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Veröffentlicht am 03.04.2021

Von Dora blieb zu wenig

Was von Dora blieb
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In „Was von Dora blieb“ erzählt Anja Hirsch von Isa, die im Jahr 2014 die Geschichte ihres Vaters und ihrer Großmutter erforscht – inspiriert ist dies von der eigenen Familiengeschichte der Autorin. Dies ...

In „Was von Dora blieb“ erzählt Anja Hirsch von Isa, die im Jahr 2014 die Geschichte ihres Vaters und ihrer Großmutter erforscht – inspiriert ist dies von der eigenen Familiengeschichte der Autorin. Dies geschieht durch die bei diesen Romanen fast obligatorischen zwei Zeitebenen – die Gegenwartsebene mit Isa und die historische Ebene aus Sicht von Isas Großmutter Dora und später Isas Vater Gottfried.

Die Schreibstil ist ein wahres Vergnügen. Die Autorin weiß mit Sprache umzugehen, bildet kleine Satzkunstwerke und erfreut mit herrlichen Formulierungen. Ich habe das genossen, mich an so vielen Stellen erfreut und diese Sprachsouveränität mehrfach bewundert.

Erzähltempo und -weise entsprachen dagegen leider weniger meinem Geschmack. Einerseits schafft die Autorin wundervoll farbige Szenen, in denen gerade die 1920er lebendig werden und die durch gut recherchierte Details glaubwürdig und echt wirken. Andererseits finden sich aber auch viele ausführlich geschilderte Nebensächlichkeiten, die zur Geschichte nichts beitragen und das Lesen zäh gestalten. Auch nimmt die Lebendigkeit der Szenen nach dem ersten Drittel zunehmend ab und weicht ausgiebigen Introspektionen.

Die Gegenwartsebene hat mich fast gar nicht überzeugt. Isa reist aufgrund einer Ehekrise an den Bodensee, widmet sich dort einer Kiste mit Unterlagen zu ihrer Großmutter und lernt außerdem Gustav kennen. Isa verliert sich häufig in Erinnerungen und ebenfalls Introspektionen, hauptsächlich aber wirken die handlungsarmen Gegenwartsszenen wie Resonanzkörper für Isas Familienrecherchen. Das, was wir in den historischen Kapiteln lesen, wird hier häufig unnötig wiederholt, dazu gibt es ausführliche Überlegungen, wie dies und jenes zu verstehen sein könnte, und Hintergrundinformationen. Diese sind leider nicht gelungen eingebracht. Es gibt ständiges Infodumping, vorwiegend durch Unterhaltungen Isas mit Gustav, der ein wandelndes Lexikon ist und zu allen Themen sofort die entsprechenden Fakten detailliert herunter rattern kann. Dies fiel besonders beim Thema BASF auf, als er vier Seiten lang die Firmengeschichte herunter betet, inklusive zahlreicher Jahreszahlen – letztlich ist nichts davon für das Buch wirklich relevant. Auch sonst werden oft artikelartige, nicht relevante Diskurse zu allerlei Themen unternommen.

Dagegen bleibt vieles Entscheidende vage und unbeantwortet. Wir lernen die titelgebende Dora im ersten Drittel des Buches sehr gut kennen, sie wird dem Leser vertraut. Dann erfolgt plötzlich ein Zeitsprung von zehn Jahren, es ist 1937 und wir lesen zwar noch aus Doras Perspektive, erfahren aber kaum noch etwas über sie. Es folgt ein Sprung ins Jahr 1943 und Dora fängt an, dezent mit dem Hintergrund zu verschmelzen und behält wesentliche Aspekte ihrer Persönlichkeitsentwicklung für sich. „Was von Dora blieb“ – letztlich leider viel zu wenig. Mit keinem einzigen Wort erfahren wir, wie sie über das Naziregime denkt, überhaupt wird diese Zeit erstaunlich knapp abgehandelt. Isas Naturspaziergänge, Schwimmbadbesuche und Reminiszenzen nehmen mehr Raum ein als die gesamte Nazizeit. Nachdem der Klappentext genau auf diese Themen (Doras Mann arbeitet bei den I.G.-Farben, Doras Sohn war einige Zeit auf einer Napola) neugierig macht, verfliegen sie fast in Nichts.

Dies mag sicher auch daran liegen, dass die Autorin bei ihrer eigenen Familienrecherche auf viele Fragen keine Antwort bekam – Isas Recherche, sehr sachbuchartig geschildert, zeigt uns, dass sie diesen Fragen nachgeht –, aber ich halte es bei einem Roman nicht für gelungen, so viel unbeantwortet oder vage zu lassen. Natürlich muß nicht jeder lose Faden verknüpft werden, aber bei einem Roman erwartet man einfach mehr Antworten, als es hier geschah. Ich habe beim Lesen mehrfach überlegt, ob ein persönlich gefärbtes Sachbuch, in der Richtung von z.B. „Haltet euer Herz bereit“, nicht stimmiger gewesen wäre. Auch die eher distanzierte Erzählweise paßte für mich nicht ganz – die meisten Charaktere und Geschehnisse berührten mich nicht, viele Motivationen waren nicht erkennbar oder nachvollziehbar und auch die Entwicklung von Freundschaften/Beziehungen geschah oft aus dem Nichts. Die Autorin hat einen journalistischen Hintergrund, vielleicht führte dies zu der oft wenig romanhaften Erzählweise.

So läßt mich das Buch zwiespältig zurück. Es fehlt vieles, was ich relevant fand, dafür gibt es vieles, was ich irrelevant fand. Viele Abschweifungen, wenige Antworten. Sehr lebendige Szenen zu Beginn, dann häufig Langatmiges, zu viel Sachbuch für einen Roman. Dafür aber eine herrliche Schilderung der 20er Jahre, fundierte Recherche – leider oft nicht gelungen eingebracht – und ein herrlicher Umgang mit Sprache, zudem eine an sich durchaus interessante Geschichte, die für meinen Geschmack nur eben sehr anders hätte erzählt werden müssen.

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Veröffentlicht am 30.03.2021

Das Besondere der Katzen-Mensch-Beziehung

Das Geschenk eines Regentages
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"Das Geschenk eines Regentages" betrachtet in vier Geschichten die Beziehungen zwischen Katzen und ihren Menschen. Das Buch beginnt mit einer so poetisch-herrlichen Sprache, daß ich ganz hingerissen war. ...

"Das Geschenk eines Regentages" betrachtet in vier Geschichten die Beziehungen zwischen Katzen und ihren Menschen. Das Buch beginnt mit einer so poetisch-herrlichen Sprache, daß ich ganz hingerissen war. Eine Katze liegt in einem Karton am Straßenrand und verabschiedet sich langsam vom Leben. Ich habe selten eine Szene gelesen, die durch ihre zart-feine Sprache und die elegante Melancholie derart berühren konnte. Auch im restlichen Buch finden sich immer wieder sehr schöne Passagen, die sprachlich erfreuen und berühren. Die ersten Seiten des Buches bleiben dann allerdings stilistisch unerreicht, was ich etwas schade fand. Das Buch ist aber stilistisch ein durchweg angenehmes Leseerlebnis.

Die vier Geschichten haben jeweils einen anderen menschlichen und Katzen-Protagonisten. So lernen wir also vier Katzen und ihre Menschen genauer kennen, aber auch weitere Katzen, einen Hund und einige weitere Menschen. Alle Geschichten spielen in derselben Gegend, die Katzen kennen sich, die Menschen kennen sich teilweise oder lernen sich kennen. So besteht also bei allen Geschichten ein verbindener Faden und man begegnet in späteren Geschichten auch manchmal "alten Bekannten" wieder. Das zweite verbindende Element ist, daß die menschlichen Protagonisten jeweils eine Lebenskrise durchmachen und die Katzen ihnen dabei helfen. Das ist eine zauberhafte Botschaft und ich habe es genossen, zu lesen, auf welche Arten die Katzen jeweils für ihre Menschen da sind. In der letzten Geschichte wurde es dann leider etwas zu unrealistisch.

Dies ist ohnehin ein Punkt, der mir beim Buch nicht besonders gut gefallen hat. Es ist in großen Teilen überhaupt nicht realistisch, möchte das sicher auch gar nicht sein. Die Tiere plaudern wie Menschen miteinander, diese Unterhaltungen erinnerten mich oft an Kinderbücher und waren für meinen Geschmack zu kindlich. Es gibt hier zwar auch schöne Momente - genau wie ihre Menschen haben die Katzen ebenfalls ihre Beziehungen und Freundschaften, ihre Probleme, helfen einander - aber es war mir eben einfach zu wenig realistisch. Zwischendurch kommt auch noch eine etwas esoterisch-philosophische Note hinein und das war einfach gar nicht mein Fall. Auch waren mir die Tiere teils zu vermenschlicht.

Sehr gut gefallen hat es mir dagegen, wenn die Gefühlswelt der Katzen geschildert wurde - natürlich findet hier auch eine gewisse Vermenschlichung statt, aber oft ist es so gut geschildert, daß man sich gut vorstellen kann, daß eine Katze so empfindet. Mir hätte es wesentlich besser gefallen, wenn es in diesem realistischeren Rahmen geblieben wäre. Wenn der Kater der ersten Geschichte von Miyu aus dem Karton gerettet wird und sie allmählich kennenlernt und z.B. berichtet, wie herrlich es ist, auf Miyus Pullover zu schlafen, oder wie er sich freut, wenn sie nach der Arbeit nach Hause zurückkommt, denkt man an die eigenen Katzen, die sich ebenso verhalten. Das ist sehr gelungen.
Wenn ein Katzenbaby von seiner Mutter weggerissen wird und sich fast ständig alleine in einem Haus wiederfindet, dann tut das richtig weh und ist leider gar nicht weit hergeholt. Überhaupt muß man hier als Katzenliebhaber darüber hinwegsehen, daß diese Katzen fast durchgehend nicht artgerecht gehalten werden. Als eine junge Frau auch noch sagt, da sie berufstätig sei, könne sie keine zwei, sondern nur eine Katze halten, bin ich zusammengezuckt. Gerade dann braucht die Katze Gesellschaft!

Schön waren die Einblicke in die japanische Gesellschaft und den Alltag. Hier erhalten wir zahlreiche Facetten des Lebens, sehr vielfältig und gut geschildert.

Die Geschichten sind sehr kurz - die Seitenzahl des hübsch gestalteten Buches ist ein wenig irreführend, weil die Schrift ziemlich groß ist - und somit auch schnell gelesen. Dadurch bleiben es Vignetten und so manches Mal hätte ich mir gewünscht, wir hätten etwas mehr erfahren. Letztlich ist es, wenn man sich auf dieses Format eingelassen hat, aber auch interessant, diese kurzen Blicke zu erhalten. Das Wesentliche enthalten sie absolut und sie sind sehr eingängig geschildert. Es gab so viele rührende Momente, die zeigen, wie sehr Tiere einem helfen können, wie tief das Band zwischen Mensch und Katze sein kann. Auch die Botschaft ganz am Ende rührt ganz tief an.

"Das Geschenk eines Regentages" ist ein ungewöhnliches Buch, sowohl von der Idee wie auch von der Ausführung her. Schon deshalb wird es mir in Erinnerung bleiben. Auch wenn es mir teilweise zu unrealistisch wurde, fand sich hier viel, was ich nachempfinden konnte, was mich zum Nachdenken brachte, mich berührte. Die Liebe zwischen Mensch und Katze ist hier wundervoll und vielfältig geschildert.

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Veröffentlicht am 28.03.2021

Hanebüchene Geschichte, die auch noch schlecht erzählt wird

Der Frauenchor von Chilbury
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Ich hatte mir von diesem Buch etwas in der Art von „Deine Juliet“ erwartet – zweiter Weltkrieg in England, eine Dorfgemeinschaft, verschiedene Schicksale, eine gute Balance zwischen heiter und berührend. ...

Ich hatte mir von diesem Buch etwas in der Art von „Deine Juliet“ erwartet – zweiter Weltkrieg in England, eine Dorfgemeinschaft, verschiedene Schicksale, eine gute Balance zwischen heiter und berührend. Die Geschichte wird ausschließlich durch Tagebuchauszüge, Briefe und Zeitungsausschnitte oder Bekanntmachungen erzählt. Eine interessante Methode, denn so lernen wir die Charaktere aus verschiedenen Blickwinkeln kennen. Allerdings klingen die diversen Erzähler alle ziemlich gleich, es gibt kaum Unterschiede in der Erzählstimme. Die Haupterzählerinnen sind die vornamenlose Mrs. Tilling – die gute Seele des Dorfes, die Schwestern Venetia und Kitty aus dem Herrenhaus und die Hebamme Edwina Paltry. Mrs. Tillings Tagebucheinträge waren letztlich fast die einzigen Passagen, die ich lesenswert fand, sowohl vom Stil wie auch von der Geschichte her. Hier findet sich der berührende Teil – die Angst der Mutter um ihren Sohn im Krieg, die Erlebnisse der Krankenschwester mit den Verwundeten, die Gründung des Frauenchors (der nur eine sehr geringe Rolle spielt), die Angst vor der deutschen Invasion und der Kriegsalltag.

Alle anderen Handlungsstränge sind dagegen fast überwiegend hanebüchen und übertrieben. Die Autorin hat sich von echten Aufzeichnungen inspirieren lassen, aber ich habe den Eindruck, sie hat sich die übertriebensten Geschichten ausgesucht und sie alle in dieses kleine Dorf gebracht, so dass den Charakteren die abstrusesten Dinge widerfahren. Es wird so viel Übertriebenes geschildert, gerade die Geschichte der Dorfhebamme wird nicht erst dann lächerlich, als man ihr sagt „Sie werden mit Ihrem Blut bezahlen“, also ob wir plötzlich in einen drittklassigen Krimi transportiert worden wären. Auch die eher alltäglichen Geschichten nehmen überzogene Wendungen. Das liegt nicht zuletzt an der extremen Gewaltbereitschaft, die in diesem Dorf herrscht. Da wird eine Tochter von ihrem Vater mit der Pferdepeitsche geprügelt, eine junge Frau von ihrem Verlobten zusammengeschlagen, eine kleine Messerstecherei plus Prügelei gibt es auch noch nebenbei – Chilbury scheint manchmal eher von Stephen King erdacht zu sein. Der Großteil der Charaktere ist unsympathisch und bösartig. So viele unangenehme Charaktere habe ich selten in einem Unterhaltungsroman erlebt.

Hinzu kommt der nicht gekonnte Schreibstil. Abgesehen davon, dass alle Erzählstimmen ähnlich sind, wird in allen Tagebüchern und Briefen romanartig erzählt, bis hin zur ausführlichen wörtlichen Rede. Es liest sich kaum wie Tagebücher oder Briefe. Dann gibt es plumpes Infodumping, wenn dem Gegenüber bekannte Informationen mit „Wie du weißt“ eingeläutet und dann ausführlich beschrieben werden. Die 13jährige Kitty schreibt von „unerfüllter Leidenschaft“ und ihrer „Verlobung“ und das keinesfalls auf die schwärmerische Art einer 13jährigen, weder klingt sie altersgemäß, noch verhält sie sich so. Die obligatorische Liebesgeschichte ist absolut vorhersehbar. Auch sonst ist alles meistens recht platt und ohne Raffinesse erzählt. Dazu kommt eine dicke Schicht Zuckerguß – natürlich gewinnt der Außenseiter unerwartet bei einem großen Wettbewerb, natürlich werden jahrelang gepflegte Vorurteile nach einem Erlebnis komplett abgelegt, natürlich ist am Ende alles gut, alle sind geläutert, alle Missverständnisse wurden geklärt. Die Schrecken des Krieges werden ab und zu erwähnt, aber auch hier bleibt alles irgendwie platt – es berührte mich kaum, ebenso wie die meisten Charaktere mich nicht berührten. Nichts wird gekonnt entwickelt oder vermittelt. Die Botschaft „jetzt ist die Zeit der starken Frauen“ wird uns dann wenig überraschend auch mehrfach mit dem Holzhammer und sicherheitshalber auch immer wieder direkt mitgeteilt.

Die wenigen guten Ansätze wurden also leider völlig erstickt, und warum dieses Buch (lt. Klappentext) ein „internationaler Bestseller“ sein soll, ist mir ein Rätsel.

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Veröffentlicht am 27.03.2021

Gut und enthusiastisch erklärte Methode mit ansprechenden Audiodateien

Endlich wieder gut schlafen - mit Progressiver Selbsthypnose
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Das Buch „Endlich wieder gut schlafen mit Progressiver Selbsthypnose“ ist eine Kombination aus Text und runterladbaren Audiodateien, mit denen man die Selbsthypnose direkt ausprobieren und lernen kann. ...

Das Buch „Endlich wieder gut schlafen mit Progressiver Selbsthypnose“ ist eine Kombination aus Text und runterladbaren Audiodateien, mit denen man die Selbsthypnose direkt ausprobieren und lernen kann. Zunächst wird die Methode an sich erklärt. Das ist anschaulich und nachvollziehbar beschrieben, angenehmerweise ohne den Lesefluß störende diverse Formen des Genderns, worauf auch zu Beginn hingewiesen wird. Ebenfalls angenehm fand ich es, dass die Autorin erklärt, warum sie in den Audioübungen das „Du“ verwendet. Die Erklärungen zur Methode zeigen deutlich den Enthusiasmus der Autorin, für meinen Geschmack war das stellenweise etwas zu viel, gerade auch weil oft erwähnt wird, dass man sich „schon bald“ über Resultate freuen wird, dass es „leicht und schnell“ geht.
Ich fand es bedauerlich, dass es kaum Hilfen und Erklärungen für jene gibt, die Anfangsschwierigkeiten mit der Methode haben. Ich habe deshalb anderweitig nach Informationen suchen müssen. Ein paar einfache Tips bei Anfangsschwierigkeiten oder welche Art Übungen eher geeignet sind, wenn man z.B. nicht gut die Kontrolle abgeben kann, oder auch der Hinweis, dass es Abstufungen der Trancefähigkeit gibt, hätten schon weitergeholfen. So fühlt man sich etwas alleine gelassen, wenn es alles nicht so problemlos klappt, wie Klappentext und Buch suggerieren. Gerade bei einem Ratgeber, der anders als eine persönliche Konsultation keine vorherige Anamnese/Problemabklärung beinhalten, auch keine Möglichkeit für Rückfragen und Problemdiskussionen bieten kann, finde ich diesen Aspekt wichtig. Auch die vorhandenen – leider ganz am Ende stehenden – Hinweise, wann die Methode nicht oder nicht ausschließlich angewendet werden sollte, hätten etwas mehr Ausführlichkeit vertragen.
Die Audiodateien sind gelungen. Lisa Exenberger hat eine angenehme Stimme und eine Wiener Aussprache, die ich sehr gerne höre. Sie spricht ruhig und beruhigend, sachlich, aber warm, verzichtet auf einen „spirituellen“ Tonfall, der so manche Audiodatei anderer Anbieter eher albern klingen läßt. Man fühlt sich beim Zuhören geborgen. Die Dateien sind zwischen 5 und 16 Minuten lang. Das ist für eine kleine Übung am Tag eine angenehme Länge. Zum Einschlafen ist es mir allerdings viel zu kurz. Gerade wenn man wie ich Probleme mit dem Entspannen hat, reicht das nicht aus. Kaum habe ich mich ein wenig eingefunden, ist die Audiodatei schon zu Ende. Gerade weil es von einigen Übungen auch Einschlafvarianten gibt, fand ich es schade, dass nicht eine einzige davon wenigstens eine halbe Stunde lang ist. - Mir hat auch ein wenig Hintergrundgeräusch gefehlt. Ab und an hört man kurz ein Windspiel, um einen Abschnitt zu beenden, und das empfand ich als sehr angenehm, ich hätte es gerne öfter gehört. Sonst ist es abgesehen von den Sätzen der Sprecherin absolut still. Das ist eine bewußte Entscheidung der Autorin, für mich sind leise Hintergrundmusik oder gleichmäßige Geräusche (z.B. Meeresrauschen) hilfreicher. Insgesamt sind die Dateien aber angenehm und die erwähnten Punkte absolute Geschmackssache.
Den Erklärungen der Methode folgen ausführliche Informationen über die Funktionsweise des Gehirns, Wahrnehmung, Suggestion, Auswirkungen von Streß und ähnlichen Themen. Das war für mich der beste Teil des Buches! Hier werden komplexe Themen herrlich einfach und unterhaltsam erklärt. Ich habe diese Texte mit Vergnügen gelesen. Mir bereits Bekanntes war prägnant zusammengefaßt und bot mir manchmal neue Perspektiven. Die vielen mir neuen Informationen waren sehr interessant, ich habe Einiges gelernt. Sehr schön finde ich auch, dass wissenschaftlich fundiert erklärt wird, warum und wie Selbsthypnose funktioniert. Die letzten über 30 Seiten des Buches bestehen lediglich aus den Texten der Audiodateien.
Zwischen den Sachtexten werden die verschiedenen Entspannungsmethoden vorgestellt, hier finden sich dann auch die Links zu den jeweiligen Audiodateien. Diese kann man unproblematisch mit einem Passwort von der Website runterladen. Die Kurzvorstellungen der einzelnen Methoden sind gelungen und ich fand es gut, dass hier gleich mehrere Methoden (z.B. Progressive Muskelentspannung, Autogenes Training) vorgestellt werden. So kann man, wenn einem eine Methode nicht liegt, eine andere probieren und sich bequem mit mehreren kurz vertraut machen.
Bei mir hat die Selbsthypnose leider nicht geklappt, ich habe keine Wirkungen der Übungen oder Verbesserung meiner Schlafprobleme erlebt. Das fließt in die Bewertung natürlich nicht ein, da ich ganz erhebliche, hartnäckige Schlafprobleme habe und für Entspannungsübungen nicht sonderlich talentiert bin. Gerade deshalb hatte ich mir von dem Buch aber eben auch mehr Hilfestellung und die Behandlung eventueller Anfangsschwierigkeiten erhofft.
So ist diese Buch-Audio-Kombination eine gelungene Einführung zum Thema, die mit vielfältigen, gut erklärten Aspekten und angenehm gesprochenen Audiodateien absolut punkten kann und mit etwas mehr Berücksichtigung von Problemen und „schwierigen Fällen“ perfekt wäre.

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Veröffentlicht am 23.03.2021

Zu viele Personen, zu viele Handlungsstränge, zu viel von allem

Die Farbe von Kristall
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Der Gedanke, einen tatsächlichen – ungelösten – Kriminalfall als Grundlage für einen historischen Krimi zu nehmen, ist ausgezeichnet. Sehr schön finde ich auch, dass tatsächliche Zeitungsartikel aus jener ...

Der Gedanke, einen tatsächlichen – ungelösten – Kriminalfall als Grundlage für einen historischen Krimi zu nehmen, ist ausgezeichnet. Sehr schön finde ich auch, dass tatsächliche Zeitungsartikel aus jener Zeit den Kapiteln vorgestellt werden. Hinten im Buch gibt es zudem einige Fotos und Informationen zu im Buch vorkommenden historischen Personen. Die Verbindung historischer Fakten und fiktiver Geschichte ist gelungen. Die historische Recherche ist ebenfalls sorgfältig und interessant, auch wenn vielleicht nicht jedes recherchierte Detail Eingang ins Buch hätte finden müssen. Und das ist letztlich auch der Grund, warum mir das Buch nicht so gefallen hat, wie die vielversprechende Idee es vermuten lassen würde.

Es wurde einfach viel zu viel hineingestopft. Das Buch hat über 800 Seiten und diese sind bis zum Bersten mit Handlungssträngen und Personen angefüllt. Neben dem interessanten Kriminalfall und der – wie alles andere gut recherchierten – Polizeiarbeit des anfänglichen 20. Jahrhunderts lesen wir noch über sämtliche privaten Probleme sämtlicher erwähnter Mitarbeiter der Frankfurter Polizei. Da ist bei einem die Frau an Alzheimer erkrankt, ein anderer trinkt, die weibliche Mitarbeiterin sieht sich ständig benachteiligt (obwohl man zu ihr nicht weniger unfreundlich ist als untereinander – es herrscht allgemein ein unangenehmer Ton) und hat noch eine Vorgeschichte, ein weiterer Mitarbeiter verliebt sich, und der mit dem Mordfall betraute Richard Biddling kommt mit so vielen familiären und beruflichen Verwicklungen – und ebenfalls einer traumatischen Vorgeschichte – daher, dass alleine das schon fast zu viel ist. Das ist bei Serien (dies ist Teil 2) in gewisser Weise natürlich zu erwarten, aber es sollte nicht übertrieben werden. Neben Richard selbst kommen auch seine Frau, seine Schwägerin, sein Schwager, sein Schwiegervater mit ihren Problemen vor. Diese Familie an sich hätte einen historischen Roman bereits gefüllt, hier werden sie auf den Kriminalfall und die zahlreichen Ermittlerschicksale und Schicksale weiterer Charaktere noch draufgepackt.

So springt man alle paar Seiten wieder in eine neue Geschichte, zu neuen Charakteren und der Mordfall gerät ziemlich in den Hintergrund. Ich fand dieses ständige Umherspringen zwischen allerlei Handlungssträngen und Personen zu viel, es war nicht möglich, sich einer Geschichte wirklich zu widmen. Dazu kommen dann doch allerhand historische Betrachtungen über Frankfurt, die an sich durchaus interessant wären, aber diesen schon überfüllten Topf dann zum Überkochen bringen. Auch die Erzählweise war oft nicht mein Fall. Viele der Dialoge sind völlig unrealistisch – gerade wenn es um Richards Frau geht, dachte ich dauernd: „Kein Mensch würde solche Unterhaltungen führen.“ Auch die reichlich übertriebenen Verweise auf Literatur und Mystik wirken hier etwas aufgepfropft, weil sie von so vielen Charakteren benutzt werden. Dazu kommen teils langatmige Passagen, gerade wenn uns (etwas plump) gezeigt werden soll, wie reich Richards angeheiratete Familie ist und wie nichtssagend seine Frau mit ihren Töchtern plaudert. Das arm-und-reich-Thema kommt wie auch andere Einzelthemen ohnehin ein wenig mit dem Holzhammer daher. Es ist schlichtweg von allem zu viel. Der Kriminalfall verliert sich dann leider in diesem Überfluss auch sehr und das Lesen machte irgendwann einfach keinen Spaß mehr.

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