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Veröffentlicht am 09.03.2020

Kaum in Worte fassbare besondere Geschichte

Die Glocke im See
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Aufgrund des Klappentextes hätte ich das Buch nie gelesen, denn er läßt das Buch wie eine kitschige Liebesgeschichte klingen, die es zum Glück überhaupt nicht ist. Allerdings ist es auch wirklich schwierig, ...

Aufgrund des Klappentextes hätte ich das Buch nie gelesen, denn er läßt das Buch wie eine kitschige Liebesgeschichte klingen, die es zum Glück überhaupt nicht ist. Allerdings ist es auch wirklich schwierig, der Geschichte in wenigen Sätzen gerecht zu werden. Das wundervolle Titelbild schafft das schon eher, kann die Atmosphäre des norwegischen Gudbrandstal wundervoll einfangen und zeigt vor dem fast einfarbigen Hintergrund als leuchtenden Farbfleck die Stabskirche, die für mich eigentlich der Hauptcharakter war.

Ich gebe zu, noch nie vorher von diesen Stabkirchen gehört zu haben und ich habe beim Lesen immer wieder auf das Titelbild geschaut, mir im Internet einiges zu dem Thema durchgelesen und werde mich auch weiter damit beschäftigen. Die Kirche im Buch hat zudem noch zwei riesige Glocken, die vor Jahrhunderten von der örtlichen Familie Hekne gestiftet wurden und die eine Legende umgibt. Mit dieser Legende beginnt das Buch auch und saugt den Leser sofort ein in diese ganz eigene Welt des abgelegenen Tals und diesen Ort, der von der Außenwelt nur unter großen Mühen erreicht werden kann und deshalb eine ganz eigene Art der Weltabgeschiedenheit pflegt. Hier ist das Leben hart, die Menschen bodenständig und in jahrhundertalten Gebräuchen tief verwurzelt. Legenden, Mythen und uralte Rituale, Glauben an manch Übersinnliches gehören aber ebenso zum Leben wie die knochenharte Hofarbeit, das Hungern im Winter, der endlose Reigen aus Geburten und Toden. Und dies vermittelt Lars Mytting ganz wundervoll. Er webt die unwirklichen, übersinnlichen Aspekte sparsam und völlig natürlich ein, läßt Stimmungen und Ahnungen neben den Alltag treten und bildet dadurch eine ganz andere Welt. Er kommt aus dieser Gegend und man merkt die intensive Vertrautheit mit den Gegebenheiten und den dortigen Menschen hervorragend.

Auch das historische Wissen und Informationen über die Stabskirchen werden gelungen eingewoben, ich habe unglaublich viel über zahlreiche Themen gelernt und dies auf unterhaltsame Weise. Es gibt eine farbige Vielfalt an Themen, ohne daß es je überladen wirkt. Ebenfalls hat mir gut gefallen, daß es fast durchweg spannend bleibt, obwohl gar nicht so viel passiert. Wenn man die Geschichte beschreiben müßte, klänge es banal: Dresdner Architekturstudent reist ins Gudbrandstal, um den Abbau der dortigen Stabskirche zu überwachen, welche nach Dresden gebracht und dort wieder aufgebaut werden soll. Örtlicher Pfarrer hat dies initiiert, die Kirche nach Dresden verkauft, weil die über 700 Jahre alte Kirche baufällig und zu klein ist, das Geld für eine neue Kirche aber fehlt. Örtliche junge Frau fühlt sich zu diesen beiden Männern hingezogen. Aus diesen Rahmenbedingungen webt Mytting aber eine komplexe Geschichte, in der es um Entwicklungen und Traditionen geht, um die Lebensart im Tal und die Frage, ob und in welchem Tempo Innovationen notwendig oder willkommen sind. Um Zugehörigkeit und Loyalität, um Rache und Reue. Das mag dramatisch klingen, wird aber herrlich unaufgeregt erzählt. Es sind auch humorvolle Momente darin, sehr viel Trauriges, und diese ganz eigene Atmosphäre, die mir eine Welt zeigte, von der ich bislang überhaupt nichts wußte und die ich sehr gerne entdeckt habe.

Nur zum Ende hin gab es ein paar etwas langatmige Passagen und ich war auch ein wenig enttäuscht, daß die Geschichte der sich zu Anfang so wichtigen Glocken etwas antiklimaktisch entwickelte, aber das sind Kleinigkeiten. Insgesamt hat mir dieses ungewöhnliche Buch unglaubliche Lesefreude bereitet, die in Worten schwer fassbar ist, da es dem Autor gelang, eine besondere Atmosphäre zu schaffen, wie ich sie selten so bemerkenswert gelesen habe.

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Veröffentlicht am 02.03.2020

Handlungsarm und distanziert - der Zauber fehlt

Konzert ohne Dichter
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Nachdem ich von "Keyserlings Geheimnis" des gleichen Autors sehr angetan war, habe ich "Konzert ohne Dichter" mit hohen Erwartungen gelesen. Der Vergleich zwischen beiden Büchern bleibt nicht aus, liegt ...

Nachdem ich von "Keyserlings Geheimnis" des gleichen Autors sehr angetan war, habe ich "Konzert ohne Dichter" mit hohen Erwartungen gelesen. Der Vergleich zwischen beiden Büchern bleibt nicht aus, liegt beiden doch ein ähnliches Konzept zugrunde.

"Konzert ohne Dichter" führt uns ins die Künstlerkolonie Worpswede zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Aufhänger ist das Gemälde "Das Konzert" des Malers Heinrich Vogeler, welches vorne im Buch farbig abgedruckt ist. Das ist eine gute Idee und ich habe es mir beim Lesen oft angesehen, da es in der Geschichte eine tragende Rolle spielt und Details davon immer wieder beschrieben werden.

Die Rahmenhandlung spielt im Jahr 1905, als ebendieses Gemälde in einer Ausstellung gezeigt werden soll und Vogeler an die Zeit zurückdenkt, in der er das Bild malte. Zahlreiche Rückblicke führen uns in dieses Zeit, durch die Freundschaft zwischen Vogeler und dem Dicher Rainer Maria Rilke. Leider tun sie das aber ziemlich blutarm. Vogeler sinniert ausgesprochen viel, wir sind selten bei einer Handlung wirklich dabei, sondern erfahren sie durch Vogelers Gedanken oder bekommen sie im Fließtext fast reportageartig erzählt. Gerade zum Ende hin hatte ich fast das Gefühl, daß der Autor rasch fertig werden wollte, denn die letzten Geschehnisse werden ein wenig lieblos heruntererzählt. Bei "Keyserlings Geheimnis" war ich beeindruckt, wie lebendig Charaktere, Orte und Geschehnisse wirkten, oft hatte ich beim Lesen fast das Gefühl, vor Ort zu sein. In "Konzert ohne Dichter" hatte ich das nie. Die Charaktere bleiben mir fremd, blieben fast nur Namen. Die Schönheit von Worpswede wird nicht spürbar.

Die sehr handlungsarme, sinnierende Erzählweise schleppt sich dahin, da leider für mich auch die Atmosphäre fehlte, die auch handlungsarmen Büchern etwas Besonderes geben kann. Ich habe zwischendurch eine Woche mit dem Lesen aufgehört, weil es mich nicht gereizt hat. Während ich bei "Keyserlings Geheimnis" von der Sprache des Autors ganz hingerissen war, findet sich hier dieser Zauber nicht wieder. Natürlich ist der Schreibstil gut, aber das gewisse Etwas fehlte mir hier.

Das Buch, einige Jahre vor "Keyserlings Geheimnis" verfaßt, erschien mir wie eine blassere, kraftlosere Aufwärmübung, als ob die Kraft und der Zauber, die "Keyserlings Geheimnis" so herausheben, hier noch nicht erweckt worden wären.

Informativ ist aber auch "Konzert ohne Dichter", die sorgfältige Recherche merkt man durchaus, die sorgfältige Arbeitsweise ebenso. Die Thematik ist ebenfalls durchaus interessant und wer etwas über die Hintergründe dieses Bildes oder über Vogeler und Rilke erfahren möchte, wird hier viele Informationen finden. In diese Welt eintauchen konnte ich aber leider keineswegs und so bin ich froh "Keyserlings Geheimnis" zuerst gelesen habe, weil ich nach "Konzert ohne Dichter" auf weitere Bücher des Autors nicht neugierig gewesen wäre.

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Veröffentlicht am 01.03.2020

Leider fehlt die Raffinesse

Sieben Lügen
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Der Klappentext hat mich auf dieses Buch sehr neugierig gemacht – Jane und Marnie, die besten Freundinnen, nur Jane mag Marnies Partner nicht. Das alleine bietet schon eine Menge Potential. Dann versichert ...

Der Klappentext hat mich auf dieses Buch sehr neugierig gemacht – Jane und Marnie, die besten Freundinnen, nur Jane mag Marnies Partner nicht. Das alleine bietet schon eine Menge Potential. Dann versichert Jane Marnie auch noch entgegen ihrer Überzeugung, daß diese mit ihrem Partner hervorragend zusammenpaßt und: „eine Lüge zieht bekanntlich weitere nach sich, und schon bald ist das Verhältnis der drei unwiederbringlich vergiftet“. Ich hatte mir einen ausgefeilten Psychothriller vorgestellt, der diese unheilvolle Dreierkonstellation spannend betrachtet und nach und nach Abgründe aufzeigt. Dem war aber leider nicht so.

Eigentlich beginnt das Buch gut – man ist sofort in der Geschichte drin, wir lernen Jane, Marnie und ihren Partner Charles kennen und es deutet sich in gewissen Zwischentönen schon an, daß es hier Probleme gibt. Jane berichtet die Geschichte aus ihrer Sicht, die natürlich stark subjektiv gefärbt ist. Das ist ein cleverer Schachzug, weil wir somit nie sicher sein können, ob das, was Jane uns berichtet, auch der Wahrheit entspricht, insbesondere da Jane öfter erklärt, es mit der Wahrheit generell nicht so genau zu nehmen. Es zeigt sich recht schnell, daß Jane in allen möglichen Dingen auf der Schattenseite des Lebens steht und ihr die Freundschaft zu Marnie ausgesprochen wichtig ist – Marnie dagegen scheint Jane ein wenig auf Abstand zu halten. Marnies Charakter fand ich von Anfang an ausgesprochen interessant, weil sich hinter der sonnigen, freundlichen Fassade einiges zu verbergen scheint. Ich war hier sehr gespannt, was wir dazu noch erfahren werden und auch bei Charles konnte man sich nicht sicher sein, ob Janes Abneigung begründet ist, oder nicht. Es stellten sich also zu Beginn viele Fragen, die gelungen die Spannung hoben und auf deren Auflösung oder tiefere Erforschung ich mich schon sehr freute. Hier war die Grundlage für herrlich raffinierte Betrachtungen gelegt.

Leider wurde dieses Potential dann nicht genutzt. Schon recht bald nach diesem tollen Einstieg wird es recht zäh, da Jane ausgesprochen gerne reminisziert. Dadurch erfahren wir zwar einige Dinge über ihren Charakter, das aber viel zu ausführlich und langatmig. Auch daß ihr bis zum Ende des Buches ein heftiger Schicksalsschlag nach dem anderen vor die Füße geworfen wird, fand ich übertrieben. Sie wird uns mit dem Holzhammer erklärt (wie sie uns auch mit dem Holzhammer immer wieder von ihrer mangelnden Wahrheitsliebe erzählt). Neben dem Reminiszieren sinniert sie auch gerne und so lesen wir zwei Seiten über die Bedeutung von Weihnachten, lange Passagen über den Herbst, Allgemeinplätze über Trauer. Der Schreibstil an sich ist in Ordnung, nicht herausragend, mit ein paar ziemlich holprigen Szenen, er liest sich insgesamt recht eindruckslos-einfach weg. Die Autorin mag Beispiele und nutzt diese sehr häufig – wo es ein Beispiel getan hätte, stehen meistens fünf. Diese mangelnde Subtilität zieht sich leider durch das gesamte Buch. Raffiniert aufgedeckt wird hier nichts. Letztlich gibt es keine wirklich Abgründe, wir erfahren nichts wesentlich Neues, sondern ein Großteil des Buches besteht darin, uns die bereits bekannten Seiten von Jane und Marnie immer wieder an neuen Beispielen zu schildern, ohne uns irgendwas aufzudecken, das wir nicht schon wissen.

Zwar ist es durchaus interessant, weitere Facetten dieser Freundschaft zu erfahren, auch wenn sie nichts wirklich Neues bringen, nur liegt der Fokus des Buches dann auch leider oft auf weniger relevanten Themen. Charaktere werden umfangreich eingeführt und beschrieben, nur um dann nie wieder oder nur noch in ein paar Nebensätzen aufzutauchen. Ein ziemlich überflüssiger Handlungsstrang taucht plötzlich auf, nimmt viel Raum ein und verpufft schließlich einfach. Viele Dinge sind schlichtweg nicht plausibel und eine Szene war so absurd, daß ich mich verulkt fühlte. Einige Fakten erscheinen unglaubwürdig und die Entwicklung zwischen Jane und Charles endet ziemlich plump und auch hier wieder: es ist nicht plausibel.

Raffiniert ist hier leider nichts, ausgefeilt auch nicht. Diese Geschichte einer ungleichen Freundschaft und ihrer Folgen wurde schon oft in Büchern und Filmen erzählt – meistens leider besser als hier. So kann man das Buch als Zwischendurch-Unterhaltung leicht weglesen und sich an einigen gelungeneren Passagen und Gedanken erfreuen, mehr aber leider nicht.

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Veröffentlicht am 29.02.2020

Ausgezeichnet geschildert, leider ein wenig überladen

Raffael - Das Lächeln der Madonna
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In „Raffael“ bringt uns Noah Martin in das Italien der Renaissance und läßt uns in eine Zeit eintauchen, in der sich prachtvoller Kunstsinn neben Korruption und Grausamkeit entfaltet. Auf über 600 Seiten ...

In „Raffael“ bringt uns Noah Martin in das Italien der Renaissance und läßt uns in eine Zeit eintauchen, in der sich prachtvoller Kunstsinn neben Korruption und Grausamkeit entfaltet. Auf über 600 Seiten wird dies detailreich und opulent erzählt – so detailreich und opulent, daß Raffael in dem nach ihm benannten Roman leider lange Zeit eher eine Nebenrolle einnimmt.

Wir lernen Raffael im Jahr 1494 kennen, als Jungen, der gerade seinen Vater verloren hat, und von Anfang an gelingt es dem Autor, die Szenerie auferstehen zu lassen. Der Schreibstil ist das ganze Buch hindurch ausgesprochen angenehm, die Beschreibungen gelungen und lebhaft. Raffael und sein Freund Daniel werden sofort mit Leben gefüllt. Daniel ist eine fiktive Person, es werden uns im Roman aber auch erstaunlich viele historisch belegte Personen begegnen. Ein fünfseitiges Personenverzeichnis zeigt an, welche Personen historisch belegt und welche fiktiv sind. Das fünfseitige Personenverzeichnis weist aber auch schon auf einen Punkt hin, der mir an dem Buch nicht sehr gut gefallen hat – es ist zu viel von allem. Gerade in der ersten Hälfte des Buches wechselt die Szenerie in jedem Kapitel. Sind wir eben noch im beschaulichen Elternhaus Raffaels in Urbino, werden wir kurz darauf ins Schlachtengetümmel unter Cesare Borgia gestürzt, um dann plötzlich mitten im Vatikan wieder neuen Charakteren zu begegnen. Es werden so viele Charaktere eingeführt, daß ich mich auf keinen davon wirklich einlassen konnte und ich muß gestehen, daß ich am Anfang mehrerer Kapitel verzweifelt aufseufzte, wenn schon wieder ein neuer Name erschien. Alle diese Charaktere werden ausgiebig beschrieben und bei einer solchen Fülle an Hintergrundgeschichten und Informationen ist das Lesevergnügen beeinträchtigt – jedenfalls war es bei mir so. Auch rissen die ständigen Szenenwechsel mich immer wieder heraus. Weniger ist mehr, das fiel mir beim Lesen ständig ein.

Die ersten zwei Drittel hindurch war das Buch für mich kein Roman über Raffael, da er viel zu wenig vorkam. Es geht um Kriege, um Politik, um Intrigen, nur kaum um Raffael. Dies ist alles hervorragend recherchiert und ausgezeichnet erzählt, nur war es mir wesentlich zu überladen und paßte überhaupt nicht zu dem, das ich aufgrund des Klappentextes von dem Buch erwartete. Auch die zahlreichen ausführlichen Kriegsschilderungen waren überhaupt nicht mein Fall. Insofern muß ich zugeben, daß die ersten zwei Drittel des Buches ein sehr gemischtes Vergnügen für mich waren. Im letzten Drittel geht es dann endlich wirklich und ausschließlich um Raffael. Das war ein wahres Lesevergnügen und hat mir gezeigt, wie sehr ich das gesamte Buch genossen hätte, wenn es sich seiner eigentlichen Thematik etwas konzentrierter gewidmet hätte.

Beeindruckend ist das fundierte historische und kunsthistorische Wissen – hier merkt man, daß der Autor Kunstgeschichte nicht nur studiert hat, sondern auch wirklich für sein Thema brennt. Die ausgesprochen verwickelte Geschichte des heutigen Italien in jenen Jahren wird uns sehr sorgfältig geschildert, historische Personen wie u.a. Leonardo da Vinci und Michelangelo, sowie die drei Päpste, die Rom zwischen 1494 und 1520 erlebte, werden hier lebensnah und echt geschildert. Man kann absolut in diese Welt eintauchen. An manchen Stellen waren mir die Dialoge ein wenig zu modern (besonders gestolpert bin ich über die Formulierung „Es könnte mir nicht egaler sein…“), aber im Allgemeinen paßten Dialoge und historische Details gut zur Zeit. Besonders interessant fand ich die Schilderungen, wie Rom in jenen Jahren aussah, diese Mischung aus Ruinen der Antike und vatikanischen Prachtbauten; auch das Leben der einfacheren Bevölkerung in z.B. Siena wird hervorragend in die Geschichte eingebunden, überhaupt sind die historischen Hintergründe immer passend in die Geschichte eingeflochten. Italienische Begriffe werden immer wieder mal verwendet, sorgen so einerseits für Lokalkolorit, aufgrund eines fehlenden Glossars leider auch manchmal für ein wenig Verwirrung.

Eine farbige Landkarte Italiens in Vorder- und Hinterdeckel war sehr willkommen, auch die innere Gestaltung ist ansprechend. In einem kurzen Nachwort gibt der Autor einen kleinen Überblick über historische Abweichungen, die er bewußt vorgenommen hat und erklärt seine Inspiration für die Geschichte, was informativ war. Auch die im Buch beschriebenen Hintergründe zu vielen Kunstwerken waren interessant und ich habe mir so manches erwähnte Gemälde im Internet angesehen.

So ist „Raffael“ ein Buch, das sich durch eine gelungene Kombination von sorgfältig recherchierten Fakten und gelungenem Schreibstil auszeichnet und aus dem man viel lernen kann, das aber meiner Ansicht nach inhaltlich viel zu überladen war und sich von der eigentlichen Geschichte zu oft entfernte. Lesenswert ist es jedenfalls allemal.

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Veröffentlicht am 23.02.2020

Komplexe Themen komprimiert und ausgezeichnet erklärt

Das lange 19. Jahrhundert
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Auf etwa 250 Seiten gibt Matthias von Hellfeld einen ganz ausgezeichneten Überblick über die Jahre zwischen 1776 und 1914, die vorwiegend mit Blick auf das heutige Deutschland, aber auch mit Informationen ...

Auf etwa 250 Seiten gibt Matthias von Hellfeld einen ganz ausgezeichneten Überblick über die Jahre zwischen 1776 und 1914, die vorwiegend mit Blick auf das heutige Deutschland, aber auch mit Informationen über andere europäische Länder. Das Buch ist schon haptisch ein Vergnügen, hier wurde angenehmes hochwertiges Papier gewählt. Auch die Gestaltung ist übersicht und ansprechend: es finden sich qualitativ ausgezeichnete Abbildungen, farbig unterlegte Zitatfelder, sowie Karten, Tabellen und Übersichten. Auch der Text kann mit der Gestaltung mithalten. Hellfeld schreibt angenehm, gut verständlich, konzentriert sich meistens auf das Wesentliche. Er verweist auf umfangreiche Geschichtswerke namhafter Autoren wie Nipperdey oder Münkler, und gerade wer Nipperdey kennt, weiß, wie ausgezeichnet, aber auch detailliert seine dreibändige "Deutsche Geschichte" ist. Hellfeld zieht aus diesen Bücheren die wichtigen Themen komprimiert heraus und das gelingt gut.

So sind auf diesen 250 Seiten erstaunlich viele Informationen vorhanden. Wer einen gelungenen Überblick über jenes "lange Jahrhundert" bekommen und Zusammenhänge verstehen möchte, ohne sich durch umfangreiche Geschichtswerke zu wühlen, für den ist dieses Buch genau das Richtige. Gerade die Zusammenhänge werden ganz ausgezeichnet erklärt, dies auch wesentlich klarer als in vielen anderen Bücheren. Hier sieht man, wie die Geschehnisse ineinandergreifen, welche zu jener Zeit kaum absehbare Konsequenzen manche Handlugnen und Entscheidungen Jahrzehnte später haben können. Gut erklärt wird auch, wie übertriebener Nationalismus entstehen konnte, was die Bismarck'sche Politik eigentlich bedeutete und wie schnell sie sich unter Wilhelm II umkehrte und in die Katastrophe führte. Selten habe ich geschichtliche Zusammenhänge so gut erklärt gefunden. Hier und da kommt es zu einigen kleineren Wiederholungen, ein wenig irritiert war ich, auf Seite 245 einen Satz zu lesen, der fast wortgleich schon auf Seite 226 steht. Das sind aber nur Kleinigkeiten.

Während die Politik im Vordergrund steht, findet auch die Entwicklung von Kunst, Familienleben, Arbeitsbedingungen und anderen Alltagsthemen Platz, wenn auch vorwiegend zur ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Insgesamt bin ich beeindruckt, wie viel hier in einem recht dünnen Buch Platz gefunden hat, wie mit wenigen Worten so gründlich Zusammenhänge, Hintergründe und Entwicklungen dargelegt wurden. Absolut empfehlenswert.

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