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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 01.11.2021

Ein visuelles Vergnügen mit anschaulichen Informationen

Little Book of Chanel
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Das kleinformatige Buch ist ansprechend und hochwertig gestaltet, der stabile Einband ganz im Chanelstil behalten, im Buch erfreuen zahlreiche Abbildungen auf ebenfalls hochwertigem, festem Papier. Es ...

Das kleinformatige Buch ist ansprechend und hochwertig gestaltet, der stabile Einband ganz im Chanelstil behalten, im Buch erfreuen zahlreiche Abbildungen auf ebenfalls hochwertigem, festem Papier. Es mutet schon fast wie ein kleiner Bildband an und auch die Vielfalt der Abbildungen ist gut gewählt. Alte und neue Fotos sowie prächtige Modezeichnungen, oft in Farbe. Ein optisches Vergnügen!

Der Text widmet sich zunächst dem Leben Coco Chanels. Insgesamt sind die Texte nicht sehr ausführlich - es ist immerhin das „little book“, ein reichhaltig illustrierter Überblick - , enthalten aber zahlreiche Informationen. Besonders interessant fand ich die Einblicke, wie Chanel vorging und warum die Marke so erfolgreich werden konnte. Dies wird auch anhand der Weiterentwicklung nach ihrem Tod gut erklärt, ebenso wie an den drei ikonenartigen Produkten Chanelkostüm, Chanel No. 5 und der Handtasche 2.55. Der Fokus des Buches liegt auf der Strategie, der Arbeitsweise, den kleinen Besonderheiten, welche die Marke ausmachen. Leben und Persönlichkeit Coco Chanels kommen hier ein wenig kurz, allerdings möchte das Buch auch keine Biographie sein, somit ist das für mich in Ordnung, nur einen Kritikpunkt gibt es: Coco Chanels bedenkliches Verhalten während des Zweiten Weltkrieges wird hier nicht nur knapp, sondern auch etwas verharmlosend abgehandelt. Das ist auch bei einem Büchlein, dessen Fokus eher auf dem Gesamtwerk, der Marke liegt, nicht akzeptabel.

Insgesamt aber erhält man hier auf wenig Raum viele Informationen, darunter nette Details (so rühren die Taschen im Chanelkostüm daher, daß die elegante Dame von Welt dort ihre Zigaretten aufbewahren sollte, und die Entwürfe von Schulterhandtasche und zweifarbigen Schuhen, welche zu Symbolen der Marke wurden, hatten überraschend bodenständige Gründe). Die Einblicke in die Strategien und Entwicklung dieser weltberühmten Marke sind aufschlußreich und werden unterhaltsam präsentiert. Zusammen mit der ansprechenden visuellen Gestaltung bietet das Buch einen gelungenen, für einen Überblick detaillierten Gesamteindruck, der beim Lesen Freude bereitet.

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Veröffentlicht am 10.10.2021

Gut recherchiert, im Romanteil ein wenig knapp geschildert

Annette von Droste-Hülshoff. Dichterin zwischen den Feuern
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Diese Romanbiographie über Annette von Droste-Hülshoff ist liebevoll und ansprechend gestaltet, auch die aussagekräftigen, originellen Kapitelüberschriften haben mir gut gefallen. Es wird beim Lesen schnell ...

Diese Romanbiographie über Annette von Droste-Hülshoff ist liebevoll und ansprechend gestaltet, auch die aussagekräftigen, originellen Kapitelüberschriften haben mir gut gefallen. Es wird beim Lesen schnell offensichtlich, daß sich diese Sorgfalt ebenfalls auf die Recherche erstreckt hat. Man erfährt im Buch zahlreiche detaillierte Fakten über Hülshoffs Leben und Umfeld.

Im - ausgezeichneten - Nachwort erwähnt die Autorin, sie hätte sich bei Verfassen der Romanbiographie um Zurückhaltung bemüht. Meiner Meinung nach hätte der Romanteil etwas weniger Zurückhaltung vertragen. Das Leben Hülshoffs wird in Vignetten erzählt, oft mit mehrjährigen Zeitsprüngen und teils recht abrupten Szenenwechseln/Kapitelenden. Diese Vignettenform hat zumindest mir nicht uneingeschränkt zugesagt, wobei aber auch eine große Rolle spielt, daß viele relevante Details nicht oder nur knapp erwähnt werden.
So wird mit einem Satz ein junger Mann erwähnt, ist zwei Seiten späten schon der Liebste Annette von Droste-Hülshoffs, ohne daß der Leser ihn auch nur ansatzweise kennenlernen kann. Der Beginn einer Freundschaft wird detailliert beschrieben, dann verschwindet diese Freundin jahrelang ohne Erwähnung, taucht indirekt wieder auf, als ihr Sohn in Annettes Leben tritt, kurz danach erfahren wir (auch indirekt) vom Tod der Freundin durch einen Satz des Sohnes. Annettes Reaktion bleibt unerwähnt. Ebenso beim Tod ihres Vaters, welcher sie laut Nachwort emotional sehr belastete. Im Romanteil ist dieser Tod eine knappe Bemerkung, verbunden mit den dadurch verbundenen praktischen Fragen. Emotionale Reaktionen finden keinerlei Erwähnung. Von der Entzweiung mit einer Freundin erfahren wir ebenfalls nur knapp im Nachhinein, während kurz zuvor noch eine etwas banale Begegnung der beiden geschildert wird. Diese für mich distanzierte Gewichtung fand sich oft im Buch. Es gibt ausführlich geschilderte - sich thematisch teils wiederholende - Unterhaltungen, die manchmal ein wenig nichtssagend wirken, während monumentale, emotionale Lebensmomente im Vorbeigehen und Nachhinein erwähnt werden. So blieben Hülshoff und ihr Umfeld mir oft fremd und bei mancher Nebenbemerkung dachte ich mir, welch interessante Szene das abgegeben hätte. Es finden sich aber auch schön und bildhaft geschilderte Szenen, lobenswert ist zudem die Verwendung von Originaltexten (Briefe, Gedichte). Die unüberschaubare Verwandtschaft führt gerade am Anfang häufig zu Verwirrung (nicht nur beim Leser, auch bei Annette und ihrer Schwester selbst!), so daß die gelegentlichen Einschübe „die Großmutter“, „die Tante“, „der Onkel“, etc. hilfreich und willkommen waren.

Ein Personenverzeichnis im hinteren Teil half hier ebenfalls weiter, überhaupt ist der Anhang erfreulich. Hier findet sich das schon erwähnte Nachwort (welches häufig Fragen klären mußte, die im Romanteil nicht ausreichend dargelegt wurden), ein Bildteil, ein Glossar, eine Ortsliste und weitere hilfreiche Informationen. Hier bleiben keine Wünsche offen.

Auch wenn mich der Romanteil nicht gänzlich überzeugte und es ohne den Anhang keine vier Sterne geworden wären, habe ich aus dem Buch viel über Annette von Droste-Hülfshoffs Leben erfahren, in einigen Szenen sehr mitgefühlt und mich an der Sorgfalt von Gestaltung und Anhang erfreut.

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Veröffentlicht am 30.09.2021

Hier stimmt einfach alles!

Meditative Wanderungen Oberschwaben und Bodensee
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Dieser Wanderführer ist eine Freude! Schon auf den ersten Blick hat mich die ansprechende Gestaltung - im handlichen Format - begeistert. In der vorderen Einbandklappe befindet sich eine übersichtliche ...

Dieser Wanderführer ist eine Freude! Schon auf den ersten Blick hat mich die ansprechende Gestaltung - im handlichen Format - begeistert. In der vorderen Einbandklappe befindet sich eine übersichtliche Karte der Gegend, auf der man mit einem Blick sehen kann, wo jede der beschriebenen Wanderungen stattfindet, eine Liste der Wanderungen mit jeweiliger Seitenangabe findet sich ebenfalls auf der Karte, so daß man von dieser aus direkt zu der Wanderung blättern kann, die einen von der Lage her am meisten interessiert. Das habe ich so praktisch, mit Seitenangabe direkt auf der Karte, bisher noch nicht gesehen. Die Wanderungen sind gut in der Gegend verteilt.

Auf der ersten Seite jeder Wanderungsbeschreibung finden sich - schön übersichtlich in einem farbig unterlegten Streifen - die relevanten Angaben wie Länge, Dauer, Höhenunterschiede, Parkplatz, öffentliche Verkehrsmittel, Wanderrouten, Webseiten und Einkehrmöglichkeiten. Das einzige, was ich mir noch gewünscht hätte, war ein Höhenprofil, da aber überwiegend keine großen Höhenunterschiede vorkamen, geht es natürlich auch so.

Jede Wanderbeschreibung verfügt über zahlreiche qualitativ exzellente Farbfotos, auch das Papier des Buches ist hochwertig. Ich habe mich immer wieder an der visuellen Gestaltung gefreut! Aber auch der Inhalt ist absolut lohnend. Der Fokus liegt auf Kirchen, Klöstern und Kapellen, ebenso wie auf besonders schöner Natur, herrlichen Ausblicken, Schlössern oder anderen interessanten Bauwerken. Selbst wer sich weniger für die religiösen Gebäude interessiert, wird in diesem Wanderführer lohnende Strecken finden. Da ich mich für alles Genannte interessiere, war es eine angenehme Mischung. Ich habe in dieser mir eigentlich vertrauten Gegend sofort mehrere Strecken entdeckt, die ich unbedingt aufprobieren möchte. Besonders hat mir gefallen, daß der Autor - der ohnehin in einem erfreulichen Stil schreibt - historische Hintergrundinformationen, Anekdoten oder Sagen in Kursiveinschüben berichtet. Solche Informationen lese ich immer ausgesprochen gerne und in manchen Wanderführern kommen sie zu kurz. Da der Autor zudem auf übermäßiges „dann biegen wir hier ab und gehen Straße x entlang, bis wir dort überqueren und da abbiegen“ verzichtet, sondern sich auf die relevanten Wegbeschreibungen beschränkt, liest sich jede Wanderungsbeschreibung richtig angenehm - eine Mischung aus Beobachtungen, Beschreibungen und tollen Hintergrundinformationen. Hinweise auf Besonderheiten, die man vielleicht von selbst übersehen hätte, sind ebenfalls enthalten und willkommen. Auf jeder Wanderung gibt es einen Ort, für den der Autor eine Meditationsanregung mit einige Fragen eingeschoben hat. Wen - wie mich - dieser Aspekt nicht interessiert, kann diese Einschübe gut überlesen, sie sind angenehm dezent. Die Anregungen und Fragen passen gut zu dem jeweiligen Ort und ich kann mir vorstellen, daß jemand, der an solch meditativen Übungen interessiert ist, sowohl in den Orten wie auch den Fragen viel Anregung finden wird.

Und so macht dieser Wanderführer einfach alles richtig - eine visuelle Freude, alle relevanten Informationen sind enthalten, lassen aber Raum für unterhaltsame Texte mit originellen und interessanten Informationen und Beobachtungen. Die Strecken sind so gut ausgewählt und beschrieben, daß ich am liebsten gleich zum Bodensee fahren und die Wanderschuhe anziehen möchte. Rundum gelungen!

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Veröffentlicht am 28.09.2021

Eher eine TCM-Einführung

Frei von Angst durch die Heilung der Mitte
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Das Buch ist hochwertig gestaltet, sowohl vom Papier wie auch optisch - einige Bereiche haben farbig unterlegte Seiten, so daß man diese auch beim Durchblättern schnell finden und gleich erkennen kann, ...

Das Buch ist hochwertig gestaltet, sowohl vom Papier wie auch optisch - einige Bereiche haben farbig unterlegte Seiten, so daß man diese auch beim Durchblättern schnell finden und gleich erkennen kann, welchem Thema sie sich widmen, auch an Illustrationen gibt es keinen Mangel. Allerdings waren Letztere für mich teilweise ein Schwachpunkt, dazu später mehr. Vom Buchsatz her ist alles übersichtlich und klar. Wichtige Tips sind auf der Einklappung des hinteren Einbands zusammengefaßt - eine sinnvolle Idee. Der Gesamteindruck ist also ansprechend und gelungen.

Auch vom Schreibstil her ist das Buch prinzipiell erfreulich. Georg Weidinger schreibt eingängig und verständlich - manchmal für meinen Geschmack zu simplifiziert und teilweise wiederholend. Es liest sich angenehm und es gibt gute Formulierungen, die teilweise mir Bekanntes treffend ausdrücken und mir Neues gelungen vermitteln. Im Vorwort wird der Aufbau des Buches und die ihm zugrunde liegenden Prinzipien gelungen vermittelt. Hier erwähnt der Autor auch, daß seine Zeichnungen "künstlerisch von fraglichem Wert" sind, zur Visualisierung dienen und auch ein Lächeln ins Gesicht zaubern sollen. Das ist charmant formuliert und ein wenig visuelle Auflockerung kann einem Sachbuch - besonders, wenn es ein so ernstes Thema behandelt - guttun. Meinem persönlichen Geschmack entsprachen die Bilder nicht, was aber letztlich nicht so wichtig ist. Allerdings waren es viel zu viele dieser Zeichnungen, oft völlig unnötig und in ihrer Häufigkeit und Gestaltung eher ablenkend und irritierend. Mir kam es häufig wie Seitenzahl-Aufpolsterung vor. Gerade die Zeichnung, welche die Prinzipien der TCM illustriert, wird ständig ziemlich groß wiederholt. Bei den Zeichnungen wäre weniger mehr gewesen.

Der Autor erklärt sein Prinzip, sowohl auf westliche wie auf östliche Medizin zu bauen, die einzelnen Komponenten komplementär zu benutzen. Das gefällt mir sehr gut und war auch der Aspekt, der mein Interesse für das Buch geweckt hat. Er weist auch deutlich darauf hin, wann man drastischere Maßnahmen ergreifen muß.

Der erste Abschnitt des Buches erklärt, wie Angst entsteht, wie sie zur Angststörung werden kann und was in Gehirn und Körper vorgeht. Das ist gut erklärt, auch wenn es jenen, die sich mit dem Thema schon ein wenig beschäftigt haben, nichts Neues offenbaren wird und ein wenig an der Oberfläche bleibt. Die Möglichkeiten der Schulmedizin werden ebenfalls recht knapp und oberflächlich dargelegt. Gut fand ich die Vorstellung verschiedener Heilpflanzen - auch wenn die Information zur Zulässigkeit von Kava-Kava in Deutschland falsch ist, weil sie den 2019 erfolgten Widerruf der Zulassungen nicht erwähnt. Bei einem 2021 erschienenen Buch, daß diesem Thema explizit Raum widmet, fand ich das seltsam.

Danach widmet sich der Autor sehr ausführlich der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) - dies nimmt die Hälfte des Buches ein. Das Prinzip wird zunächst detailreich dargelegt - wesentlich ausführlicher als die Erklärungen zur Angst. Diese Gewichtung finde ich nicht gelungen. Um die relevanten Grundprinzipien zu erklären, hätte es wesentlich weniger Raum (und weniger Wiederholungen) gebraucht. Dies ist einer meiner Hauptkritikpunkte am Buch. Ich habe recht wenig Neues über Angst und ihre Behandlung erfahren, dafür viel zu viel über TCM. Hinzu kam, daß mir die Erklärungen der TCM etwas abstrus vorkamen und leider nicht erwähnt wurde, worauf diese Meinungen beruhen. (Eine genauere Internetrecherche zeigte dann, daß es keinerlei wissenschaftliche Basis für TCM gibt). Erklärungen wie "In jedem Organ lebt ein Geist. Das Organ ist sein Zuhause. Dabei ist das Organ aus der Substanz Yin aufgebaut. Am liebsten liegen die Geister in der Badewanne. Ist diese mit Blut vollgefüllt, fühlen sich die Geister am allerwohlsten" und die Behauptung, die Niere würde sich unwohl fühlen, wenn man nicht warm frühstücke, wodurch Ängste entstehen, sind mir persönlich zu wenig nachvollziehbar, auch wenn die TCM durchaus ihre Vorteile haben mag (meine Erfahrungen mit Akupunktur sind ausgezeichnet). Letztlich entsprechend die Ratschläge, die der Autor aus der TCM zieht, bis auf einige für mich nicht nachvollziehbare Punkte, denen eines allgemein gesunden, achtsamen Lebensstils. Das wäre auch mit einer erheblich knapperen TCM-Einführung und weniger wiederholenden Abschnitten über in Blutwannen sitzende Geister vermittelbar gewesen.

Letztlich muß ich sagen, daß ich für mich aus dem Buch nur wenige Erkenntnisse ziehen konnte. Gerade die Empfehlungen für die "Heilung der Mitte" entsprechen überwiegend ohnehin meinem Lebensstil und hatten für mich zu viel von Allgemeinplätzen. Allerdings ist das meine rein persönliche Erfahrung; es sind für viele Angstpatienten sicher hilfreiche Einsichten - hier hängt es sehr von der persönlichen Situation und bisherigen "Angstkarriere" ab. Ich hatte mir eine tiefgehendere Betrachtung erwartet, einige für mich neue und relevante Informationen, einige Alltagstips, vielleicht auch eine etwas psychologischere Betrachtung. Hinzu kommt, daß mir die Allgemeininformationen über TCM zu ausführlich und die über Angst und ihre Behandlung zu knapp waren. Wer mehr an TCM interessiert ist und zum Thema Angst noch nicht so viel gelesen und ausprobiert hat, wird hier aber sicher viele eingängig erklärte Informationen und Tips finden. Sinnvoll ist auch die vom Autor entwickelte Pyramide der Behandlungsformen, in der die einzelnen Komponenten aufeinander aufbauen und so eine Gesamtheit bilden, die durch einen achtsameren Lebensstil dazu führt, leichtere Angststörungen gut in den Griff zu bekommen.

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Veröffentlicht am 18.09.2021

Aufschlussreich und lebhaft, aber mit zu vielen Wiederholungen

Introvertiert - Die leise Revolution
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Linus Jonkmann widmet sich einem interessanten Thema, das allmählich ein wenig mehr Beachtung findet: Introvertierte in einer extrovertierten Welt, und er tut dies auf lebhafte, anekdotenreiche Weise. ...

Linus Jonkmann widmet sich einem interessanten Thema, das allmählich ein wenig mehr Beachtung findet: Introvertierte in einer extrovertierten Welt, und er tut dies auf lebhafte, anekdotenreiche Weise.

Beim ersten Blick auf das ziemlich kleinformatige Buch war ich von der Gestaltung eher enttäuscht, auch wenn der Einband angenehm reduziert ist und ein sehr passendes Motiv hat. Titelbild und Klappentext sind viel zu nah am Buchrücken, was wenig professionell wirkt. Innen ist es übersichtlich, aber nicht unbedingt ansprechend gestaltet – im Gesamten erwarte ich von einem guten Sachbuch neben einem relevanten Inhalt auch eine professionelle Gestaltung.

Der Autor beginnt direkt mit einer Anekdote und setzte damit den Ton für das Buch - fast jeder neue Abschnitt wird mit einer Anekdote eingeleitet. Dies ist eine gute Methode, eine persönliche Note in das Thema zu bringen und es aufzulockern. Bemerkenswert ist, wie offen der Autor über sich selbst, seine Erfahrungen und auch Rückschläge berichtet. Das macht sympathisch und schafft auch eine Verbindung, sicher jeder Introvertierte wird beim Lesen viele „Ja, das kenne ich!“-Momente erleben. Der Schreibstil ist betont locker, mit zahlreichen Verweisen auf Populärkultur. Letzteres war mir manchmal zu viel, ich hätte zudem mehr Beispiele aus dem Geschäftsleben vorgezogen, das ist aber reine Geschmackssache.

Die Übersetzung liest sich größtenteils ebenfalls flüssig, aber ziemlich häufig wurden Ausdrücke verwendet, die es im Deutschen so nicht gibt und die mir oft dem Englischen entnommen zu sein scheinen. Es holperte doch an mehreren Stellen bei der Übersetzung, so war ich etwas verwundert, daß Johnkman seinen Großvater als „handlich“ bezeichnet, bis der Zusammenhang darauf hinwies, daß es eventuell „handwerklich begabt“ sein könnte. Mehr Sorgfalt beim Übersetzen und Korrekturlesen wäre wünschenswert gewesen. Lobenswert sind dafür manche Fußnoten, die Verweise und Bedeutungen erklären, die dem deutschen Leser vielleicht nicht so bekannt sind wie dem schwedischen Leser. Auch was Marken- und Ortsnamen, sowie Verweise auf Personen angeht, scheint die Übersetzung sich zu bemühen, den Bezug zu Deutschland zu schaffen. Das ist manchmal gelungen, manchmal wirkt es übertrieben. Wenn der Schwede Jonkman sich laut Text als Eisbrecher in Berlin „für meinen Sprachfehler, den schwäbischen Dialekt“ entschuldigt, dann wirkt das irritierend. Hier sollte man dem Leser doch mehr zutrauen und den entsprechenden schwedischen Akzent hinschreiben anstatt derart verkrampft und unstimmig zu lokalisieren. Auch grammatikalische Fehler stören den Lesefluß an mehreren Stellen.

Erfreulich sind die vielen Beispiele, wie sich Introversion äußert, welche Auswirkungen sie haben kann, welche Unterschiede zur Extroversion bestehen und zu welchen Missverständnissen es beim Zusammentreffen von Introvertierten und Extrovertierten kommen kann. Hier gab es vieles, das ich wiedererkannte, zahlreiche erhellende Momente. Linus Jonkman gelingt es hervorragend, ein facettenreiches, lebhaftes Bild der Introversion zu malen und dem Leser zu ermöglichen, sich selbst besser zu verstehen und auch erleichtert zu erkennen: „Das ist also gar nicht so unüblich.“ Gerade hier helfen die bereits erwähnten persönlichen Bezüge. Untermalt wird dies mit Studien und Hintergrundinformationen. Diese kamen mir ein wenig zu kurz, waren aber interessant und gut verständlich geschildert. Trocken wird das Buch nie. Ein ausführlicher Quellenabschnitt listet unter prägnanten Stichworten zahlreiche Studien und ihre Fundstellen auf. Das hat mir ausgezeichnet gefallen - es war übersichtlich und gab die Möglichkeit, nach weiteren Informationen zu suchen, wenn man zu einem Thema mehr wissen möchte.

Ein Punkt, der mich aber leider sehr gestört und mir das Lesevergnügen zunehmend geschwächt hat, waren die zahlreichen Wiederholungen. Manche Fakten erfahren wir vier oder fünf Mal und es gab Abschnitte, bei denen ich schon genau wußte, wie die nächsten Sätze lauten würde. Diese ständigen Wiederholungen waren störend und machten die Lektüre auch zunehmend langweilig, weil man bereits Gelesenes immer wieder präsentiert bekam. Eines von vielen Beispielen: Auf Seite 42: „Eine schwarze Frau weigerte sich, ihren Sitzplatz an einen Weißen abzugeben, wie es das Gesetz vorschrieb. Rosa Parks, wie die Frau genannt wurde, wurde zu einem Symbol der Veränderung, das das nächste Jahrzehnt durchdrang.“ Auf Seite 176: „Eine kleine, unscheinbare Dame namens Rosa Park entschied sich, der Norm zu trotzen. Sie weigerte sich, ihren Platz an einen Weißen abzugeben, obwohl das Gesetz sie dazu verpflichtete.“ Solche Wiederholungen kamen zu häufig vor, auch hat Jonkman die Angewohnheit, sieben Sätze zu schreiben, wo einer reichen würde (was interessant ist, da er immer wieder sehr hervorstellt, daß Introvertierte sich fundiert auf das Wesentliche beschränken, während Extrovertierte dazu neigen, viele Worte um wenig Inhalt zu machen). Das machte das Lesen für mich ziemlich anstrengend, das Buch machte auf mich oft den Eindruck eines überschwänglichen Redeschwalls.

Bedauerlich fand ich auch, daß Jonkman am Ende zwar empfiehlt, als Introvertierter über den eigenen Schatten zu springen und für gute Leistungen/Projekte auch die entsprechende Öffentlichkeit zu suchen, allerdings nicht erwähnt, wie man dies als Introvertierter gut machen kann. Nachdem er sehr ausführlich – und zutreffend – darüber berichtet, wie schädlich es sein kann, gegen die eigene Natur zu leben/arbeiten, wären einige Informationen dazu, wie er selbst diese Gratwanderung erfolgreich schaffte, erfreulich gewesen, es finden sich hier nur gelegentliche Nebenbemerkungen. Nun verspricht das Buch solche Hilfestellungen allerdings auch nicht, es geht darum, zu beschreiben, wie Introvertierte „ticken“, aber wer sein Buch mit einer solchen Aufforderung beendet, sollte diese dann nicht einfach in der Luft hängen lassen.

So muß ich leider sagen, daß mich das Buch nicht durchweg überzeugte. Wer eine lebhafte Beschreibung des introvertierten Wesens möchte und sich nicht an zahlreichen Wiederholungen stört, wird hier sehr viel Interessantes finden. Ich fand die erwähnten Mängelpunkte sehr störend, auch wenn ich immerhin viele aufschlußreiche Informationen aus dem Buch mitnehmen kann.

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