„Die Gerüche der Kathedrale“ führt die Leser gekonnt auf eine Reise in die Antwerpener Liebfrauenkathedrale (vorwiegend) des 15. und 16. Jahrhunderts. Jedes Kapitel beginnt mit der Beschreibung eines bedeutsamen ...
„Die Gerüche der Kathedrale“ führt die Leser gekonnt auf eine Reise in die Antwerpener Liebfrauenkathedrale (vorwiegend) des 15. und 16. Jahrhunderts. Jedes Kapitel beginnt mit der Beschreibung eines bedeutsamen Tages zwischen 1481 und 1566 und leitet von dort zum jeweiligen Thema über. Dieser Einstieg ist gelungen, bringt gleich etwas Unmittelbares und Anschauliches in die Lektüre. Auch der umfangreiche Farbbildteil in der Mitte erfreut – die Abbildungen sind von ausgezeichneter Qualität und mit guten Erklärungen versehen. Im Laufe des Buches wird auf jede Abbildung Bezug genommen und auf manche Details hingewiesen, die man selbst gar nicht entdeckt oder deren Hintergrund man nicht zu interpretieren gewusst hätte. Sehr ansprechend gemacht!
Die Themenvielfalt ist enorm, streift auch das alltägliche Leben, fokussiert sich aber auf das kirchliche Leben. Politische Zusammenhänge, Herkunft und Bedeutung allgemeiner und liturgischer Bräuche, wissenschaftliche Hintergründe, Auswirkungen der Reformation – Wendy Wauters erklärt all dies auf fundierte Weise, man merkt ihr Können und ihre Leidenschaft für das Thema. Immer wieder bezieht sie auch die Atmosphäre in der Kirche ein, schildert uns, wie es dort aussah, wie es klang und – ganz dem Titel entsprechend – wie es roch. Man bekommt einen ausgezeichneten, lebendigen Eindruck von dieser Kirche, die in jenen Jahrhunderten ein noch völlig anderes Bild bot als heute, und auch von ihrer vielfältigen Bedeutung für Antwerpen.
Der Stil ist gut lesbar, manchmal allerdings sehr trocken. Auch wurde es mir gelegentlich zu aufzählend und kleinteilig. Gerade die Liturgie wird oft in anstrengender Detailfülle dargelegt. Insgesamt überzeugt das Buch aber durch die enorme Sachkenntnis der Autorin und eine Fülle an Themen und Informationen.
Die Lektüre von „Geht so“ habe ich fast durchweg genossen. Serranos leichter und gleichzeitig gekonnter Schreibstil überzeugt sofort und ich konnte mich richtig in die Geschichte vertiefen und mich an ...
Die Lektüre von „Geht so“ habe ich fast durchweg genossen. Serranos leichter und gleichzeitig gekonnter Schreibstil überzeugt sofort und ich konnte mich richtig in die Geschichte vertiefen und mich an der flüssigen Sprache erfreuen. Die Übersetzung wird dem absolut gerecht, jedenfalls abgesehen von den albern-artifiziellen Wörtern „Studierende“ und „Mitarbeitende“, die mich jedes Mal aus dem Lesefluss rissen. Nur bei der Beschreibung eines Waldwegs als „fadenscheinig“ habe ich mich gefragt, ob hier ein Übersetzungsfehler vorliegt. Insgesamt bereitete der gelungene Stil mir aber viel Lesefreude.
„Geht so“ weiß durch seine Originalität absolut zu überzeugen. Geschichten junger Frauen, die mit Ende 20 / Anfang 30 in unbefriedigenden Jobs feststecken, gibt es schon seit Jahrzehnten zuhauf, die meisten sind sich sehr ähnlich. „Geht so“ ist erfreulich anders – bissiger, dunkler und fern der ausgetretenen Pfade. Das habe ich genossen. Es passiert nicht wirklich viel, wir begleiten Marisa in ihrem Alltag und vor allem in ihren Gedanken. Trotzdem ist die erste Hälfte des Buches kurzweilig. In der zweiten Hälfte beginnt sich die Handlungsarmut dann aber doch bemerkbar zu machen, einiges wiederholt sich, einiges ist entbehrlich. Bei dem Teambuildingwochenende, auf welches die Handlung hinläuft, zieht das Erzähltempo an. Auch wenn dieser Teil der Geschichte für meinen Geschmack etwas unter seinen Möglichkeiten bleibt, gibt es sehr markante Momente.
Die Protagonistin Marisa fungiert als Ich-Erzählerin und sie schildert ihr Leben, insbesondere ihre Arbeit, so köstlich entlarvend und bissig, daß ich häufig geschmunzelt und/oder genickt habe. Ja, so geht es leider in der Unternehmenswelt zu, und auch das Gefühl, in einer Rolle festzustecken, in die man überhaupt nicht hineinpasst, ist wundervoll beschrieben. Ich war beim Lesen wieder ungemein dankbar, dieser Welt entflohen zu sein. Das waren für mich die besten Szenen. Auch die gelegentlichen Einblicke in Marisas tiefe Traurigkeit, die sich unter dem Zynismus verbirgt, fand ich ganz ausgezeichnet. Davon war es mir dann etwas zu wenig, denn in dieser Hinsicht bleibt die Geschichte leider doch eher an der Oberfläche. Ich hatte gehofft, daß sich zum Ende hin hier mehr tun würde, aber leider endet das Buch richtiggehend enttäuschend. Beim erwähnten Teambuildingwochenende ergeben sich für Marisa interessante Erkenntnisse in gleich zwei Richtungen und ich war sehr gespannt, wie sich dies auswirken würde. Aber dann folgt ein skurriles, überzogenes Ende, welches die Möglichkeiten, die sich aufgebaut haben, leider nicht nutzt. Das Ende hat mir den eigentlich ausgezeichneten Gesamteindruck leider verdorben. Trotzdem war „Geht so“ eine erfreuliche, frische Leseerfahrung.
Einen Roman über jemanden zu schreiben, dessen Leben wirklich der reinste Roman war, ist eine ausgezeichnete Idee und so war ich sehr gespannt, wie Steffen Schroeder die schillernde Anita Berber erfassen, ...
Einen Roman über jemanden zu schreiben, dessen Leben wirklich der reinste Roman war, ist eine ausgezeichnete Idee und so war ich sehr gespannt, wie Steffen Schroeder die schillernde Anita Berber erfassen, darstellen würde. Ich wußte bis dahin über sie und ihr Leben einige Dinge, über sie als Mensch aber noch recht wenig. Um es vorab zu sagen: ich habe durch dieses Buch viel über sie erfahren, der Mensch Anita Berber blieb mir leider trotzdem fremd.
Das liegt zu einem Großteil an der distanzierten Erzählweise. Steffen Schroeder schreibt einen an sich guten, sehr eigenen Stil und mir gefiel diese Individualität seines Schreibens. Dazu kommen zahlreiche gekonnte Formulierungen, an denen ich viel Freude hatte. Auch die Atmosphäre der Zeit erweckt der Autor gelungen zum Leben. Mit vielen Details schafft er die Welt, in der Anita Berber sich bewegte, die Leser machen praktisch mit ihr einen Streifzug durch das Nachtleben Berlins und Wiens, durch drogengeschwängerte Feste, betrunkene Auseinandersetzungen, desillusionierte Morgenstunden in diversen Hotelzimmern. Ich konnte in das Buch richtig eintauchen.
Was der Autor bei der Atmosphäre so meisterhaft beherrscht, konnte oder wollte er beim Charakteraufbau leider nicht leisten. Neue Charaktere werden plötzlich in die Geschichte hineingeworfen, irgendwann taucht ein neuer Name auf und man fragt sich, wer das sein soll. Manchmal gibt es einige Erklärungen und manchmal eben nicht. So bleiben die Charaktere oft bloße Namen, manchmal lernt man sie ein wenig kennen, aber während die Handlungsorte sich so eindrucksvoll entfalten, wabern die Charaktere größtenteils konturlos durch die Geschichte. Auch Anitas Familie bleibt blass, was sehr enttäuschend ist. Die innige Beziehung zu ihrer Großmutter klingt ein wenig durch, die schwierige Beziehung zu ihrer Mutter, die so viel erzählerisches Potential geboten hätte, wird nur gelegentlich angedeutet. Auch die Beziehungen zu ihren Ehemännern werden höchstens angerissen. Man erfährt seitenlang, wie Anita Berber sich schminkt und welche Tanzschritte sie in welcher Formation verwendet, aber ihre Beziehungen zu den Menschen in ihrem Leben, die doch den Menschen Anita geformt haben und ausmachen, bekommen in diesem Theater ihres Lebens Plätze in der hinteren Reihe. Das liegt unter anderem auch an dem oft berichtsartigen Schreibstil, der nur wenige Dialoge verwendet und uns Gespräche oft erzählt, anstatt uns an ihnen teilhaben zu lassen. Es fehlt zu oft die Unmittelbarkeit.
Im Gegensatz dazu steht dann hingebungsvolles Infodumping, ein Aspekt, der mich an diesem ansonsten guten Buch geärgert hat. Unablässig läßt Schroeder seine Charaktere Vorträge halten, deren Inhalt mit der Handlung höchstens marginal zu tun hat und meistens komplett entbehrlich ist. Selbst bei den für die Geschichte notwendigen Fakten ist es leider eine sehr plumpe Art, diese so in die Geschichte einzubauen. Im Buch erfahren wir also nun seitenweise etwas über Schmetterlinge, über technische Aspekte von Ton- und Stummfilm, über Heiligenfiguren, Schminktechniken, Bauweisen von Filmstudios, eine stereotype Showhypnose und vieles mehr. Vieles ist komplett unnötig, anderes hätte sich wesentlich eleganter einflechten lassen. Auch einige bekannte Zeitgenossen Anitas werden etwas plump zum Gesprächsthema gemacht, nur um sie mal erwähnt zu haben, überhaupt sind viele Dialoge keine echten Dialoge, sondern Infodumping. Wenn diese Detailfreude und dieser Aufwand stattdessen in die Charakterentwicklung gegangen wäre, hätte das Buch m.E. sehr gewonnen.
Insgesamt aber ist das Buch lesenswert. Der Stil ist zugleich gekonnt und leicht lesbar, es gab abgesehen von den Infodumping-Passagen keinen Moment, in dem ich mich gelangweilt habe. Es wird episodisch erzählt, was gerade am Anfang dazu führte, dass ich mir einige verbindende Informationen gewünscht habe, aber letztlich erfährt man alles Wichtige über Berbers Leben und merkt in jedem Satz die sorgfältige Recherche. Die Szenen ihres langsamen Dahinsiechens, welche immer wieder eingestreut sind, haben etwas leise Sensibles, etwas Anrührendes. Hier sieht man auch wieder Schroeders Talent für das Atmosphärische – man erlebt im Buch so viele verschiedene Stimmungen mit und spürt sie beim Lesen ganz hervorragend. Diesen eigenen, gekonnten Schreibstil des Autors kann ich nur noch einmal erfreut hervorheben und er hat einige der Punkte wettgemacht, die mir nicht zugesagt haben. Eine überwiegend erfreuliche Leseerfahrung mit hohem Informationsgehalt und interessanter Sprache.
Bei „No Hard Feelings“ fühlte ich mich gleich an Bridget Jones erinnert und war neugierig darauf, wie diese Art Geschichte fast dreißig Jahre später erzählt werden würde. Auch war ich gespannt darauf, ...
Bei „No Hard Feelings“ fühlte ich mich gleich an Bridget Jones erinnert und war neugierig darauf, wie diese Art Geschichte fast dreißig Jahre später erzählt werden würde. Auch war ich gespannt darauf, wie bzw. ob Penny ihr Leben in den Griff bekommt.
Man kommt erfreulich gut in das Buch rein, der Schreibstil liest sich gut weg. Er passt zu diesem Genre, ist leicht lesbar, nicht sonderlich anspruchsvoll. Als abendliche leichte Unterhaltung perfekt. Er ist etwas flapsig und von einigem Denglisch durchsetzt – nicht mein Geschmack, passt aber zum Thema und zur Zielgruppe und ist insofern stimmig. Sehr unangenehm fand ich allerdings, dass leseunfreundliche Genderdoppelpunkte verwendet werden. Wenn man schon glaubt, unbedingt gendern zu müssen (was der Großteil der Bevölkerung ablehnt), dann könnte man doch wenigstens eine der lesefreundlicheren Varianten wählen, gerade in einem Roman, in dem auch der Lesefluss zählt. Die grammatikalische Absurdität dieser Methode zeigt sich im Buch u.a. an der seltsamen Wortschöpfung „eine:n Praktikanten:in“.
Auch störte mich die teils mangelnde Sorgfalt. So wird „o nein“ manchmal korrekt, manchmal aber fälschlich „oh nein“ geschrieben. Die englische Serie „The Great British Bake Off“ wird an einer Stelle übersetzt, die anderen Male beim englischen Namen genannt, obwohl so etwas einheitlich gehandhabt werden sollte. Das englische „when“ ist an einer Stelle falsch als „wenn“ übersetzt worden – ein ziemlich plumper Anfängerfehler, dort gehörte ein „als“ hin und der Satz ergibt mit „wenn“ keinen Sinn. Auch einige englische Redewendungen werden wörtlich übersetzt und verlieren dadurch ihren Sinn oder klingen ungeschickt, weil sie zu sehr an der englischen Vorlage kleben.
Die Geschichte entwickelt sich wie erwartet sehr in einem Rahmen, den Vertraute des Genres schon aus den 1990ern und frühen 2000ern kennen. Penny ist eine Millennial/Gen Z Bridget Jones oder Becky Bloomwood: in einem politisch korrekteren und von sozialen Medien geprägten Umfeld, aber ebenso gefangen in einem Job, den sie nicht mag und halbherzig erledigt, mit dem üblichen Freundeskreis, mit dem üblichen unzuverlässigen Kerl und dem üblichen guten Kerl, den sie zunächst nicht als solchen erkennt. Das liest sich überwiegend also nicht innovativ, aber lange durchaus unterhaltsam. Insbesondere die Szenen bei der Arbeit fand ich interessant, da wir die Geschichte aus Pennys Sicht erfahren, während sich allmählich herausschält, daß diese Sicht nicht unbedingt der Realität entspricht.
Auch hat „No Hard Feelings“ etwas mehr Tiefe, da Penny durchaus erhebliche psychische Probleme hat. Das war eine gelungene Abwechslung von den üblichen „Job blöd, vergebliche Partnersuche“-Themen, wenn ich auch die Umsetzung nicht ganz gelungen fand. So ist z.B. ihr ganz erheblicher Alkoholkonsum und das gelegentliche Kombinieren dessen mit Valium irgendwie kein wirkliches Thema und liest sich, als ob das völlig normal dazugehöre. Auch stellte Penny meine Geduld beim Lesen auf manche Probe, denn ihre Handlungen sind oft absolut nicht nachvollziehbar (sollen sie aber auch nicht sein, insofern ist dies stimmig), und sie nervt mit endlosen gedanklichen Selbstmitleidsmonologen. Auch die sich oft sehr ähnlichen Szenen und mehrere Wiederholungen nahmen mir ein wenig die Lust am Lesen. Wirklich enttäuscht hat mich die absolute Vorhersehbarkeit des Buches. Wie es partnerschaftlich ausgeht, ist ziemlich schnell klar, weil die üblichen Versatzstücke des Genres verwendet werden, und wie es beruflich ausgeht, wurde nach etwa der Hälfe des Buches deutlich und erinnerte mich einmal mehr sehr an einige der früheren Bücher des Genres. Ich hatte bis zum Ende hin gehofft, daß die Autorin mich vielleicht doch noch überrascht, aber leider war dem nicht so, alles traf haargenau so ein, wie ich es die ganze Zeit vorhergesehen hatte. Es wäre schön, wenn hier einige neue Wege gegangen worden wären.
Insgesamt bot „No Hard Feelings“ leicht erzählte nette Unterhaltung und einen aufschlussreichen Blick in die Welt der Mitt-/Endzwanziger, mit ein wenig Lokalkolorit. Die Geschichte geht ein wenig tiefer als manch andere des Genres und hat in dieser Hinsicht interessante Ansätze.
Es ist schon eine ganze Weile her, daß ich ein Buch so genossen habe. Alice Berend, vor der Nazizeit gefeierte Autorin, dann verfemt und vergessen, nun zum Glück wiederentdeckt, schildert in ihrem ursprünglich ...
Es ist schon eine ganze Weile her, daß ich ein Buch so genossen habe. Alice Berend, vor der Nazizeit gefeierte Autorin, dann verfemt und vergessen, nun zum Glück wiederentdeckt, schildert in ihrem ursprünglich 1913 erschienenen Roman das Berlin der späten Kaiserzeit herrlich lebendig. (Mit dem Berlin der 1920er Jahre hat das Buch nämlich entgegen des Untertitels gar nichts zu tun). Vom ersten Satz an ist man in der Geschichte drin, erlebt die Charaktere und Schauplätze so köstlich geschildert, als ob man sich mitten unter ihnen befände.
Das Buch ist mit einem haptisch angenehmen Einband versehen, dessen angenehme Farbgebung sich im Lesebändchen fortsetzt. Das Titelbild der androgynen jungen Frau aus den späten 1920ern fand ich dagegen nicht gut gewählt – es paßt nicht zur im Buch geschilderten Zeit und auch nicht zu der titelgebenden Tochter Frau Hempels.
Alice Berend schreibt in klarer, gut lesbarer Sprache einen ganz eigenen Stil, eine interessante Mischung aus teils ulkigen Wortwendungen, etwas kalenderblattartigen aber treffenden Aphorismen, geradezu poetischen Ausdrücken und vor allem einem herrlich trockenen Humor. Ich dachte hier manchmal an Walter Kempowski, dem es ebenfalls gelang, mit der Sprache so zu spielen, daß er einen sofort erkennbaren, unverwechselbaren Stil schrieb. Es war ein Vergnügen, Berends Sätze zu lesen.
Auch inhaltlich erfreut das Buch. In dem Nachwort, das gut über Berends Leben und Werk informiert, wird sie mit Fontane verglichen und dem Vergleich stimme ich zu. Bei beiden finden sich köstlich geschilderte, lebensechte Charaktere, Lebensweisheit und pointierte Schilderungen. Berend schildert das kleinbürgerliche Milieu ebenso gekonnt wie die gelegentlichen Blicke in das Leben der Großbürger und verarmten Adeligen. Man hat das Gefühl, neben Frau Hempel in der Kellerwohnung zu sitzen, die Straßenbahnen zu hören, man ist dabei, wenn die verarmte Gräfin sich mit tieftrauriger Miene in ihren von einer besseren Vergangenheit kündenden Räumen bewegt. Obwohl nicht viel mehr passiert als der normale Alltag, wird es keine Sekunde langweilig, ich hätte sogar gerne noch viel mehr gelesen. Das liegt zum einen an dem bereits erwähnten prächtigen Humor. Ich habe oft geschmunzelt und einige Male laut gelacht – ganz lakonisch wirft Alice Berend treffende Sätze ein. Zum anderen liegt es daran, daß selbst die alltäglichen Vorgänge kurzweilig und farbig geschildert werden, ebenso wie die Charaktere. Zuvörderst natürlich Frau Hempel, die so patent und liebenswert ihren Weg macht und für deren Schaffenskraft man nur Bewunderung haben kann. Aber auch das ganze Umfeld ist so treffend und unterhaltsam beschrieben, daß man von dieser Charaktervielfalt gar nicht genug bekommen kann. Inmitten dieser farbigen, leicht anmutenden Schilderungen gibt es auch sehr zärtliche Momente, die ohne Sentimentalität geschildert werden, und anrühren.
Das Ende war mir dagegen zu zuckerwattig, alles geht zu glatt, wie es auch im ganzen Buch nie wirkliche Probleme gibt und sich alles immer schnell zum Besten fügt. Während der Alltag realistisch beschrieben ist, hätte der Handlung gerade im letzten Teil eine Prise mehr Realismus gut getan, so ist es mir zu idealistisch. Aber auch das ist ausgezeichnet geschildert. Und so war „Frau Hempels Tochter“ für mich ein besonderes Lesevergnügen, mit stilistisch höchst erfreulichem Zeitkolorit und köstlichen Charakteren. Die weiteren Bücher der Autorin stehen schon auf meiner Wunschliste.