Eine Leseempfehlung
Der Führer und die MausSchauplatz Berlin 1935: Adolf Hitler ist seit zwei Jahren Reichskanzler. Die Nürnberger Rassegesetze sind in Kraft, Juden und Andersdenkende werden verhaftet und in Lager gesteckt. Daneben will der NS-Staat ...
Schauplatz Berlin 1935: Adolf Hitler ist seit zwei Jahren Reichskanzler. Die Nürnberger Rassegesetze sind in Kraft, Juden und Andersdenkende werden verhaftet und in Lager gesteckt. Daneben will der NS-Staat mit allen Mitteln eine eigene grandiose Filmindustrie aufbauen. Blöd nur, dass die führenden Köpfe, jüdische Regisseure wie Schauspieler und Drehbuchautoren aus dem Land vertrieben worden sind. Die wenigen, die noch geblieben sind, versuchen soweit es geht, unsichtbar zu bleiben. Soweit der geschichtliche Hintergrund, vor dem dieser als Krimi deklarierte historische Roman spielt.
Der halbjüdische Künstleragent Max Horwitz will auch in das aufstrebende Zeichentrickfilm-Geschäft à la Walt Disney einsteigen. Dafür engagiert er einen Zeichner, einen Musiker und einen Schauspieler. Bei einer Razzia der SA werden die Skizzen des jüdischen Zeichners beschlagnahmt und landen im Propagandaministerium, wo man über die geheime Vorliebe des Reichskanzlers für Zeichentrickfilme weiß. Gleichzeitig erkennt dort Ministerialrat Dr. Keller den Wert der Zeichnungen für die Propaganda. Die fieberhafte Suche nach dem Zeichner beginnt.
Vorerst fügen sich Horwitz und seine Leute den Avancen des Propagandaministeriums und liefern Dr. Keller einen Trickfilm mit Schwein, Dachs und Gans. Gleichzeitig suchen sie heimlich einen Ausweg aus der tödlichen Umarmung des Regimes, denn allen ist bewusst, dass sie auf Gedeih und Verderb den Launen von Hitler & Co ausgesetzt sind.
»Büzzje, büzzje, büzzje …« Die Frauen hielten jetzt ihre Pässe hoch, stürmten auf die Männer zu, wollten die Pässe genauestens zeigen, die Grenzer dabei umarmen, lachend, albern, aufgedreht.
Grietje hatte sich dicht an einen der Beamten geschmiegt. »Na, Herr Kommissar, nun durchsuchen Sie mir doch mal ein büschen!«, sagte sie mit stark holländischem Akzent und wollte ihm dabei sogar die Dienstmütze vom Kopf nehmen, was der Mann aber verhinderte.
Den Grenzbeamten gelang es nur mühsam, die entfesselten Frauen zum Bus zurückzukomplimentieren. Eine nach der anderen stieg schließlich, laut singend und klatschend, wieder ein. Die Grenzer waren am Ende froh, einer warf noch einen kurzen Blick in den Bus, auf weitere Kontrollen wurde verzichtet. Die Tür schloss sich, der Schlagbaum öffnete sich, der Bus fuhr los.“
Meine Meinung:
Marc Hecht ist ein interessanter zeitgeschichtlicher Roman rund um die Propaganda in Nazi-Deutschland gelungen, der die Anachronismen des Diktators und seines Unrechtsregimes aufzeigt. Wenn man nicht über die fatalen Auswirkungen von Hitlers Größenwahn Bescheid wüsste, könnte man ja darüber fast lachen. Doch bei 6 Millionen ermordeten Juden bleibt einem das Lachen im Hals stecken.
So schmunzle ich über die Chuzpe von Max Horwitz und seinem Team, wie sie dem Regime doch noch, unter Zuhilfenahme moderner Medientechnik, ein Schnippchen schlagen.
Marc Hecht schafft es, die bedrohliche Szenerie der Diktatur sehr gut darzustellen und gleichzeitig, zumindest für diese Protagonisten, einen Hoffnungsschimmer am Horizont erscheinen zu lassen.
Fazit:
Diesem Roman über Mut und Moral in einer Zeit, in der ein falsches Wort zu falscher Zeit, den sprichwörtlichen Kopf gekostet hat, gebe ich gerne verdiente 5 Sterne und eine Leseempfehlung.