Einblick in eine längst vergangene Welt
Kuriositäten aus der ReisetascheBoris Sandler entführt seine Leser in eine längst versunkene Welt: in die jiddische Welt. Er ist vielen Lesern unbekannt, schreibt er doch auf jiddisch, quasi der Alltagssprache (alt)österreichischer Juden. ...
Boris Sandler entführt seine Leser in eine längst versunkene Welt: in die jiddische Welt. Er ist vielen Lesern unbekannt, schreibt er doch auf jiddisch, quasi der Alltagssprache (alt)österreichischer Juden. Die gelungene Übersetzung stammt von Andrea Fiedermutz.
Der Autor ist 1942 in Beltz, damals Bessarabien heute Moldawien, geboren und ist ein Meister der Erzählkunst. In 21 Essays blickt er in die Seele jüdischer Familien, die seit je her zum Spielball der Politik geworden sind. Dabei fördert er skurrile Geschichten, historische Fakten sowie die Traumata, die durch die Shoa entstanden sind zu Tage.
Mit der dem für das Jiddische so eigenem Humor eröffnet Boris Sandler einen interessanten, für manche Leser, neuen Blickwinkel auf die Reisen der Juden, die jene häufig nicht freiwillig unternommen haben. Selbst die Auswanderung ins Gelobte Land (Israel) oder in die USA hat sich oft zwangsläufig ergeben.
Der Schreibstil ist feinsinnig, humorvoll, mit der für das Jiddische so übliche Ironie. Ein Beispiel dafür ist jene Geschichte („Der schwarze Teller“) der Mutter des Ich-Erzählers, die sich für das „Konzert laut ihren Bestellungen“ von Radio Moskau ein jiddisches Lied wünscht. Tatsächlich wird dann das Lied „Itzig hat schon Hochzeit gehalten“ gespielt. Allerdings bleibt das nicht ohne Folge für die Bestellerin und in der Folge hat Radio Moskau nie wieder ein jiddisches Lied gespielt.
Für Leser, die sich bislang nur wenig oder gar nicht mit dem Jiddischen beschäftigt haben, finden sich Erläuterungen im Anhang.
Fazit:
Diesem Buch, das einen tiefen Einblick in eine verloren gegangene Welt eröffnet, gebe ich gerne 5 Sterne.