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Veröffentlicht am 16.10.2021

Eine toxische Schwesternbeziehung

SCHWEIG!
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Es ist der Tag vor Weihnachten und Esther möchte trotz familiären Vorweihnachtsstress ihrer Schwester Sue gerne ein Geschenk vorbeibringen. Diese lebt alleine in einem großen Haus mitten im Wald und repräsentiert ...

Es ist der Tag vor Weihnachten und Esther möchte trotz familiären Vorweihnachtsstress ihrer Schwester Sue gerne ein Geschenk vorbeibringen. Diese lebt alleine in einem großen Haus mitten im Wald und repräsentiert somit das komplett gegenteilige Leben als Esther. Ein Schneesturm setzt ein und die beiden Schwestern sitzen gemeinsam isoliert in dem Haus im Wald. Sie hatten noch nie das beste Verhältnis zueinander, wie kaputt die Beziehung ist wird aber erst an diesem Abend deutlich: Es kommen Sachen aus der Vergangenheit ans Licht, Unausgesprochenes wird sich an den Kopf geworfen, die Situation spitzt sich immer mehr zu – und am nicht jeder wird das Ende des Abends überleben…

„SCHWEIG!“ von Judith Merchant ist der zweite Thriller der Autorin beim Verlag „Kiepenheuer & Witsch“. Bereits das puristisch gehaltene Cover passt super zum Buch, die Mischung aus den Bäumen und Wurzeln kombiniert mit dem Titel ist absolut stimmig und durchdacht. Trotz der wenigen Farben gefällt es mir sehr gut und erregt Aufmerksamkeit.
Bereits der Einstieg in die Geschichte gestaltet sich interessant, da er sowohl Raum für Interpretation, als auch viele Fragen beim Leser hinterlässt. Sowieso ist das Buch sehr intelligent aufgebaut, die Konstruktion des Plotes sowie der Beziehungen der Figuren untereinander wirkt sehr durchdacht. Die Autorin schafft ein detailliertes Psychogramm der vorhandenen Familienkonstellation, welches sich dem Leser erst nach und nach erschließt. Dabei wird die Geschichte aus verschiedenen Perspektiven erzählt, welche alle in sich authentisch, stimmig und nachvollziehbar sind – sich aber gegenseitig ausschließen. Als Leser stehe ich permanent vor der Entscheidung, wem ich Glauben schenken und vertrauen soll, wer mich überhaupt sympathisch ist und was wohl die objektiv betrachtete Wahrheit ist. Eingestreute Kapitel aus der Kindheit der Schwestern geben nach und nach Einblick und Aufschluss über die Entwicklung der Charaktere. Dieser Aufbau und die unvereinbaren Erzählperspektiven sind der Autorin wirklich meisterhaft gelungen! Durch die sehr kurzen Kapitel und den flüssigen Schreibstil liest sich das Buch zudem sehr schnell und baut ein eigenes Tempo auf.

Ebenfalls meisterhaft versteht es Judith Merchant, eine düstere Atmosphäre mit unterschwelliger Spannung aufzubauen. Alles ist sehr undurchsichtig und niemand wirklich vertrauenswürdig, die Geschehnisse entwickeln eine eigene Dynamik und mich überkommt beim Lesen zunehmend das Gefühl, dass es noch zu einer Katastrophe, einem großen Knall kommen wird. Die unheilverkündende Grundspannung ist permanent vorhanden und steigert sich im Verlauf des „Abends“ immer weiter. Nach und nach kommt immer mehr Unausgesprochenes ans Licht und Esther und Sue schaukeln sich gegenseitig immer mehr hoch – auch für mich als Leser ein absolutes Wechselbad der Gefühle, meine Einstellung jeder Schwester gegenüber ändert sich nach jeder neuen Enthüllung erneut – ein hervorragendes Psychospiel wird hier konstruiert! Das Ende hingegen empfand ich einfach nur als krass, ich hätte so nicht damit gerechnet, fand es im Sinne eines „gruseligen Happy Ends“ aber absolut stimmig.

Insgesamt hat Judith Merchant in meinen Augen ein kunstvolles Psychogramm einer toxischen Schwesternbeziehung geschaffen, das mich sehr beeindruckt hat. Ich war gefesselt, abgeschreckt und fasziniert gleichzeitig. Das Buch ist spannend, unvorhersehbar und auf psychologischer Ebene brutal, wobei mir gerade dieser tiefe Blick in die gestörte menschliche Psyche gut gefallen hat. Ein tolles Buch für alle, die Psychothriller mögen – meine absolute Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 16.10.2021

Spannender Thriller mit aktuellem wissenschaftlichem Hintergrund

Probe 12
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Tom Morell ist verzweifelt: Seine Tochter Sylvie ist an einem der gefährlichsten multiresistenten Keime der Welt erkrankt, ihr Organismus droht zusammenzubrechen. Die Ärzte wissen nicht mehr weiter, keine ...

Tom Morell ist verzweifelt: Seine Tochter Sylvie ist an einem der gefährlichsten multiresistenten Keime der Welt erkrankt, ihr Organismus droht zusammenzubrechen. Die Ärzte wissen nicht mehr weiter, keine noch so aggressive Antibiotika-Therapie schlägt an, Sylvie gilt als austherapiert. Da erfährt Tom von der neuartigen Behandlungsmethode mittels Phagen, welche allerdings in Deutschland noch nicht zugelassen ist. Das Zentrum der Phagenforschung befindet sich derzeit in Georgien, wo Professor Anasias es sich zum Lebensziel gesetzt hat, Phagen gegen die zwölf antibiotikaresistentesten Keime zu entwickeln. Er steht kurz davor, seine Ergebnisse zu veröffentlichen, da wird ein tödlicher Anschlag auf ihn verübt. Seine Ziehtochter und Wissenschaftsjournalistin Nina Falkenberg forscht nach und findet heraus, dass es Anasias gelungen ist, Proben seiner Forschung in Sicherheit zu bringen. Tom und sie begegnen sich und entschließen sich zur Zusammenarbeit, doch auch unbekannte Mächte sind hinter den Phagen her – ein Wettlauf um die Zeit beginnt.

„Probe 12“ ist ein Gemeinschaftswerk der beiden Autorinnen Kathrin Lange und Susanne Thiele. Bereits die beruflichen Hintergründe der beiden Frauen versprechen einen authentischen und spannenden Roman, eine schreibt seit Jahren politische Thriller zu aktuellen Themen, die andere bringt als Mikrobiologin und Biochemikerin am Helmholtz-Institut für Infektionsforschung den Sachverstand zum wissenschaftlichen Teil des Buches mit – eine perfekte Kombination, die man als Leser dem Buch auf jeder Seite anmerkt: „Probe 12“ merkt man die aufwändige, intensive Recherchearbeit absolut an, welche auch am Ende des Buches durch einen wahnsinnig interessanten Faktencheck erläutert wird. Der wissenschaftliche Hintergrund wird auch für mich als Laien verständlich und nachvollziehbar erklärt, die unbekannten Begrifflichkeiten nach und nach eingeführt und in einem sinnvollen Kontext eingebaut. Zum Nachschlagen der häufigsten Fachbegriffe gibt es ein dreiseitiges Glossar im Anhang.

Das Buch selbst beinhaltet verschiedene Handlungsstränge, die teils parallel zueinander, teils ineinander verwoben ablaufen. Hierbei gibt es einen ständigen Wechsel zwischen den Innenperspektiven verschiedener Protagonisten. Hierdurch erfährt man als Leser schnell die verschiedenen Motive, Gefühle und Gedanken der jeweiligen Person und kann ihr Handeln nachvollziehen. Die Story an sich wirkt gut durchkonstruiert, gelegentliche Längen werden durch actionreiche Szenen ausgeglichen, in denen mehr passiert als ich aufnehmen konnte. Das Buch ist insgesamt sehr spannend und fesselnd zu lesen, es gibt unvorhersehbare Wendungen und man stellt sich als Leser zahlreiche Fragen, auf deren Beantwortung man hinfiebert. Lediglich manche Stellen erschienen mir persönlich etwas unlogisch bzw. unglaubwürdig und auch die „Bösen“ waren sehr klischeehaft. Gut gefallen haben mir hingegen die überraschende Auflösung und das offene Ende, das Raum für Spekulation lässt.

Am besten an „Probe 12“ gefallen hat mir jedoch das wahnsinnig spannende und faszinierende Thema an sich: Gerade durch Corona ist das Thema Gesundheit wieder sehr in den Fokus gerückt und den beiden Autorinnen ist der Bogen zu antibiotikaresistenten Keimen, deren Behandlungsmöglichkeiten sowie politischen Hintergründen und Bezügen sehr gut gelungen. Durch die wissenschaftliche Darstellung habe ich sehr viel gelernt und bin nun durchaus sensibilisiert, da die Geschichte durch eine beängstigende Realitätsnähe überzeugen konnte. So sehr, dass es teilweise schwer war, zwischen Fiktion und Realität zu unterscheiden. Auf jeden Fall ein Buch, dass zum Nachdenken anregt und einen nicht so schnell los lässt.

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Veröffentlicht am 10.10.2021

Frauen reden Klartext

Was wir lieben
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Die weibliche Sexualität ist ein Thema, das noch häufig sehr tabu- und schambehaftet ist. Die britische Autorin Lucy-Anne Holmes hat sich zum Ziel gesetzt, dem entgegenzuwirken und Frauen darüber zu Wort ...

Die weibliche Sexualität ist ein Thema, das noch häufig sehr tabu- und schambehaftet ist. Die britische Autorin Lucy-Anne Holmes hat sich zum Ziel gesetzt, dem entgegenzuwirken und Frauen darüber zu Wort kommen zu lassen, was sie beim Sex empfinden, wie sie darüber denken und was ihre Vorlieben sind.

Auf den ersten Blick wirkte das Buch leider etwas abschreckend auf mich, da der Klappentext – die Kurzbeschreibung von Frauen und ihrer Vorlieben – etwas nach Porno und somit nicht sehr ansprechend geklungen hat. Auch die Triggerwarnung – die leider eher kurz und versteckt auf der letzten Seite steht, lässt Befürchtungen aufsteigen. Diese Warnung gehört meiner Meinung nach an den Anfang des Buches und viel präsenter gestaltet, da ich mir gut vorstellen kann, dass das Buch bei anderen LeserInnen Wunden aufreißen kann. Glücklicherweise wird der eher negative erste Eindruck im Inhalt nicht bestätigt, ich befürchte aber all das in Kombination mit dem Verlag „Heyne Hardcore“ könnte auf viele LeserInnen abschreckend wirken.

Doch tatsächlich überzeugt das Buch insbesondere durch die große Empathie und Sensibilität, die die Autorin beim Interviewen der insgesamt 51* Frauen unterschiedlichster Länder, Kulturen, Hintergründe und Altersgruppen bewiesen hat, da diese ansonsten sicherlich nicht so offen und ungeschönt über ihr Sexualleben, aber auch ihre Erfahrungen der Vergangenheit, ihre Einstellungen, Emotionen und Fantasien berichtet hätten.

Das Buch ist in verschiedene Kapitel aufgeteilt, die jeweils ein Fokusthema aus unterschiedlichen Sichtweisen betrachten. Dabei steigt das Alter der interviewten Frauen mit Fortschritt des Buches weiter an, die jüngste Frau ist 19 Jahre alt, die älteste 74. Jede Geschichte umfasst zwei Seiten und wird begleitet von einem herausgegriffenen Zitat sowie einer Illustration. Durch diese klare Struktur hat sich das Buch super lesen und zum Nachdenken jederzeit unterbrechen lassen, ich habe es als wahnsinnig gut durchdacht empfunden. Außerdem hat mir gut gefallen, dass die Frauen mit Namen, Alter und Herkunftsland beschrieben werden, was das Buch noch persönlicher wirken lässt. So habe ich auch die teilweise abgehakt oder unvollständig wirkenden Sätze verziehen, da wohl nah am tatsächlichen Sprachgebrauch der Frauen im Interview geblieben werden sollte.

Für mich gab es unheimlich viele wahnsinnig interessante Aspekte auch außerhalb der Sexualität in diesem Buch. Einer davon war der kulturelle Unterschied, in verschiedenen Ländern sind die Sicht- und Umgangsweisen mit diesem Thema sehr verschieden, aber auch kontrovers. Des Weiteren fand ich faszinierend, wie sich die eigene Sexualität sowie die persönliche Einstellung dazu mit zunehmendem Alter verändern bzw. entwickeln, die Reflexion über das eigene Intimleben, aber auch das Selbstbewusstsein und Körpergefühl nimmt zu. Vor den zitierten Frauen im Buch habe ich höchsten Respekt, wie offen und ungeschönt sie ihre Erfahrungen mit dem sehr intimen Thema teilen und wie reflektiert sie damit umgehen hat auch mich des Öfteren ins Grübeln gebracht. Schön, dass auch Queer-/ Binär- / Transmenschen einbezogen werden. Ich kann mir gut vorstellen, dass die meisten LeserInnen sich auch an der ein oder anderen Stelle wiedererkennen. Für mich war es aber schockierend zu lesen, wie viele Frauen bereits mit Missbrauch und Gewalt konfrontiert wurden, teilweise schon im Kindesalter. Dies zieht sich auch durch alle Kulturen hindurch und hat mich wütend und betroffen gemacht – bei manchen Geschichten war ich so bewegt, dass ich das Buch erst einmal aus der Hand legen musste. Gerade bei diesen Geschichten hat mich die Offenheit und der Mut der Frauen sehr berührt und ich war voller Dankbarkeit und Bewunderung. Gegen Ende hin wurden die Geschichten teilweise etwas spirituell und esoterisch, womit ich persönlich nicht so viel anfangen kann. Insgesamt haben aber alle interviewten Frauen auf ganz persönliche Weise von sich erzählt, von ihren guten wie schlechten Erfahrungen, von Ängsten, Unsicherheiten, Schmerzen und Hoffnungen, von Liebe und Bedürfnissen – und alles in allem war das sehr bereichernd.

Ebenfalls erwähnenswert ist die wunderschöne optische Gestaltung des Buches, welche es zu etwas ganz Besonderem macht. Bereits das Cover wirkt durch seine knalligen, frischen Farben und die eher versteckten nackten Frauen verspielt, modern, provokant, frisch und frei. In meinen Augen ein gelungenes, da interessantes, freches Cover, das einen offenen Umgang mit dem Thema Sexualität verspricht. Aber auch die innen liegenden Illustrationen sind sehr schön und jeweils absolut treffend für die jeweilige Geschichte gestaltet. Es wurden KünsterInnen unterschiedlicher Stile, Herkunft und Sexualität einbezogen, so dass ein buntes Potpourri aus Bildern vorhanden ist, in dem jede/r ein für sich ansprechendes Werk vorfindet. Natürlich ist Kunst immer Geschmackssache, aber es ist toll zu sehen auf wie unterschiedliche, aber immer geschmackvolle Art und Weise sich KünstlerInnen mit dem Thema Sexualität auseinandersetzen. Auch schön fand ich, dass noch eine Information zum jeweiligen Herstellenden neben dem Bild steht.

Insgesamt hat mir „Was wir lieben“ sehr gut gefallen. Es ist ein Buch, das Mut macht und bewegt, es motiviert dazu, offen mit dem Thema der weiblichen Sexualität umzugehen, Neues zu wagen und Tabus zu brechen. Ein richtiges „Empowerment“-Buch für Frauen jedes Alters! In jeder Seite spürt man, wie viel Herzblut und Sensibilität die Autorin in das Buch gesteckt hat. Jede einzelne Geschichte des Buches hat ihre Berechtigung und war wichtig zu erwähnen - egal ob freudig, traurig, optimistisch oder nachdenklich. Ich bin jeder einzelnen Frau dankbar, dass sie uns so tiefe Einblicke in ihre Persönlichkeit und ihr Intimleben gegeben hat und habe jede einzelne Geschichte inkl. toller Illustration sehr genossen.

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Veröffentlicht am 15.09.2021

Szenen einer Ehe

Unter Freunden
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Floras Weltbild bricht zusammen, als sie eines Tages beim Aufräumen den lange verschollen geglaubten Ehering ihres Mannes Julian findet. Flora beginnt, ihr Ehe- und Familienleben zu hinterfragen und versucht ...

Floras Weltbild bricht zusammen, als sie eines Tages beim Aufräumen den lange verschollen geglaubten Ehering ihres Mannes Julian findet. Flora beginnt, ihr Ehe- und Familienleben zu hinterfragen und versucht herauszufinden, warum Julian den Ring so viele Jahre vor ihr versteckt gehalten hat. Doch auch ihre beste Freundin Margot scheint tiefer in das Geheimnis um den verschwundenen Ring verstrickt zu sein, als sie vorgibt.

„Unter Freunden“ beleuchtet scheinbar selbstverständliche Beziehungen zu Partnern, Kindern und Freunden genauer und wirbelt scheinbar eindeutig geklärte Verhältnisse komplett durcheinander. Trotz aufwühlender Geschehnisse ist das Buch in einem unaufgeregten, beinahe sachlich wirkenden Stil verfasst, liest sich aber dennoch flüssig. Die Wortwahl ist ansprechend und voller kleiner Weisheiten. Die Autorin spielt mit Perspektiven- und Zeitenwechseln, die allerdings manches Mal etwas plötzlich kommen und aus dem Lesefluss reißen. Prinzipiell finde ich es aber interessant in die Sichtweisen der verschieden Frauen einzutauchen, hätte mir aber auch noch das ein oder andere Kapitel aus Männersicht gewünscht, da diese für mich so blass blieben. Leider ist auch an manchen Stellen die Übersetzung aus dem Englischen nicht ganz so gut gelungen und durch seltsam anmutende Ausdrücke und viele Sätze mit Bindestrichen deutlich als solche erkennbar.
Die Geschichte an sich ist interessant, plätschert an vielen Stellen aber vor sich hin. Der große Knall mit dem gefundenen Ring und seiner Geschichte entlädt sich schon relativ früh und es wird viel Raum für Floras Gedanken, (Selbst-)Reflektionen und Konsequenzen daraus gegeben. Das hat das Buch an manchen Stellen etwas langatmig werden lassen. Die Autorin schildert viele alltägliche Begebenheiten, mit denen man sich als Leser gut identifizieren kann – positive wie negative. Besonders fasziniert hat mich das besondere Setting des Buches, welches in der Welt der Theater und Schauspielerwelt angesiedelt ist. Diesen künstlerischen Aspekt, der noch dazu den Unterschied der Szenen an Amerikas Ost- und Westküste darlegt, fand ich sehr interessant! Insgesamt legt das Buch den Fokus auf die einzelnen Persönlichkeiten und ihre Beziehungen zueinander. Dabei gab es einige berührende und schöne Geschichten, aber auch unverständlich und konstruiert wirkende. Der Selbstreflektion der Figuren werden viele Seiten gewidmet, was mir persönlich manches Mal zu viel war. Insbesondere Flora wird ausgiebig betrachtet und jeder noch so kleine Aspekt von allen Seiten behandelt. Das unaufgeregte Ende wiederum passt gut zum Rest des Buches und bleibt in Teilen offen, da keine klaren Verhältnisse geschaffen werden, der Leser sich dafür aber eigene Gedanken zum weiteren Fortschreiten der einzelnen zwischenmenschlichen Beziehungen machen kann.

Insgesamt fand ich „Unter Freunden“ eine nette Lektüre, die mich aber leider nicht komplett überzeugen konnte. Ich war einfach nicht gefesselt und hatte kein besonderes Verlangen danach, die Geschichte weiter zu lesen. Ich hätte mir mehr Spannung und Emotionen gewünscht. Dennoch war es interessant, Floras Schauspielwelt mit all den dort vorkommenden zwischenmenschlichen Beziehungen kennenzulernen und zu hinterfragen.

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Veröffentlicht am 09.09.2021

Eine außergewöhnliche, punkige Protagonistin und eine sehr interessante Story

Tote schweigen nie
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Cassie Raven arbeitet als Sektionsassistentin in der Leichenhalle, schon immer hat sie eine besondere Bindung zu den Toten. Dies zusammen mit ihrer punkigen Gothik-Optik lässt sie auf andere oftmals bizarr ...

Cassie Raven arbeitet als Sektionsassistentin in der Leichenhalle, schon immer hat sie eine besondere Bindung zu den Toten. Dies zusammen mit ihrer punkigen Gothik-Optik lässt sie auf andere oftmals bizarr wirken, dabei hat Cassie ein großes Herz und behandelt die ihr anvertrauten Toten mit größter Sorgfalt und Respekt. Als rechte Hand der Pathologen hat sie bereits viele Sektionen hinter sich, doch dann landet jemand auf ihrem Tisch, der ihr etwas bedeutet hat: Ihre frühere Lehrerin und Mentorin Miss Edwards, die maßgeblich dazu beigetragen hat, dass Cassie als Jugendliche nicht abgerutscht ist. Angeblich ist sie eines natürlichen Todes gestorben, indem sie in der Badewanne ertrunken ist. Doch Cassie glaubt nicht an die Theorie, die so gar nicht zu dem Menschen passt, den sie kennengelernt hat. Und der Körper der Toten sagt ihr ebenfalls etwas anderes…
„Tote schweigen nie“ ist A.K. erstes Buch mit der Sektionsassistentin Cassie Raven in der Hauptrolle – und ich hoffe sehr, nicht ihr letztes! Bereits die Optik des Buches überzeugt, der Einband ist perforiert und wirkt hochwertig. Die gelb-grüne Farbgebung auf schwarzem Grund gefällt mir sehr gut und auch die dezent abgebildeten Blumen sind hübsch. Passend zum Buch gibt es nur wenige Indizien in Form von Blutflecken, die dezent auf das Genre des Buches hinweisen – ein absolut passendes und wie ich finde ansprechendes Äußeres!
Der Großteil des Buches wird aus Sicht von Cassie geschrieben. Diese Kapitel verfügen sowohl über anschauliche Beschreibungen, als auch tiefe Gedankengänge, kombinierte Schlussfolgerungen und Emotionen – ein unheimlich abwechslungsreicher Schreibstil. Das Buch lässt sich somit sehr flüssig lesen und ich bin schier durch die Seiten geflogen. Eingeschobene Kapitel über DS Flyte haben mich zunächst überrascht, im Laufe des Buches erschienen sie aber in immer kürzeren Abständen und haben somit die Perspektive des Lesers gut gelenkt – ich fand sie an jeder Stelle absolut passend eingebaut und haben mir nicht nur die Ermittlerin näher gebracht, sondern auch interessante Einblicke aus der Polizeiarbeit. Somit hatte das Buch eine perfekte Mischung aus eher objektivem Faktenwissen und der sehr persönlichen Perspektive von Cassie.
Ich hatte zudem das Gefühl, dass für das Buch sehr intensiv recherchiert und viele Gespräche mit Sektionsassistenten, Pathologen, Kriminalisten und Juristen geführt wurden, um nachvollziehbare und plausible Schlussfolgerungen zuzulassen und möglichst nah an der Realität zu bleiben. Gerade die medizinischen Aspekte waren somit auch für mich als Laien verständlich und erschienen mir authentisch.
Mit Cassie Raven als punkiger Protagonistin ist A.K. Turner ein absolutes Meisterstück gelungen! Selten habe ich in einem Buch so eine schillernde, kontroverse aber dabei absolut liebenswürdige Figur vorgefunden! Sie mag etwas skurril sein und sich teilweise seltsam verhalten, aber ihre Beweggründe und Gedanken werden so nachvollziehbar geschildert, dass sie einen trotz ihrer Ecken und Kanten ans Herz wachsen muss. Insbesondere ihre emotionale Seite und vor allem ihre hohen moralischen Werte dem menschlichen Leben gegenüber haben mir wahnsinnig imponiert. Ich möchte unbedingt mehr von ihr lesen! Aber auch die Nebenfiguren wie Babcia, Miss E, Carl, aber auch die Antagonisten konnten überzeugen. Authentisch geschildert war hier insbesondere die Entwicklung von DS Flyte – eine Figur, die polarisiert und auch mich als Leser ständig schwanken lässt, ob ich sie nun mag oder nicht.
Insgesamt fand ich sowohl den Fall mit seinen unvorhergesehenen Wendungen, den Einblick in die pathologische Arbeit, die Figuren insgesamt und Cassie im Besonderen absolut großartig. Sehr gerne möchte ich noch mehr von dieser besonderen Protagonistin lesen.

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