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Venatrix

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Veröffentlicht am 19.03.2023

Fesselnd bis zur letzten Seite

Requiem
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Diese schier unglaubliche Geschichte ist symptomatisch für die Intrigen, die sich so oder so ähnlich in den 1930er-Jahren in Deutschland zugetragen haben.

Fritz Eberle, der 22-jährige Sohn des Bäckermeisters ...

Diese schier unglaubliche Geschichte ist symptomatisch für die Intrigen, die sich so oder so ähnlich in den 1930er-Jahren in Deutschland zugetragen haben.

Fritz Eberle, der 22-jährige Sohn des Bäckermeisters hat sich, angefeuert von der lieben Verwandtschaft, in den Kopf gesetzt, ein gefeierter Cellist zu werden, obwohl er weder Lust am Üben noch entsprechendes Talent hat. Doch die Zeiten stehen auf Sturm und man kann ungestraft Posten, die Juden innehaben, übernehmen.
Opfer des Möchte-gern-Cellisten ist der jüdische Cellist Erich Krakau, der am städtischen Symphonieorchester tätig ist. Krakau ist der letzte jüdische Musiker, denn die anderen haben die Stadt und das Land längst verlassen.

Eberle muss ausgerechnet Erich Krakau vorspielen, der Eberles Unvermögen natürlich sofort erkennt. Danach entspinnt sich eine Intrige, an der sich beinahe die ganze Stadt beteiligt. Krakau wird unter fadenscheinigen Gründen verhaftet.

Meine Meinung:

Dieser von Peter Graf entdeckte und bislang unveröffentlichte Roman von Karl Loeser ist eine besondere Lektüre, denn er enthält nicht nur eigene Erlebnisse des Autors, sondern nimmt tatsächliche Ereignisse des NS-Terrors vorweg. Das Werk ist VOR der Vernichtung der Juden geschrieben.

Der Roman erzählt nicht nur die Geschichte der Judenverfolgung, sondern auch den Aufstieg von Habenichtsen, Scharlatanen und Emporkömmlingen, die durch die Partei aufsteigen können.

Ich selbst habe noch eine Frau gekannt, die es von der Prostituierten zur Leiterin einer Wiener Jugendfürsorgeanstalt gebracht hat. Sie hat im Haus meiner Großmutter gewohnt und ich hatte als Kind immer Angst vor ihr.

Die Erzählung fesselt durch die gehobene Sprache und lässt das Kopfkino anlaufen. Der Spannungsbogen ist zu Beginn recht flach, wächst aber stetig an und bleibt letzten Endes bis zum Schluss sehr hoch.

Eindringlich schildert der Autor, wie Boshaftigkeiten im Kleinen funktionieren und letztlich zum großen Terror führen, weil jeder Angst hat.

Es ist Loesers Familie zu verdanken, dass dieser Roman, der ursprünglich „Der Fall Krakau“ nach Loesers Tod 1999 veröffentlich werden konnte. Denn der Autor hat ihn, neben anderen Werke, heimlich auf deutsch geschrieben und aus Angst in der neuen Heimat Brasilien als Jude erkannt und diffamiert zu werden, nicht veröffentlich.

Fazit:

Diesem bislang unveröffentlichten prophetischen Roman gebe ich sehr gerne 5 Sterne und eine Leseempfehlung. Der Familie Loesers muss man danken, dass das Werk das Licht der Öffentlichkeit erblicken durfte.

Veröffentlicht am 19.03.2023

Fesselnd bis zur letzten Seite

1923 – Kampf um die Republik
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Dieses Sachbuch ist eines der vielen, die zur 100. Wiederkehr der Ruhrkrise von 1923 erscheinen.

Dem renommierten Historiker Ralf Georg Reuth gelingt es ausgezeichnet, dieses „Schicksalsjahr“ der jungen ...

Dieses Sachbuch ist eines der vielen, die zur 100. Wiederkehr der Ruhrkrise von 1923 erscheinen.

Dem renommierten Historiker Ralf Georg Reuth gelingt es ausgezeichnet, dieses „Schicksalsjahr“ der jungen Republik Deutschland Revue passieren zu lassen.

Nach einem ausführlichen Vorwort spannt Reuth in neun Kapiteln gekonnt den Bogen über die schwierige Lage.

1. Jänner und Februar
2. März und April
3. Mai und Juni
4. Juni, Juli und August
5. August und September
6. September und Oktober
7. Oktober
8. Oktober und November
9. November und Dezember

Den Abschluss bildet die Vorschau auf die Jahre 1924 bis 1926.

Dabei zeigt er die Spannungen und Grabenkämpfe der beteiligten politischen Lager auf und gibt nicht nur Rückblicke in die Vergangenheit, in denen der Autor die Ursachen für das Jahr 1923 beleuchtet, sondern auch Ausblicke auf die kommenden Jahre von 1924 bis 1926.

Den Monaten September, Oktober und November sind gleich mehrere Kapitel gewidmet, da sich hier die Lage zuspitzt.

Meine Meinung:

Ralf Georg Reuth hat mit diesem Werk eine ziemlich umfassende Darstellung der Ereignisse geliefert, die er von mehreren Seiten betrachtet. Er spart weder die Rolle der Siegermächte und hier vor allem Frankreich aus, noch das Unvermögen der deutschen Politiker, sich auf einen zumindest kleinsten Nenner zu einigen. Über allem schwebt die dunkle Wolke des Kommunismus mit seinen brutalen Auswüchsen, vor denen man zurecht Angst hat, aber gleichzeitig die drohende Gefahr von rechts nicht oder nur wenig gefährlich erachtet.

Die großen geopolitischen Zusammenhänge sind sehr beschrieben, auch wenn das eine oder andere für den Leser ein wenig zu detailverliebt erscheint. Über die genauen Prozentzahlen von Wahlergebnissen kann getrost hinweg gelesen werden.

Fazit:

Diesem unglaublich spannend und interessant geschriebenen Buch über eine völlig verrückte Zeit in Deutschland gebe ich gerne 5 Sterne.

Veröffentlicht am 19.03.2023

Hat mich nicht ganz gepackt

Über alle Gräben hinweg
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Dieser (historische) Roman rund um zwei Familien, die sich aufgrund der geopolitischen Lage eigentlich als Feinde betrachten müssten, zeigt, wie es gelingen kann, auch über zwei Weltkriege hinweg, Freundschaften ...

Dieser (historische) Roman rund um zwei Familien, die sich aufgrund der geopolitischen Lage eigentlich als Feinde betrachten müssten, zeigt, wie es gelingen kann, auch über zwei Weltkriege hinweg, Freundschaften zu pflegen.

Der oberschlesische Gutsbesitzer Ludwig von Sedlitz und der adelige Schotte Alexander Duff Brodie studieren gemeinsam an der Universität von Heidelberg. Die beiden verbindet eine tiefe Freundschaft, die das Grauen des Ersten Weltkriegs übersteht.

Jahre später besuchen ihre Söhne Liam Broedie und Alard von Sedlitz die Universität in Cambridge und gelten dort als seltsames Paar und als Außenseiter - ein Schotte und ein Deutscher. Die Freundschaft zwischen den Familien besteht weiter.

Als dann der Zweite Weltkrieg auszubrechen droht, versucht jeder für sich und doch gemeinsam, ihr Scherflein beizutragen, die Katastrophe noch zu verhindern. Liam im Auftrag des SIS, des britischen Auslandsgeheimdienstes und Alard als Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes. Wir wissen, wie die Bemühungen ausgegangen sind.

Meine Meinung:

Sprachlich ist das Buch ausgezeichnet. Die historischen Details sind penibel recherchiert. Dennoch bin ich nicht ganz von diesem Roman überzeugt.

Die Geschichte ist für mich ein wenig ungleichgewichtig. Die Geschichte der Väter ist für mich ein wenig zu dominant. Zahlreiche historische Details sind genau beschrieben.

In der Geschichte der Söhne wirken die Details dann deutlich gestrafft. Wir dürfen zwar gemeinsam mit Liam und Alard nach Spanien, in den Bürgerkrieg reisen, und die jüdische Journalisten kennenlernen, doch es hat den Anschein, die Autorin wäre aufgefordert worden, endlich zu einem Ende zu kommen. Diesen deutlichen Bruch finde ich schade.

Aus den Zutaten hätte ein wirklich mitreißender Roman werden können. Das ist leider nicht ganz gelungen.

Fazit:

Hat mich leider nicht ganz überzeugt, daher nur 3 Sterne.

Veröffentlicht am 19.03.2023

Eine Hommage an eine starke Frau

Die rebellische Pianistin. Das Leben von Johanna Kinkel
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Johanna Kinkel zählt, wie so viele hochbegabte Künstlerinnen des 19. Jahrhunderts zu den fast Vergessenen. Die jungen, bürgerlichen Mädchen werden zwar gefördert, wenn es ums gefällige Musizieren und Malen ...

Johanna Kinkel zählt, wie so viele hochbegabte Künstlerinnen des 19. Jahrhunderts zu den fast Vergessenen. Die jungen, bürgerlichen Mädchen werden zwar gefördert, wenn es ums gefällige Musizieren und Malen von (Blumen)Bildern geht. Diese Begabungen dienen aber nur dazu, einen gut situierten Ehemann zu finden und ihn als „Zierde des Hausstandes“ zur Seite zu stehen.

Verena Maatman, deren Romanbiografie „Signorina Vivaldi“ ich schon mit Begeisterung gelesen habe, entreißt mit diesem Buch Johanna Kinkel dem Vergessen.

Wer ist sie nun, die Johanna?

Johanna Kinkel (1810-1858) wird als einziges Kind des Gymnasiallehrers Peter Mockel und seiner Frau Anna Maria in Bonn geboren. Die Begabung des Mädchens wird recht schnell sichtbar, die Sturheit auch: Johanna will Komponistin werden, ihr eigenes Geld verdienen und denkt gar nicht daran, zu heiraten.
Doch manchmal kommt es anders als man denkt und die fortschrittliche Frau heiratet Johann Paul Mathieux. Nach wenigen Monaten kehrt Johanna in ihr Elternhaus zurück und will die Scheidung von ihrem tyrannischen Mann. Die lässt natürlich auf sich warten und erst nach zähem Ringen ist sie ihn endlich los.

Mit ihrem zweiten Mann Gottfried Kinkel trifft sie es besser, hat vier Kinder mit ihm und muss ihn dann mit den revolutionären Gedanken, die 1848 zu seiner Verhaftung führen, teilen.

Meine Meinung:

Verena Maatman gelingt es vorzüglich, das Umfeld in dem Johanna aufwächst und später lebt, darzustellen. Es ist die Zeit nach den Napoleonischen Kriegen, die Zeit der Zensur, die Zeit in denen die Herrscher ihre Untertanen knechten, um ihre angekratzten Herrschaftsansprüche durchzusetzen - kurz, wir befinden und im Biedermeier und Vormärz. Die Menschen ziehen sich in ihre Wohnungen zurück und frönen der Musik und der Literatur. Aus so manchem literarischen Zirkel wird ein politischer.

Die Frauen haben nichts zu sagen, sind meistens hübscher Aufputz der Männer. Da fallen Frauen wie Bettina von Arnim, Rebecka Mendelsohn-Bartholdy, Fanny Hensel oder eben Johanna Kinkel auf. Johanna lernt diese Künstlerinnen in ihren Berliner Jahren kennen. Im Gegensatz von Fanny Hensel, deren Bruder Felix Mendelsohn-Bartholdy, ihre Werke nicht veröffentlicht sehen will, gelingt es Johanna, zahlreiche Musikstücke zu veröffentlichen. Einige davon werden später beinahe zu Revolutionsliedern.

Dass Frauen, die sich nicht der gängigen Lebensweise anpassen, ein schweres Leben haben, muss Johanna am eigenen Leib erfahren.

Autorin Verena Straatman zeichnet ein großartiges Bild dieser starken Frau, die sich aller Widerstände zum Trotz nicht unterkriegen lässt und Pläne schmiedet, ihren Mann Gottfried aus dem Gefängnis zu befreien.

Wenn ich den Diskussionen der Wiener Philharmoniker verfolge, die nach wie vor ein Dirigat einer Frau ablehnen, muss ich feststellen, dass sich im Musikbusiness seit 200 Jahren wenig verändert hat.

Fazit:

Dieser penibel recherchierten und grandios erzählten Romanbiografie muss ich 5 Sterne und eine unbedingte Leseempfehlung geben.

Veröffentlicht am 17.03.2023

Stellenweise kaum zu ertragen

Morgen und für immer
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Gleich vorweg: Diese Geschichte über Verrat, Familie und Flucht, die auf der Lebensgeschichte des Kajan Dervishi beruht, ist mein bisheriges Lesehighlight im Jahr 2023, auch wenn das Buch aufgrund der ...

Gleich vorweg: Diese Geschichte über Verrat, Familie und Flucht, die auf der Lebensgeschichte des Kajan Dervishi beruht, ist mein bisheriges Lesehighlight im Jahr 2023, auch wenn das Buch aufgrund der Grausamkeiten, die ein Staat seinen Bürgern aufbürdet, kaum zu ertragen ist.

Die Geschichte beginnt zur Zeit des Zweiten Weltkriegs in Albanien. Der Junge Kajan lebt mit seinem Großvater in einer bescheidenen Hütte, weil sich die Eltern dem Partisanenkampf gegen die Besatzer aus Nazi-Deutschland angeschlossen haben. Dort erscheint eines Tages Cornelius, ein desertierter Wehrmachtssoldat. Der Großvater versteckt ihn unter hohem Risiko. Kajan lernt von dem Deutschen das Klavierspielen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg, die Eltern sind zurückgekehrt und haben aufgrund ihrer Verdienste zahlreiche Privilegien, wird Kajan zu einem gefeierten Pianisten. In Elizabeta findet er eine Seelenverwandte und seine große Liebe, die allerdings von seiner Mutter, einer 100% Anhängerin des Kommunismus, hintertrieben wird.

1962 reist er mit der Sondererlaubnis von Albaniens Diktator Enver Hoxha, nach Ostberlin. Von da an, gerät sein Leben völlig aus dem Ruder.

Meine Meinung:

Albanien ist den meisten von uns als Land der Bunker, der höchsten Anzahl von (gestohlenen) Mercedes-Limousinen pro Kopf, Mutter Teresa oder vielleicht noch durch die „Eingeschworenen Jungfrauen“ ein Begriff. Über die Geschichte des Landes wissen nur wenige Interessierte Bescheid. Mit diesem Buch, können einige Wissenslücken gefüllt werden. Besonders das Spitzelwesen, das der paranoide Diktator Enver Hoxha zur höchsten Perfektion gebracht und auch innerhalb der eigenen Familie gewütet hat, kommt hier deutlich zur Sprache.

Ermal Meta beschreibt in eindringlichen Worten, welchem Druck, welchem Horror die Menschen in Albanien ausgeliefert waren. Erst mit dem Ende des Kommunismus 1991 verschwindet die Geheimpolizei, die ähnlich wie Nicolae Ceaușescus „Securitate“ in Rumänien, die Menschen Albanien in Geiselhaft nimmt.

Der Schreibstil ist authentisch, beklemmend und manchmal ist es kaum zu ertragen, welchen Repressalien der erwachsene Kajan ausgesetzt worden ist. Vor allem, als der Leser letztlich erfährt, wer ihm das alles angetan hat.

Für Zartbesaitete ist das Buch wohl nichts, denn es zeigt, welche unfassbaren Gräuel ein Staat an seinen Bürgern verübt.

Fazit:

Diesem großartigen Roman, der unter die Haut geht, gebe ich 5 Sterne (mehr stehen ja leider nicht zur Verfügung) und eine absolute Leseempfehlung.