Gut recherchierte, aber oft langatmig erzählte Geschichte
Das Geheimnis der Mona LisaBeate Rygiert thematisiert in ihrem Roman eine zwar nicht bewiesene, aber – wie sie im Nachwort darlegt – auf fundierten Annahmen begründete Theorie über die Geschichte des Gemäldes, das seit Jahrhunderten ...
Beate Rygiert thematisiert in ihrem Roman eine zwar nicht bewiesene, aber – wie sie im Nachwort darlegt – auf fundierten Annahmen begründete Theorie über die Geschichte des Gemäldes, das seit Jahrhunderten die Fantasie der Menschen beschäftigt. Sie erzählt diese Geschichte aus zwei Blickwinkeln, einmal aus dem Mon(n)a Lisas und einmal aus dem Leonardo da Vincis, und webt sie in die dramatische Historie um die Medici und ihre Epoche ein.
Das Titelbild kann gar nicht genug gelobt werden. Es hebt sich herrlich reduziert und stilvoll von dem unerträglich einfallslosen Einerlei der lieblosen „Frau-vor-Gebäude“-Titelbilder historischer Romane ab. Hier paßt alles – Farben, Schrift, Motive. Eine wahre Freude.
Der Roman beginnt in einem ausgezeichneten Erzähltempo mit dramatischen Ereignissen, welche die Leser gleich mitten in die Handlung ziehen und uns Lisa in der ganzen Dramatik ihres Schicksals präsentieren. Die Kapitel, in denen es um Lisa geht, halten dieses Erzähltempo größtenteils und können mit abwechslungsreichen Geschehnissen und einigen überraschenden Entwicklungen aufwarten. Die Sprache in den Dialogen war mir manchmal zu modern und riss mich aus dem Gefühl jener Zeit – hier hätten schon ein paar kleine Wortveränderungen eine Menge bewirkt, ohne die Sprache gekünstelt altertümlich wirken zu lassen.
Die Kapitel, die sich mit Leonardo befassen, sind wesentlich geruhsamer und haben wenig Handlung. Schon am Anfang werden die Leser hier mit Fakten überschüttet, so rasch und sachbuchartig, dass man sie gar nicht alle verarbeiten kann – viele davon sind interessant, gehen aber in der schieren Fülle unter. Wir lernen Leonardo als Mensch zwar ein wenig kennen, hauptsächlich aber ist er Stichwortgeber für Hintergrundinformationen, auch handeln sehr ausführliche Passagen davon, wie er zu diesem und jenem seiner Werke inspiriert wurde oder wie er bei seiner Arbeit vorging. Das ist an sich passend, aber in einer solchen Ausführlichkeit und Faktenlastigkeit bremst es die Romanhandlung aus und entfernt sich zudem von der eigentlichen Geschichte – bevor es wirklich um das Gemälde geht, ist schon mehr als die Hälfte des Romans vorbei. In einer Romanbiographie wäre solche Detailfreude angemessen gewesen, hier überlagert es die Romanhandlung und ist oft so langatmig, dass ich manchmal zum Abbruch des Buches neigte.
Die historische Recherche ist ausgezeichnet, zeugt von Hingabe, nur die Einbindung in die Geschichte fand ich manchmal nicht gelungen. Wiederholt wird Dialog-Infodumping betrieben, an einer Stelle hält Leonardo einen fast eine Seite langen Monolog, in dem er seinem Gegenüber diesem bekannte Fakten mitteilt und ihm weitere Fakten in der Art eines Kunstbucheintrags herunterrasselt. An einer anderen Stelle wird von Lisas Ehemann auf Leonardos Satz, ihr Kleid für das Gemälde solle so schlicht wie möglich sein, allerlei Modegeschichtliches heruntergebetet, was gleich aus mehreren Gründen nicht in den Dialog paßt und ein plumpes Einschieben von Fakten um ihrer selbst darstellt. Solche Passagen gab es öfter, dem stehen aber viele Stellen gegenüber, an welchen sich die Fakten gekonnt und elegant in die Geschichte einfügen.
Nachdem mich die erste Hälfte des Buches nur wenig überzeugte, konzentriert sich die zweite Hälfte mehr auf die eigentliche Handlung und überzeugt auch erzählerisch mehr. Einige Szenen haben mich gebannt lesen lassen und sowohl Lisa als auch ihr Ehemann entwickeln sich als Charaktere weiter und zeigen den Lesern interessante Facetten – ansonsten fand ich viele Charaktere leider eher blass und in einem Fall nicht ganz nachvollziehbar. Hier wird nun Lisas Leben ausgezeichnet mit den historischen Entwicklungen zusammengeführt, die Szenen sind wieder so lebendig wie am Anfang, man sieht die Bilder vor sich. Die Hintergründe und Umstände der Gemäldeentstehung sind nachvollziehbar geschildert. Das Ende hat eine für mich zu zuckrige Komponente, ist ansonsten aber ebenfalls nachvollziehbar und erfreulich realistisch.
Insgesamt ist die Idee hervorragend, hat die Geschichte viel Ungewöhnliches und Mitreißendes. Auch wenn der Schreibstil aus mehreren Gründen nicht ganz meinen Geschmack traf, habe ich gerade in Lisas Abschnitten viele farbig geschilderte Szenen erfreut gelesen und zudem durch das Buch viel Neues gelernt. Wenn das Erzähltempo etwas lebendiger, die faktenlastigen Passagen wesentlich kürzer gewesen wären und sich auf für die Geschichte Relevantes beschränkt hätten, hätte ich das Buch genossen. Wer eine geruhsamere Erzählweise schätzt und über da Vincis Arbeit und Denken Ausführliches erfahren möchte, wird hier einen guten Griff tun.