Fehlende Charaktertiefe, von der Erzählweise nicht außergewöhnlich
Black Rabbit Hall - Eine Familie. Ein Geheimnis. Ein Sommer, der alles verändert.Mit Black Rabbit Hall geht Eve Chase größtenteils keine sonderlich neuen Wege. Ein altes Haus, ein dunkles Geheimnis, das Frauen zweier Zeitepochen verbindet. Wie die Thematik ist auch die Erzählweise ...
Mit Black Rabbit Hall geht Eve Chase größtenteils keine sonderlich neuen Wege. Ein altes Haus, ein dunkles Geheimnis, das Frauen zweier Zeitepochen verbindet. Wie die Thematik ist auch die Erzählweise nicht innovativ: erzählt wird auf zwei Zeitebenen, wir begleiten Amber in den Jahren 1968/69 und Lorna etwa 30 Jahre später.
Ambers Geschichte nimmt weitaus mehr Raum ein, was gut ist, weil sie wesentlich besser ist als Lornas. Die Teenagerin Amber berichtet als Ich-Erzählerin und wir erfahren von den Ereignissen, die sich in jenen Jahren auf dem Landsitz der Familie abspielen. Das wird sehr farbig, aber auch sehr ausführlich erzählt. Die Autorin verliert sich häufig in alltäglichen Details, baut die Atmosphäre etwas zu detailfreudig auf. Das wurde oft langweilig und seltsamerweise bleiben trotz dieser Detailfreude die Charaktere und ihre Motivationen etwas auf der Strecke. Ambers Bruder Toby ist von Anfang an ein durchaus verstörter junger Mann und das nimmt rapide extreme Ausmaße an. Das wird durch eine Familientragödie ansatzweise, aber nicht ausreichend erklärt. Auch sonst kratzen wir abgesehen von Amber immer nur an der Oberfläche der Charaktere. Ambers Vater ist völlig vage und auch der Charakter der Stiefmutter hätte sich viel besser darstellen lassen können. Wesentliche Dinge werden nur angeschnitten, während Alltagsplaudereien und Nichtigkeiten sehr ausgewalzt werden. Die Gewichtung hat mir also nicht wirklich zugesagt.
Auch bei Lorna bleiben die Charaktere größtenteils blass und waren teilweise unnötig (zB Lornas kleiner Neffe, der am Ende ständig mit putzigen kleinen Bemerkungen erwähnt wird und überhaupt nichts zur Geschichte beiträgt). Lornas Motivationen bleiben noch mehr im Dunkeln. Sie möchte in dem alten Landhaus unbedingt heiraten – warum es so ein dringliches Anliegen ist, wird nicht wirklich glaubhaft. Auch später gibt es viel „sie wußte nicht warum, aber sie wußte einfach, daß …“ und „Es war, als ob sie den Weg einfach finden sollte“, was alles arg konstruiert wirkt. Auch der Grund, warum sie einige Tage in dem Haus verbringt, ist nicht überzeugend. Lorna erwähnt nachher, es wäre, als ob das Haus selbst ihr das Geheimnis eröffnen wollte – da es sich hier um keinen übersinnlichen Roman handelt, wirkt das eher wie eine Ausrede, Lornas Motivationen nicht hinreichend erklären zu können.
Der Schreibstil liest sich leicht, ist an manchen Stellen wirklich gut. Gerade wenn es um Beschreibung von Trauer und Verlust geht, findet die Autorin berührende und wahre Worte. Auch die Beschreibung des Hauses und der Umgebung ist farbig und gelungen. Wenn es um das Atmosphärische geht, wird es für meinen Geschmack öfter zu detailverliebt, aber das ist Geschmackssache. Gerade bei Lornas Abschnitten wird der Stil dann aber auch häufig weniger gut, ist an manchen Stellen regelrecht unbeholfen. Mir hätte das Buch ohne Lornas Abschnitte ohnehin wesentlich besser gefallen. Insofern war es ein gemischtes Vergnügen – überwiegend war der Stil aber durchaus in Ordnung.
Was Amber und Lorna verbindet, ist etwa ab der Hälfte des Buches klar, allerdings gibt es durchaus noch einige Überraschungen und gelungene Wendungen. Nachdem der Großteil der Geschichte geruhsam vor sich hinplätschert, überschlagen sich am Ende die Ereignisse. Das war mir gleich in mehrerer Hinsicht zu übertrieben und verschenkte zudem die Möglichkeit, einige relevante Punkte genauer zu betrachten. Dann folgt noch ein arg zuckerwattiges Ende.
So kann das Buch durchaus unterhalten, auch sind einige Aspekte des Familiengeheimnisses originell und ungewöhnlich. Hätte die Autorin auf die konstruierte zweite Zeitebene mit Lorna verzichtet und sich dafür mehr der Charakterzeichnung gewidmet, hätte es m.E. zu einem kraftvolleren und mehr im Gedächtnis bleibenden Buch geführt. So ist es eines von vielen „Frau entdeckt Geheimnis in altem Haus“-Büchern, die man zwischendurch gut weglesen kann.