte, hat auch der Autor (s)eine Wohnung gefunden.

Jan Koneffke erzählt die fiktive Liebesgeschichte zwischen Franziska „Fanny“ Fischler und Joseph Roth, die nur zwei Sommer lang dauern wird. Der erste Sommer ist jener im Jahr 1914, kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges und der zweite im Jahr 1938 in beider Exil in Paris.

Während der Wochen des ersten Liebessommers in Wien scheint Joseph Roth ein liebenswürdiger, jedoch ein wenig hilflos wirkender junger Mann zu sein, der aus der bitterarmen Ecke des Habsburgerreiches, Galizien, kommt. Zunächst in der Millionenstadt Wien ein wenig verloren wirkend, entwickelt er nicht allzu sympathische Charakterzüge. Ständig in Geldnot erzählt er unterschiedliche Unwahrheiten, anstatt einer bezahlten Beschäftigung nachzugehen. Die Trennung nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs ist unvermeidbar.

Als sich die beiden in Jahr 1938 in Paris zufällig in einem Büro für Emigranten wiedertreffen, erleben sie einige wenige Wochen voller Leidenschaft. Roth ist inzwischen ein gefeierter Literat. Alkoholmissbrauch und Depressionen haben den Schriftsteller zu einem eifersüchtigen Wrack werden lassen. Seine aktuelle Geliebte, Irmgard Keun, hat soeben die Flucht vor Roth ergriffen, als Fanny wieder in sein Leben tritt. Fanny leidet unter Roths extremen Gefühlsschwankungen und cholerischen Anfällen.

Diesmal ergreift sie die Initiative und trennt sich von Joseph Roth. Sie emigriert, nach dem die Situation in Paris für die Exilanten immer schwieriger wird, mit dem Arzt Maximilian Sasse in die USA. Joseph Roth stirbt am 27. Mai 1939 in Paris.

Meine Meinung:

Jan Koneffke ist hier ein interessanter historischer Roman gelungen. Geschickt verwebt er historisch Verbürgtes mit Fiktion zu dieser Liebesgeschichte.

Erzählt wird die Geschichte aus Sicht von Fannys Neffen in drei Teilen. Zunächst erleben wir Fanny als alte Dame, die aus ihrem Leben berichtet und ihm ihr altes Tagebuch sowie zehn besprochene Audiokassetten überlässt. Verwundert lauscht der Neffe der Liebesgeschichte mit Jospeh Roth. Im zweiten Teil dürfen wir die Tagebücher der Fanny zwischen Februar und August 1914 lesen. Im dritten und letzten Teil dürfen wir die Neuauflage der Liebesgeschichte zwischen Fanny und Joseph erleben. Beide haben sich in den mehr als zwanzig Jahren seit 1914 entwickelt.

Die Tagebücher der Fanny zwischen Februar und August 1914 sind „geschrieben wie gesprochen“ in einer Mischung aus dem Wienerischen und dem Jiddischen verfasst. Als Wienerin, die jahrelang im zweiten Bezirk, der Leopoldstadt, dem ehemaligen Judenviertel, gewohnt und gearbeitet hat, kenne ich natürlich die Örtlichkeiten recht genau.

Fazit:

Gern gebe ich diesem interessanten Roman rund um die fiktive Liebesgeschichte zwischen Fanny Fischler und Joseph Roth, die zweimal nur jeweils einen Sommer gedauert hat, 4 Sterne.

Veröffentlicht am 13.02.2024

Ein komplexer Krimi, bei dem wenig so ist, wie es scheint

Unheiliges Land
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Der Ort Nablus, eine Siedlung im Grenzgebiet zwischen Israel und dem Westjordanland, gilt als Hotspot von Unruhen. Zum einen, weil zahlreiche orthodoxe Juden dort Siedlungen errichten, die nicht immer ...

Der Ort Nablus, eine Siedlung im Grenzgebiet zwischen Israel und dem Westjordanland, gilt als Hotspot von Unruhen. Zum einen, weil zahlreiche orthodoxe Juden dort Siedlungen errichten, die nicht immer legal sind und zum anderen, weil dadurch die dort lebenden Palästinenser, die kaum Beschäftigung haben, verdrängt werden. Vor allem die männliche Jugend ist empfänglich für Hassprediger und militante Führer, die ihnen das Blaue vom Himmel versprechen.

„Man hat die Nase voll von diesen Imamen. Sind nicht schon genug Moscheen in dieser Stadt gebaut worden? Wir brauchen Fabriken, Arbeit für unsere jungen Leute ... Von Moscheen kriegen sie keinen Job.“

Deshalb rücken, sobald jüdische Siedler ermordet werden, Angehörige des Schabak, des israelischen Inlandsgeheimdienstes aus, um die Täter zu fassen. Das ist nun der Hintergrund, vor dem dieser Krimi rund um die Ermordung der fünfköpfigen Familie Uzan spielt.

Eli Zimmermann, leitender Ermittler des Schabak sieht, wie viele andere Israelis, die ungezügelte Ansiedlung der ultraorthodoxen Juden als Gefahr für einen möglichen Friedensprozess mit den Arabern. Dennoch muss er gegen sie ermitteln und in einer Nacht und Nebelaktion werden drei junge Männer im nahe gelegenen Flüchtlingslager Balata verhaftet.

Doch so einfach ist es wieder nicht. Denn sowohl die beiden aus Frankreich stammenden Kriminalpolizisten Dany Cohen und Guy Touitou als auch die palästinensische Polizistin Maïssa, Tochter von Ahamd Marouane eines ehemaligen Mitstreiters von Yassir Arafat, werden als Beobachter nach Nablus entsandt.

Während der Schabak die Morde als terroristischen Akt einstuft, verfolgen Dany und Guy einen anderen Ansatz, denn der tote Familienvater war Chemiker in einer Pharmafirma, die Generika herstellt, und hat jede Menge Bargeld in seiner Gartenhütte versteckt.

Ein zweiter Handlungsstrang führt uns Leser nach Nizza, wo es zu mehreren, unter Drogeneinfluss begangene Gewalttaten kommt. Es ist zwar nicht so, dass Gewalt und Drogen an der Côte d’Azur ungewöhnlich wären, aber Crystal Meth in dieser besonderen Zusammensetzung ist doch recht neu. Als Capitaine Gabin Mournet entdeckt, dass diese Drogen möglicherweise aus dem Nahen Osten kommen, sind alle in Alarmbereitschaft. Denn hier scheint sich eine ungewöhnliche Zusammenarbeit anzubahnen und Gabin muss nach Israel.

„Das kommt uns völlig verrückt vor. Russische Juden arbeiten doch nicht mit Arabern zusammen.“
„Ich halte das nicht für unwahrscheinlich. Wenn es darum geht, ordentlich Knete zu machen, können die Ganoven sich schon verständigen.“

Trotz der verhärteten politischen Fronten zwischen Israel und den Palästinensern müssen sich die Polizisten zusammenraufen und, um den internationalen Drogenring zu sprengen, an einem Strang ziehen.

Meine Meinung:

Dieser höchst komplexe Krimi ist 2014 erschienen. Sehr geschickt sind die 2014 aktuellen Tatsachen in den Krimi eingeflochten. Allerdings verlangsamen sie die Krimihandlungen. Dennoch sind sie notwendig, um die komplexe Situation von Israelis und Palästinensern zu verstehen. Weder die einen, noch die anderen sind einheitlicher Meinung. So gibt es sowohl bei den Israelis zahlreiche Stimmen, die gegen die Ultraorthodoxen und ihre Siedlungspolitik sind. In einer solchen aufgeheizten Stimmung haben es Kriminelle leicht, ihre eigenen Geschäfte durchzuziehen.

„Der Gazastreifen ist ein Schandfleck für den Hebräischen Staat und für die Palästinensische Autonomiebehörde. Die Hamas regiert auf ihre Weise. Eiserne Faust und Religion. Da gibt es nichts zu lachen. Verschleierte Frauen, kein Alkohol, selbst lange Haare und Hüftjeans werden von den örtlichen Sicherheitskräften verfolgt. Paradoxerweise beklagt sich die internationale Gemeinschaft ständig über sie, unterstützt sie aber doch. Das ärgert Israel zutiefst. Und die Hamas ist auch das Schreckgespenst der Palästinensischen Autonomiebehörde und Mahmud Abbas. Sie haben Angst, dass sie gestürzt und die Hamas eines Tages die Macht übernimmt.“

Die wahren Ereignisse in den vergangenen zehn Jahren und besonders jene des Oktobers 2023, haben die Fantasie des Autors überflügelt. Die Hamas hebt bereits ihr brutales Haupt und beginnt unter den arbeits- und perspektivenlosen Jugendlichen mit der Rekrutierung von willfährigen Anhängern. Und solange es in deren Familien als ehrenhaft gilt, für Terroranschläge verhaftet und verurteilt zu werden, selbst wenn die Geständnisse falsch sind oder gleich zu sterben, wird sich wenig ändern.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem komplexen Krimi, der die instabilen Machtverhältnisse von 2014 im Nahen Osten aufzeigt, 5 Sterne.

Veröffentlicht am 13.02.2024

Ein gelungener Urlaubskrimi

Der Kommissar und der Tod auf Cotentin
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Dieser 14. Fall für den ehemaligen Elitepolizisten Philippe Lagarde beginnt mit einem Prolog im Gefängnis von Cherbourg. Charline, eine verurteilte Gattenmörderin, die stets ihre Unschuld beteuert, erhängt ...

Dieser 14. Fall für den ehemaligen Elitepolizisten Philippe Lagarde beginnt mit einem Prolog im Gefängnis von Cherbourg. Charline, eine verurteilte Gattenmörderin, die stets ihre Unschuld beteuert, erhängt sich.

Wenige Wochen später werden auf Kommissar Ludovic Cleroc zwei Anschläge verübt, die er verletzt überlebt. Eine pensionierte Richterin hat weniger Glück und wird mit ihrer eigenen Gartenschere erstochen.

Nachdem Cleroc ein Freund Lagardes ist, wird gemeinsam ermittelt. Es dauert, bis Cleroc endlich den Zusammenhang mit einem alten Verbrechen erkennt. Nun ist höchste Eile geboten, denn der damalige Anwalt, der so scheint es, versagt hat, ist ebenfalls in Gefahr.

Doch wer ist der Täter?

Meine Meinung:

Nachdem ich alle Vorgänger kenne, ist dieser Band wie ein Klassentreffen. Man hat sich länger nicht gesehen und doch gleich wiedererkannt. So geht es auch Odette, die einst mit dem bekannten Krimiautor Sébastien Gautier eine amour fou gehabt hat. Ausgerechnet dieser Mann hat den alten baufälligen Leuchtturm in Cotentin gekauft, renoviert und lebt jetzt in Odettes und Lagardes Nähe.

Nun, ich hätte von einem langjährigen Ermittler schon erwartet, dass er zackig den Zusammenhang mit dem alten Fall erkennt. Deswegen schwächelt dieser Krimi ein wenig an der Handlung. Das Rundherum wie Umgebung, die delikaten Speisen samt ausführlicher Weinbegleitung ist wie immer sehr gut. Lagarde darf ein bisschen Gefühl zeigen: Sorge um Odette und Eifersucht auf den Krimiautor.

Mein Verdacht, wer der Täter sein könnte, hat sich bestätigt.

Fazit:

Ein schöner Urlaubskrimi, dem ich gerne 3 Sterne gebe. Möge der nächste wieder ein wenig spannender sein.

Veröffentlicht am 13.02.2024

Eine gelungene Erzählung

Das Philosophenschiff
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Anouk Perlemann-Jacob, hundertjährige Stararchitektin, die in St. Petersburg geboren worden ist, engagiert den als Ich-Erzähler auftretenden Schriftsteller, um ihre Biografie zu schreiben.

„Ich habe mich ...

Anouk Perlemann-Jacob, hundertjährige Stararchitektin, die in St. Petersburg geboren worden ist, engagiert den als Ich-Erzähler auftretenden Schriftsteller, um ihre Biografie zu schreiben.

„Ich habe mich über Sie erkundigt. Sie haben einen guten Ruf als Schriftsteller, aber auch einen etwas windigen. Ich weiß, dass Sie Dinge erfinden und dann behaupten, sie seien wahr. Jeder wisse das, hat man mir gesagt, aber immer wieder gelinge es Ihnen, Ihre Leser und Zuhörer hinters Licht zu führen. Deshalb glaubt man ihnen oft nicht, wenn Sie die Wahrheit schreiben, und glaubt Ihnen, wenn Sie schummeln. Das habe ich mir sagen lassen. Stimmt das?“.

In zahlreichen, täglichen Sitzungen erzählt sie aus ihrem Leben, in dem die Ausweisung aus dem damaligen Sowjetrussland die zentrale Rolle spielt. Dies hat sich so oder so ähnlich tatsächlich zugetragen im Jahr 1922. Nachdem Lenin nichts mehr gefürchtet hat, als denkende Menschen, hat er mehrere Tausend der damaligen Intelligenzija einfach ausweisen lassen, ein anderer Teil ist im Gulag verschwunden oder gleich erschossen worden.

„Die Elemente, die wir ausweisen oder ausweisen werden, sind als solche politisch bedeutungslos. Aber sie sind potenzielle Waffen in den Händen unserer Feinde. Falls es erneut zu militärischen Komplikationen kommt, werden all diese unversöhnlichen und unbelehrbaren Elemente sich als militärisch-politische Agenten des Feindes erweisen. Und wir werden gezwungen sein, sie nach dem Kriegsrecht zu erschießen. Deshalb ziehen wir es vor, sie jetzt in einer ruhigen Phase, beizeiten auszuweisen. Und ich [Trotzki] hoffe, dass Sie bereit sein werden, unsere vorausschauende Humanität anzuerkennen und sie gegenüber der öffentlichen Meinung zu verteidigen.“

Nach welchen Kriterien die Ausweisungen vorgenommen worden sind, bleibt unklar.

„Vor dem Trotzki haben sich alle gefürchtet, noch mehr als vor dem Lenin. Lenin denkt, Trotzki tut. So hat es damals geheißen.“.

Anouk ist gerade einmal 14 Jahre alt, als sie mit ihren Eltern, einer Ornithologin und einem Architekten, das Land verlassen muss und aus ihrer bürgerlichen Umgebung herausgerissen worden ist. Im Gegensatz zu ihren Eltern, die sich im Pariser Exil 1931 das Leben nehmen, kann sie in der westlichen Welt Fuß fassen und lebt in Deutschland un Österreich.

Meine Meinung:

Mein erster Gedanke war, Köhlmeier hat sich Margrete Schütte-Lihotzky (1897-2000) zum Vorbild genommen. Jein, denn die Architektin ist in Wien geboren und hat erst in den 1930er-Jahren in der Sowjetunion gelebt und gearbeitet.

Wir begegnen während in dieser Erzählung zahlreichen realen russischen Persönlichkeiten, die ebenso ausgewiesen worden sind und ebenso zahlreichen, die vom Regime ermordet worden sind. Dass der sterbenskranke Lenin persönlich selbst auf einem dieser Philosophenschiffe war, ist allerdings Fiktion. Sein (Un)Geist ist allerdings deutlich spürbar und präsent.

Die Erzählung ist interessant, ist allerdings ohne Vorkenntnisse der russischen Revolutionsgeschichte nur schwer nachzuvollziehen. Denn Anouk Perlemann-Jacob springt in Raum und Zeit umher. Wie es einfach alte Menschen tun, wenn sie über ihr langes Leben berichten. So wechseln sich scheinbare Nebensächlichkeiten und historisch Belegtes ab.

Der Schreibstil ist sachlich und souverän. So besorgt sich der Ich-Erzähler, weiterführende Literatur, um die Aussagen der alten Frau zu überprüfen. Das macht die Geschichte glaubwürdig, auch wenn sie doch zu einem großen Teil fiktiv ist.

Fazit:

Eine gelungene Erzählung, der ich gerne 4 Sterne gebe.