Intensives Thema, hervorragend umgesetzt
Im LautlosenIch habe dieses spannende Buch in weniger als drei Tagen durchgelesen, die Lektüre sehr genossen. Ich hatte aus Versehen zuerst den zweiten Band ("Die Stimmlosen") gelesen, wußte deshalb vorher schon, ...
Ich habe dieses spannende Buch in weniger als drei Tagen durchgelesen, die Lektüre sehr genossen. Ich hatte aus Versehen zuerst den zweiten Band ("Die Stimmlosen") gelesen, wußte deshalb vorher schon, wie viele Handlungsstränge ausgehen würden, aber dies hat der Spannung keinerlei Abbruch getan.
Die Geschichte beginnt recht idyllisch im Jahre 1926 mit den Medizinstudenten Paula und Richard, die sich ineinander verlieben, heiraten und uns durch das Buch begleiten. Die sich anbahnende Liebesbeziehung zwischen den beiden ist erfreulich geschildert - kein Kitsch, keine albernen Bettszenen - und gerade dadurch echt und berührend. Ich kann mit Liebesgeschichten eigentlich wenig anfangen, aber hier habe ich richtig mitgefiebert und fand den Umgang der beiden miteinander ganz wundervoll. Durch das ganze Buch hindurch bleibt diese Beziehung von Paula und Richard berührend - eine partnerschaftliche und ausgesprochen liebevolle Ehe, über die ich gerne las.
Ebenso erfreulich ist die Freundschaft zwischen Richard und seinem Kollegen Fritz. Ich freute mich immer auf Szenen mit den beiden, weil man auch hier ohne großes Drumrum die tiefe Verbundenheit der beiden Freunde merkte. Ihr regelmäßiges gemeinsames Biertrinken war ein nettes Leitmotiv und auch ihre trocken-humorvollen Unterhaltungen lasen sich vergnüglich. Überhaupt findet sich hier auch das, was ich im zweiten Buch sehr geschätzt habe: der herrliche Humor, eingestreut in kleinen Bemerkungen, der in den schönen Zeiten die Leichtigkeit unterstützt und in den schweren Zeiten für kleine Momente der inneren Erholung sorgt. Die beiden Charaktere Fritz und Richard sind gut geschildert - der etwas bissige Fritz, der den Großteil des Buches halbwegs optimistischen Pragmatismus zeigt und zB in den 30ern "die Sonnenseiten unseres neuen Deutschlands genoss, weil er gegen die Schattenseiten nichts unternehmen konnte." Dagegen Richard, rigoros in seiner Ablehnung der Dikatur, elegant-schlagfertig, aber auch melancholischer. Eine gute Kombination.
Der Schreibstil liest sich gut und farbig, das Erzähltempo gefiel mir überwiegend, auch wenn mir ein paar Phasen etwas zu kurz kamen (die 30er und die letzten Kriegsmonate werden mir etwas zu schnell abgehandelt), dafür ein paar andere Stellen für meinen Geschmack zu ausführlich waren. Einige wenige Punkte wurden mir für meinen Geschmack zu oft wiederholt. So ist die furchtbare Einsicht, daß man in jenen entsetzlichen Jahren der Dikatur manchmal einige opfern muß, um andere zu retten, bei der ersten Erwähnung sehr eindringlich und wichtig, zeigt eines der moralischen Dilemmas jener dunklen Jahre. Dann aber wird dieser Punkt in einem kurzen Abschnitt noch vier- oder fünfmal erwähnt und das schadet der Eindringlichkeit und wäre, wie einige der anderen Wiederholungen, nicht notwendig gewesen. Das sind aber Kleinigkeiten, die das Lesevergnügen nicht beeinträchtigt haben. Bemerkenswert ist die historische Recherche (nur an einer Stelle war ich irritiert, da ein deutscher Soldat 1940 "irgendwo zwischen Belgien und Frankreich" fällt, dies allerdings fast zwei Monate vor Beginn des Westfeldzuges). Die historischen Informationen werden nicht ganz so elegant in die Handlung eingeflochten wie im zweiten Buch, es gibt ziemlich viele erklärende Passagen, aber sie halten sich im Rahmen. Hervorragend ist natürlich der medizinische und psychiatrische Hintergrund - die Autorin ist vom Fach und das merkt man angenehm. Hier war viel Interessantes zu lesen und zu lernen.
Ebenfalls wie im zweiten Buch erfreute mich hier die differenzierte Erzählweise. Niemals malt Melanie Metzenthin schwarz und weiß, stets zeigt sie uns, daß es so einfach nicht geht, berücksichtigt viele Standpunkte, verleiht Charakteren und Geschehnissen dadurch Vielschichtigkeit und Glaubwürdigkeit.
Das Hauptthema der Buches ist der Umgang der Nazis mit dem, was sie so abscheulich als "lebensunwertes Leben" bezeichneten. Die sich anbahnende Bedrohung wird uns schon im Jahre 1926 klar und es wird gut beschrieben, wie sich dieses Thema immer weiter verschärft und welche Gefahren dadurch drohten. An manchen Stellen stockte mir der Atem, an anderen Stellen mußte ich beim Lesen pausieren, weil das Thema so intensiv ist. Sehr schön fand ich, daß hier nie bequeme Zufälle zur Hilfe kamen. Viele gefährliche Situationen werden durch wohlüberlegtes nachvollziehbares Handeln umschifft und nicht immer geht alles glatt. Hier merkt man, wie sorgfältig die Handlung konzipiert wurde.
Ein sehr persönliches Nachwort informiert über den historischen Hintergrund und einige im Buch vorkommende historische Personen. Dieses Nachwort war ebenfalls interessant und gerade durch die persönliche Note auch sympathisch. Dies wird unterstützt durch das ebenfalls gelungene Titelbild, das aus dem Privatarchiv der Autorin stammt.
So ist "Im Lautlosen" eine gut geschilderte Geschichte zu einem wichtigen Thema, mit Charakteren, die berühren. Absolute Leseempfehlung.